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Kunstblut! Überall Kunstblut! Die Aufgaben eines Heilers im LARP können schnell in Arbeit ausarten, braucht man doch Ausrüstung, Material und muss sich dann auch noch um das Wohlergehen der Patienten kümmern. In diesem Artikel möchten wir Tipps geben, um den Einstieg in die spannende Welt des Heilerspiels zu erleichtern.

Heiler im LARP zu spielen kann wirklich eine seltsame Beschäftigung sein. Entweder herrscht gerade Ruhe oder man wird unter Patienten förmlich begraben. Die Erwartungshaltungen der zu Behandelnden können dabei völlig auseinander gehen, sei es die aufwändige Operation oder die schnelle Wundversorgung vor dem nächsten Gefecht. Ein Umstand, der einen schnell ratlos zurücklassen kann. Genauso stellt sich die Frage was man eigentlich braucht, um das Heilerspiel sinnvoll darstellen zu können.

In diesem Artikel soll es daher um den Einstieg ins (Fantasy-)Heilerspiel und die damit verbundenen Möglichkeiten und Schwierigkeiten gehen. Explizit soll es dabei um einen mundanen Mediziner gehen, das heißt Rollen, die sich nicht magisch mit Verletzungen auseinandersetzen.

Zange, Tupfer, Pfeilsonde? – Die Grundausstattung

Bevor man sich den Traum vom eigenen Lazarett erfüllt, steht meist die erste Ausstattung im Raum und die damit verbundene Frage, was man eigentlich braucht.

Die Grundausstattung hängt dabei erst einmal davon ab, was für eine Art Heiler man darstellen möchte.

Handelt es sich um eine gelehrte Frau, die von irgendeiner Akademie abgegangen ist, einen Scharlatan, der irgendwelche Wundermittel verkauft oder eine klassische Kräuterfrau? Unterschiedliche Rollenkonzeptionen sorgen an erster Stelle für ein unterschiedliches Ausrüstungsniveau. Während die Gelehrte wohl potentiell anatomische Zeichnungen mit sich führt, tut dies ein barbarischer Heiler wohl kaum.

Vor allem für den Anfang ist es wichtig seine Ausrüstung, wie eigentlich bei jedem Konzept, nicht zu sehr ausufern zu lassen, möchte man diese doch noch transportieren und auch benutzen.

Diverse Larphersteller bieten inzwischen Heilerbesteck wie Skalpelle und Wundhaken an.

Dringend soll hier, vor allem für den Feldeinsatz, von der Benutzung von Metallbesteck abgeraten werden. Zu schnell kommt es bei Kampfsituationen mal zu hektischen Bewegungen, die man nicht vorhersehen kann und das Besteck findet sich dort wieder, wo es nicht sein sollte, sei es im Patienten oder auf der Wiese verstreut.

Nadeln gibt es zwar auch aus Latex, hier haben sich aber Knochennadeln bewährt. Diese sind filigraner, aber gleichzeitig so stumpf, dass man mit ihnen keinen ernsten Schaden anrichten kann, falls man doch einmal gestoßen wird. Gleichzeitig sind diese meist bezahlbar, so dass der mögliche Verlust nicht zu sehr schmerzt.

Ein kleines Wundbesteck benötigt jeder Heiler. Fotografie: (Markus Kastell)

Trotz der Beschränkung ist es nicht schlimm mehr Besteck zu haben, als man Hände hat, kann man so doch angenehm Umstehende in das Heilerspiel mit einbeziehen.

Neben dem Besteck braucht man meist etwas, an dem man herumschneiden kann. Eine einfache Möglichkeit dafür bieten interaktive Wunden oder auch Wundattrappen. Solche kann man sich recht einfach selbst machen, im Larpwiki gibt es beispielsweise eine Anleitung. Diese bieten mehr Interaktionsmöglichkeiten und lassen einen angenehm an etwas Hautähnlichem operieren, unabhängig von den Kleidungsschichten des zu Behandelnden.

Neben der ganzen Ausrüstung sollte man sich auch Gedanken darüber machen wie man diese In Time (IT) sinnvoll transportiert. Für das eigentliche Heilerbesteck bieten sich einfache Pinselmappen aus Bambus an, die man in gut sortierten Bastelläden erhält. Aus eigener Erfahrung kann nicht empfohlen werden das Besteck einfach in den Transportbehälter zu werfen.

Den Transport der Gesamtausrüstung sollte man daher ebenfalls im Auge behalten und an das eigene Konzept anpassen. Möglich sind hier unterschiedliche Arten von Umhängetaschen oder Kiepen. Allen gemein sollte sein, dass sie auch über längere Strecken gut transportiert werden können und auch das Abstellen auf dem Boden unter widrigen Witterungsbedingungen ihnen nicht schadet.

Wenn man nun seine erste Ausrüstung zusammen hat, fehlt nur noch ein Blick auf das Verbrauchsmaterial: Verbände und Kunstblut

Blut, überall Blut! – Das richtige Kunstblut und Verbände

Wird man die vorgenannten Gegenstände wohl länger benutzen, gibt es als Heilerin und Heiler auch Material, das man konstant verbraucht, an erster Stelle Kunstblut und Verbände.

Ersteres ist dabei eine Wissenschaft für sich, schwört doch nahezu jeder auf eine eigene Lösung. Am Wichtigsten ist dabei aber das Gespräch mit dem zu Behandelnden, was für sie oder ihn in Ordnung ist.

Man sollte recht deutlich darüber Auskunft geben können, ob sich das verwendete Kunstblut gut aus Kleidung entfernen lässt, denn nichts ist ärgerlicher als die neue Wollkleidung durch ungewolltes Kunstblut verdreckt zu finden.

Auflegewunden wie diese ermöglichen haptischeres Heilerspiel, Fotografie: Markus Kastell

Wenn man auf unkontrolliertes Verlaufen des Kunstblutes verzichten möchte, kann man statt auf Kunstblut auch auf künstlichen Wundschorf setzen. Diverse größere Anbieter haben solchen im Angebot. Dieser wird meist mit einem kleinen Schwämmchen aufgetragen und verbleibt danach an Ort und Stelle. Hierdurch kann das Verlaufen, vor allem aus dem Gesicht, auf Kleidung oder andere ungewünschte Stellen verhindert werden.

Verbände sind in der Anwendung nicht so problematisch, werden dafür aber in deutlich größeren Margen benötigt. Empfehlenswert ist sich diese selbst zu machen, am einfachsten aus einem einfachen naturfarbenen Baumwollstoff. Große Stoffhändler und Möbelhäuser bieten hier gute Möglichkeiten. Ungebleichter Stoff ist hierbei gebleichtem klar vorzuziehen, hat er für ein mittelalterliches Setting doch eine gefühlt passendere Optik.

Wenn der Stoff am Stück gekauft wird, kann man diesen zusätzlich auf die eigenen Bedürfnisse anpassen. Für Bauchverbände wird man beispielsweise eine andere Breite benötigen, als für Arm- oder Kopfverletzungen.

Ungebleichte Stoffe kann man, so man sie je nach Rollenkonzeption noch altern möchte, angenehm mit Tee oder Kaffee bearbeiten. Einfach in einem entsprechenden Behälter in eine solche Brühe einweichen, mit klarem Wasser mögliche Partikelrückstände auswaschen und trocknen lassen.

Als zusätzliches Verbrauchsmaterial kann man hier noch Schnapsgläser aus Plastik anfügen. Diese bekommt man beim Einmalgeschirr jedes gut sortierten Supermarktes. Zwei davon in die Hand genommen und im richtigen Moment zerdrückt, erzeugen mit einfachsten Mitteln ein unangenehmes Geräusch, wenn man gerade Knochen einrenkt oder Schultern einkugelt. Dabei ist es empfehlenswert Handschuhe zu tragen, können sich beim Zerdrücken doch spitze Kanten bilden. Den Müll, der dabei entsteht, sollte man natürlich auch mitnehmen.

Nachdem wir uns nun die Ausrüstung angeschaut haben, geht es an den eigentlichen Heilungsprozess mit seinen Möglichkeiten und Tücken.

Wo tut es denn weh? –Behandlungsgebiete und Anwendung

Wir haben jetzt alles zusammen und auf der nächsten Con wird uns ein Verletzter vor die Füße geworfen. Was nun?

Im besten Fall ist der zu Behandelnde IT noch ansprechbar, so dass wir erfahren können was der Verwundete denn hat; Personen ohne Bewusstsein machen den Spielansatz hier schwieriger, sind diese doch meist nicht sichtbar verletzt. Möglich ist hier den Abliefernden zu befragen was die entsprechende Person erwischt hat oder zu hoffen, dass der zu Behandelnde auf leichte Druckimpulse andeutet, dass er irgendwo Schmerzen hat.

Bei der Versorgung im Feld achtet besser Jemand auf die Sicherheit © Nabil Hanano

Am Wichtigsten ist hier, bei aller Liebe zum IT, das man in welcher Form auch immer abklärt, was für den oder die Patientin in Ordnung ist. In der eigenen Gruppe hat man potentiell ganz gute Vorstellungen davon, was erwartet wird, bei anderen muss man dies erst einmal abschätzen. Berührungen im Schambereich oder bei Frauen im Oberkörperbereich sind dabei schlicht zu unterlassen.

Im besten Fall haben wir jetzt eine ungefähre Beschreibung, was passiert ist, sei es der stumpfe Schlag einer Keule, ein klassischer Schwertstreich oder ein Feuerball aus nächster Nähe.

An dieser Stelle muss man nicht plötzlich auf seinen nicht vorhandenen Abschluss in Humanmedizin referieren, sondern kann sich meist dem gesunden Menschenverstand bedienen.

Bei stumpfer Gewalteinwirkung kann man eher Brüche behandeln, bei Schwertstreichen und Ähnlichem eher nähen. Von realistischen Verhältnissen muss man sich dabei oft trennen, viele der eingesetzten Gewaltmittel wären im echten Leben wohl tödlich oder zumindest dauerhaft beeinträchtigend.

Zielsetzung beim Heilerspiel sollte eher sein sowohl dem Patienten, als auch Umstehenden nettes Spiel zu liefern. Der Patientin sollte man beispielsweise erklären, was man gerade tut.

Dies produziert dann auch angemessenere Reaktionen, auch wenn die Sicht auf die eigene Verwundung fehlt. Stiche beim Nähen mitzählen ist eine dieser Möglichkeiten dem Gegenüber mehr Spielraum zu verschaffen.

Umstehende können für unterschiedlichste Arbeiten hinzugezogen werden, sei es Patienten festhalten, Knochenspreizer bedienen, Augenreaktionen beobachten oder einfach nur beten.

Solche Tätigkeiten schmälern in keiner Form die eigene Heilerexpertise, sondern schaffen nur mehr Spiel.

Eine kurze Ausführung soll hier noch zu Schusswunden erfolgen.

Auch laienhaft kann man hier gut damit spielen, dass man Pfeile oder Bolzen nicht einfach rausreißen sollte, würde man damit doch den Wundkanal unangenehm vergrößern. Hier kann man daher versuchen den Wundkanal gerade zu halten, sei es mit Hilfe einer Pfeilsonde oder durch mehr tatkräftige Hände.

Egal welche Anwendungen man hier wählt, man muss als Heiler auch schlicht nicht alles können. Bei schweren Verletzungen, die auch jenseits der eigenen Ausrüstung liegen, ist es völlig legitim IT in Panik zu verfallen. Auch das generiert Spiel und gibt dem eigenen Charakter mehr Tiefe, es muss nicht jeder LARP-Heiler Dr. House sein.

Die Patienten sind jetzt versorgt, das Feld geräumt, doch was soll man mit dem restlichen Tag anfangen?

Manchmal kommt jede Hilfe zu spät © Nabil Hanano

Und jetzt? – Heilerspiel abseits der Verletzten

Heilerspiel ist oft von Hochphasen gekennzeichnet, die mit den typischen Kämpfen auf Fantasy-Cons zusammenfallen. Doch auch abseits davon kann man als Charakter noch gut zu tun haben, ebenfalls ausgerichtet auf die jeweilige Konzeption.

Charaktere aus zivilisierten Hintergründen könnten beispielsweise ihre Ausrüstung reinigen oder Verbände auswaschen. Letzteres zeigt beim Trocknen auch direkt welchem Handwerk im entsprechenden Lager nachgegangen wird. Eine Erweiterung des eigenen Wissensstandes ist hier ebenfalls möglich. Bei der nächsten Verwundung will man vielleicht vorher wissen wie der komische Nachbar mit den spitzen Ohren von innen aussieht und fragt ihn möglicherweise einfach, was bei seinem Volk zu beachten ist. Dies muss nicht automatisch dazu führen, dass man ein gigantische Anatomiewerk beginnt, gibt dem Charakter aber mehr Tiefe.

Auch die Wiederbeschaffung von IT-Verbrauchsmaterial kann hier Spiel generieren. Vielleicht sucht man etwas Wundbrandhemmendes, ein Betäubungsmittel oder ein Gegengift gegen die Nachwirkungen von Besessenheit. Alles Aufgaben, die einem mit noch mehr Charakterkonzepten ins Gespräch bringt und einen auch aus dem eigenen Lager heraustragen. Meist will man doch mehr von der Veranstaltung sehen als das eigene Zelt.

Zusätzlich bietet sich auch die Nachversorgung an, ein kleiner Besuch bei den entsprechenden Verletzten, die Frage ob es ihnen gut geht oder ob sie irgendwelche Folgeerscheinungen zeigen. Auch hier kann man wieder überprüfen ob die entsprechenden Personen noch Interesse an weiterem Spiel haben und potentiell benutzte Verbände wieder einsammeln.

Vor allem wenn man mit dem Heilerspiel beginnt muss dies auch nicht das einzige Standbein des eigenen Charakters sein. Ein Soldknecht, der anfängt sich mit der Arbeit des Feldschers zu beschäftigen, mag auch seinen sonstigen Aufgaben noch nachgehen. Es geht hierbei nicht darum eine eierlegende Wollmilchsau zu spielen, sondern ein Konzept zu finden, das einem über die gesamte Veranstaltung unterhält. Und damit soll es zum Abschluss um eine klassische Heilerproblematik gehen: Die Fließbandarbeit

Bei schlechten Lichtverhältnissen sollte man sein Licht selber mitbringen © gamilia photography

Nicht schon wieder eine Pfeilwunde – Die Problematik der Repetition

So schön Heilerspiel sein kann, so schnell kann es, vor allem auf größeren Veranstaltungen, eine Schattenseite haben. Recht schnell wird man mit einer großen Menge an Verletzten konfrontiert, die alle eine ähnliche Verwundung aufweisen, beispielsweise der klassische Pfeil im Bauch. Dieser Spielmoment kann schnell ermüdend werden, macht man doch irgendwie die ganze Zeit dasselbe. Gleichzeitig möchte man aber jedem Verletzten gerecht werden ohne gelangweilt zu wirken.

Hierfür bieten sich unterschiedliche Ansätze an.

Eine Möglichkeit ist die Sache auf mehrere Personen aufzuteilen, hier also schlicht Laien dazu zuziehen. Selektiert werden könnte hier zum Beispiel, ob jemand beim Atmen röchelt, was auf eine Verletzung der Lunge hindeuten könnte. Alle, die frei atmen, haben potentiell Glück im Unglück gehabt. Eine solche Selektion lässt den Spielerinnen und Spielern auch angenehm Spielraum wie viel Heilerspiel sie möchten, indem sie die Schwere der eigenen Verletzung bestimmen.

Eine andere Variante wäre hierbei auch sich bei der Heilung auf eine andere Verletzung zu konzentrieren. Möglicherweise hat die entsprechende Person nicht nur den Pfeil abbekommen, sondern auch sonstige Verwundungen davongetragen, die sich bei der IT Betrachtung als schlimmer herausstellen. Dies bietet Variation und bindet erneut die Verletzten mit ein.

Mundane Heiler führen oft eine Vielzahl von Präparaten mit sich © Live Adventure

Bei den gesamten Vorgängen muss man sich einfach im Klaren sein, dass es um keine ernste Wundversorgung geht. Niemand stirbt wirklich, weder die meisten Opfer noch die meisten Versorgenden habe eine ernste medizinische Ausbildung genossen.

Es soll somit um das Generieren von schönen Spielsituationen gehen und bei diesen ist es am Ende eigentlich recht egal welche Verletzung tatsächlich vorlag, so lange man eine unterhaltsame Spielsituation schafft und einen angemessenen Zeitraum einplant.

Der Heiler – Ein Spielförderer

Heilerspiel hat, allein schon auf der mundanen Ebene, viele Facetten. Wichtig ist dabei das zu finden, was einem selbst Spaß macht und zum Spielstil des eigenen Umfeldes passt. Diese Überlegungen können mit der Suche nach der passenden Ausrüstung zunächst etwas Zeit in Anspruch nehmen.

Wenn diese Anfangsproblematik überwunden ist, bietet einem diese Rolle sowohl in Kampfsituationen auch als abseits davon mehr als genug Spiel. Vor allem ist Heilerin und Heiler ein Rollenkonzept, das stetig weiterentwickelt werden kann. Wenn ihr nun also sprichwörtlich Blut geleckt habt steht euren ersten Schritten in diese Richtung nichts mehr im Weg. Also das Skalpell gewetzt und ab ins Abenteuer!

Fotografien: Markus Kastell, Nabil Hanano, gamilia photography, Live Adventure

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