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Wer hört es nicht ständig: Wir leben im technologischen Zeitalter. Es werden immer rasantere Fortschritte gemacht, und was man einst nur mit teuren Industriemaschinen erschaffen konnte, ist heutzutage auch im eigenen Heimwerkerkeller möglich. Das macht sich auch in der Cosplayszene bemerkbar – und geht mit einer Professionalisierung des Hobbys einher.

„Die Zukunft des Cosplays schon heute!“ So betitelt Geek & Sundry einen Artikel, in dem die Schauspielerin Felicia Day in einer Fotostrecke zu sehen ist. Auf den Fotos trägt sie eine Cosplayrüstung, die vollständig durch einen 3D-Drucker entstanden ist.

Hinter dieser Aussage, die eine Wandlung des Hobbys Cosplay prognostiziert, steckt zudem eine gewisse Erwartungshaltung. Technik wird wie im Alltagsleben auch eine immer größere Rolle spielen. Betrachtet man genauer, welche Prozesse außerdem in diese Entwicklung hineinspielen, wird sichtbar: es findet eine Professionalisierung von Cosplay statt.

Professionalisierung – was ist das eigentlich?

Professionalisierung bezeichnet im weiteren Sinne die Entwicklung eines Hobbys oder eines Ehrenamts zu einem Beruf. Neben Profisport ist der kreative Bereich dafür eines der besten Beispiele. So werden aus Kindern, die schon im Vorschulalter die Wachsmalstifte in der Hand halten, die Designer von morgen. Und wer schon immer gerne Schnappschüsse erstellt hat, verdient sich seinen Unterhalt vielleicht einmal in der Eventfotografie. Hier wird der Zusammenhang mit Cosplay schnell klar: man kann mittlerweile auch dieses Hobby zum Beruf machen, und das auf vielen unterschiedlichen Wegen.

Maja von Defcon Unlimited liefert eine beeindruckende Zentaurin!
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Ein beliebter Weg dafür – der häufiger in der Öffentlichkeit rückt, da er von ihr lebt – ist die Inszenierung des Cosplayers selbst. Beispiele dafür sind: für Unternehmen als sogenannter „Walking Act“ auf Conventions unterwegs sein, Fotos der eigenen Kostüme an seine Fans verkaufen oder auch Twitch-Streams machen, bei denen Zuschauer bei der Herstellung der Kostüme zusehen können und für diese Einblicke spenden. Dies ist der „direkte“ Weg zur Umsetzung des Konzepts „Cosplay als Beruf“: das eigene Cosplay als Dienstleistung. Der „indirekte“ Weg findet eher abseits des Rampenlichts statt: die Etablierung von Dienstleistungen und dezidierten Produkten für Cosplayer. Und genau dieser „indirekte“ Weg ist es, der zur Professionalisierung des Hobbys an sich führt.

Vom Nischenhobby zum Massenphänomen

Cosplay war vor ein bis zwei Jahrzehnten noch ein Nischenhobby. Hierzulande musste sich für die Herstellung der Kostüme an Faschingsperücken und Bauschaum bedient werden, fertige Kostüme gab es höchstens aus Übersee. Seitdem hat sich viel verändert, was nicht zuletzt auch dem gigantischen Wachstum der Szene geschuldet ist. Mittlerweile gibt es deutschland- bzw. europaweit Fachhändler für Cosplay-Bedarf sowie Produktlinien, die sich eigens auf die Bedürfnisse von Cosplayern konzentrieren. Auch themenbezogene Magazine sowie zunehmende Aufmerksamkeit themenfremder Medien sind ein wichtiges Indiz.

Das ist alles kaum verwunderlich, denn wo die Nachfrage besteht, reagiert der Markt. Neben den direkt für Cosplay bestimmten Produkten gibt es natürlich auch den scheinbar bodenlosen Markt für kreatives Schaffen und Heimwerk. Besonders Innovationen aus der Kreativ-, Theater- sowie Schneiderbranche werden sich viel und gerne von der Cosplayszene angeeignet haben. Näh-Gimmicks, Effekt-Make-Up und besonders deckende Farben lassen auch ein Cosplayerherz höherschlagen.

Um eine Freizeitaktivität aber tatsächlich in eine Profession zu verwandeln, benötigt es in den meisten Fällen auch eine Steigerung der Effizienz. Das können neben Qualität- und Quantitätssteigerungen auch neuartige Ideen oder besseres Werkzeug sein. Und an dieser Stelle kommen die Stickmaschinen und 3D-Drucker ins Spiel.

Das Cosplay: Gekauft oder selber geschneidert?
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Technologische Innovation und Cosplay

Nähmaschinen waren noch bis vor gar nicht allzu langer Zeit ein Standardobjekt in beinahe jedem Haushalt. Kleidung erfuhr zwar im Zuge der Industrialisierung eine Art „Outsourcing“ in die Fabriken wie vieles andere auch. Aber die Tatsache, dass die Herstellung und Reparatur von Kleidung all die Jahrhunderte zuvor zum Alltag dazu gehörten, war noch lange in den Köpfen der Menschen verankert.

So wurden die ersten Nähmaschinen für den Haushalt Mitte des 19. Jahrhunderts dankbar angenommen. Erst im auslaufenden 20. Jahrhundert schien diese Mentalität allmählich abzuebben, nur um dann schließlich vor einigen Jahren in neuer Form wieder aufzuerstehen. Die zunehmende „Do it yourself“-Mentalität der jüngeren Generationen wird vor allem in den zahlreichen Buchpublikationen zum Thema Selbermachen sichtbar, die mittlerweile in den Läden ausliegen.

Die Nähmaschine aus der Zeitschrift Die Gartenlaube von 1853
Die Nähmaschine aus der Zeitschrift Die Gartenlaube von 1853

Das Maschinenrepertoire im Cosplay geht aber zunehmend über die einfache Haushaltsnähmaschine hinaus. Vor allem Kettelmaschinen, oftmals eher unter dem englischen Begriff „Overlock“ bekannt, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Sie erleichtern manch einen Arbeitsschritt, denn mit diesen Maschinen kann man eine Naht gleichzeitig nähen und versäubern, also zusätzlich verhindern, dass die Kante ausfranst. Die Technik, die 1883 erfunden wurde, gelangte Ende der 1960er Jahre erstmals in den Haushalt – also ein ganzes Jahrhundert später als die Haushaltsnähmaschine.

Aber hier ist noch lange nicht Schluss. Seit einiger Zeit werden auch Stickmaschinen immer häufiger von Cosplayern angeschafft, und auch die Nennung einer der neuesten „Spielereien“ darf nicht fehlen: die 3D-Drucker. Momentan stehen diese Hi-Tech-Gerätschaften „nur“ bei den Hardcore-Bastlern im Werkzimmer. Aber, so zeigt das Beispiel Näh- und Kettelmaschinen, das ist vielleicht nur eine Frage der Zeit.

Wird ein neues technologisches Produkt erfolgreich auf dem Markt etabliert, sinken in den Folgejahren dank stetiger Effizienzsteigerung sowie dem berühmten Wettbewerb der freien Marktwirtschaft die Produktions- und Anschaffungskosten. So entstehen Geräte, die theoretisch auch vom ambitionierten Hobbybastler erworben werden können.

3D-Drucker haben erst jüngst diesen Zyklus durchlaufen und befinden sich jetzt in einer Phase des „Ankommens“. Ob die Cosplay-Community sich auch dieses Gerät vollständig zu Eigen machen wird, wird sich noch zeigen. Schließlich kommt neben dem Budget auch noch die Zeit hinzu, die man braucht, um die Funktionen des neuen Werkzeuges zu erlernen. Beides sind anfängliche Hürden, die es zu überwinden gilt.

Nach innen oder nach außen: die Wirkmacht von dem Wunsch nach Erfolg

Was bedeuten solche Innovationen jetzt nun aber für eine Community? Sie können Auswirkungen auf zwei Ebenen haben, nämlich auf der persönlichen sowie auf der gesellschaftlichen Ebene. Unsere Teilzeitheldin Stephanie Winkler hat in ihrem Artikel über Erfolg im Cosplay ja schon darüber gesprochen. Einer ihrer Gedanken soll an dieser Stelle wieder aufgenommen werden. Nämlich, dass es eine Unterscheidung zwischen persönlichem Erfolg und Erfolg innerhalb der Gesellschaft bzw. Community gibt.

Patreon von Kinpatsu Cosplay
Patreon von Kinpatsu Cosplay

Sich selbst professionalisieren: zur persönlichen Entwicklung

Auch in den Zeiten von kaufbaren Cosplays, die sowohl finanzierbar als auch qualitätsmäßig vorzeigbar, gibt es noch zahlreiche Cosplayer, die ihre Kostüme selbst fertigen. Sei es das Werkeln selbst, der innere Perfektionist oder einfach das gute Gefühl, wenn etwas mit den eigenen Händen Erschaffenes fertig ist – die Motivationen sind so unterschiedlich wie die Kostümierten selbst.

Mit der Zeit entwickeln sich Ambitionen. Man möchte, dass die Nähte sauber aussehen oder besonders echt aussehende Waffenreplikate anfertigen. Dafür ist man ab einem gewissen Punkt auch bereit, sich bessere Ausrüstung zuzulegen. Und durch eigenständiges Erlernen neuer Techniken wird die eigene Arbeit immer professioneller, ganz unabhängig von der Außenwelt.

Professioneller Erfolg (in) der Community: auf der Suche nach der eigenen Nische

Der Erfolg des „Cosplayers als Dienstleister“ sei an dieser Stelle einmal ausgeklammert. Sonst würde hier nur wiederholt werden, was im zuvor angesprochenen Artikel von Stephanie schon längst gesagt wurde. Sprechen wir lieber darüber, wie sich die persönliche Aneignung von technischem Knowhow auch nach außen wandeln kann.

Es ist ja bekanntlich noch kein Meister vom Himmel gefallen. Um etwas wirklich zu beherrschen, ist Mühe und Investition vonnöten. Deshalb gibt es nicht wenige Cosplayer, die sich auf einem Gebiet der Kostümherstellung besonders gut auskennen: Perückenstyling, Nähen, Rüstungen basteln etc. – oder seit jüngerer Zeit eben 3D-Druck, Bügelfolien plotten und die Erstellung von vektorisierten Vorlagen für den Lasercutter.

Diese Arten der Spezialisierung haben immer häufiger den folgenden Nebeneffekt: Es werden Auftragsarbeiten in ebendiesen Bereichen angeboten. (Ehemalige) Cosplayer, die die Kosten und Mühen investiert haben, bauen sich ein Neben- oder Hauptgewerbe darin auf, ganze Cosplays oder auch nur bestimmte Kostümteile wie Waffenrepliken herzustellen. Davon profitiert wiederum die ganze Community. Denn sein Accessoire bei jemandem in Auftrag zu geben, der die besonderen Bedürfnisse von Cosplayern versteht, sorgt meist für ein auf beiden Seiten zufriedenstellendes Ergebnis.

Ist das noch fair?

Mit der zunehmenden Professionalisierung ändert sich auch die allgemeine Erwartungshaltung. Faschingsperücken sieht man nur noch selten auf Conventions, denn auch blutigen Cosplay-Anfängern stehen mittlerweile zahlreiche Ressourcen zur Verfügung, wie sie bereits mit dem ersten Kostüm einen gewissen Qualitätsstandart erreichen können. Das ist sehr positiv zu begrüßen, denn durch kleine Erfolge steigt die Motivation.

Aber wie sieht es aus, wenn Finalisten der Deutschen Cosplaymeisterschaft neben Konkurrenten stehen, die professionelle Technik zur Verfügung haben, und sie selbst nicht? Stickereien mit der Hand werden selten so gleichmäßig wie die einer computergesteuerten Maschine. Und welchen Eindruck hinterlässt der lockere Tipp im Internet „das doch einfach 3D-drucken zu lassen“ bei einem Schüler, der sich einen Auftrag nicht einmal im Traum leisten kann?

Die Teilnehmer des DoKomi-Vorentscheids zur DCM 2017 beim Gruppenbild. Fotografie: Karsten Zingsheim.

Es bleibt zu hoffen, dass er seine Motivation beibehält und sich über andere Wege informiert. Worauf diese Fragen hinauswollen, ist die Überlegung, wie man mit dem Übergang in diese neue Phase umgehen soll.

Das Regelwerk der Deutschen Cosplaymeisterschaft wurde vor einigen Jahren zum Beispiel dahingehend angepasst. Dateien für Stickmaschinen beispielsweise müssen der Jury vorgelegt werden, damit Teilnehmer belegen können, dass sie diese selbst angefertigt haben. Nur dann werden die Stickereien in die Bewertung mit aufgenommen. Trotz der guten Lösung zeigt sich hier aber eine gewisse Schwierigkeit: Was ist im Zweifelsfall höher zu bewerten, die zeitintensive Handarbeit oder das technische Knowhow?

Dass sich nicht jeder sofort die neueste Technik leisten kann und will ist klar. Aber dass neue Erwartungshaltungen und die Hebung eines Standards auch dafür sorgen können, dass sich manch einer zurückgelassen fühlt, ist kein allzu abwegiger Gedanke. Vermutlich bedarf er sogar tieferen Überlegungen, die an dieser Stelle allerdings den Rahmen sprengen würden.

Die Professionalisierung eines Hobbies

Das Fazit soll an dieser Stelle keinesfalls sein, dass Cosplay sich zu einem Beruf wandelt oder „elitär“ wird. Das, so kann wohl jeder beobachten, wäre schlichtweg falsch. Denn für den allergrößten Teil der Community ist Cosplay doch immer noch „nur“ ein Hobby. Jeder kann Cosplay ausleben, wie er möchte. Allerdings ist es ein Hobby, dass sich mit zunehmender Beliebtheit auch immer schneller wandelt.

„Professionalisierung“ soll einfach nur dem Konzept für das Ineinandergreifen zweier Entwicklungen einen Namen geben. Zum einen der Aneignung von technologischen Innovationen durch Cosplayer, und zum anderen dem Bilden von Produkten und Dienstleistungen, die sich dezidiert an Cosplayer richten. Und dadurch heben sich gewisse Standards und Erwartungen, vor allem im (semi-)professionellen Bereich.

An dieser Stelle bleibt mitzunehmen: die Veränderung von Ressourcen zieht auch immer Veränderungen innerhalb einer Community nach sich. Dieser Vorgang ist weder aufhaltbar noch willkürlich. Das Streben nach Professionalisierung ist im Großen und Ganzen aber sehr zu begrüßen, denn es bringt neue Entfaltungsmöglichkeiten mit sich. Und Fotostrecken von Felicia Day in wunderschöner Rüstung, die einen inspirieren, sich selbst etwas weiter auf das Gebiet der Technik zu wagen.

Artikelbilder: © Ironking, Fotofänger, Patreon, Wikipedia, Fotolit2

1 Kommentar

  1. Deswegen wird bei Wettbewerben heute schon unterschieden ob handgemacht, selbst oder 3D Druck als Auftrag. Ich möchte nicht absprechen das ein eigens erstellter 3D print, also das File selbst gemacht, ne heiden Arbeit ist, aber mir geht mit Stickmaschine und 3D Druck ein sehr wichtiger Aspekt des Hobbies verloren: Handwerk.

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