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Wie erhält ein beinahe in Vergessenheit geratener Gott seine Macht zurück? Diese Frage treibt die Handlung von Neil Gaimans berühmtem Werk American Gods. Im letzten Band der Graphic-Novel-Adaption gelangt der Konflikt der Götter an seinen Höhepunkt und Protagonist Shadow muss versuchen, ein Gemetzel zu verhindern.

Die Graphic-Novel-Adaption von Neil Gaimans American Gods liefert in allen bisherigen Bänden trotz des langsamen Erzähltempos hochwertige Unterhaltung. Beim ersten Band lockt das Unbekannte, denn sowohl der Protagonist Shadow Moon als auch der Leser erkennen, dass man in eine ungewöhnliche Lage gestolpert ist. Das ist beim zweiten Band und dritten Band nicht mehr der Fall. Schnell wird die übernatürliche Natur aller Beteiligten klar gemacht. Doch anstelle einer Eskalation wartet eine intensive Charakterstudie des Protagonisten. Im vierten und fünften Band dringen die faszinierenden Elemente der Handlung mit voller Kraft an die Oberfläche. Tiefgreifende Charaktere, faszinierende mythologische Hintergründe und eine Menge an sozialkritischen Anspielungen sorgen für Lesefaszination. Der fünfte Band, Die Stunde des Sturms Buch 1 von 2, bildete das bisherige Highlight der Reihe. Der Krieg der Götter nahm seinen Lauf.

Der sechste und gleichzeitig letzte Band liefert das große Finale. Eine Menge an offenen Fragen und Mysterien wartet auf ihre Beantwortung. Schafft es Die Stunde des Sturms Buch 2 von 2 der Serie einen würdigen Abschluss zu liefern?

Handlung & Charaktere

Spoiler

Nach Shadows Opfer im Vorgänger scheinen sich die Ereignisse zu überschlagen und der Krieg zwischen alten und neuen Göttern eskaliert. In diesem Moment tritt Easter auf die Bildfläche und nutzt ihre Fertigkeiten, um Shadow wieder ins Leben zurück zu bringen.

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Im sechsten Band fügen sich die Puzzlesteine der Vorgänger zu einem großen Gesamtbild zusammen. Shadow ist der einzige, der das Gemetzel der Götter noch verhindern kann, da er die wahren Drahtzieher identifiziert hat. Dabei kann er sich auf die Hilfe seiner Frau Laura verlassen, die Shadow seit ihrer Wiederauferstehung auf unerwartete Art und Weise unterstützt.

Die Stunde des Sturms Buch 2 von 2 steht ganz im Zeichen von Auflösungen. Die wahren Mächte hinter den Ereignissen der Reihe treten auf die Bühne. Lose Enden der Rahmenhandlung fügen sich zusammen und beantworten offene Fragen. Wenig überraschend nimmt dieser Band viel Bezug auf die fünf Vorgänger. Ereignisse werden aufgegriffen, diskutiert und ins rechte Licht gerückt. Dadurch kann Die Stunde des Sturms Buch 2 von 2 auf sich allein gestellt keine Wirkung entfalten, sondern gewinnt seine Faszination im Gesamtspiel. Die Lektüre empfiehlt sich im Rahmen eines großen American Gods-Graphic-Novel-Marathons.

Für die Verhältnisse der Reihe rast dieser Abschlussband durch seine Handlung. Im Vergleich zu anderen Graphic Novels nimmt sich aber auch Die Stunde des Sturms Buch 2 von 2 Zeit für seine Charaktere und ruhige Momente. Die langatmigen Abschnitte der Vorgänger findet man in diesem Band kaum noch, lediglich am Ende entschleunigt die Handlung nochmals. Dadurch erlebt man als Leser*in die emotionalen und dramaturgischen Höhenpunkte der Reihe, bevor man zum Abschluss hin zur Ruhe kommt und die Geschichte beinahe melancholisch endet. Am Ende kehrt man von einer fantastischen und beeindruckenden Reise zurück.

Zeichnungen & Kolorierung

Wie in den Vorgängern ist der Zeichenstil äußerst minimalistisch, man möchte fast sagen skizzenhaft. Charaktere stehen im Vordergrund, ansonsten weisen die Panels wenig Details auf. Aufgrund der Bedeutung der emotional berührenden Szenen in diesem Band ist das eine gute Entscheidung.

Die Kolorierung ist, mit Ausnahme des Anfangs, dunkel gehalten und passt damit zur ernsten Lage der Handlung. Allerdings wirkt Die Stunde des Sturms Buch 2 von 2 im Vergleich zu den Vorgängern optisch trist. Die traditionell opulent inszenierten Geschichten über die Ankunft der Götter in Amerika haben nicht ihren Weg in diesen Band gefunden. Dadurch erinnert dieser Abschlussband hinsichtlich der visuellen Gestaltung an den bisher schwächsten Band der Reihe, Ich, Ainsel Buch 1 von 2. Glücklicherweise zieht die Handlung in diesem Eintrag deutlich stärker an.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autoren: Neil Gaiman, P. Craig Russell
  • Zeichner: Scott Hampton, Jennifer T. Lange
  • Seitenanzahl: 120
  • Preis: 19,80 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Gesamteindruck

Eine intensive Lektüre findet mit Die Stunde des Sturms Buch 2 von 2 ihr Ende. Die Reihe American Gods konnte in jedem Eintrag durch Atmosphäre und mystischen Charme überzeugen, trotz der oftmals schleppend voranschreitenden Handlung. Der letzte Band bildet eine willkommene Ausnahme, da der für die Adaption verantwortliche Autor P. Craig Russell die langersehnten Antworten liefert. Erst am Ende schimmert die bedächtige Erzählweise wieder durch.

Der Abschlussband ist für mich deswegen der beste der Reihe, wenngleich er nur in Kombination mit den Vorgängern funktioniert. Der Fokus liegt auf Auflösungen und Einblicken in die Machenschaften der Strippenzieher, die seit Beginn der Handlung ihre Finger im Spiel hatten. Besonders die Beziehung zwischen Shadow und seiner Frau Laura findet einen passenden Abschluss.

Die sehr individuelle Visualisierung kann in jedem Band überzeugen, wobei Die Stunde des Sturms Buch 2 von 2 die optisch imposanten Momente der Vorgänger fehlen. Der skizzenhafte und reduzierte Zeichenstil rückt die Charaktere in den Vordergrund, was besonders bei den Enthüllungen dieses Bandes die Wirkung der Szenen steigert.

American Gods war stellenweise anstrengend zu lesen, doch jede Seite wert. Die mythologische Atmosphäre, der attraktive Zeichenstil und selbst die detailverliebten Charakterstudien haben mir große Freude bereitet. Die Stunde des Sturms Buch 2 von 2 ist ein würdiger Abschluss einer permanent faszinierenden Reihe.

 

mit Tendenz nach oben

 

Artikelbilder: © Splitter
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Simon Burandt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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