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Im Auftrag des Naturforschers Leclerc im 18. Jahrhundert Tiere auf Expeditionen beobachten und darüber Artikel veröffentlichen. Bei Encyclopedia setzen wir Würfel ein, um vielschichtige Kartensets zu erforschen und sammeln. Ob der Aufbruch zu den verborgenen Winkeln der Erde nicht nur Punkte sondern auch Spaß bringt, wollen wir uns einmal anschauen.

Tiere gehen immer und vor allem Flügelschlag hat eine kleine Fauna-Welle ausgelöst, die 2022 mit Arche Nova (derzeit auf Platz 4 bei BoardGameGeek) einen neuen Höhepunkt nahm. Während wir dort einen modernen Zoo planen, gehen wir bei Encyclopia ein paar Jahrhunderte zurück, um Tiere anhand unterschiedlicher Kriterien zu beobachten.

Das Spielbrett zu Beginn noch ein unbeschriebenes Blatt.

In der Zeit der Aufklärung entstanden die ersten, grundlegenden Lexika, mit dem Anspruch das Wissen der Welt zu bündeln. Naturforscher*innen sind aufgebrochen, um die Tiere und Pflanzen auf anderen Kontinenten zu beobachten und zu kategorisieren. George-Louis Leclerc, Comte de Buffon, hat bis zu seinem Tod 1788 ganze 36 Bände seines Hauptwerks Allgemeine und spezielle Geschichte der Natur herausgegeben. In Encyclopedia tragen wir für dieses Werk Informationen zusammen. Mit unseren Würfeln heuern wir Personen für unser Team an, legen uns auf Tierarten fest, planen Expeditionen und bündeln unsere Informationen in Veröffentlichungen.

Der verantwortliche Verlag Holy Grail Games, der uns auch Spiele wie Titan beschert hat, hat nach sechs Jahren im Februar 2023 überraschend aufgrund von Corona und entsprechender Kostensituation seine Schließung bekannt gegeben. Die deutsche Version des Spiels ist über den Vertrieb von Asmodee weiterhin verfügbar.

Triggerwarnungen

Keine typischen Trigger

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Spielablauf

Zu Beginn jeder der sechs Spielrunden würfeln alle je vier zufällige sechsseitige Würfel unterschiedlicher Farben und legen sie vor sich aus. Mit jeder Aktion nehmen wir dann reihum entweder einen eigenen Würfel oder einen von unseren Mitspielenden – die dafür jedoch Boni erhalten.

Um die Aktionen besser zu verstehen, schauen wir uns zunächst eine Tierkarte an – die das Herzstück des Spiels darstellen. Jedes Tier hat fünf Merkmale, die wir erforschen können und die uns Punkte bescheren. Die Kartenfarbe gibt gleichsam den Kontinent an, auf dem das Tier heimisch ist. Unten stehen dann vier weitere Kategorien:

  1. Klasse: Säugetier, Reptil oder Vogel

  2. Ernährungsweise: Alles-, Fleisch- oder Pflanzenfresser

  3. Lebensraum: Land-, Wald- oder Wasserbewohner

  4. Klima: heiße, kalte oder gemäßigte Umgebung

Der afrikanische Elefant als unser Referenztier.

Abgesehen von den fünf Kontinenten gibt es also jeweils drei Ausprägungen. Die Punkte in den Lorbeerkränzen deuten schon an, dass wir mehr tun müssen, um uns mit klimatischen Themen auseinanderzusetzen, da dieser Aspekt eben auch mehr Punkte bringt.

Viele Aktionen, weniger Action

Die Würfel können wir dann für folgende Optionen einsetzen:

  • Akademie: Wir nehmen uns eine Tierkarte, welche der Farbe unseres Würfels entspricht. Die Farben sind dabei den Kontinenten zugeordnet.

  • Expedition: Wir reisen entsprechend unserer Würfelfarbe zu einem der Kontinente und nutzen die Augenzahl des Würfels, sowie weiterer Quellen, dazu, unsere bisherigen Tiere dieses Kontinents zu studieren. Wir verteilen also Punkte und benötigen für die Klasse beispielsweise je zwei, für das Klima jedoch bereits zehn Würfelaugen.

  • Veröffentlichung: Wir wählen eines unserer Tiere als Referenz, welches die Farbe des gewählten Würfels hat. Anschließend können wir alle fünf Eigenschaften, die wir auf dem Tier erforscht haben, für dieses und für jedes weitere Tier werten. Hierzu erhalten wir einen bis acht Siegpunkte je nach Wertigkeit der Kategorie für jedes erforschte und passende Merkmal jedes Tiers. Unser Flamingo lebt im Wasser, was uns fünf Punkte bringt. Für jedes weitere Tier, dessen Lebensraum Wasser wir erforscht haben, legen wir ein Klötzchen in diesen Wertungsbereich und erhalten jeweils fünf Punkte. Anschließend dürfen wir alle Tiere des Kontinents in unsere Sammlung mit aufnehmen. Die anderen gewerteten müssen wir ablegen.

  • Universität: Wir heuern einen brillanten Kopf für unser Team an. Die dazugehörige Karte gewährt künftig Boni bei bestimmten Aktionen oder Punkte am Ende des Spiels. Außerdem zählt die Kartenfarbe mit für die abschließende Set-Collection-Wertung.

  • Alternativ können wir uns mit Würfeln noch Geld und Siegel für zusätzliche Würfelpunkte kaufen und das Recht die nächste Runde zu beginnen.

Wer zuerst platziert bekommt mehr Bonussterne, später gibt es mehr Bonusaugenzahlen.

Generell gilt, dass höhere Augenzahlen Aktionen verbessern, gewisse Wertungen erst ermöglichen oder weitere Boni mit sich bringen. Hier greift der Mechanismus des geteilten Würfelpools sehr gut, da wir durch geschicktes platzieren unserer besten Würfel entweder Boni erhalten oder eher dafür sorgen, dass sich die Anderen woanders bedienen, um uns diese nicht zu gewähren.

Die meisten der Siegpunkte erhalten wir über die Veröffentlichungen. Denn alle fünf Kontinente und vier mal drei Kategorien werden abschließend noch gewertet. Je mehr Klötzchen oder Karten wir dort liegen haben, desto lukrativer wird es. Haben wir beispielsweise vier Vögel betrachtet, bringt uns das nur drei Punkte, bei elf Pflanzenfressern jedoch erhalten wir ganze 35 Punkte.

Wer viel forscht, kann viel veröffentlichen.

Ein Buch aus Würfeln und Klötzchen

Den geneigten Forschenden und Lesenden wird aufgefallen sein, dass es sich um ein recht mathematisch-synergetisches Spiel handelt, indem wir vor allem durch Fokussierung versuchen, möglichst viele Spezialisierungen zu finden, um die Punkte zu maximieren. Es handelt sich also um ein Eurogame in Reinform, bei dem sich manche fragen könnten, wie sehr das Thema durchscheint. Wer erwartet, wie der Einleitungstext verspricht, „gewagte Expeditionen“ zu begehen, wird sicherlich enttäuscht. Wer jedoch den universitären Kontext schätzt, kann durchaus Spaß daran haben, Artikel herauszugeben, die dann folgendermaßen heißen könnten: Über allesfressende Grasland-Vögel Patagoniens und Südafrikas und ihre vielen Gemeinsamkeiten mit Igeln mit einer Randnotiz zu Feuersalamandern. Selbst wenn am Ende nur ein paar Klötzchen hin und hergeschoben werden.

Der richtige Zeitpunkt für die Veröffentlichung(en) ist dann auch einer der spannendsten Aspekte des Spiels. Da wir ja möglichst viele große Set-Kombinationen erzeugen wollen, schnappen wir uns natürlich Tiere mit möglichst vielen Überschneidungen. Es verlockt also zu sammeln und zu sammeln, um am Ende mit dem eigenen Opus Magnum richtig abzuräumen. Aber sollte dann ganz am Ende etwas nicht gelingen, wäre das natürlich eine Katastrophe. Auch wenn es schwerfällt, den Delfin in der letzten Runde unerforscht in der Auslage zu belassen – aber irgendwann geht es eben ans Schreiben. In unseren Proberunden haben alle im Großen und Ganzen die eigenen realistischen Ziele erreicht und es ist sehr befriedigend, auf einmal zehn Tiere zu betrachten und dabei erhebliche Synergien freigespielt zu haben.

Allerdings erhalten wir für eine Veröffentlichung auch jeweils ein Königssiegel, also die besten der Token, mit denen wir unsere Würfel beeinflussen können. Jede Münze erlaubt uns, eine Augenzahl um eins zu erhöhen. Expeditionssiegel, die wir recht schnell erhalten können, direkt um zwei oder die Option, die Farbe eines Würfels zu verändern. Die Königssiegel geben uns direkt fünf Punkte auf unseren Würfel und ändern bei Bedarf auch die Farbe zusätzlich. Sie sind also eine große Hilfe, gerade auf unseren Expeditionen. Alternativ können wir sogar einen zusätzlichen Würfel nutzen, den wir dann allerding neu werfen müssen. Machen wir also früh ein paar Veröffentlichungen, hilft uns das im weiteren Spielverlauf. Das Balancing scheint recht gut zu funktionieren, da am Ende beide Strategien jeweils nicht so weit auseinander lagen.

Die persönliche Auslage für eigene Würfel, Bonusleiste und Platz für Teamkarten.

Eine letzte interessante Mechanik findet sich auf den eigenen Forschungstableaus. Es gibt eine Bonus-Leiste, auf der wir uns bewegen, wenn wir Sterne erhalten. Diese gibt es, wenn wir vor den Anderen Expeditionen auf einem Kontinent unternehmen oder mit hohen Würfeln Tiere aus der Auslage nehmen – und natürlich, wenn sich die anderen bei unseren Würfeln bedienen. Geld, beide Arten der Siegel gibt es hier, aber auch Assistent*innen und Tierkarten.

Ausstattung

Die Anleitung kommt mit pergamentartigem Druck recht edel daher und ist auch recht gut aufgebaut. Es gibt gute Beispiele und auch sinnvolle Redundanzen. Für ein derart schematisches Spiel sind die Regeln zwar generell gut strukturiert, aber eher prosaisch geschrieben. Durch den sparsamen Einsatz von Hervorhebungen sollte das Heft griffbereit sein. Die Übersicht auf der Rückseite ist zu ausladend, um auf einem Blick der Orientierung zu dienen, und andererseits zu verkürzt, um die Regeln ausreichend zusammenzufassen. Ein Glossar würde beim Nachschlagen längeres Herumblättern ersparen.

Problematisch ist jedoch die Spielhilfe. Eigentlich smart aufgebaut, dass sie sich ans Tableau anfügt und sie für die Endwertung einfach umdrehen werden kann. Diese Endwertungspunkte müssen wir jedoch vor Augen haben, wenn wir entscheiden wollen, ob wir wirklich noch versuchen einen neunten Waldbewohner zu erforschen oder doch lieber einen sechsten Vogel und einen fünften Pflanzenfresser. Noch schwieriger ist die Abwesenheit dieser Würfelaugen-Kosten auf der anderen Seite. Nirgendwo haben wir alle Informationen zusammen, denn wer wirklich effizient punkten will, hat einiges an Kopfrechenarbeit zu leisten. Auch für die Veröffentlichungen ist gestaffelt, welche Augenzahl wir benötigen, um die höherwertigen Kategorien mitzuerforschen. Am Ende werden wir da meistens eine sechs wollen, natürlich oder durch Siegel. Warum diese Anforderungen aber nicht auch direkt auf dem Spielfeld im sehr geräumigen tabellarischen Bereich mitabgedruckt ist, ist uns ein Rätsel. Und so sind wir recht viel damit beschäftigt, zwischen vier kleineren Tabellen, die wir an unterschiedlichen Orten finden, hin und her zu suchen.

Ein weiterer Unfall mit den leider nur hübschen Sortierboxen.

Dann gibt es noch die Sortierboxen für Münzen und Siegel. Erst mal schön, dass so was dabei ist und sie sehen auf dem Tisch auch ganz ordentlich aus. Doch trotz vorsichtigen Heraustrennens aufgrund der sehr dünnen Arretierungen, ist die Pappe an diesen Stellen in ihren Schichten teils abgeblättert. Das kann zwar geklebt werden, ist aber unschön. Auch dort, wo es nicht passiert ist, halten die Seitenwände nur bedingt: Wenn die Boxen weitergereicht und dabei falsch angefasst werden, rollen die Münzen übers Spielfeld. Auch hier kann der Kleber Abhilfe schaffen – insgesamt sind die Boxen gut gedacht, aber leider nicht gut gemacht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Holy Grail Games, Asmodee
  • Autor*in(nen): Éric Dubus, Olivier Melison
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieldauer: 60-120
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: 14+
  • Preis: ca. 60 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Ungewöhnlicherweise und vielleicht aufgrund der Geschäftsaufgabe von Holy Grail Games ist das Regelheft weder auf Englisch noch auf Deutsch offiziell verfügbar.

Fazit

Wenn eine*r eine Reise tut … dann fühlt sich das etwas anders an. Das Schreiben steht im Vordergrund und nicht die Tiere, aber eigentlich sammeln wir nur Klötzchen und rechnen mit Tabellen. Das Spiel macht dabei durchaus vieles richtig, manches neu, aber ist ganz sicher nicht für alle gleichermaßen geeignet. Fans harter Eurogames kommen sicherlich auf ihre Kosten und dafür erfreuen wir uns an dem nicht ganz so abgenutzten und noch etwas gedrehten Thema.

Am Ende winkt der Abgabetermin, sonst bleiben viele Punkte liegen.

Wie in den meisten Eurogames nehmen wir anderen natürlich Karten und Würfel weg, aber wir schenken ihnen dafür auch Punkte, Geld und Sterne. Das ist vielleicht der schönste Mechanismus – die zwiespältige Kooperation mit den Anderen. Welche Würfel wollen wir uns gern nehmen lassen, um welchen Vorteil zu erhalten und welche wollen wir doch lieber für uns behalten.

Durch die vielen Siegel ist das Würfelglück insgesamt auch nicht sehr entscheidend und jeder einzelne Zug ist befriedigend, weil wir beständig etwas bekommen und an etwas Großem arbeiten. Bis der Druck zu groß wird und wir irgendwann realisieren, dass wir eine Deadline haben. Wer an Abgabentermine nicht zu traumatisiert zurückdenkt, kann hier auch auf die eigenen Kosten kommen. Aber schlussendlich geht es im Wechselspiel von Biologie und Geschichte hier doch vor allem um Mathematik. Aufgrund dieser Einschränkung der Fans, die dieses Spiel ohne Zweifel versammeln wird, gibt es von uns drei von fünf asiatisch-herbivore Kaltwasser-Reptilien.

  • Stimmungsvolle Illustrationen

  • Befriedigende Züge

  • Interaktion ist mehr Schenken als Wegnehmen

 

  • Mehr Mathematik als Biologie

  • Unübersichtliche Spielhilfen

  • Sortierboxen strukturschwach

 

Artikelbilder: © Holy Grail Games
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Daniel Hoffmann

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
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