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Die griechische Mythologie bietet reichlich Stoff an spannenden und phantastischen Geschichten. In der vom ehemaligen französischen Bildungsminister ins Leben gerufene Reihe Mythen der Antike werden diese als Graphic Novels bildgewaltig umgesetzt. Wir haben uns die ersten drei Ausgaben der deutschen Fassung genauer angesehen.

Mythologien der ganzen Welt sind ein reicher Fundus an atemberaubenden Geschichten. Mächtige Götter, tapfere Helden und Heldinnen, sowie furchterregende Monster liefern spannende Abenteuer und Einblicke in die ältesten Kulturen unseres Planeten. Im europäischen Raum dürfte die griechische Mythologie dabei zu den bekanntesten gehören. Namen wie Zeus, Herkules oder Odysseus sind nicht nur Liebhabern der Sagen der Antike bekannt.

Unter der Leitung von Luc Ferry, dem ehemaligen französischen Bildungsminister, werden die bekanntesten der griechischen Sagen als Graphic Novels von Clotilde Bruneau und wechselnden Illustratoren umgesetzt. Jeder Band adaptiert einen Mythos, wobei die vollständige Serie auf etwa dreißig Bände ausgelegt ist. Die ersten deutschen Übersetzungen der Adaptionen sind unter dem Titel Mythen der Antike beim Splitter Verlag erschienen. Sie behandeln die Sagen von Daedalus und Ikarus, den trojanischen Krieg (Ilias) und die Geschichte von Jason und den Argonauten.

Entführen uns die Mythen der Antike in eine sagenhafte Welt voller Wunder oder wären sie besser im Sand der Geschichte verborgen geblieben? Wir klären diese Frage in unserer Rezension.

Inhalt

Der erste Band von Mythen der Antike dreht sich um die Sage von Daedalus und Ikarus. Erstgenannter ist ein genialer Erfinder, der im Auftrag von König Minos ein Labyrinth zur Kontrolle des Minotaurus erbauen soll. Jahre später ist er unwissentlich dem Helden Theseus bei dessen Sieg über die Bestie behilflich. Gemeinsam mit seinem Sohn Ikarus wird Daedalus in sein eigenes Labyrinth verbannt. Um aus diesem zu fliehen, muss der Tüftler seinen ganzen Erfindungsreichtum einsetzen.

Die Ilias erzählt auf 168 Seiten die Legende des trojanischen Krieges. Nachdem er in einem Wettstreit Aphrodite, die Göttin der Liebe, zur schönsten aller Göttinnen kürte, wurde dem trojanischen Prinzen Paris die schönste Frau der Welt versprochen. Unglücklicherweise ist die Auserwählte, Helena von Sparta, bereits mit König Menelaos verheiratet. Durch List raubt Paris die schöne Helena und liefert dem Spartaner und seinem Bruder Agamemnon den Vorwand für einen Krieg. Ein gemeinsames Heer der Griechen macht sich auf den Weg nach Troja, unter ihnen Helden wie Odysseus, Ajax und Achilles. Selbst die Götter werden in diesen Kampf verwickelt und ihre Gunst kann das Schicksal der Streitenden von einem Tag auf den anderen verändern.

Jason und das Goldene Vlies beinhaltet die Argonautensage. Der junge Jason stellt sich seinem Onkel, der Jasons Vater durch eine List den Thron von Thessalien geraubt hat. Zum Beweis seiner Eignung als König, soll der Thronerbe das legendäre goldene Vlies erringen. Dazu versammelt Jason auf seinem Schiff Argo eine Mannschaft der größten Helden und Heldinnen Griechenlands, um die gefährliche Reise zu meistern.

Die Bände von Mythen der Antike eignen sich hervorragend, um einen Einblick in die erzählten Geschichten zu gewinnen. Die Sagen werden liebevoll und originalgetreu umgesetzt. In manchen Fällen kann die Liebe zum Detail verwirren, wenn man mangelnde Kenntnis über die griechische Mythologie hat.

Ein Beispiel hierfür ist der Auslöser des Streits der Göttinnen, der zum trojanischen Krieg führt. Der sogenannte Zankapfel wurde von Eris, der Göttin der Zwietracht, für die schönste Göttin zu einer Hochzeit im Olymp gebracht. 

Unmittelbar streiten sich Hera, Athene und Aphrodite um diesen. Schnell wird klar, dass der Zankapfel Eris Rache dafür ist, ursprünglich nicht zur Hochzeit eingeladen worden zu sein. In Die Ilias wird das jedoch nur am Rande und Eris Natur als Göttin der Zwietracht überhaupt nicht erwähnt. Nichtkenner des griechischen Götterkosmos haben dadurch einen Nachteil. Solche Stellen existieren in allen drei Bänden. Glücklicherweise findet sich am Ende jedes Bandes Hintergrundwissen und interessante Fakten zum besseren Verständnis, sodass diese Details das Lesevergnügen nicht übermäßig trüben.

Die kurzweiligste Umsetzung ist Jason und das Goldene Vlies. Die Reise der Argonauten ist abwechslungsreich und lebt von den vielfältigen Herausforderungen. Das Zusammenspiel der Mannschaftsmitglieder sorgt für interessante Interaktionen, trotzt oberflächlicher Charaktere. Mit Medea hat die Argonautensage zudem eine der interessantesten Frauenfiguren der griechischen Mythologie vorzuweisen.

Daedalus und Ikarus ist eine einfache Geschichte über die Themen Hochmut, Arroganz und Sühne. Die berühmte Geschichte um den Minotaurus wird nur am Rande erwähnt, da sie eine eigene Adaption erhalten wird. Anstelle des Kampfes gegen Monster fokussiert sich die Handlung um den Konflikt von Daedalus und König Minos.

Die schwächste Adaption ist Die Ilias. Der trojanische Krieg kann auf dem Papier nicht seine volle Wirkung entfalten. Die meisten Charaktere sind oberflächlich gestaltet und die unterschiedlichen Kampfhandlungen ziehen sich in die Länge. Die Wucht der Schlachten entfaltet als Graphic Novel nicht die gleiche Wirkung, wie es auf der Leinwand oder als Buch möglich ist. Am interessantesten sind die Passagen, in denen die Götter aktiv in die Schlacht eingreifen, sowie das Ende mit der List des Odysseus.

Zeichnungen & Kolorierung

Die Illustratoren wechseln bei jedem der Bände. Der Stil ist dennoch ähnlich gestaltet und zeichnet sich durch eine starke Strichführung, besonders bei den Umrissen der Zeichnungen, aus. Der Detailgrad variiert jedoch je nach Künstler. Am hochwertigsten und dynamischsten wirken die Illustrationen in Jason und das Goldene Vlies, das von Alexandre Jubran gezeichnet wurde. Die Ilias, von Pierre Taranzano illustriert, kann ebenfalls mit intensiven Gefechten und ausdrucksstarkem Minenspiel überzeugen. Der einzig zu erwähnende Kritikpunkt ist hier, dass die Hitze der großen Schlachten in der Graphic Novel nicht eindrucksvoll in Szene gesetzt werden kann. Die Szenen wirken besser, wenn sie sich auf wenige Akteure konzentrieren, z.B. auf kämpfende Götter oder das bekannte Duell zwischen Achilles und Hektor.

Die einzigen visuellen Ausrutscher finden sich in Daedalus und Ikarus. Stellenweise wirken die Gesichter verzerrt oder die Mimik unpassend. So gibt es ein Panel, in dem Ikarus gegen die Tore des Labyrinthes hämmert und seinen Vater um einen Ausweg bittet. Der Gesichtsausdruck des Jünglings wirkt freudig und passt nicht zu vermittelten Aussage der Sprechblase. Solche Unstimmigkeiten tauchen im Band vereinzelt auf und trüben den ansonsten guten Gesamteindruck.

Die Kolorierung ist über alle drei Bände hinweg farbenfroh und kräftig. Besonders der Einsatz von Licht spielt in den Geschichten eine große Rolle, um Szenen und Charaktere hervorzuheben. Die Macht göttlichen Wirkens wird dadurch ebenso untermalt, wie bedeutende Wendungen, beispielsweise die Entdeckung des Goldenen Vlies. Atmosphärisch sind die Mythen der Antike stark ausgearbeitete Graphic Novels.

Positiv zu erwähnen ist auch die doppelseitige Vorstellung der bedeutsamsten Götter zu Beginn jeden Bandes. Sie gibt einen Überblick zu den wichtigsten Bewohnern des Olymps und erlaubt ein besseres Wiedererkennen. Einziger Kritikpunkt ist, dass Details über die Bände hinweg variieren können. Hera hatte beispielsweise in jedem Band eine leicht andere Haarfarbe.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Splitter
  • Autoren: Luc Ferry, Clotilde Bruneau
  • Zeichner: Giulia Pellegrini, Pierre Taranzano, Alexandre Jubran
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 56 (Daedalus und Ikarus), 168 (Die Ilias, Jason und das Goldene Vlies)
  • Preis: 16,00 EUR (Daedalus und Ikarus), 35,00 EUR (Die Ilias, Jason und das Goldene Vlies)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Die Reihe Mythen der Antike bildet einen charmanten Einstieg in die Sagen des klassischen Altertums, ist aber nicht frei von Schwächen. Den komplettesten Eindruck macht die Argonautensage, die in Jason und das Goldene Vlies stimmungsvoll und visuell opulent umgesetzt wird.

Der in Die Ilias dargestellte trojanische Krieg leidet unter den Limitationen des Mediums Graphic Novel. Die gewaltigen Heere und Streitkräfte können nur begrenzt dargestellt werden, sodass die Duelle zwischen Göttern und Helden mehr Eindruck hinterlassen. Dadurch zieht sich besonders die erste Hälfte des Bandes in die Länge.

Die Geschichte von Daedalus und Ikarus ist die kürzeste und legt den meisten Fokus auf seine menschlichen Streiter. Götter und Monster spielen kaum eine Rolle, doch wirkt das an keiner Stelle störend. Lediglich die visuelle Gestaltung zeigt vereinzelt Schwächen aufgrund unpassender Mimik und Gestik in Szenen.

Zusammengefasst sind diese Werke eine wundervolle Möglichkeit, die faszinierenden Geschichten der griechischen Mythologie in einer visuell ansprechenden Form zu erleben. Das Projekt von Luc Ferry ist dabei durchaus ambitioniert und zielt auf die Umsetzung von etwa dreißig Mythen. In Deutschland ist neben den hier rezensierten Werken bereits die Geschichte von König Midas und Ödipus erhältlich. In diesem Jahr folgen zudem noch Perseus und Medusa, sowie Herakles.

mit Tendenz nach unten

Artikelbilder: © Splitter
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Sabrina Plote
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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