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Der Doom-Metal Dungeon-Crawler Mörk Borg ist ein Phänomen: Wie Pilze schießen von Fans erstellte Zusatzinhalte aus dem Boden. Besonders herausragende Materialien werden im Rahmen des Mörk Borg-Cult-Programms von den Original-Autoren ausgewählt und illustriert. Mit Heretic ist nun bereits der zweite Ergänzungsband erschienen, der die düstere Welt weiter anwachsen lässt.

Die Rückseite mit einem Gedicht von Pelle Nilsson.

Die Community des Indie-Rollenspiels Mörk Borg, das sich selbst als „Doom-Metal-Album“ von einem Dungeon-Crawler bezeichnet, steht im direkten Gegensatz zur Spielwelt: Das Schicksal von Städten wie Galgenbeck und Schleswig, Landen wie Kergüs und Tveland neigt sich einem sicheren Ende zu – denn so haben es die zweiköpfigen Basilisken prophezeit. Unter den Anhänger*innen hingegen regt sich reichlich unheiliges Leben und so manch widerwärtige Kreatur kriecht aus ihrer Grube hervor, um die Spielwelt mit ihren abstoßenden Ideen zu füllen. Zu allem Überfluss wird diese Häresie auch noch stets aufs Neue belohnt. Heretic ist nach Feretory nun bereits der zweite, als Kickstarter finanzierte Band der Mörk Borg-Cult-Reihe, in dem Community-Inhalte ebenso wie einige Ideen des Autoren Johann Nohr und des Grafikers/Designers Pelle Nilsson in gewohnt hochwertiger Aufmachung erscheinen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Inhalte von Heretic.

Inhalt

Neben diversen Zusatzinhalten, Monstern und Tabellen enthält Heretic zwei neue Klassen und vier Abenteuer. Die downloadbaren Inhalte wurden verlinkt.

Häretische Waren und üble Flüche – Zusatzinhalte

Heretic bietet einige Würfeltabellen und Zusatzinhalte, mit denen sich das Spiel auf die ein oder andere Weise bereichern lässt.

Bereits im vorderen Einband findet sich die Würfeltabelle „Seeds of a Cult“. Hier kann man sich seinen eigenen üblen Kult zusammenwürfeln. Ein Beispiel gefällig? Die „Ruins of Deathcrush“ sind ein riesiger Kult, der von öffentlicher Seite legitimiert und beschützt wird. Deren Anführer ist ein charmanter Poet, der aus dem Grab zurückgekehrt ist. Das Hauptquartier besteht aus Lagerfeuer-Camps in den kältesten Schluchten von Kergüs. Um Erleuchtung zu finden, will der Kult durch seine Diener*innen den höchsten aller Türme errichten lassen. Er wird von einer Verachtung für alle Adeligen angetrieben.

Einige „Unheroic Feats“.

„Unheroic Feats“ bietet verschiedene neue „Feats“, also Talente, die die Charaktere beim Stufenaufstieg erlernen können. So ermöglicht es „Butcher“ verletzte Gefährt*innen operativ zu versorgen. Sollten sie dennoch sterben, erhält man zumindest 1W4 Rationen Fleisch. Mit „Piper“ lassen sich durch ein Pfeifen 1W4 Ratten anziehen, mit denen man sogar sprechen kann. Insgesamt bietet die Spielhilfe W66 verschiedentlich nützliche, aber samt und sonders interessante Talente.

„You are Cursed“ bietet die Möglichkeit Flüche auszuwürfeln, von denen ein Charakter betroffen ist: Ein SC könnte beispielsweise damit gestraft sein, dass seine Sprache mit dem Summen von Fliegen durchsetzt ist, die bald beginnen, aus seinem Mund zu kriechen. Nur „Tüwold the Red“ kann helfen, ein ehemaliger Priester, der aufgrund mehrfachen wahnhaften Mordes in den Verliesen König Fathmus sitzt. Dieser verrät im Tausch gegen die eigene Seele den Weg zur Erlösung: Um den Fluch zu brechen, muss man eine Lehmfigur der eigenen Mutter anfertigen, die von einem Troll während eines Regengusses zerschmettert werden muss – ganz simpel also.

Mikhael the Merchant.

In „The Merchant“ lassen sich verschiedene seltene Waren von einem untoten Händler erwerben, über dessen Hintergrundgeschichte wir einiges erfahren. Seine Waren, wie zum Beispiel eine Puppe aus Stroh und Sackleinen, die den Blick in die Gedanken anderer ermöglicht, verkauft Mikhael allerdings nur an Häretiker*innen und Außenseiter*innen. Die Waren sind dabei mächtig, der Preis besteht allerdings auch in Teilen aus der eigenen Seele, also Gesundheits- oder Attributspunkten, die man durch den Handel dauerhaft verliert.

„Blackpowder Weapons for the Rich and Foolhardy” gibt Zugriff auf diverse Feuerwaffen. Diese sind außerordentlich teuer und benötigen eine Menge Zeit zum Nachladen, haben dafür aber auch eine ordentliche Durchschlagskraft.

Kill it, before it lays eggs – neue Monster

Der Ergänzungsband beschreibt drei neue Kreaturen.

Lasst euch nicht vom „Bone Bowyer“ erwischen.

Der „Bone Bowyer“, eine Art Boogeyman, fertigt erstaunliche Bögen aus den Knochen und Haaren entführter Kinder. Als Lohn für besondere Missetaten ist der Bogner bereit, einem Charakter eine der Waffen zu überlassen.

Beim „Borg Bitor“ handelt es sich um einen giftigen Riesentausendfüßer, der seine Eier in hilflose Kleinkinder legt. Diese werden beim Heranwachsen Opfer einer unaussprechlichen Metamorphose.

Die „Rotten Nurses“ sind untote Nonnen, die für ihre Ketzerei von der Inquisition der Basilisken gefoltert wurden. Zwar können die entstellten Kreaturen die SC nicht direkt verletzen, sie aber einer mentalen Folter unterziehen, die die Attribute sukzessive bis zum Zusammenbruch des Charakters senkt.

Misstöne und klaffende Wunden – neue Klassen

Mit dem „Sacrilegious Songbird“ und dem „Shedding Vicar“ bietet Heretic den Spielenden zwei neue Klassen.

Der „Sacrilegious Songbird“.

Bei ersterem handelt es sich um eine*n Bard*in. Dieser Charakter verkaufte die eigene Seele für besondere musikalische Fähigkeiten und Instrumente verkaufte. Neben einer Aura des Charms, die es ihm ermöglicht, Gegner*innen zu bezirzen, hat er Zugriff auf diverse, interessante Musikinstrumente. So handelt es sich bei den „Gutpipes of Destiny“ um haarige Fleischsäcke mit Knochenpfeifen, die alle Zuhörenden mit einem enormen Hunger erfüllen.

Der Shedding Vicar ist eine Art Kultist*in oder Geistliche*r zu dessen Glauben die sukzessive Entfernung aller Haut gehört. Zwar ist man in seinen Bewegungen, das heißt seiner Agility, eingeschränkt, aber auch vollkommen schmerzunempfindlich. Talente wie „Holy Moulting“ ermöglichen es ihm, sich zu häuten und somit Schaden zu minimieren oder Fesseln zu entfliehen, wenn auch mit negativen Auswirkungen auf die körperliche Stärke.

Zwar bot der Vorgänger Feretory doppelt so viele neue Klassen, diese blieben in ihrer Ausgestaltung allerdings etwas vage. Die Klassen aus Heretic erscheinen etwas markanter in Bezug auf ihre Spielweise.

Drogen-Kulte und untote Nonnen – neue Abenteuer

Herzstück des Ergänzungsbandes sind die vier neuen Abenteuer, die die Charaktere vor ebenso abstoßende, wie potentiell tödliche Herausforderungen stellen. Diese Beschreibungen enthalten einige Spoiler, also Vorsicht, wer sie noch spielen will!

In „Graves Left Wanting“ müssen die Charaktere ihren Weg aus den Pfaden und Gruften des schier endlosen Friedhofs Graven Tosk finden. Zum Beispiel nach einem Total Party Kill erwachen die SC hier, bekämpfen hungrige Untote und widerstehen verwirrenden Miasmen, die aus dem Boden hervorquellen.

In „Bloat“ (hier die downloadbare Karte) erkundet man die Gewölbe eines bacchantischen, also dekadenten und auf Überfluss ausgelegten, Kultes. Es gilt, die Umtriebe zu beenden, in deren Rahmen Menschen entführt und einem abstoßenden Herrscher zu kulinarischen Zwecken zugeführt werden.

Das Cover zu „Sepulchre of the Swamp Witch“.

„Sepulchre of the Swamp Witch“ konfrontiert die SC mit einem schlangenverehrenden Drogen-Kult, der Gefangene auf einem Altar opfert, um das Ende aller Tage abzuwehren. Gelangen die Charaktere zur namensgebenden Sumpfhexe, kann diese ihnen ungeahnte Wünsche erfüllen – allein, zu welchem Preis? Der Dungeon bietet noch viele weitere Geheimnisse.

„Nurse the Rot“ macht die SC zu Erfüllungsgehilf*innen des letzten Wunsches einer verstobenen Tante eines SC. Aus einer fragwürdigen Kapelle muss ein magischer Stab erbeutet werden, um den Untergang eines Dorfes zu verhindern. Das alles wäre deutlich einfacher, wenn die Nonnen nicht wären…

Insbesondere bei „Graves Left Wanting“ und „Sepulchre of the Swamp Witch“ handelt es sich um interessante Dungeon-Crawls, die mit abwechslungsreichen Gegnertypen und weiteren Ideen gespickt sind. So kann man im Verlies des Schlangenkultes einige Dinge nur sehen, wenn man unter dem Einfluss eines halluzinogenen Schlangengiftes steht. In der Essenz handelt es sich stets um Dungeon-Crawls, indes um einfallsreiche.

Allein „Nurse the Rot“ ist durch seine grafische Umsetzung etwas unübersichtlich, da die Beschreibungen durch chaotische weiße Linien auf gelbem Grund mit den jeweiligen Räumen verbunden sind. Worin das Alleinstellungsmerkmal dieses Abenteuers liegen soll, ist zudem nicht ganz klar.

Erscheinungsbild

Zum Zeitpunkt der Rezension lag lediglich das PDF vor. Dieses ähnelt in seinem Erscheinungsbild stark dem Vorgängerband „Feretory“. Es wird sich in der gebundenen Version um ein Fanzine-ähnliches DIN-A5-Heft handeln. Das PDF bietet dabei den Vorteil einer hervorragenden Verlinkung einzelner Punkte: Beispielsweise führt ein Klick im Inhaltsverzeichnis zum jeweiligen Kapitel und Orte auf einer Abenteuer-Karte sind mit ihren Beschreibungen verlinkt.

Cover von Heretic.

Auch bezüglich der weiteren Gestaltung fügt sich der Band in die Reihe ein: ein leuchtend gelber Umschlag mit einer gehörnten Schreckgestalt auf dem Frontcover. Das schwarz-weiße Design des Bandes wird von Akzenten in knalligen Farben durchbrochen. Dieses Mal dominieren neben schmutzigem Rot vor allem Violett („Graves Left Wanting“) und Grün („Sepulchre of the Swamp Witch“). In Bezug auf die Illustrationen und Satz lässt sich wenig hinzufügen, was nicht bereits über die anderen Regelwerke gesagt wurde. Diese sind wiederum brutal, fantasievoll und ein bisschen chaotisch. Gelegentlich könnte der ein wenig anarchische Satz zu Orientierungsproblemen führen. Besonders schwer fällt dies allerdings nicht ins Gewicht, insbesondere wenn man bereits mit Grundregelwerk und Feretory vertraut ist. Die „Cult“-Ergänzungsbände behalten also ihren düster-undergroundigen Charme.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ockult Örtmästere Games & Stockholm Kartell/Free League Publishing
  • Autoren: Pelle Nilsson (text and game design), Johan Nohr (graphic design and art) et al.
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Englisch
  • Format: Softcover/Heftbindung (DIN A5) (inkl. PDF)
  • Seitenanzahl: 65
  • ISBN: 978–91–89143–54–8
  • Preis: 22,95 EUR
  • Bezugsquelle: Sphärenmeisters Spiele, Fachhandel, idealo, Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Homepage von Mörk Borg lassen sich einige der Inhalte von Heretic kostenlos downloaden.

Ebenso wie zum Grundregelwerk und zum ersten Ergänzungsband hat der Künstler Johan Nohr Playlists auf Spotify erstellt, die die Stimmung des Spiels hervorragend unterstreichen.

Fazit

Für Fans brutaler Szenarien und altmodischer Dungeon-Crawler mit Over-the-top-Attitüde ist es faszinierend mitzuverfolgen, wie die Welt von Mörk Borg wächst. Wenn auch fragmentarisch, füllen sich die apokalyptischen Landstriche mit neuen Orten, Kreaturen und Schreckgestalten. Natürlich erfindet Heretic nichts absolut Neues, aber einige Elemente können Spielleitung, wie Spielenden durchaus Inspirationen für neue abgründige Erlebnisse und Charaktere bieten. Wie bereits Feretory, leistet auch dieser Band seinen Beitrag zum Wachstum des Systems.

Da die meisten Inhalte des Bandes kostenlos und legal downloadbar sind, „muss“ er sicherlich nicht erworben werden. Wie bei allen Mörk Borg-Publikationen legt aber die liebevolle Gestaltung einen Kauf nahe. Die Inhalte des Bandes, insbesondere die Abenteuer, überzeugen durch Qualität und Einfallsreichtum und fügen sich nahtlos in die bestehende Spielwelt ein. Insbesondere bei denjenigen, die die Sammelleidenschaft gepackt hat, sollte Heretic nicht im Rollenspielregal fehlen.

  • Interessante Abenteuerideen
  • Überzeugende neue Klassen
  • Gelungene graphische Umsetzung
 

  • Teilweise ein wenig unübersichtlich

 

 

Verlosung

Wir freuen uns, in Zusammenarbeit mit Free League Publishing, ein Exemplar von Mörk Borg: Heretic und dem Mörk Borg Cult: GM Screen verlosen zu können. Um an der Verlosung teilzunehmen, müsst ihr folgende Frage korrekt beantworten und per E-Mail mit dem Betreff „Mörk Borg“ an kontakt@teilzeithelden.de senden:

Wie heißt die Mörk Borg-Klasse, die eine*n aus einem Pilz geborene*n Alchemist*in darstellt?

Die Antwort findet ihr mit geschickter Suche in unserem Magazin. Es gelten unsere Teilnahmebedingungen. Einsendeschluss ist der 10. Mai 2022.

 

Artikelbilder: © Ockult Örtmästare Games & Stockholm Kartell
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Denise Hollas
Fotografien: Alle Bilder entstammen dem PDF des Regelwerks
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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