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Blut der Götter – bei diesem Titel erwartet man einen Highfantasy-Roman voller Schlachten, Götter, Mord und Intrigen. All dies bekommt der Leser geboten, aber irgendwie ist doch alles ganz anders …

Story

Wer sich Schilderungen brutaler Schlachten erhofft, der kann das Buch direkt wieder zur Seite legen. Zwar werden Schlachten beschrieben, allerdings machen sie einen kaum nennenswerten Bruchteil der Handlung aus. Besser steht es da um Mord. Auf beinahe jeder zehnten Seite findet eine arme Kreatur ihr Ende. Zimperlich geht der Autor dabei nicht vor, auch wenn der Akt des Tötens in den wenigsten Fällen beschrieben wird. Doch fangen wir beim Beginn der Story an:

Handlungsschauplatz ist die Stadt Arades, die Hauptstadt der Neun Provinzen, einem Zusammenschluss aus neun Städten. Zu Beginn der Handlung wird Arades noch von Fürst Alexandru regiert. Das Leben in der Stadt ist ruhig, bis eines Tages Fremde im Hafen anlegen, die behaupten, von jenseits des Meeres zu stammen. Die ganze Stadt ist in Aufruhr. Von jenseits des Meeres? Das kann nicht sein! Jenseits des Meeres lebt nur den Götterfresser Satris! Die Fremden, die sich selbst als Schilves bezeichnen, ziehen auch den Straßenjungen Nikola in ihren Bann. Es ereignet sich eine Verkettung und Überschlagung von Ereignissen, aus denen auch die Fürstenfamilie nicht schadlos davonkommt. Letztlich werden die Fremden auf brutalste Art und Weise als Ketzer hingerichtet, doch einige konnten fliehen …

26 Jahre später setzt die Geschichte wieder an. Inzwischen ist Fürst Alexandru verstorben und sein Sohn Katalin leitet die Geschicke des Landes. Aus dem Straßenjungen Nikola ist ein Puhler geworden, eine Art Eintreiber der Gerechtigkeit mit Schlagstock. Doch durch seine Spielsucht verliert er meist alles, was er verdient. Das Leben in der Stadt plätschert so dahin, doch ausgerechnet zum Frühjahrsfest soll sich alles ändern, denn die Schilves sind zurück, und mit ihnen nimmt eine unerklärliche Mordserie innerhalb der Stadt ihren Anfang.

Ich würde nun gerne schreiben: „Die Story ist gut durchdacht und verfolgt einen klar ersichtlichen roten Faden“, doch leider wäre das gelogen. Wohl gibt es eine Grundhandlung, die den gesamten Roman durchzieht, allerdings ist ein klarer roter Faden nur schwer zu finden. Ständig entstehen neue Handlungsstränge, die entweder gar nicht oder nur sehr mäßig weitergeführt werden. Manche Stränge werden auf den ersten 50 Seiten des Romans eröffnet, doch erst auf Seite 550 wieder aufgegriffen, und das auch nur in einem eher unbefriedigenden, eilig wirkenden Abschluss. Diese Tatsache sorgt dafür, dass der Roman im Gesamten recht langatmig wirkt. Zwar wurde mir beim Lesen nicht langweilig, eine Verkürzung mancher Ereignisse hätte ich mir allerdings gewünscht. Dadurch hätte man einige Handlungen auch besser nachvollziehen können.

Ebenfalls sehr störend war es, dass einige Charaktere von einem Satz auf den nächsten einfach sterben ‒ oder nicht sterben, und der Leser nicht erfährt, was denn nun eigentlich Sache ist. Oder dass das Ende des Romans sehr abrupt kommt und ein wenig so wirkt, als müsse der Autor auf den letzten 20 Seiten noch schnell alle angefangenen Handlungsstränge irgendwie zu Ende führen – leider nicht immer sehr erfolgreich.

Die Darstellung der Charaktere ist mal besser, mal schlechter gelungen. Besonders Fürst Katalin wirkt in seiner Beschreibung sehr ambivalent und nicht gefestigt. Er verkörpert zwar den unsicheren Sohn eines großen Herrschers, der selbst nach dem Tod seines Vaters noch versucht, in dessen Augen würdig zu sein, zerstört dieses Bild jedoch durch gelegentliche, unpassende Charakterumschwünge. Lediglich Nikola erlebt eine Entwicklung, die man als Leser noch ganz gut nachvollziehen kann.

Ein allgegenwärtiges Motiv des Romans ist die Religion. Die Aradeken haben viele verschiedene Götter für jede Gelegenheit, ähnlich den griechischen und römischen Göttern. Alleine für den Tod gibt es vier verschiedene Gottheiten: einen für den natürlichen Tod, einen für den gewaltsamen Tod, einen für den Tod großer Gruppen und einen, den man bei jeglicher Art von Todesfall anrufen kann. So ist es sehr passend, dass Nikola und der Schilves Sayme eine brutale Mordserie aufzuklären haben, bei der sie immer wieder mit einem der Todesgötter in Berührung kommen. Besonders wichtig für die Handlung und schön zu lesen ist die Entstehungsgeschichte der Menschheit.

Alles in allem ist die Story spannend zu lesen und es entsteht der Eindruck einer Geschichte, die innerhalb von ein paar Wochen abläuft. Große Zeitsprünge, von den 26 Jahren zu Beginn einmal abgesehen, kommen nicht vor. Allerdings weist die Geschichte in ihrer Erzählung und Charakterdarstellung Mängel auf, die das Gesamtbild stören.

Schreibstil

Karl-Heinz Witzko hat im Großen und Ganzen eine sehr angenehme Art zu schreiben. Er verzichtet auf unnötig hochgestochene Begriffe und nutzt für jede Gesellschaftsschicht eine Sprache, die sich insbesondere durch ihre je eigene Melodie auszeichnet. Während des Lesens entstanden Bilder in meinem Kopf, was immer ein Zeichen guten Schreibstils ist. Durch die einfache Sprache und die Bildlichkeit der Worte ist der Roman flüssig zu lesen und eignet sich auch als Abendlektüre.

Ein großes Manko: In den ersten Kapiteln ist es für den Leser absolut unersichtlich, um wen es in dieser Geschichte eigentlich geht: Um Nikola, den Straßenjungen, um Katalin, den Fürstensohn, den Schilves Sayme oder doch jemand ganz anderen? Das Problem liegt in der Erzählweise des Autors. Jeder Absatz wird aus der Sicht einer anderen Person beschrieben. Zu Beginn bedeutet dies für den Leser: Alle 20 bis 30 Seiten lernt er einen neuen Charakter kennen und weiß nicht, ob er sich diesen nun genau einprägen sollte oder nicht, da manche Personen nur einen sehr kurzen Auftritt haben. Wer der eigentliche Protagonist des Romans ist, wird erst am Ende der 600-seitigen Geschichte klarer. Augenscheinlich ist es der sippenlose Nikola.

Der ständige Wechsel der Erzählperspektive sorgt dafür, dass der Leser zu Beginn eines neuen Absatzes schnell den Überblick verliert. War man gerade noch bei Nikola und verfolgte seine Gedanken, so findet man sich im nächsten Absatz bei Katalin wieder und ist mitten in einer Kriegsratsitzung. Für die Geschichte ist es zwar wichtig, gewisse Aspekte aus der Sicht einer speziellen Person mitzuerleben, für den Leser ist es allerdings sehr anstrengend zu verfolgen.

Der Autor

Karl-Heinz Witzko machte sich erstmals mit seinen Romanen und Abenteuern zu Das Schwarze Auge einen Namen. Seine redaktionelle Mitarbeit an DSA begann bereits 1984, doch erst ab 1996 veröffentlichte er, im Abstand weniger Jahre, einen DSA-Roman nach dem nächsten. 2004 schrieb er unter dem Pseudonym Magus Magellan, in Zusammenarbeit mit anderen Autoren, Bücher über die Gezeitenwelt und verließ damit sein gewohntes Umfeld. Sein Genre: Fantasy in all ihren Facetten – ob nun humoristisch angehaucht, wie sein größter Erfolg Die Kobolde, oder als einziges Abenteuer. Blut der Götter ist laut Piper allerdings sein erster Ausflug in die epische Fantasy, was auch immer man darunter verstehen möchte.

Der inzwischen 63-jährige Autor wurde am 2. Juli 1953 in Stuttgart geboren. Nach seinem Studium der Statistik, Volkswirtschaftslehre und Soziologie arbeitete er bis in die 1980er-Jahre als Wissenschaftler in der medizinischen Forschung. Heute lebt er in der Nähe von Bremen und arbeitet zusammen mit Bernhard Hennen, Hadmar von Wieser und Thomas Finn an weiteren Romanen rund um die fantastische Gezeitenwelt.

Preis-/Leistungsverhältnis

16,99 EUR ist für einen 600-seitigen Roman durchaus angemessen, wenn für ein Softcover auch schon etwas hoch angesetzt. Der Buchrücken hat nach dem Lesen einige Knicke abbekommen, hält die Seiten aber immer noch einwandfrei zusammen. Sehr schön, wenn auch überflüssig, ist der ausklappbare Umschlag, in dessen Innenseiten die Fenster des Thronsaals vom Cover noch einmal aufgegriffen werden. Die Geschichte ist solide und der Schreibstil gut, so dass ich den Preis als in Ordnung ansehe.

Erscheinungsbild

blut-der-goetter-rezension-piper-fantasy-coverDas Cover des Romans vermittelt beim Ansehen eine düstere, bedrohliche Atmosphäre. Zu sehen ist ein Saal mit einem Säulengang, in dessen Mitte, durch ein paar Stufen emporgehoben, ein Thron steht. Durch die bodentiefen, verzierten Fenster fällt Licht, und vom Thron herab, auf den Betrachter zuführend, verläuft eine breite Blutspur, die in den roten Teppich mündet. Bis auf das Blut wurde das gesamte Cover in dunklen Farben gehalten.

Der Roman hat ein Standard-DIN-A5-Format und ist, wie bereits erwähnt, im Softcover erschienen. Das Papier ist recht holzig, aber angenehm. Besonders praktisch ist das Glossar, das auf den letzten Seiten des Buchs zu finden ist. Dort werden noch einmal wichtige Personen, Götter und Sippen aufgelistet.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Piper
  • Autor(en): Karl-Heinz Witzko
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch A5
  • Seitenanzahl: 624
  • ISBN: 978-3-492-70319-2
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Ist nicht vorhanden.

Fazit

Alles in allem ist Blut der Götter kein schlechtes Buch. Die Story an sich ist spannend und durchaus interessant, allerdings hätten es weniger Seiten und eine komprimiertere Handlung auch getan. So hat der Leser Schwierigkeiten, einen roten Faden zu finden und diesen auch zu verfolgen. Eine wirkliche Haupthandlung glaube ich in der Aufklärung der Mordserie gefunden zu haben. Erschwerend kommen noch die ständigen Personen- und Ortssprünge hinzu. Die Darstellung der Charaktere ist recht durchwachsen, während einige glaubhafte Motive verfolgen, wundert man sich bei anderen über ihre Handlungen. Durch seine einfache und bildliche Sprache ist der Schreibstil sehr angenehm zu lesen. Einzig der ständige Wechsel der Charakterinnensicht und Handlungsorte stört den Lesefluss.

Besonders schön ist die Ausarbeitung der jeweiligen Götter, über die man in der Geschichte nach und nach immer mehr erfährt. Auch die detaillierte Beschreibung der Entstehungsgeschichte der Menschheit erfüllt den Roman mit Leben und sorgt für gute Unterhaltung.

Für dieses Buch lässt sich schwer eine Empfehlung in eine bestimmte Richtung aussprechen. Einerseits ist Spannung vorhanden, andererseits ist der Roman in seiner Handlung etwas langatmig. Schlachten werden erwähnt bzw. kurz angeschnitten, aber nicht richtig ausgeführt. Blut der Götter hat etwas von einem Krimi/Thriller in einem Fantasy-Setting. Es ist durchaus lesenswert, hat aber seine Schwächen.

Daumen3weiblichNeu

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbild: Piper Fantasy
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

1 Kommentar

  1. Ich fand den Stil ganz unangenehm. Alleine diese Ausrufezeichen an den unmöglichsten Stellen, als ob Witzko den Leser dauernd anschreit… eines der wenigen Bücher, die ich tatsächlich abgebrochen habe. Nicht nur wegen des Stils, sondern auch, weil die Geschichte auf den ersten 180 Seiten irgendwie so gar nicht aus dem Knick gekommen ist.

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