Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

In Durchgeblättert werfen wir regelmäßig einen kritischen Blick auf Neuerscheinungen, Geheimtipps oder Klassiker aus der Welt der vielfältigen Graphic Novels. Im zweiten Teil der Ausgabe dieses Monats werden wir einer der bekanntesten Metal-Bands in Comicform begegnen, die alten Götter kennenlernen und eine dramatische Expedition zur Rettung der Erde ins All unternehmen.

Nachdem wir im ersten Teil bereits einen detaillierten Blick auf die Graphic Novel Klaus, Es war einmal…der Mensch und Unterm Sternenzelt geworfen haben, setzen wir in diesem zweiten Teil unseren monatlichen Check fort. Wir werden im Detail auf drei weitere Werke aus dem Ensemble von Splitter und Cross Cult Diese entführen den Leser an die unterschiedlichsten Orte – wir begleiten zwei absolut unterschiedliche Charaktere auf ihrem Trip durch die Vereinigten Staaten, sehen einen verzweifelten Mann im Überlebenskampf im scheinbaren Nirgendwo und fiebern nicht zuletzt mit einem namelosen Protagonisten bei seiner Mission im All, welche selbst den Leser an den Rand des Wahnsinns bringt.

American Gods, Schatten, Buch 1/2

Während American Gods von Neil Gaiman Liebhabern von phantastischen Werken schon länger ein Begriff sein dürfte, ist es der breiten Öffentlichkeit spätestens seit der Premiere der Serie auf Amazon Prime bekannt. So ist es nicht verwunderlich, dass der Urban-Fantasy-Hit nun auch seinen Weg in das Reich der Graphic Novels findet. Wie schlägt sich dieses Werk und kann es auch ohne Kenntnis von Buch und Serie genossen werden? (Disclaimer: Ich persönlich habe bisher nur die Serie gesehen.)

Die Prämisse bleibt gleich: Shadow Moon sitzt gerade seine Haftstrafe ab, kann sich jedoch auf eine baldige Entlassung freuen. Während all der Zeit im Gefängnis hat ihn besonders der Gedanke an seine Frau Laura durchhalten lassen und er kann seine Rückkehr zu ihr nicht mehr erwarten. So gleicht es einem Weltuntergang, als Shadow eine tragische Nachricht erhält: Laura ist bei einem Unfall tödlich verunglückt. Dieser Schicksalsschlag ist es vielleicht auch, der ihn in die Fänge des ominösen Mr. Wednesday treibt, als dieser ihm einen Job anbietet. Das Resultat ist der Beginn eines einzigartigen Roadtrips, der Shadow die Welt, wie er sie kennt, in Frage stellen lässt und in Bekanntschaft mit einigen außergewöhnlichen Gestalten bringt.

Auch wenn die Graphic Novel ohne Kenntnis der Romanvorlage oder Serienadaption gelesen werden kann, bleiben einige Details vorerst im Unklaren. Dies kann man zu Beginn als störend empfinden, jedoch trägt es nach einer Weile zur mysteriösen und spannungsgeladenen Atmosphäre bei. Dem Leser fällt es nicht schwer, sich in die Situation von Shadow zu versetzen – versteht man doch selbst über den Großteil der Geschichte hinweg nicht alle Dinge, die vorfallen. Dennoch will man nicht aufhören zu lesen, weil das Geschehene einfach zu interessant ist! Die Figuren, allen voran der wunderbar ominöse Mr. Wednesday, treiben einen dazu an, den Erlebnissen auf den Grund gehen zu wollen. Einer der wenigen Kritikpunkte ist, dass, im Gegensatz zur Serie, die Figur der Laura kaum behandelt wird und die bedeutsame Chemie zwischen ihr und Shadow in diesem Band noch keine Beachtung findet.

Der Zeichenstil ist sehr minimalistisch – Figuren stehen definitiv im Vordergrund und Hintergründe weisen nur einen geringen Detailgrad auf. Die Farbgestaltung ist überwiegend dunkel und trübe und spiegelt damit ausgezeichnet die Tristesse von Shadows Gefühlswelt wider. Gerade dies bringt die wenigen farbenfrohen Szenen (und damit besonderen Momente) besser zur Geltung und hinterlässt einen starken Eindruck.

American Gods ist ein Pflichtkauf für alle Liebhaber von Urban-Fantasy, die eine packende Story wertschätzen, die immer ominös bleibt und den Leser mit der Suche nach Antworten auf offene Fragen fesselt.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor(en): Neil Gaiman, P. Craig Russell
  • Zeichner(in): Scott Hampton
  • Seitenanzahl: 136
  • Preis: 19,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, Splitter Shop

 

Slayer: Repentless Ohne Reue

Es ist definitiv nicht Alltag, dass die Videos einer Metal-Band ihren Weg in die Welt der Graphic Novels finden. Dies ist der Fall für Slayer: Repentless Ohne Reue, welches von einer Video-Trilogie der Band inspiriert wurde. Diese besteht (in eben dieser Reihenfolge) aus den Musikvideos zu Repentless, You against You und Pride in Prejudice. Auch wenn sich das Betrachten von diesen empfiehlt, um die Geschichte vollständig zu verstehen, verzichten wir hier auf das Verlinken. Ebenso wie die Graphic Novel, weisen die Videos einen hohen Grad an Splatter und Gewalt auf. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass der verantwortliche Produzent BJ McDonnel auch an der Entstehung vieler Horrorfilme beteiligt war und einige Schauspielergrößen dieses Genres in seine Videos einbezieht. Bei Interesse können alle drei Videos auf YouTube gefunden werden.

Doch worum geht es eigentlich? Zentrum der Geschichte ist der einäugige Gefangene Wyatt, dessen Lebensgeschichte von Blut, Hass und Gewalt geziert wird. Als Mitglied einer scheinbar mächtigen Geheimvereinigung von Nazis wurde er Zeit seines Lebens von diesen Dingen geprägt. Umso verwerflicher ist es für seine „Kampfgefährten“, als Wyatt sein Glück in einem neuen Leben gerade mit einer dunkelhäutigen Frau sucht. Diese scheinbare Schande kann nicht akzeptiert werden und ausgerechnet Wyatts älterer Bruder erklärt es zu seinem Ziel, diese Schmach nicht ungesühnt zu lassen. Nur Blut kann diese Schuld reinwaschen!

Slayer: Repentless Ohne Reue erzählt eine geradlinige und simple Geschichte, die einen Großteil ihres Charmes aus der Verbindung zu den Werken der namensgebenden Band bezieht. Tiefgang bei den Figuren kann nicht erwartet werden, da der Fokus der Handlung und Zeichnungen auf Action und Splatter liegt. Damit fügt sich die Graphic Novel harmonisch in das Gesamt-Narrativ der Geschichte um Wyatt ein, ist aber gleichzeitig abhängig von der Kenntnis des Gesamtwerkes, bestehend aus Videos und Comic. Als eigenständiges Werk kann dieser Band nicht seine volle Wirkung entfalten, da viele Anspielungen besonders an Fans der Band gerichtet sind.

Dabei weist die Graphic Novel eine ansprechende visuelle Gestaltung auf. Die Zeichnungen von Guiu Vilanova fangen die brutale und gnadenlose Atmosphäre gut ein und geizen nicht mit blutigen Details. Ebenso wie in den Videos, kommt auch hier der Splatter nicht zu kurz.

Somit ist diese Adaption des Werks einer Metal-Band mit Sicherheit eine kurzweilige Unterhaltung, die ihre volle Wirkung besonders für Fans entfalten kann. Dessen sollte man sich bewusst sein, weswegen nur eine eingeschränkte Empfehlung ausgesprochen werden kann.

Die harten Fakten

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor(en): Jon Schnepp
  • Zeichner(in): Guiu Vilanova, Maurício Wallace
  • Seitenanzahl: 96
  • Preis: 20,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, Cross Cult Shop

 

Nameless

Den Abschluss dieses Monats bildet abermals ein Werk von Grant Morrison, welcher uns bereits in Teil 1 mit Klaus vollends überzeugen konnte. Im Gegensatz zur Sagenwelt des hohen Nordens führt uns Nameless allerdings ins dunkle All, auf eine Reise voller okkulter Mysterien und dem Wahnsinn seiner Figuren.

Der namenlose Protagonist sieht sich plötzlich als Teil einer Crew, die den drohenden Untergang der Menschheit in Form des Asteroiden Xibala abwenden muss. Dabei stoßen alle Beteiligten an die Grenzen des Erklärbaren, als der Himmelskörper eine längst verborgene Geschichte und Gefahr zu enthalten scheint. Wem und was kann man in den Weiten des Alls überhaupt trauen? Was ist Realität und was ein Gespinst eines geplagten Verstandes? Und wer ist die verschleierte Lady, die Protagonist Nameless immer wieder begegnet?

Es ist kein Zufall, dass der letzte Absatz viele Fragen enthält, denn diese treten beim Lesen dieser Graphic Novel ständig auf. Ich muss zugeben: selbst nach zweimaligem Lesen bin ich mir nicht sicher, die Geschichte vollständig verstanden zu haben. Man ist gezwungen über die Kapitel hinweg Schlussfolgerungen anzustellen und einzelne Handlungsfäden zu verbinden, um sie am Schluss in ein passendes Gesamtwerk einzufügen.

Warum spreche ich dennoch eine Empfehlung für Nameless aus? Weil die Geschichte gerade aufgrund ihrer Skurrilität und dem scheinbaren Chaos eine morbide Faszination ausübt. Man blättert Seite um Seite weiter, um das große Mysterium zu lösen, das diesem Werk innewohnt. Diese Immersion erlebt man für meinen Geschmack in der heutigen Zeit zu selten und muss sie deswegen wertschätzen. Gerade weil man das Gefühl hat selbst aktiv mehr und mehr Puzzlesteine zusammen zu setzen, ist dieses mystische Sci-Fi-Werk so faszinierend.

Unterstützt wird das Gesamtbild von einem intensiven visuellen Erlebnis, das mit einer beeindruckenden Szenerie aufwartet und gleichzeitig regelrecht abgefahrene Panels zeigt. Die Zeichnungen von Chris Burnham verursachen oftmals eine morbide Faszination, gerade weil man ihren Sinn nicht immer sofort entziffern kann. Und so findet man sich in der Betrachtung von Details wieder, die nach und nach gemeinsam Sinn ergeben und Hingabe für das Besondere offenbaren.

Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass Nameless nicht für jedermann ist. Während ich die Lektüre sehr genossen habe, könnten andere die Graphic Novel für zu konfus und verwirrend erachten. Der Leser muss sich bewusst auf eine teilweise okkulte Reise einlassen, welche ihm nur das Minimum an Exposition liefert und es ihm selbst überlässt, das Gesamtbild zusammenzufügen. Die Bestandteile und Mittel dazu liefert die Graphic Novel – man muss nur die Bereitschaft haben, diese auch zu kombinieren.

Die harten Fakten

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor(en): Grant Morrison
  • Zeichner(in): Chris Burnham, Nathan Fairbairn
  • Seitenanzahl: 208
  • Preis: 25,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, Cross Cult Shop

 

Finales Statement des Monats

Von alten Mythologien bis hin zu Reisen in die Weiten des Alls, durften wir Euch in dieser Ausgabe von Durchgeblättert eine vielseitige Auswahl an Graphic Novels vorstellen, bei der hoffentlich für jeden Geschmack etwas enthalten ist. Ein besonderer Dank geht abschließend an die beteiligten Verlage, welche uns durch die Bereitstellung der Werke diesen weitreichenden Überblick ermöglicht haben.

Bis zum nächsten Mal heißt es deswegen: Fröhliches Schmökern und eine erholsame Weihnachtszeit!

Artikelbilder: Splitter, Cross Cult
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein