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In den Tiefen des Vulkans Modnar brodelt es: Ein Kult dient einem machtvollen Bösen, voller Hass auf die Kirche der Basilisken. Nicht lange und eine Welle des Chaos bricht über die todgeweihte Welt von Mörk Borg herein. Das Abenteuer Den of Disarray erschien, zusammen mit anderen Inhalten, im gleichnamigen Fanzine.

Die Rückseite mit einer atmosphärischen Beschreibung des Abenteuers.

Wie die Geschwüre im Inneren eines widerwärtigen Goblins, so wächst auch die Menge an Faninhalten für den Doom-Metal Dungeon-Crawler Mörk Borg unaufhaltsam – natürlich im positivsten Sinne. Neben den offiziellen Mörk Borg Cult Publikationen wie Heretic und Feretory mit Inhalten von Fans und den Originalautoren, erscheinen immer mehr Produkte die „compatible with Mörk Borg“ sind, teils als Download, teils aber auch als liebevoll gestaltete Print-Produkte. Hierzu zählt auch das Fanzine Den of Disarray von Philipp Teich. Das Zine, das neben diversen Zusatzinhalten vor allem das Abenteuer gleichen Namens umfasst, soll hier beleuchtet werden.

Inhalt

Leichenfledderei und arkane Schätze – Zusatzinhalte

Wie die Cult-Publikationen führt auch Den of Disarray neue Details in die Spielwelt ein, die natürlich ausnahmslos ausgewürfelt werden können.

Auf der Innenseite des Covers finden sich, ähnlich wie im Grundregelwerk, Vorschläge für Namen und einige neue Gegenstände, mit denen sich die SC – auf eigene Gefahr – ausrüsten können. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Helm voller glotzender Augen, die es unmöglich machen, in einen Hinterhalt zu geraten, oder einem matten Spiegel, der die jüngste Vergangenheit vergessen lässt? Mit „Chaotic Scrolls“ kommen zudem weitere magische Schriftrollen hinzu.

Mit der Tabelle „The Air is…“ kann man den Zustand der Luft auswürfeln. Soll sie erfüllt von blutdurstigen Moskitos sein, so klar und frisch, dass man den eigenen üblen Gestank riecht, oder – wie gewohnt – moderig und abgestanden?

Selbstverständlich wird der Weg der SC von Leichen gepflastert sein – seien es ihre unglückseligen Opfer oder Hinterlassenschaften anderer Kreaturen. „Plunder more Corpses“ macht Vorschläge zu dem, was der geübte Leichenfledderer finden kann: eine tollwütige Maus, ein Buch über mutagene Alchemie, Handschellen in blutdurchtränktem Samt und viel dergleichen mehr.

Unter der Überschrift „In this room you find…“ findet man auf der letzten Seite und der Innenseite des rückwärtigen Umschlags acht Würfeltabellen zur Gestaltung eines Raumes. Hier folgen ein paar zufällig ausgewürfelte Beispiele:

  • „Bizzare Sensations“: Die gesamte Einrichtung des Raumes lebt.

  • „Tomes and Scriptures“: Man findet das Tagebuch eines Nekromanten.

  • „Creatures“: Man stößt auf 1W4 Moorjug – dämonische Spinnen, die weibliche Gestalt annehmen können.

  • „Traps“: Ein Mahl auf einer Silberplatte. Entfernt man es, wird der Raum mit flüssigem Fett geflutet.

  • „Corpses“: Hier liegt ein Kleriker mit einer Axt im Schädel.

  • „Interior“: Im Raum stehen drei frisch gereinigte Galgen.

  • „Spoils“: Man findet ein verfluchtes Gebetsbuch.

  • „Odd Activities“: Alchemist*innen erschaffen unheilige Fleisch-Automaten, die hohe Politiker*innen in Galgenbeck ersetzen sollen.

Die Tabellen zeugen von großem Einfallsreichtum und geben – falls man keine Lust haben sollte, alles auszuwürfeln – der SL kreative Ideen an die Hand, wie man den eigenen Dungeon beziehungsweise das eigene Abenteuer bereichern könnte.

Sauftour oder Pilgerreise – neue Klassen

Mit dem „Misguided Pilgrim“ und dem „Sinful Meatcage“ führt Philipp Teich zwei neue Klassen ein. Bei ersterem handelt es sich um Pilger*innen, die – aus auswürfelbaren Gründen – von ihren Wegen abgekommen sind und nun ziellos durch die Lande streichen. Schwächlich im Kampf, können sie auf ein machtvolles Artefakt zurückgreifen. Beispielsweise kann „Kauder’s Tongue“ im eigenen Mund platziert werden, eine verrottete Zunge, mit deren Hilfe die Überzeugungskraft enorm anwächst.

Der „Sinful Meatcage“, einst ein übermenschliches, mächtiges Wesen, wurde seiner Kräfte beraubt und in einen menschlichen Körper gebannt. Solange dieser Körper noch lebt, muss er sich daraus befreien, sonst wird er auf ewig in dem verrotteten Leib verbleiben. Der*die Vorbesitzer*in des Körpers führte einen reichlich verwerflichen Lebensstil. Aus diesen Sünden speisen sich die Kräfte der Klasse. Handelte es sich beispielsweise um einen besonders gierigen Zeitgenossen, so wird er immer 2W10 mehr Silbermünzen finden als gedacht. War er der Völlerei zugetan, so kann er seinen Mageninhalt wie ein Geschoss entleeren.

Feuer und Verderben – das Abenteuer

Das Herzstück des Fanzines bildet das titelgebende Abenteuer. Wer selbiges noch spielen möchte, sollte an dieser Stelle besser zum Fazit springen!

Die grundlegende Geschichte von Den of Disarray lässt sich rasch zusammenfassen: Der dreiköpfige Basilisk „That“ wurde von seiner Mutter aufgrund seines missgestalteten Aussehens verstoßen. Er zog sich in den eigentlich erloschenen Vulkan Modnar zurück. Hier brütet er unzählige Nachkommen aus und plant seine Rache: Mit Hilfe eines Kultes und eines Rituals will er die Macht des Vulkans entfesseln und Chaos und Verheerung über die Welt bringen.

Die SC dringen in die Höhlen des Vulkans vor. Dass sie – sobald sie den Basilisken erreichen – in jedem Falle scheitern und durch den ausbrechenden Vulkan fliehen müssen, wäre in jedem anderen Pen-and-Paper mehr als unbefriedigend. Eine Niederlage und der Ausbruch einer nahezu unaufhaltsamen Bedrohung fügen sich aber gut in die Welt von Mörk Borg ein, deren Untergang ohnehin besiegelt ist. Zudem schlägt der Autor Möglichkeiten vor, wie man das Abenteuer fortführen und damit zu einer Art Kampagne ausbauen könnte: Vielleicht kennt der blinde Eremit ein Mittel, das Ritual umzukehren, oder die Abenteurer werden von der Inquisition gejagt, die alle Details über ihr Abenteuer aus ihnen herauspressen will.

Eine Raumbeschreibung.

Das für Mörk-Borg-Verhältnisse umfangreiche Abenteuer umfasst 20 Räume. Um in den Bau des Basilisken vorzudringen, müssen die SC zunächst drei Gegenstände finden, die im gesamten Dungeon verstreut sind. Die Räume bieten dabei unterschiedliche, individuelle Herausforderungen. So ist der „Incubator“ gefüllt mit unzähligen (5W20+50) Basiliskeneiern, die alles andere als leicht zu zerstören sind. Die Zerstörung ruft außerdem Wachen auf den Plan.

Jedes Mal, wenn man das „Wirrwarr“ betritt, geschieht etwas anderes: Die Luft wird zu Sand und Käfer fressen sich in die Haut der unglückseligen Charaktere. Das eigene Gesicht kreist überlebensgroß im Raum und sendet einen Mundgeruch aus, der die SC in die Knie treibt. Der Boden besteht aus Zehennägeln, die sich tief in die Fußsohlen der Charaktere graben, während in der Mitte des Raumes ein bitterlich weinendes Bett mit einer Matratze aus Quecksilber steht und dergleichen Alltägliches mehr.

In einem anderen Raum bietet ein Händler seine obskuren Waren zu stattlichen Preisen an. Überdies bekommt man es mit Gegnern wie den „Onlaahog“, grässlichen Gestaltwandlern oder den Furcifer, gehörnten Nachkommen des Gottes Nechrubel zu tun.

Die Furcifer bevölkern den Bau des Basilisken.

Das Abenteuer lässt sich als klassischer Dungeon spielen, eine Karte ist vorhanden. Wirklich interessant wird es aber, wenn man das Abenteuer so spielt wie angedacht: Die Karte ist in hexagonale Felder unterteilt, die alle miteinander kombinierbar sind. Schneidet man die einzelnen Felder aus der ausgedruckten Karte aus, so ist der Grundstein für einen zufallsgenerierten Dungeon gelegt. Die Karten werden mit dem Rücken nach oben als Stapel ausgelegt. Immer, wenn die SC einen neuen Pfad erkunden, kann man ein zufälliges Feld aufdecken und irgendwo im Labyrinth anlegen. Dies verdeutlicht die Wandelbarkeit der Gänge des vulkanischen Basiliskenhorts. Dabei gibt es Vorschläge, was man am Ende von Sackgassen finden kann, oder wer einem in den Gängen über den Weg läuft.

Während der Flucht aus dem ausbrechenden Vulkan müssen zahlreiche Hindernisse (rollende Steine, furchtbare Hitze) überwunden werden. Für jede misslungene Probe bricht ein Raum hinter den SC „zusammen“, wird also aus dem Spiel entfernt.

Der Den of Disarray mit seinen sehr unterschiedlichen Räumen und Gegnertypen kann eine Herausforderung für die SC sein. In jedem Fall handelt es sich jedoch um ein äußerst abwechslungsreiches Labyrinth mit unerwarteten Elementen.

Erscheinungsbild

Eine weitere Raumbeschreibung mit Illustration,

Bei Den of Disarray handelt es sich um ein DIN A5-Heft, das vornehmlich in schwarz-weiß und violett gehalten ist, während die Überschriften in dem üblichen Mörk Borg-Gelb und Umschlaginnenseite und Deckblatt in magenta erstrahlen. Das Cover zeigt neben dem plakativ platzierten Titel eine rauchende und glühende Vulkanlandschaft.

Ebenfalls typisch für das System sind die wechselnden archaisch-anmutenden Schriftarten. Der Satz ist etwas weniger „chaotisch“ als in den offiziellen Publikationen des Systems, was der Übersichtlichkeit zugutekommt.

Die zahlreichen Illustrationen des Fanzines setzen sich einerseits aus ausgewählten Stichen und Zeichnungen zusammen und wurden andererseits vom Autor Philipp Teich und von Jeremy Hart angefertigt. Auf ein Inhaltsverzeichnis wird verzichtet, dies ist aber dank der klaren Strukturierung des Regelwerkes, in dessen Zentrum das Abenteuer steht, auch nicht unbedingt notwendig.

Alles in allem orientiert sich das Regelwerk somit am Stil bestehender Publikationen. Zwar wirken die Illustrationen und die visuelle Gestaltung des Dungeons auf der Karte bisweilen ein wenig naiv und erreichen nicht die Qualität der Werke des genialen Mörk Borg-Illustrators Johan Nohr – gleiches gilt für die allgemeine Gestaltung. Das Fanzine mit dem offiziellen Grundregelwerk zu vergleichen, heißt aber auch, den höchstmöglichen Maßstab anzulegen. Nicht zuletzt wurde letzteres vor allem in Bezug auf die Qualität des Designs gelobt. Alles in allem merkt man dem Den of Disarray die Liebe und Mühe an, die hinter jeder Seite stehen. Dies macht das Durchblättern und Lesen zu einem Vergnügen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Eigenverlag
  • Autor: Philipp Teich
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Englisch
  • Format: Softcover (DIN A5)/PDF
  • Seitenanzahl: 50
  • Preis: 10,00 USD (PDF), 15 EUR (Druck)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Sphärenmeisters Spiele

 

Bonus/Downloadcontent

Auf itch.io lassen sich kostenfrei die Karte (und die einzelnen Hexagone) des Dungeons und die PDFs der Charakterklassen downloaden, ebenso wie die „Chaotic Scrolls“. Der Autor veröffentlichte noch weitere charmante Dungeons, die teils kostenfrei, teils für ein kleines Entgelt über seinen Account downloadbar sind.

Fazit

So endet es…

Nicht nur wegen des interessanten Vorschlags, den Den of Disarray als Zufallsdungeon zu spielen, handelt es sich hier um eines der stärksten und vielversprechendsten Abenteuer für Mörk Borg, die wir bisher besprochen haben. Der Vulkanbau des Basilisken steckt voller absurder und überraschender Ideen, die so manchen Moment der Entgeisterung bei den Spieler*innen garantieren – also genau das, was man in den Verliesen dieser Welt finden will. Auch die weiteren Inhalte des Fanzines – insbesondere die neuen Klassen – vermögen das System zu bereichern. Fast, aber nur fast, gehen dem Einfallsreichtum des Autors hier manchmal die Zügel durch.

Den of Disarray ist ein weiterer Beweis für die Kreativität der Mörk Borg-Community und den Willen die nur grob vordefinierte Welt mit eigenen Elementen zu füllen. Dieser kleine Band mit seinem Underground-Charme fern der Hochglanz-RPGs lässt auf weitere Publikationen des Autors hoffen.

  • Liebevolle Gestaltung
  • Kreative Ideen
  • Abwechslungsreicher Dungeon
 

  • Kleinere Mängel in der visuellen Gestaltung

 

Artikelbilder: © Ockult Örtmästare Games & Stockholm Kartell
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Susanne Stark
Fotografien: Alle Bilder entstammen dem PDF des Regelwerks
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

1 Kommentar

  1. Danke für diese tolle und ausführliche Review! Ich freu mich, dass das Abenteuer so gut ankommt und kann auch dem Wunsch nach mehr Content gleich nachkommen: in wenigen Tagen startet die Kickstarter-Kampagne zu BÖESER, der ersten Fortsetzung von Den of Disarray, die sich auch eigenständig spielen lässt.
    Mit dem Geld der Kampagne bezahle ich ein Lektorat, um den Text noch besser zu machen.
    https://www.kickstarter.com/projects/philippteich/boeser-a-mork-borg-zine

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