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Ein Artikel von Laura Birnbaum und Michael Engelhardt

Nach drei Jahren war es wieder so weit: Endlich fand das DrachenFest statt. Die Anstrengungen der verlängerten Spielzeit zum Veranstaltungsjubiläum brachten viele Spielende an ihre Grenzen, doch waren Motivation, Tatendrang und die Begeisterung, mit alten und neuen Freund*innen dieses Hobby wieder ausführen zu können, all die Strapazen wert.

Als Auftakt nach der Pandemiepause hat das Team um Sandra Wolter die Jubiläumsausgabe des DrachenFestes aufgelegt – zwar wäre der 20. Geburtstag 2021 gewesen, doch das hat niemanden gestört. Als Geschenk gab es mehr Spieltage – statt fünf Tagen konnte man nun sieben Tage jemand ganz anderes sein. Die Freude war groß, doch der Schock war bei vielen Beteiligten größer als erwartet.

Viele Monate in kontinuierlich kleineren Sozialgruppen und Isolation wurden auf einmal wieder mit der „großen Freiheit“, vielen Menschen, Interaktionen und Aktivitäten konfrontiert. Dass die gesamte Bandbreite der Reaktionen von Starre bis adrenalingetriebenen Aktionismus zu beobachten war, hat kaum verwundert.

Stresstest Großcon

Schon im Vorfeld wurde klar, dass vielen treuen Spielenden die schiere Länge (sieben Tage InTime!) zu viel war, dazu kamen Urlaubsproblematiken und Terminkollisionen, die bei Institutionen und auch den Auf- und Abbauteams extrem die Reihen ausdünnten. Der Wunsch nach einem extra-langen Jubiläumscon ist zwar verständlich gewesen, jedoch kollidierte dieser Wunsch mit drei Jahren geschobener Veranstaltungen und Lebensplanungen, die aus dem Pandemievakuum taumelten.

Die Belastung, nicht nur körperlicher, sondern auch mentaler Art war bei diesem DrachenFest enorm und wurde leider dennoch häufiger unterschätzt. Zu Beginn der 2022er Larpsaison wurde für mehr Achtsamkeit miteinander und sich selbst plädiert, was auch durchaus zu beobachten war. Allerdings haben viele die metaphorische Kerze an beiden Seiten angezündet, vermutlich aus Überschwang und um die verlorene Zeit aufzuholen, und sind so schneller ausgebrannt.

Hier zahlte sich aber das seit kurzem etablierte Konzept zur psychosozialen Unterstützung aus. Ein Team erfahrener Spielleitungen unterstützte bei Stress oder psychischen Ausnahmesituation unkompliziert und vertraulich Betroffene. Definitiv ist diese Neuerung ein echter Gewinn für das DrachenFest und auch beim ConQuest inzwischen Standard.

Manche Lager hatten zusätzlich noch ihre eigenen Vorkehrungen getroffen. So gab es zum Beispiel im Blauen Lager nicht nur ein Handout zur klaren Null-Toleranz-Politik bezüglich Diskriminierung und Belästigung jedweder Art, sondern auch ein eigenes kleinen Notfallteam, genannt Emma, was als erste Anlaufstelle und Safe Space dienen sollte.

Auch die Natur hatte wieder einiges zu bieten. Neben einer ordentlichen Wespen- und Ameisenplage spielte das Wetter die volle Bandbreite ab und die wie immer sehr hohe Brandstufe hat, zum Glück, für nur einen, uns bekannten ernsthaften Brandfall gesorgt. Dieser ist jedoch im Gros glimpflich ausgegangen, was auch an der blitzschnellen Reaktion sämtlicher Spielenden lag, die mit allem, was sie hatten, losgerannt sind, als es nötig wurde: Feuerlöscher, Sandeimer oder Spülwasser. Hervorzuheben ist auch  die schnelle und professionelle Unterstützung des DrachenFest-Teams. Nicht nur wurden Betroffene in beachtlicher Geschwindigkeit professionell betreut, sondern auch der Schaden wurde, so gut wie möglich, vor Ort ausgeglichen, so dass diese weiter teilnehmen konnten.

Auch von Corona blieb, wie zu erwarten war, ein Event dieser Größe nicht verschont. Die uns bekannten Fälle wurden unkompliziert und schnell versorgt. Für eventuelle Kontaktpersonen und Betroffene wurden Tests vorgehalten und es erfolgte an eventuell Betroffene eine klare und transparente Kommunikation. Betrachtet man die Natur der Veranstaltung und die aktuellen gesetzlichen Regelungen, kann man sagen, dass das Bestmögliche umgesetzt wurde.

Logistisch gut exerziert

Die Sanitäranlagen waren wie immer ordentlich und sauber – die Toiletten an der Stadt wurden vielleicht nicht ganz für Larper plus Gerödel konzipiert, aber das Toilettenpapier ging fast nie aus. Einziges Manko war lediglich der Mangel an Steckdosen und die fehlende Überdachung für die wenigen, die es gab, was in Anbetracht der gelegentlichen Regenschauer verbesserungswürdig wäre.

Absolut unproblematisch ging die Anreise vonstatten. Samstags, wenn normalerweise die Bauteams ihre Arbeit beginnen, war Anreisetag – und trotz der Massen an Autos, die durch die fertigen und halbfertigen Bauten kurven mussten, war die Staumenge und Zeit auf dem Rundweg erstaunlich gering und der CheckIn sehr flott erledigt. Hilfreich war sicherlich, dass mit Satelliteninternet eines bekannten und exzentrischen Milliardärs eine stabile Verbindung für den Ticketscan geschaffen wurde.

Die vorher angesprochene Problematik bei sämtlichen Gewerken und Bau-Teams sorgte im Spiel teilweise für Reibereien und Verzögerungen, doch nicht in dem Ausmaße, wie im Vorfeld befürchtet wurde. Kein Lager musste ungewollte Abbauzeit anhängen. Hier wurde gemeinsam Großes geleistet!

Neue Regeln, neue Verwirrung

Kurz vor der Veranstaltung wurde eine überarbeitete Version des Regelwerkes ausgegeben. So weit, so gut. Jedoch waren hier nicht nur kleine Anpassungen vorgenommen, sondern lange bestehende Grundmechaniken völlig auf den Kopf gestellt worden. Grundsätzlich war viel Gutes und, ehrlich gesagt, auch lange Überfälliges dabei. Doch die zeitliche Nähe zum Event gepaart mit der ohnehin strapaziösen Veranstaltung hat für einigen Tumult gesorgt. Regelmäßig kam es zu großen Fragezeichen bei Teilnehmenden oder Spielleitungen, frustrierenden Szenen oder verblüffenden Nebeneffekten. Allgemein kann man es vermutlich als Betatest des neuen Regelgerüstes ansehen und erst nach dem nächsten DrachenFest eine ganzheitliche Aussage zu Sinn oder Unsinn der meisten Änderungen tätigen.

Formation: Wilde Wolke!

Zu den mentalen Belastungen kamen in diesem Jahr deutlich mehr Kämpfe. Die Regeländerungen haben den Fokus deutlich auf das Capture-the-Flag-Element des Wettstreits verschoben, was zu viel Kampfbewegung führte. Leider kam dies bei den eher wenig kampfbegeisterten Spieler*innen sowie den kleinen Lagern nicht unbedingt gut an. Hier wird sich noch einiges einspielen müssen und feinjustiert werden.

Diplomatiespiel versprach herausfordernd zu werden, doch hatte viel Potenzial. Anfangs drehte sich das Karussell der Bündnisse, Absprachen und Pakte sehr schnell und hatte täglich neue Überraschungen parat. Zur Mitte der Veranstaltung verfestigten sich jedoch wieder alte Kooperationen, was dem Ganzen leider den alten Frustfaktor verlieh. Haupttreiber dieser Strukturen ist vermutlich die räumliche Nähe, die einige Lager nun über Jahre zueinander hatten, was von vielen Spielenden schon länger bemängelt wird.

Trotz des Jubiläums gab es keinen überspannenden Großplot, sondern wie sonst auch viele kleine, teils lagerspezifische, teils übergreifende Plotstränge. Einige waren frisch, neu und begeisterten auch viele DrachenFest-Veteran*innen, einige Plotansätze waren Fortsetzungen oder einfach Neuauflagen vergangener Ideen. Hier wurden häufig die Neuspieler*innen angesetzt, die sich dessen allerdings fröhlich angenommen haben.

Eine tolle Idee war, einen zweiten Tag des Festfriedens zu implementieren. Das hieß, dass den gesamten Mittwoch keine direkten Wettstreitaktionen wie Schlachten oder Bannereroberungen passieren durften. Den Tag haben viele genutzt, um durchzuatmen, einigen Events und Feierlichkeiten in der Stadt Aldradach beizuwohnen oder einfach andere Lager zu besuchen. Auch die jährlichen Wettbewerbe der Stadt wurden wieder abgehalten – eine Möglichkeit für Nicht-Kämpfende, Dracheneier (also Wettstreitpunkte) zu gewinnen.

Hier kristallisierte sich auch spätestens heraus, wer die Lager waren, die am lautesten den Sieg forderten. Am Ende machte das Goldene Lager nach einer der längsten Endschlachten in der Geschichte des DrachenFests das Rennen und durfte sich als amtierende Herrschende krönen.

What a ride

Hinter uns liegt ein Drachenfest, das auf allen Ebenen herausfordernd war. Eine volle Woche zu zelten, sich körperlich zu verausgaben, konstant soziale Interaktion zu haben und das Ganze, während man jemanden anderes darstellt. Man stieß schnell an Grenzen, die vorher vielleicht nicht da waren, war überfordert oder verloren in diesem großen Ganzen, was man jetzt drei Jahre nur noch im Minimum kannte. Doch war es für viele eines der besten DrachenFeste, die sie je besucht haben.

Die Motivation, die pure Freude wieder gemeinsam zu larpen, war überall spürbar und hat vielen eingefahrenen und etwas dünn gewordenen Teilen des Hobbies wieder Leben eingehaucht. Viele Spieler*innen, Gruppen, Lager oder Gewerke haben besondere Events oder Spielangebote im Gepäck gehabt. Leider haben sich diese auf den Mittwoch, an dem ohnehin viel geboten war und wie üblich auf Freitagabend akkumuliert, sodass nur einen Bruchteil davon erlebt werden konnte. Man kann aber hoffen, dass die Kreativität und Motivation anhält, denn eine so belebte Stadt gab es lange nicht mehr.

Tatkraft und Kreativität

Man kann es nicht beschönigen: Dieses DrachenFest war ein Kraftakt für alle Beteiligten. Die Länge, die vorherige soziale Entwöhnung, das Wetter – alles war kraftzehrend und man hörte häufig, dass sich viele für zu alt für das Hobby halten. Doch obwohl Lager und Tavernen so früh wie selten in den Abendstunden ruhig wurden und Müdigkeit und Motivation minütlich miteinander rangen, so war die Freude und Erleichterung, wieder zusammen zu kommen, die eigene Kreativität frei auszuleben und neue wie alte Freunde zu treffen umfassend.

Wie die Organisator*innen selbst sagten, könnte man ein überlanges DrachenFest vielleicht wieder zum 40. Jubiläum anpeilen, aber die wiedergefundene Freude am Hobby und den Menschen darin kann unserer Meinung nach gerne anhalten! Und so bleibt uns am Ende nur noch eines zu sagen: Danke an das DrachenFest-Team und die vielen ehrenamtlichen Helfer*innen für ein unvergessliches und wunderschönes DrachenFest.

 

Artikelbilder/Fotografien : © Hagen Hoppe, © Del-Ink
Titelbild: © Hagen Hoppe

Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Jessica Albert

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