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Auf einer lebensfeindlichen Erde hat der Herrscher über Heimstatt und Nahrung die Macht eines Gottes. Das Science-Fiction-Epos Im Schatten der Sonne zeigt die Gnadenlosigkeit und Brisanz einer solchen Situation. Doch dabei vergisst es schnell den Einsatz des ausdrucksstärksten Erzählmittels: die Emotionen der Protagonisten.

30 Jahre sind mittlerweile seit dem Erscheinen der letzten Ausgabe der Weltraumtrilogie Im Schatten der Sonne vergangen. Nun ist in enger Abstimmung mit Texter und Zeichner Colin Wilson eine Sammelausgabe des Epos erschienen. An Kenntnissen über das Science-Fiction-Genre mangelt es dem neuseeländischen Künstler dabei nicht. Seine Zeichnungen erschienen unter anderem für Serien wie Judge Dredd im britischen Magazin 2000 AD. Für sein im Original Dans l’Ombre du Soleil betiteltes Magnum Opus konnte er deswegen einen reichen Schatz an Erfahrung sammeln. Doch weiß die apokalyptische Graphic Novel auch heute noch zu überzeugen? Wir finden es in unserem Kurzcheck heraus.

Handlung & Charaktere

Die Welt von Im Schatten der Sonne ist eine düstere. Auf der Erde dominieren Verwüstung, Chaos, Leid und Hunger. Es gilt das Gesetz des Stärkeren, wodurch Unterdrückung und Tyrannei allgegenwärtig sind. Die Herrscher über Ressourcen werden auch zu den Herrschern über andere Menschen. In diesem Umfeld sind die drei Protagonisten Rael, Mantell und Aria auf der Suche nach Verpflegung, doch schnell werden sie Opfer eines Überfalls. Ihre Entführer verschleppen sie auf eine gigantische Raumstation, die ein Leben oberhalb der verseuchten Erde ermöglicht. Dazu werden Arbeitskräfte benötigt und notfalls mit Gewalt rekrutiert – was die Helden nun am eigenen Leib erfahren.

Besonders Rael denkt nicht im Traum daran, sich mit seinem neuen Schicksal anzufreunden. Was folgt, ist nicht nur der Kampf um die eigene Freiheit, sondern um die der gesamten Raumstation – und möglicherweise auch um die Rettung der Erde.

Die drei Kapitel der Graphic Novel Im Schatten der Sonne tragen die Namen der Protagonisten Rael, Mantell und Aria. In diesem Hinblick sollte man vermuten, dass der Fokus der Handlung auch auf den Charakteren liegt. Auf der einen Seite trifft das zu: Die drei sind die Dreh- und Angelpunkte der Handlung und treiben die Entwicklung der Geschichte voran. Doch auf der anderen Seite fällt dem Leser schnell die oberflächliche Gestaltung aller Charaktere auf, einschließlich der Protagonisten. Es stechen kaum Charaktereigenschaften hervor, durch die die Figuren differenzierter werden. Auch zeigen sich wenige Einblicke in ihre Gefühlswelten. Das macht es als Leser schwer eine Beziehung aufzubauen, und scheinbare Schicksalsschläge gegenüber den Protagonisten berühren emotional kaum.

Dabei weiß die Geschichte durchaus zu fesseln. Sowohl der Kampf um das Überleben als auch die Sehnsucht nach Freiheit werden gut in Szene gesetzt. Colin Wilson gelingt der Aufbau einer trostlosen und düsteren Welt. Leider sticht neben der fehlenden Charaktertiefe auch stellenweise der Spannungsbogen negativ hervor. Angedachte Höhepunkte und Wandlungen werden zu plötzlich inszeniert. Dadurch steigt die Wirkung einiger Wendungen, doch in anderen Fällen hat man den Eindruck, dass der Handlung keine Zeit zur Entfaltung gegeben wurde.

Zeichnungen & Kolorierung

Wie bereits bei Werken wie Aria merkt man Im Schatten der Sonne das Alter an. Die Zeichnungen und Farbqualität können nicht mit modernen Graphic Novels mithalten. Am deutlichsten wird das bei der eingeschränkten Farbpalette. Diese lässt die Szenen mitunter flach und trüb wirken.

Glücklicherweise wird dies durch die anderen Qualitäten von Wilson als Zeichner ausgeglichen. Besonders im Bereich der Szenerie glänzt die visuelle Präsentation. Die zerstörte Erde und die Raumstation geben Einblick in eine futuristische und abgewrackte Welt. Posen und Bewegungen der Akteure hinterlassen einen dynamischen Eindruck und schaffen insgesamt eine stimmungsvolle grafische Basis.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Kult Comics
  • Autor: Colin Wilson
  • Zeichner: Colin Wilson
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 160
  • Preis: 30,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Im Schatten der Sonne startet vielversprechend. Leider sorgen die oberflächlichen Charaktere dafür, dass keine emotionale Bindung zum Leser aufgebaut wird. Gemeinsam mit einem stellenweise unpassenden Spannungsbogen trübt das den Gesamteindruck, was leider auch die interessante Atmosphäre und visuelle Gestaltung nicht wettmachen können. Das Weltraumepos von Colin Wilson bleibt am Ende weder besonders positiv noch besonders negativ in Erinnerung. Eine Empfehlung ist deswegen hauptsächlich für Liebhaber von apokalyptischer Science-Fiction auszusprechen.

 

Artikelbild: Kult Comics, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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