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Was bedeutet es, der Sohn des größten Superhelden des Planeten zu sein? Robert Kirkman bringt uns mit Invincible die Antwort auf diese Frage. Der erste Band der über 16 Jahre aufgebauten Geschichte des jungen Mark und seinen Weg zum Superhelden Invincible ist nun endlich in Deutschland als Sammelband erhältlich.

Wenngleich Robert Kirkman besonders für seine Erfolgsserie The Walking Dead einer größeren Zielgruppe bekannt geworden ist, war das mitnichten sein Einstieg in die Comicbranche. Nach der eigenständigen Veröffentlichung der Satire Battle Pope begann er an der Superheldensparte von Image Comics mitzuarbeiten. Im Zuge dessen schuf er auch den Helden Invincible, der nach einem Nebenauftritt in Tech Jacket im Jahre 2003 seine eigene Serie erhielt.

2018 fand die Serie nach 144 Heften im englischsprachigen Raum ihr Ende. Die ersten 13 US-Hefte der selbst proklamierten besten Superhelden-Comics im Universum sind nun bei Cross Cult als Sammelband erhältlich. Ist die Selbstwahrnehmung von Invincible zu großspurig oder hat die Graphic Novel wirklich das Zeug zur besten Superhelden-Serie?

Handlung & Charaktere

Von außen betrachtet führt Mark Grayson das Leben eines normalen Teenagers. Nach der High School muss er sich mit seinem Nebenjob im Burgerladen herumschlagen. Hausaufgaben sind ebenfalls ein ungeliebter fester Bestandteil des Tagesablaufs. Mädchen wirken auf den jungen Mann immer interessanter, sind aber so verdammt schwierig zu verstehen! Warum zur Hölle sollten wir uns also für das Leben von Mark interessieren?

Die Antwort auf diese Frage ist einfach: Marks Vater ist Omni-Man, der mächtigste Superheld des Planeten. Deswegen ist es wenig überraschend, dass sich eines Tages bei der Arbeit Marks eigene Superkräfte manifestieren. Schnell wird die Entscheidung gefällt, dass er als Invincible ebenfalls Heldentaten vollbringen wird. In Folge dessen gerät er in die Welt der Superhelden und Superschurken. Mark bekämpft Bösewichte, unternimmt Team-Ups und erhält natürlich wertvolle Ratschläge von seinem Vater. Nebenbei muss er aber auch versuchen, sein normales Leben in den Griff zu bekommen. Hierbei ist seine Mutter, die nicht über Superkräfte verfügt, ein wertvoller Ankerpunkt zur Realität der gewöhnlichen Menschen.

Lange scheint es so, dass keine Herausforderung zu groß und keine Gefahr unüberwindbar ist. Doch dann geschieht etwas, dass Marks Weltbild komplett aus den Fugen bringt.

Dieser Wendepunkt der Geschichte, der kurz vor der Mitte des Sammelbandes stattfindet, ist ein Wendepunkt für den Leser. Zuvor scheint Invincible wie eine kurzweilige, aber zugleich uninspirierte Geschichte über einen jungen Mann, der seine Kräfte erforscht. Wobei man zugeben muss, dass nicht mal viel Fokus auf Marks Umgang mit seinen Kräften gelegt wird. Scheinbar ist der Bursche ein Naturtalent, der problemlos die Anwendung von Unverwundbarkeit, Flugfertigkeit und übermenschlicher Stärke beherrscht. Dadurch entsteht zu Beginn keinerlei Gefühl von Bedrohung in den Konfrontationen. Kein Gegner kann Invincible auch nur im Ansatz gefährlich werden. Spannender sind tatsächlich die Alltagssorgen und das Miteinander der ungewöhnlichen Familie.

Erst mit dem Wendepunkt nimmt die Handlung an Fahrt auf und ein roter Faden hinter allem bisher Erlebten wird erkennbar. Glücklicherweise ist die Lektüre insgesamt sehr kurzweilig gehalten. Kirkman nimmt in seiner Superheldengeschichte mit einem Augenzwinkern Bezug auf viele etablierte Gruppen und Charaktere der großen Marken Marvel und DC. Das beginnt schon bei Marks Vater Omni-Man, der definitiv eine Anspielung auf Superman ist. Fans der Justice League, Watchmen oder von Spiderman werden mit Sicherheit auch Parallelen entdecken. Kirkman geht dabei etwas sarkastischer vor als Jeff Lemire in seiner Superhelden-Hommage Black Hammer, doch sein Gefallen an dem Genre ist spürbar.

Zeichnungen & Kolorierung

Die Zeichnungen von Invincible stammen bis Heft 7 aus der Feder von Cory Walker, der ab dem achten Heft die Aufgabe an Ryan Ottley abgeben musste. Glücklicherweise wirkt sich das nicht negativ auf das Lesevergnügen aus. Ottley schafft es, den eingeschlagenen Stil problemlos zu adaptieren und im Laufe des Bandes weiter zu verfeinern.

Hierbei ist sicherlich von Vorteil, dass Walker in seinen Zeichnungen auf sehr minimalistische Mittel zurückgriff. Die Panels von Invincible sind detailarm, besonders im Hinblick auf die Hintergründe. Eine starke Strichführung mit dominanten Außenlinien und eine Tendenz zur Überzeichnung verpassen den Charakteren einen Cartoon-Eindruck. Dank eines hohen Anatomie-Verständnisses gelingt es beiden Künstlern, aufgrund dynamischer Gestik und Mimik eine atmosphärische Bildwelt zu erzeugen.

Verstärkt wird der Eindruck eines Cartoons durch die farbenfrohe Kolorierung von Bill Crabtree. Die meist einfarbig gehaltenen Hintergründe bieten einen perfekten Kontrast zu den inszenierten Charakteren, die selbst in sehr üppigen Farbkombinationen auftreten. Invincible steht damit in klarem Kontrast zu einer anderen Erfolgsserie von Cross Cult über heranwachsende Jugendliche mit außergewöhnlichen Fertigkeiten: Deadly Class, das mit einer sehr monochromen und tristen Kolorierung seinen eigenen Stil verfolgt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor: Robert Kirkman
  • Zeichner: Cory Walker, Ryan Ottley, Bill Crabtree
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 352
  • Preis: 30,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Invincible verpasst die Bestnote hauptsächlich wegen seiner ersten Hälfte. In dieser wirkt die Erzählung über Marks Weg zum Superhelden Invincible uninspiriert. Erst nach einer erfolgten Wendung in der Mitte des Bandes beginnt man die Faszination dieser Superheldengeschichte zu verstehen. Die zweite Hälfte fügt die Handlungsstränge und Anspielungen des Beginns harmonisch zusammen und erschafft ein kurzweiliges und interessantes Superhelden-Universum. Der Unterhaltungswert wird auch durch die farbenfrohe Visualisierung realisiert, die einen charmanten Cartoon-Stil einsetzt.

Invincible mag damit meiner persönlichen Meinung nach nicht die beste Superhelden-Serie im Universum sein. Aber auf jeden Fall eine verdammt gute.

 

Artikelbild: © Cross Cult, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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