Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Spätestens seit Pokémon üben Monster Collection RPGs eine besondere Faszination auf Videospielende aus und doch ist der Markt noch recht überschaubar. Monster Sanctuary von moi rai ist ein Geheimtipp des Genres, über den nicht genügend Leute reden. Warum das Spiel dennoch eure Aufmerksamkeit verdient hat, lest ihr hier.

„Pika, Pika“ – wenn es ums Monstersammeln geht, denken die meisten gleich an das niedliche, gelbe Monster, das elektrische Stöße abgibt. Die Formel von Pokémon (The Pokémon Company) ist in den 25 Jahren seit Schöpfung größtenteils gleichgeblieben: Wir wollen sie alle schnappen und die Allerbesten sein. Das ist für ein zehnjähriges Kind vielleicht noch ein überzeugendes Ziel, doch besonders Fans der ersten Stunde sind zunehmend desillusioniert von dem dürftigen Wachstum, das in dem Franchise stattgefunden hat.

Das Kampfsystem von Pokémon ist denkbar simpel und das ist sowohl die größte Stärke als auch die größte Schwäche.

So kann in der Regel maximal ein Monster gleichzeitig eingesetzt werden, nur in besonderen Kämpfen zwei. Die Stärken und Schwächen der Monster sind zudem nach einem einfachen Schere-Stein-Papier-Prinzip ausgelegt. Weiterhin gibt es kaum Möglichkeiten, die eigenen Monster auszudifferenzieren. Zuletzt ist der Schwierigkeitsgrad zu niedrig, um den Spielenden den Eindruck bedeutsamer Spielentscheidungen zu vermitteln. Diese Aspekte machen die Monsterkämpfe von Pokémon zwar eingängig, aber langfristig auch dröge.

Wer Monster Collection liebt, aber eine Abwechslung von der Standard-Formel sucht, könnte in Monster Sanctuary von moi rai genau das richtige finden. Darin warten spannende und herausfordernde Kämpfe, Flexibilität bei der Ausgestaltung eurer Monster und endlich mal ein Grund, sie wirklich alle zu fangen.

Willkommen in der Welt der Monster

Die namensgebende Monster Sanctuary ist ein Ort fernab der Zivilisation, an dem Monster und Menschen friedlich zusammenleben. Größtenteils. Denn seit einiger Zeit treiben größere und stärkere Monster ihr Unwesen. Als einer von vier Abkömmlingen der Gründerfamilien, den sogenannten Monsterhütern, ist es unsere Aufgabe, zu erforschen, was dahintersteckt. Es gilt, ein dunkles Geheimnis aufzudecken, das das Schicksal der Monster Sanctuary bestimmen wird – das Übliche.

In der Wildnis treffen wir auf ungezähmte Monster.
In der Wildnis treffen wir auf ungezähmte Monster.

Die wenigsten Monster-Collection-Games fahren mit einer bahnbrechenden Story auf und da ist Monster Sanctuary keine Ausnahme. Während die Hintergrundgeschichte durchaus interessant ist, wächst die eigentliche Story leider nicht über das übliche Weltrettungs-Szenario hinaus. Immerhin haben wir jedoch ein nobleres Ziel, als lediglich die Allerbesten sein zu wollen. Dennoch ist es nicht die Story, die Monster Sanctuary zu einem guten Spiel macht ­– es sind die Monsterkämpfe und die sind erstklassig umgesetzt.

Wähle deine Monster

Die Kämpfe verlaufen rundenbasiert und es nehmen auf jeder Seite bis zu drei Monster aktiv teil. Zu Beginn sind die Kämpfe noch recht geradlinig, doch im Laufe des Spiels werden sie zunehmend komplexer und strategischer. So lernen wir nach und nach neue Buffs und Debuffs kennen, die den Verlauf des Kampfes entscheiden können. Dann gilt es, die richtigen Monsterfähigkeiten geschickt zu kombinieren, um maximale Synergien zu erzielen und somit im Kampf gegen stärkere Gegner zu bestehen.

Statusveränderungen können teilweise gestapelt werden, um ihre Effekte zu vervielfachen.
Statusveränderungen können teilweise gestapelt werden, um ihre Effekte zu vervielfachen.

Im Team ist Platz für bis zu sechs Monster. Wenn ein Monster im Kampf ausscheidet, können wir es gegen ein anderes im Team austauschen. Neben einem normalen Angriff ohne besondere Effekte verfügt jedes Monster über mehrere Spezialattacken. Diese treffen meist mehrmals, kosten dafür aber Mana, das sich nur nach und nach wieder auffüllt. Darüber hinaus sind die Spezialangriffe verschiedenen Typen zugeordnet, die je nach Monster unterschiedlich effektiv sind.

Zu Beginn des Kampfes sehen wir die Aufstellung der Gegner und können unsere Strategie anpassen.
Zu Beginn des Kampfes sehen wir die Aufstellung der Gegner und können unsere Strategie anpassen.

Monster Sanctuary geht erfreulich freizügig mit Informationen um: Alle notwendigen Infos können im Kampfbildschirm eingeholt werden. Während wir eine Attacke auswählen, können wir sofort sehen, wie viel Schaden sie machen würde (kritische Treffer und Fehlschläge werden hierbei jedoch nicht berücksichtigt).

Wieviel Schaden ein Angriff macht, ist im Vorfeld bereits bekannt.
Wieviel Schaden ein Angriff macht, ist im Vorfeld bereits bekannt.

Bei der Auswahl des Angriffsziels können wir unterdessen die genauen Werte, Stärken und Schwächen der gegnerischen Monster in Erfahrung bringen. Einzig die Angriffe der Feinde können nicht eingesehen werden.

Nach dem Kampf ist vor dem Kampf

Je nachdem, wie gut wir uns im Kampf anstellen, erhalten wir am Ende eine Belohnung. Je besser wir abschneiden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, wertvolle Gegenstände oder Monster-Eier zu erhalten. Letztere können wir ausbrüten, um unser Team zu erweitern. Angenehm daran ist, dass das Level des geschlüpften Monsters an das aktuelle Teamlevel angepasst wird. Somit sind wir nicht gezwungen, jedes Monster langwierig zu trainieren, bevor wir es einsetzen können, sondern können uns auf das eigentliche Spiel konzentrieren.

Jedes Monster hat eigene Skillbäume.
Jedes Monster hat eigene Skillbäume.

Für jedes Level erhält ein Monster einen Skillpunkt, den wir in Fertigkeiten investieren können. Jedes Monster hat dabei gleich mehrere Skillbäume, entlang derer wir die Fertigkeiten verbessern oder neue lernen – und es gibt zahllose Fähigkeiten zu entdecken. So gibt es nicht nur Angriffe, die den Gegnern Schaden zufügen, sondern auch Heilfähigkeiten. Ebenso können Statusveränderungen zugefügt werden, die Boni oder Mali mit sich bringen. Außerdem gibt es passive Fähigkeiten, die dauerhafte Effekte haben. Manche erhöhen bestimmte Statuswerte, andere haben Sondereffekte und erzeugen mächtige Synergien, wenn man die richtigen Fertigkeiten der richtigen Monster miteinander kombiniert.

Jedes Monster kann mehrere Gegenstände ausrüsten.
Jedes Monster kann mehrere Gegenstände ausrüsten.

Außerdem können wir jedes Monster mit eigenen Gegenständen ausrüsten, die ihm Boni auf verschiedene Werte geben. Darüber hinaus können wir die Monster füttern, was wiederum zu Werteverbesserungen führt. Manche Monster können wir auch weiterentwickeln. Dadurch werden sie nicht unbedingt stärker, erhalten aber neue Fähigkeiten. Es kann sich also durchaus lohnen, ein unentwickeltes Exemplar zu behalten und eines zu verwandeln.

Unerwartete Tiefen

Mit seiner Pixelgrafik und den niedlichen kleinen Monstern mutet Monster Sanctuary zunächst an wie ein einfaches Spiel, doch der Eindruck täuscht. Die vielen Monster und deren Fähigkeiten bringen eine Tiefe ins Spiel, die sich auf den ersten Blick nicht erahnen lässt. Die späteren Bosse zwingen uns, in diese Tiefe vorzudringen und Combos zusammenzupuzzeln, die stark genug sind, um sie zu besiegen.

Zu diesem Zweck ist es auch notwendig, das Monster-Repertoire stetig zu erweitern, da wir immer wieder neuen Monstern begegnen, die ganz eigene Fähigkeiten mitbringen und vielleicht der Schlüssel zum nächsten Bosskampf sind.

Auch außerhalb der Kämpfe bringen die Monster ihre Vorteile mit sich.
Auch außerhalb der Kämpfe bringen die Monster ihre Vorteile mit sich.

Doch nicht nur zum Kämpfen brauchen wir die Monster. Monster Sanctuary hat auch einen Metroidvania-Aspekt. So verfügen alle Monster über eine Fähigkeit, die sie außerhalb von Kämpfen einsetzen können. Auf manchen können wir reiten oder fliegen, andere erlauben uns, im Wasser zu schwimmen. Wieder andere ermöglichen uns bestimmte Interaktionen mit der Umgebung, die neue Wege freimachen. Wir haben also gleich mehrere Gründe, alle Monster zu fangen, da sie uns dabei helfen, an neue Orte zu gelangen. Ein Bonus ist, dass wir das Monster, dessen Fähigkeiten wir außerhalb der Kämpfe nutzen wollen, nicht im Team sein muss.

Die Aufmachung

Optisch ist Monster Sanctuary nichts Besonderes – die Grafik ist eher funktional und auch die Kampfanimationen sind einfach gehalten. Die Monsterdesigns sind oft niedlich, teilweise originell, aber auch nicht bahnbrechend. Insgesamt ist Monster Sanctuary zwar kein Hingucker, aber hübsch genug, um das Spielgeschehen auf angenehme Weise zu transportieren.

Im Monster Journal können wir die Monster genauer unter die Lupe nehmen.
Im Monster Journal können wir die Monster genauer unter die Lupe nehmen.

Beim Soundtrack verhält es sich ähnlich. Die Hintergrundmusik untermalt die verschiedenen Szenerien passend und unaufdringlich. Die Kampfmusik ist ebenfalls zurückhaltend genug, um auch bei längeren Kämpfen nicht nervig zu werden. Gleichzeitig sind die Kampftracks eingängig genug, um den einen oder anderen Ohrwurm zu bescheren.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: moi rai
  • Publisher: Team17
  • Plattform: Windows, Mac OS, Linux, PlayStation 4, Xbox One, Nintendo Switch
  • Sprache: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch, Italienisch, Chinesisch, Japanisch
  • Mindestanforderungen: Dual-Core, 2.0 GHz, 2 GB RAM, GeForce 8800 GT 512 MB oder Radeon HD 4870 512 MB, DirectX: Version 10, 1 GB verfügbarer Speicherplatz
  • Genre: Monster-Collection, RPG
  • Releasedatum: 08.12.2020
  • Spielstunden: 30 Stunden
  • Spieler*innen-Anzahl: 1
  • Altersfreigabe: USK 12
  • Preis: EUR 19,99
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo

 

Fazit

Monster Sanctuary ist trotz seiner Pixelgrafik ein erwachsenes Monster Collection RPG, das nicht davor scheut, uns schwierige Herausforderungen entgegenzusetzen. Durch die Tiefe der Skillbäume und der möglichen Synergien bietet das Spiel eine Vielzahl von Möglichkeiten bei der Zusammenstellung des eigenen Monster-Teams.

Herausfordernde Bosskämpfe zwingen uns, unser Team stetig zu verändern und unsere Strategien anzupassen. So schafft Monster Sanctuary es, uns dazu zu motivieren, alle Monster zu fangen und auszuprobieren. Dadurch fühlen sich unsere Entscheidungen im Spiel wesentlich bedeutsamer an, als wenn es einfach mit einem besonders starken Monster durchzuspielen wäre.

Leider ist die Schwierigkeit am Ende wirklich sehr hoch, sodass wir es selbst noch nicht geschafft haben, den Endboss zu besiegen. Dennoch bleibt uns Monster Sanctuary in guter Erinnerung – ein Blick darauf lohnt sich für alle, die Spiele wie Pokémon zwar mögen, denen das immergleiche, einfache Spielprinzip aber einfach nicht mehr reicht.

  • Strategisches, tiefes Kampfsystem
  • Vielfältige Möglichkeiten der Teamgestaltung
 

  • Flache Story
  • Hohe Schwierigkeit

 

Artikelbilder: © moi rai
Screenshots: Milanko Doroski
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

 

1 Kommentar

  1. bitte wirklich nicht von dem Putzig süssen Pixel Look täuschen lassen und erst recht nicht von der am Anfang echt lockeren Schwierigkeit.

    Ein früher „Roadblock“ ist z.b. ein Hüterkampf (also gegen nen NPC) der ebenfalls ein vollständiges Team hat. Während ich also dachte „ja lol ichb in leveltechnisch drüber“ hat das nichts geholfen da dieser NPC sein Team mit ner ziemlich nervigen Strategie rund um Debuffs gebastelt hat und mich irgendwann DPS mässig komplett zerstört hat. Ergo musst ich dann erstmal anfangen mich doch etwas tiefer mit dem System zu beschäftigen :-)

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein