Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Endlich! Das brandneue Brettspiel liegt auf dem Tisch und alle wollen am liebsten sofort los spielen. Doch ob schlankes Familienspiel oder 1000-teilige Kennerbox mit Missionen, vor Beginn heißt es jedes Mal: Regeln erklären! Wir haben für euch fünf Tipps, wie ihr das mit Struktur und Spaß angehen könnt.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen – dieses Motto gilt auch für Brettspiele. Bevor der große Moment kommt, an dem man gemeinsam ein neues Spiel ausprobieren kann, müssen die Regeln erklärt und verstanden werden. Dies ist aber nicht nur notwendig, sondern auch enorm wichtig. Bereits mit diesem ersten Schritt steht und fällt der Spaß und das Spielerlebnis eines Brettspiels. Ein eigentlich gutes Spiel mit optischen Highlights, schönen Details und ausgewogenem Balancing kann frustrierend sein, wenn ein oder mehrere Mitspieler die Regeln nicht richtig verstanden haben. So können im schlimmsten Fall ganze Spieleabende kippen.

Hinzu kommt, dass einem nicht jedes Spiel den Einstieg gleich leicht macht. Als wäre es nicht schon komplex genug, dass jeder Brettspieltyp natürlich auch seine eigene Vorstellung einfordert, erklärt sich auch jedes Brettspiel selbst auf eine andere Art. Jede Anleitung ist anders, manch eine ist reich mit Bildern, Beispielen und Übersichten versehen, so dass keine Wünsche offenbleiben, andere halten sich eher kurz und knapp. Und, erfahrene Spieler werden es kennen: Manchmal gibt es sogar Fehler, Unklarheiten oder Doppeldeutigkeiten in der Spielanleitung oder dem Material. Da ist es oft gar nicht so einfach, selbst den Überblick zu gewinnen. Und selbst wenn doch, ist es immer noch eine ganze andere Herausforderung, anderen das eigene Wissen beizubringen.

„Können wir nicht einfach anfangen?“ Verständlicherweise will sich oftmals keiner zu lange mit dem Erklären der Regeln aufhalten, zu groß ist die Neugier und der Reiz des Neuen. Wie komprimiert man da die Informationen, ohne wichtige Spielinhalte auszulassen? Wie bereitet man sich ausreichend gut auf ein neues Brettspiel vor und führt die Mitspieler sowohl umfassend als auch gerafft ein?

Auch wenn keine Spielerunde der anderen gleicht und jede Brettspielanleitung unterschiedlich ist, gibt es Möglichkeiten, um mit Struktur, Planung und guter Vorbereitung an diese wichtige Aufgabe heranzugehen. Wir geben euch fünf hilfreiche Tipps, mit denen auch Gelegenheitszocker im Handumdrehen die Aufgabe eines Spielleiters und guten Regelerklärers meistern. Und eine Menge Spaß macht es obendrein.

Tipp 1: Erkläre ein neues Brettspiel mit Struktur

Brettspiele und deren Spielmechaniken sind sehr unterschiedlich. So muss man auch beim Erklären der Regeln flexibel bleiben und sich einen Plan zurechtlegen. Es hilft enorm, sich zunächst diese beiden Fragen zu stellen:

  1. Um was für ein Spiel handelt es sich und wie komplex ist das Regelwerk?
  2. Wem erkläre ich das Spiel und wie ist der Erfahrungsstand meiner Mitspieler?

Neben den eigentlichen Regeln sollte man den Rahmen, wie man erklärt, an die Antworten auf diese beiden Fragen anpassen. Davon hängt beispielsweise ab, wie viel man erklärt, wie viele Beispiele man gibt oder welches Vokabular man benutzt (mehr dazu bei Tipp 2).

Doch egal ob Einsteiger oder Vielspieler: Struktur hilft immer. Statt von Regel zu Regel zu springen und um dem gelegentlichen „Ach, diese Sonderregel gab es ja auch noch!“ zu entgehen, ist es wichtig, selbst einer klaren Reihenfolge zu folgen. Abgesehen von einer thematischen Einführung oder dem Abstecken des groben Rahmens, ist es sinnvoll, recht früh zu erwähnen, was wir eigentlich tun müssen. Siegpunkte sammeln? Geld verdienen? Kooperativ die Welt vor Aliens retten? Dann ist zumindest schon mal klar, wo es hingeht.

Nun kann man anfangen zu erläutern, womit wir es eigentlich zu tun haben. Wie ist die Ausgangssituation des Brettspiels? Was gibt es für Material? Haben wir Figuren, die wir bewegen oder nur ein Deck mit Karten auf der Hand? Dies bietet eine gute Grundlage, um zu erklären, auf welchem Weg das zuvor beschriebene Ziel des Spiels erreicht werden kann. Hier geben viele Spiele selber eine Struktur an die Hand, manche Brettspiele werden in Phasen oder Runden gespielt, und das eignet sich gut zum geordneten Erklären. Für einen reibungslosen Spieleinstieg lohnt es sich außerdem, nicht nur zu erklären, was man machen kann, sondern auch, was man machen sollte.

Checkliste – Ein strukturierter Ablauf könnte demnach wie folgt aussehen:

  • Spielziel erklären
  • Spielaufbau am Spielstart und verwendetes Material erklären
  • Spielablauf/Spielzüge erklären
  • Strategien und Tipps für den Anfang geben

Tipp 2: Geh auf deine Mitspieler ein

Empathie schadet nie! So auch bei Spielerunden. Denn neben der eigenen Erklärleistung muss man auch bedenken, an wen man sich richtet. Welches Wissen setze ich bei meinen Mitspielern schon voraus? Auf welchen Vorerfahrungen mit Spielen kann ich aufbauen? Hier gilt es die Balance zu wahren, die erfahrenen Spieler nicht zu langweilen, Neueinsteiger aber auch nicht zu überfordern. Und wenn die Gruppe sehr heterogen ist, machen auch persönliche Erläuterungen an der einen oder anderen Stelle Sinn.

Gelangweilt werden möchten aber weder Einsteiger noch Profis. Die Regeln von Seite eins bis Seite zehn vorzulesen, empfiehlt sich eher nicht. Vortragen statt Vorlesen, zumindest beim Erklären, könnte die Devise lauten. Und ganz wichtig ist auch das Problem der Informationsüberflutung auf dem Schirm zu behalten. Auch bei den größten Cracks unter den Mitspielern ist irgendwo eine Grenze erreicht, wie viele Informationen auf einmal aufgenommen werden können. Bei komplexen Spielen macht es daher auch Sinn, das Erklären zu unterteilen. Etwa: „Wir spielen jetzt erst mal die nächste Runde und dann erkläre ich noch einmal die Sonderregeln X und Y“.

Auch ist jeder von uns ein anderer Lerntyp, nicht nur in der Auffassungsgabe, sondern auch der Art, wie verstanden wird: sei es visuell, haptisch oder auditiv. Hier macht es sich bezahlt, nicht nur stur die gelernten Regeln vorzutragen, sondern durchgehend auf die Reaktionen der Mitspieler zu achten. Erntet man auch am Ende des Erklärens nur fragende Blicke, schadet es nicht, nachzufragen.

Tipp 3: Sei selbst gut vorbereitet

Die Pizza ist bestellt, der Spieleabend hat begonnen und vom neuen Brettspiel wurde noch nicht einmal das Material aus den Pappbögen geploppt, geschweige denn einmal ins Regelbuch geschaut? Das empfiehlt sich gerade bei komplexen Spielen absolut nicht. Logischerweise ist die Grundlage für das korrekte Erklären, dass man selbst verstanden hat, worum es geht. Lernt das Spiel kennen. Sichtet das Material, prüft es auf Vollständigkeit, und macht euch mit der Anleitung vertraut. Hier hat man oft mehr als nur eine Möglichkeit, über die mitgelieferte Spielanleitung hinaus kann man sich im Internet zu vielen Brettspielen Tutorials oder ganze Spielpartien anschauen, etwa auf zahlreichen YouTube-Kanälen. Manche Spielverlage bieten eigene Erklärhilfen an, etwa KOSMOS mit der KOSMOS Erklär-App oder smartPLAY von Ravensburger. Ein Check beim Spieleverlag, was es da so alles gibt, kann nicht schaden.

Und wie kann man besser lernen, als mit der praktischen Anwendung? Eine Testpartie hilft einem selbst, aufzuzeigen, was man bereits verstanden hat und wo noch Lücken liegen. Denn mit großer Wahrscheinlichkeit werden die gleichen Fragen, die man selbst hat, auch Mitspieler haben. Mittlerweile bieten viele Spiele hier auch Einführungs- oder Solovarianten von Mehrspielerbrettspielen an.

Wenn man sich vor dem Spieleabend schon darauf geeinigt hat, was gespielt wird, macht es durchaus Sinn, schon die konkrete Partie vorzubereiten, wie etwa Karten auszusortieren, wenn man mit vier Spielern spielt und dann keine Karte für fünf oder sechs Spieler benötigt. Und im eigenen Zuhause kann man Materialschlachten gegebenenfalls auch schon vor Eintreffen der Mitspieler aufbauen – je weniger Warten, desto besser.

„Das hast du aber nicht erklärt!“ Ein Satz, den vielleicht jeder Spielleiter schon einmal gehört hat. Selbst unverbesserliche Nörgler haben hier manchmal Recht, es kann frustrierend sein, eine oder mehrere Regeln nicht erklärt bekommen und eventuell seine Taktik deshalb falsch ausgerichtet zu haben. Je besser man selbst das Spiel und die Regeln kennt, desto geringer die Gefahr etwas Essentielles zu vergessen.

Tipp 4: Vermittle nicht nur die Regeln, sondern auch Spielstrategien

Aller Anfang ist schwer. Selbst wenn alle Mitspieler die Regeln soweit verstanden haben, dass sie wissen wie gespielt wird und was das Ziel ist, lauert dennoch eine Hürde vor Spielbeginn: Erklären, wie man nun konkret anfängt.

Gut, wir wissen nun, was zu tun ist, aber wie komme ich überhaupt dahin? Wie sieht ein beispielhafter erster Zug aus? Worauf sollte man sich bei all den Möglichkeiten zu Anfang konzentrieren? Wie in etwa verläuft die Dynamik und Spielgeschwindigkeit von Anfang bis Ende des Spiels, beginnt es langsam und zieht in den letzten Runden fühlbar an?

Gut ist es, neben dem Regelwerk auch mögliche Strategien und Kniffe zu verraten. So lassen sich Spielprinzip und -mechaniken über die abstrakte Erklärung der Regeln hinaus greifbarer machen. Gegebenenfalls sollte man die erste Partie explizit als Testpartie kommunizieren: „Wir kommen erst mal rein in das Spiel.“ Je nach Komplexität sollte ausreichend Zeit dafür eingeplant werden, meist mehr Zeit als vom Spiel angegeben (selbst wenn man das Erklären der Regeln davon abzieht). Ausgehend von der auf der Spielepackung angegebenen Zeitschätzung pro Partie, sollte man nochmals 50% benötigte Zeit mehr veranschlagen, um hier einen Richtwert zu haben.

In den ersten Spielzügen müssen häufig noch Details nacherklärt werden. Denn auch während des laufenden Spiels werden taktische Tipps, die direkt Bezug auf konkrete Spielsituationen nehmen, von Vielen dankbar angenommen. „Achte bei deinem Zug auch darauf, dass es deinem Gegner, der nach dir dran ist, nützen wird!“

Immer dran denken: Die ersten Züge sind die schwierigsten.

Tipp 5: Schaffe die passende Atmosphäre

Begeisterung steckt an. Da die Regelerklärung doch manchmal etwas trocken ausfallen kann, ist man als Spielleiter gut beraten, direkt beim Einstieg Lust auf das Spiel zu machen. Etwa mit verstellter Stimme den Einleitungstext des Spielsettings vorlesen und alle darauf einstimmen, dass wir im viktorianischen London einen skrupellosen Serienkiller jagen. Gerade erzähllastige Spiele laden dazu ein, die Mitspieler nicht nur oberflächlich zu informieren. 

Auch passende Beleuchtung (aber ausreichend hell, um das Spielmaterial und die Kartentexte noch lesen zu können) kann für die richtige Stimmung sorgen. Das gilt auch für leise Hintergrundmusik. Neben der eigenen Musiksammlung kann man auch hier aus den Weiten des Internets schöpfen. Auf vielen Musikstreamingdiensten gibt es eine umfangreiche Auswahl an Playlists mit Film- oder Videospielmusik, deren Soundtracks je nach Genre auch gut als Brettspieluntermalung taugen.

Nicht nur für Rollenspieler sind außerdem Webseiten oder Apps interessant, die sogenannten „Ambientsound“ bieten. Dort findet sich oft nicht nur Passendes für klassische Dungeoncrawler, sondern vieles mehr, egal, ob es uns in die Tiefen eines unerforschten Sumpfes oder auf eine Weltraummission verschlägt.

Und manch eine Anwendung bietet sogar Möglichkeiten, mehrere Musikspuren oder Geräusche zu mischen und auszusteuern. Kleine Explosion zum krachenden Finale am Spielende gefällig?

Einige Tipps für Ambientsound-Webseiten:

Wir hoffen, diese Tipps helfen euch, die nächsten Spielerunden mit Struktur anzugehen und ohne Frust zu erleben. Nach und nach gehen einem die Strategien in Fleisch und Blut über, denn wie überall, macht auch hier Übung den Meister. Findet euren eigenen Erklärstil und habt zukünftig noch mehr Spaß am Einführen von neuen Spielen!

Stilgrafiken: Thekla Barck
Titelbild: depositphotos | vitrich

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein