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Die meisten Rollenspieler bespielen vorgefertigte Spielwelten. Oder sie erschaffen eigene Welten auf Basis von bekannten Regelwerken. Was aber tun, wenn das Dargebotene nicht ausreicht? Dann hilft mitunter nur eins: Selber machen. Genau so entstand auch das Science-Fiction-Rollenspiel RiftRoamers.

Ich habe Mirco Adam und Herbert Arp, die Macher des Spiels, zu dem Projekt befragt. Die beiden arbeiten seit über 20 Jahren in ihrer Freizeit an RiftRoamers.

Das Rollenspiel

Die Menschheit hat in RiftRoamers die Grenzen ihres eigenen Sonnensystems verlassen und ist im vierten Jahrtausend als die United Solar Confederation (USC) ein kleiner Teil einer großen galaktischen Gemeinschaft. Umgeben sind die Menschen von einer Vielzahl von außerirdischen Völkern, einige davon mit gegenüber der USC geradezu titanischen Imperien. Und natürlich waren oder sind sie hier und da untereinander und mit den Menschen im Krieg. So hat eine Rasse – die Morlorn – etwa Mitte des dritten Jahrtausends die Erde angegriffen, eingenommen, unterdrückt und schließlich terraformiert. Erst mit Hilfe zweier anderer Fremdrassen konnten sich die Menschen aus der Unterdrückung befreien, die Wiege der Menschheit allerdings blieb verloren und Basis des USC ist nun der Mars.

Im Spiel finden wir genretypisch den Cyberspace, Androiden, PSI-Fähigkeiten, Plasmawaffen, Antimaterie, Raumschiffe und Sternentore. Letztere bilden einen besonderen geschichtlichen Hintergrund, da sie uralt, von unbekannter Herkunft und nahezu unzerstörbar sind. Und im Gebiet der Menschen befindet sich ein ganz besonderer Reiseknoten dieses Sternennetzwerkes.

RiftRoamers will nicht nur als Science-Fiction-Rollenspiel, sondern als dystopisches Spiel verstanden werden. “Hinter der Hochglanzhülle steckt ein perfider Kern.”, beschreibt Mirco den düsteren Ansatz, der in einem der daran angelehnten Nebenprojekte noch deutlicher zum Vorschein kommen soll. Näheres dazu findet sich weiter unten.

Nicht unbedingt für Riftroamers repräsentativ... aber faszinierend!
Nicht unbedingt für Riftroamers repräsentativ… aber faszinierend!

Die Regeln sind vergleichsweise schlicht. Alle Proben werden mit einem W100 abgehandelt. Charakterattribute, Sekundärattribute und Fertigkeiten haben Werte von 0 bis 100, in seltenen Fällen auch mal darüber, und es gilt drunter zu würfeln. Die Abhandlung von Kämpfen wird in Kampfrunden mit Initiativwürfen und Ähnlichem gehandhabt. Die bei der Charaktererschaffung verwendeten Archetypen erinnern ein wenig an Cyberpunk2020 und die im Kampf verwendeten Aktionsphasen an die frühen Versionen von Champions (es ist mir unbekannt, ob die sechste Edition diese Regel noch verwendet). So hält das Regelwerk für den erfahrenen Rollenspieler im Grunde keine Überraschungen bereit und bildet einen Mix aus bekannten Elementen. Ins Auge sticht nur selten etwas (wie beispielsweise eine Trefferzonentabelle für einen Menschen mit 31 Trefferzonen!).

Das bisher vorliegende, 381 Seiten starke, Regelwerk beinhaltet etwa 150 Seiten Hintergrund und gut 150 Seiten Regeln. Die restlichen Seiten sind oft eine Mischung aus beiden, zum Beispiel, wenn die besonderen Bedingungen im Weltall erörtert oder die technologischen Möglichkeiten geschildert werden. Einige wenige Seiten sind allerdings auch leer oder enthalten lediglich Platzhalter für den noch nachzutragenden Inhalt.

Was im Grunde noch fehlt, ist ein Kampagnenhintergrund, der dem Spieler nicht nur die Tür zu einem riesigen Universum öffnet, sondern ihn auch gleich an die Hand nimmt und ihm aus den endlosen Möglichkeiten eine mögliche Richtung aufzeigt. Mirco erklärt dazu: “Wir hatten den Plan, Einstiegsabenteuer zu entwerfen, die auch als Einstieg in die weitere Kampagnenwerke dienen sollen.” Drei Kampagnen dazu gibt es schon, zumindest teilweise auf der RiftRoamers Internetseite: Der Santora Konflikt, Das Mysterium der Tore und Die Rückeroberung Terras. Vorerst ist nur zu dem Erstgenannten etwas zu lesen. Was sich hinter den anderen beiden Punkten verbirgt, ist allerdings im Groben schon offensichtlich.

Beim Lesen fallen hier und da eine Reihe englischer Begriffe auf. Das liegt nicht nur daran, dass viele bekannte technische Entwicklungen auch in unseren Breiten ihren englischen Geburtsnamen behalten (wie z.B. Rift als Rapid Interstellar Flight Technology). Das liegt auch daran, dass die Autoren ihre Rollenspiele damals hauptsächlich nach englischen Regelwerken spielten und so anstatt Fertigkeiten Skills sagen und schreiben.

Nichtsdestotrotz macht das Werk den Eindruck, dass man es auch ohne die noch fehlenden Teile zur Hand nehmen und bespielen kann.

Genese

Die Entwickler hinter RiftRoamers sind keine professionellen Spielentwickler. Sie sind Kinder der frühen Siebziger, Rollenspieler und inzwischen mit Beruf und Familie versehen. Nur ab und an steht ihnen die erforderliche Freizeit wie auch Motivation zur Verfügung, um weiter an ihrem Projekt zu arbeiten. Und das tun Mirco Adam und Herbert Arp, über die Jahre der Entwicklung, immer wieder unterstützt von Freunden und Mitspielern, nun schon seit gut 23 Jahren.

Die Spielrunde um Mirco hat Anfang der 90er Traveller gespielt und ist zu dieser Zeit irgendwann an die Grenzen dessen gestoßen, was ihnen das Spiel bieten kann. Und dann fingen sie an zu schreiben. “Die Spielmechanik gefiel uns nicht, das Spieluniversum war zu vordefiniert. Wir wollten etwas anderes haben – wo wir nicht die großen Helden sind, sondern eher die Underdogs.”, erklärte Mirco dazu.

Als Folge dieses Entschlusses wurde fleißig getüftelt, geschrieben und gespielt. Was anfangs entstand trug damals noch den Namen Alien Encounters 3030AD und umfasste nur wenige Seiten Regeln, die zum Teil von Cyberpunk2020 entliehen wurden. Die Regeln haben sich seitdem immer mal wieder verändert. Der Fokus von dem, was inzwischen zu RiftRoamers geworden ist, lag allerdings von Anbeginn an auf dem Hintergrund.

Und dieser Hintergrund liegt zu einem nicht unwesentlichen Teil noch immer in seiner ursprünglichen Form vor: Analog. Mit zunehmender Bedeutung der Digitalisierung setzen sich auch die Autoren damit auseinander, das Material auf komplett auf den PC und später ins Internet zu bringen. 2002 gab es das erste umfangreiche digitalisierte Werk von RiftRoamers, dem aber noch immer ein großer Teil des Hintergrundes fehlte, der selbst bis heute nur in handschriftlicher oder servietten-skizzierter Form vorliegt.

Irgendwann änderten sich die Interessen und die Spielrunde trieb auseinander und nach der Jahrtausendwende lag RiftRoamers lange brach. Erst seit etwa zwei Jahren sind die Autoren wieder dabei, das Werk zu einem vorläufig finalen Stand zu bringen.

“Wir haben nie ein kommerzielles Interesse mit RiftRoamers verfolgt.”, gibt Mirco dazu an. “Wir basteln da seit 20 Jahren dran herum, aber es ist uns dabei nicht wichtig, das fertige Rollenspiel in den Laden zu bringen. Ich möchte allerdings irgendwann ein gedrucktes Hardcover-Exemplar in meinem Regal stehen haben.”

Inzwischen ist im Übrigen nicht nur das Regelwerk im Internet angekommen. Die Spieler testen das Spielen über roll20 und wollen so räumliche und zeitliche Schwierigkeiten umgehen.

Seit kurzem steht eine Roadmap für die weitere Entwicklung von RiftRoamers, dessen Kern danach bis Anfang 2015 einen fertigen Zustand erreichen könnte.

Chrome Black Studios

Im Laufe der Jahre gab es eine Reihe von kleineren Nebenprojekten, die von den Autoren ins Leben gerufen wurden. Mit den Bemühungen, RiftRoamers ins Internet zu bringen, wurde auch Chrome Black Studios geboren, um alle mit dem Rollenspiel verbundenen Projekte unter einem Dach zu vereinen.

Nations of Orion ist eines dieser Nebenprojekte. Dabei geht es um einen Mod zu Vega Strike, einem freien und rechnerplattform-unabhängigen Weltraum-Flugsimulator. Wie auch schon auf der Internetseite von RiftRoamers zu sehen ist, kann Mirco gut mit Blender umgehen und so eigene 3D-Modelle erschaffen. Und in Nations of Orion wird das Gerüst von Vega Strike dazu verwendet, um RiftRoamers in einem PC-Spiel zu erleben.

Mit CentAction haben die Autoren den Versuch unternommen, das Regelgerüst von RiftRoamers zu entkoppeln um es als freies und generisches Rollenspielsystem verwenden zu können.

In einem weiteren Projekt geht es darum, für New Sydney einen vom Grundregelwerk unabhängigen Quellenband für eine spezielle Region zu erschaffen. “Wenn die einigermaßen gut ausgestattet ist, kann man diese Science-Fiction-City auch eigenständig in anderen Rollenspielen verwenden.”, merkt Mirco zu New Sydney an. Es gibt noch eine Menge unveröffentlichtes Material zu dieser Stadt und ein Teil davon liegt in Briefen vor. Diese haben sich Mirco und Herbert in den Anfängen von RiftRoamers als Zeitvertreib zwischen den Treffen einander zugesandt und dabei den Hintergrund um diese Stadt verdichtet.

Die Seiten des ganzen Projektes sind in ihrer Erscheinung generisch, aber ansprechend. Es gibt eine ganze Menge Häppchen, wie zum Beispiel auch Kartenmaterial hinter den Links. Das Regelwerk selber gibt es im Moment aber nur als herunter zu ladendes PDF.

Das Territorium der Menschen
Das Territorium der Menschen

Kreativzone

Über die Jahre haben eine Reihe von Personen an dem Ganzen mitgewirkt, und um die kreativen Ideen aller einzufangen, wurde ein Forum mit dem schönen Namen Creativity Zone aufgestellt. Wer Interesse am Mitgestalten hat, kann sich dort gerne mit seinen Ideen vorstellen. Mirco wird die Zügel nicht aus der Hand geben, aber es gibt genug Freiraum im Universum von RiftRoamers, um einen eigenen Bereich auszuarbeiten und diesen mit Hilfe der anderen Mitarbeiter mit den bisher vorhandenen Bereichen zu verknüpfen.

Wenn sich die Möglichkeit ergibt, werde ich das Spiel auf jeden Fall einmal testen und wer Kontakt zu den Schöpfern aufnimmt, kann vielleicht ebenfalls in den Genuss einer Testrunde kommen. Und wenn es jemals eine fertige Version des Rollenspieles gibt, werden es die Teilzeithelden sich sicherlich nicht nehmen lassen, es eingehend zu studieren und zu rezensieren. Alles weitere zu RiftRoamers findet sich unter www.riftroamers.de.

Artikelbilder: Rift Roamers

 

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