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Einfach mal anderen die großen Heldentaten überlassen? Nicht mit Age of Sigmar: Soulbound! Das neue Rollenspiel im Warhammer-Hintergrund lässt einen von Anfang an große Abenteuer erleben, die sich gewaschen haben. Ob diese Ausrichtung spannend ist, klären wir in unserem Ersteindruck.

Warhammer hat in all den Jahren eine Vielzahl von unterschiedlichen Rollenspielsystemen hervorgebracht, sowohl im 40k-Universum als auch im Fantasy-Hintergrund. Neben Wrath and Glory und der aktuellen Fassung des Alte-Welt-Hintergrundes als Fantasysetting wird mit Age of Sigmar: Soulbound ein neues Gebiet betreten. Hier wird das erste Mal die Möglichkeit geboten, Abenteuer im aktuellen Fantasy-Hintergrund von Games Workshop zu erleben. Hierfür kommt ein eigenes Regelwerk zum Einsatz, das zwar Anleihen aus Wrath and Glory nutzt, ansonsten aber eigene Wege geht.

Tore wohin man nur schaut – Der Hintergrund

Der Hintergrund von Age of Sigmar: Soulbound ist durchaus komplex und klar dem Themenbereich der High Fantasy zuzuordnen. Nach dem Untergang der Alten Welt mit ihren Kontinenten und Meeren ist die jetzige Spielwelt in unterschiedliche Globulen unterteilt, die sogenannten Mortal Realms. Diese sind über unterschiedliche Portale miteinander verbunden, die Realmgates, wichtige Transitpunkte, die oft umkämpft sind. Schlachten und Krieg sind dominierende Inhalte des Hintergrundes, was wenig überraschend ist, beruht das Rollenspiel doch auf dem Age of Sigmar-Tabletop.

Die Kräfte der Ordnung, denen auch die Helden angehören, kämpfen oft gegen Schergen einer der anderen drei Großfraktionen: Chaos, Tod und Zerstörung. Diese bestehen wiederum aus unterschiedlichen Unterfraktionen wie beispielsweise den Tzanngors, einer Unterart der Tiermenschen, oder aber den Skaven, bösartigen, intelligenten Rattenwesen.

Das Spiel bewegt sich in der aktuellen Zeitlinie des Tabletop-Hintergrundes. Das Nekrobeben hat schon stattgefunden und die Nighthaunts machen das Land unsicher. Wenn einem diese Begrifflichkeiten nichts sagen, nähert man sich schon einem der zentralen Probleme des Spiels an.

Immer wieder gibt es kleine Abenteuervorschläge.

Der Hintergrund von Age of Sigmar ist hochkomplex und keinesfalls einsteigerfreundlich. Wer sich noch nicht im Warhammer-Hintergrund auskennt, bekommt zwar kurze und gut geschriebene Einführungen, die aber keinesfalls allumfassend sind. Vor allem die Informationen über die unterschiedlichen Mortal Realms sind mit jeweils zwei Seiten sehr kurz. Einerseits bietet dies viel Spielraum zur eigenen Gestaltung, andererseits kann man so als Spielleitung oft im Dunkeln tappen.

Zwar wird zu jeder Region ein möglicher Abenteueraufhänger genannt, diese sind aber ebenfalls wenig hilfreich, wenn man sowieso schon viele Fragen zum Hintergrund hat. Dies stört alte Hasen natürlich gar nicht; wer sich jedoch erst neu einlesen möchte, ist fast zwangsweise auf sekundäre Quellen angewiesen. Klare Ausnahme ist die Region namens The Great Parch, die im Detail vorgestellt wird. Diese ist Teil von Aqshy, des Realm of Fire, und wird genauer beschrieben, um als Startregion der Held*innen zu fungieren. Dort finden sich genauere Beschreibungen der Geschichte und der Städte, wobei auch hier Vorwissen über einzelne Fraktionen und Konzeptionen des Age of Sigmar-Hintergrundes von großem Nutzen sind. Für Fans ein Fest, für alle anderen wahrscheinlich eher schwierig.

Great Parch ist die Startregion des Rollenspiels.

Und wie funktioniert das nun? – Die Regeln

Alle Charaktere bauen auf drei Attributen auf: Body, Mind und Soul. Den Attributen sind eine ganze Reihe Skills zugeordnet. Jede dieser Skills hat ein Bezugsattribut. Weapon skill gehört beispielsweise zum Attribut Body. In all diesen Fähigkeiten kann man nun untalentiert oder talentiert sein und darüber hinaus noch einen Fokus besitzen. Training und Fokus gibt es wiederum in einer Abstufung von eins bis drei.

Verschiedene Skills decken die meisten Tätigkeiten ab.

Proben würfelt man in Age of Sigmar: Soulbound grundsätzlich mit W6. Die Anzahl der Würfel errechnen sich aus der Addition von Attribut und beigeordneter Fähigkeit. Demgegenüber steht die Schwierigkeit der Probe, die aus einem Mindestergebnis pro Wurf und einer nötigen Anzahl von Erfolgen besteht. Hierbei wird die Formel DN X:Y genutzt, wobei X den nötigen Würfelwurf und Y die Anzahl der Erfolge ausdrückt. DN steht dabei für die sogenannte Difficult Number. Bei einer Probe mit DN 4:2 wären also alle Würfe von 4 oder höher ein Erfolg. Darüber hinaus benötigt man mindestens zwei Erfolge, damit die Probe gelingt.

Was zunächst kompliziert klingt, ermöglicht eine feine Abstimmung, um Proben anzupassen, ohne gigantische Zahlen zu nutzen. Realistisch würfelt man zu Beginn nie mehr als sieben Würfel gleichzeitig, und diese müssen auch normalerweise nicht neu geworfen werden, was Proben zu einer schnellen Angelegenheit macht. Diese Mechanik wird für alle unterschiedlichen Arten von Proben eingesetzt, seien es Kämpfe, der Einsatz von Magie oder Spurenlesen. Ein Umdenken ist zwischendurch nicht nötig.

Ergänzt werden die Attribute und Fähigkeiten um Talents, die besondere Regeln beinhalten. Hier findet sich eine große Bandbreite, vom Kochtalent über die Möglichkeit, schnell auszuweichen, bis hin zu diplomatischem Geschick. Diese Talente sind das gute Salz in der Suppe, um dem eigenen Charakter noch mehr Tiefe zu geben.

Wie eine jede Reise beginnt – Die Charaktererschaffung

Die wichtigste Information direkt zu Anfang. Die Charaktererschaffung von Age of Sigmar: Soulbound kommt komplett ohne Würfeln aus. Man wählt zunächst ein Volk aus: Menschen, Aelf, Duardin, Sylvaneth oder Stormcast Eternals. Sylvaneth sind Waldgeister und Baumwesen, Stormcast Eternals die immer wieder wiedergeborenen Krieger Sigmars, die für ihn in die Schlacht ziehen. Danach entscheidet man sich für einen Archetypus, der entscheidend für den eigenen Charakter ist. Ein Aelf kann beispielsweise ein Unterwasserwesen der Idoneth Deepkin sein oder auch eine Korsarin der Darkling Covens (Dunkelelfen). Eine solche Varianz existiert außer bei den Stormcast Eternals bei allen Völkern.

Unterschiedliche Charakterklassen bieten unterschiedliche Spielansätze.

Jeder Archetypus kommt mit vorgegebenen Attributen daher. Wenn einem diese nicht passen, darf man zwei Attribute tauschen. Darüber erhält man auch eine Fähigkeit mit Training 1 und Focus 1 sowie ein fest zugewiesenes Talent. Zur weiteren Ausgestaltung erhält jeder Archetypus Erfahrungspunkte, um aus einer Auswahl weitere Fähigkeiten zu erwerben oder die bestehenden zu verbessern. Darüber hinaus darf man noch mehrere Talente gratis dazunehmen. Schnell zeigt sich hierbei, dass man ohne größere Probleme recht starke Charaktere kreiert.

Unterstützt wird dies als Ganzes noch über den Mechanismus des Soulfire. Dies ist ein gemeinsamer Pool der Abenteurergruppe, der für unterschiedliche Aufgaben genutzt werden kann. Beispielsweise kann man eine Probe automatisch mit maximalen Erfolgen bestehen oder von der Schwelle des Todes zurückkehren. Spannend ist vor allem, dass die Gruppe der Nutzung des Soulfire zustimmen muss, speist sich dieses doch aus dem sogenannten Binding, dem Zusammenhalt der Gruppe. Dieser Pool füllt sich nicht kontinuierlich wieder auf, sondern nur, wenn die Gruppe beispielsweise Ziele erreicht oder sich einer der Charaktere in einem Last Stand für die Gruppe opfert.

Demgegenüber steht die Mechanik des Doom, das immer weiter ansteigt, wenn beispielsweise schreckliche Dinge geschehen, Charaktere sterben oder sich einzelne gegen die Ideale der Gruppierung stellen.

Insgesamt zeichnet sich hier schon der heroische Rahmen der Charaktere ab, die man erschafft. Mundane Probleme dürften in Age of Sigmar. Soulbound selten eine Rolle spielen. Stattdessen geht es oft gegen die großen Übel der Welt, womit wir zum nächsten Abschnitt kommen: den Kämpfen.

Und jetzt gibt’s aufs Gesicht! – Die Kampfregeln

Diverse Kreaturen stehen als Gegner zur Verfügung.

Kämpfe sind ein zentraler Bestandteil des Spiels, entsprechend ausgiebig wird sich im Regelwerk mit ihnen auseinandergesetzt. Zunächst gibt es zur Bestimmung der Reihenfolge der Kampfreihenfolge feste Initiative-Werte für alle Kämpfer*innen. Diese finden sich bei allen Monstrositäten im Profil und werden bei Spielercharakteren aus Mind und zwei Fähigkeiten errechnet. Wenn man am Zug ist, hat man grundsätzlich eine Bewegungsaktion und eine weitere Aktion, die man für Dinge wie Schläge, Schüsse, Zauberei oder Interaktion mit der Umgebung nutzen kann. Bewegung und Reichweite sind dabei spannend geregelt, wird doch auf genaue Angaben verzichtet und das Schlachtfeld stattdessen in Zonen eingeteilt, etwa die unterschiedlichen Ebenen eines Luftschiffes, die Lichtung eines Waldes oder ähnliche Umstände. Dies benötigt zwar zunächst mehr Vorbereitung, beschleunigt den Kampf danach jedoch deutlich, da viele Messungen wegfallen.

Bei Angriffen im Nahkampf vergleicht man seinen Melee-Wert mit dem Defence-Wert des Gegners, was die Schwierigkeit der Attacke ergibt. Jeder Erfolg bedeutet einen Schadenspunkt, der noch um mögliche Boni der Waffe erhöht wird. Hiervon wird wiederum noch die Rüstung abgezogen.

Regeln haben gut organisierte Seitenverweise.

Zu der genannten Aktion können Spieler*innen noch Mettle benutzen, um entweder bestimmte Wunder und Fähigkeiten einzusetzen oder aber zusätzliche Aktionen im Kampf zu nutzen. Die sowieso schon flotten Kämpfe werden dadurch noch schneller.

Das so entstehende System ist tödlich und führt zu spannenden Kämpfen. Gut eingebunden ist die Möglichkeit, gezielt ungerüstete Körperstellen anzuvisieren. Anders als in vielen Systemen ist dies hier nicht spielhemmend, erhöht es doch schlicht den Defence-Wert des Zieles, was als Mechanik wirklich schnell von der Hand geht.

Das Kampfsystem wirkt ausgeglichen und gut durchdacht. Kämpfe fühlen sich dynamisch an und unterstützen erneut das heldenhafte Auftreten der Charaktere. Man kann durch Gegnermassen waten und furchtbare Schäden anrichten, muss aber genauso auf das eigene Leben achten.

Wo stand das nochmal? – Die Aufmachung des Buches

Uns liegt zur Rezension die PDF-Version des Buches vor, weswegen Bindung und Druckqualität hier keine Erwähnung finden.

Die grundsätzliche Aufmachung ist gut gelungen. Sehr positiv sind die Seitenverweise zu relevanten Regeln an den Seitenrändern aufgefallen. Gleichzeitig wirkt die Kapitelabfolge recht willkürlich. Dies führte auch in der PDF-Version zu viel Geblätter, auch wenn man dabei schnell fand, was man suchte. Die Bezeichnungen sind oft eindeutig, Diskrepanzen über Formulierungen am Spieltisch dürften zumindest bei der vorliegenden englischen Version eher unwahrscheinlich sein.

Anders als in anderen Regelwerken fehlt ein Einstiegsabenteuer, dafür findet sich am Schluss ein recht großes Bestiarium mit einer Vielzahl von bösartigen Kreaturen, mit denen man die eigenen Spieler*innen bewerfen kann.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cubicle 7
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF/Hardcover
  • Seitenanzahl: 350
  • ISBN: 9780857443496
  • Preis: OVP: 49,99 EUR Hardcover, 26,99 EUR PDF
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Sphärenmeister, DriveThruRPG

 

Und für wen ist es nun? – Ein Fazit

Age of Sigmar: Soulbound hinterlässt insgesamt einen guten Eindruck. Die Regeln sind eingängig, die Auswahl an verschiedenen Charakterkonzepten groß, die Konzeption heroisch. Vor allem die Kämpfe sind schnell und dynamisch umgesetzt; das Statische und das millimetergenaue Nachmessen anderer Systeme wird nicht vermisst.

Wer den Hintergrund der Welt von Age of Sigmar schon kennt und ein Rollenspiel sucht, das heroische Runden bedient, kann eigentlich ohne Bedenken zugreifen. Wer aber entweder bodenständige Abenteuerkonzeptionen sucht oder mit dem Hintergrund nicht so viel anfangen kann, wird mit Age of Sigmar: Soulbound wohl nicht glücklich werden.

Der Ersteindruck basiert auf dem Lesen des Regelwerks, dem Erstellen einiger Charaktere und einigen Probekämpfen.

Artikelbilder: © Cubicle 7 Entertainment Ltd
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Simon Burandt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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