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Der Marvel-Neustart geht weiter. Und diesmal ist für jeden was dabei: Horror mit dem wiederbelebten Hulk? Knarren und Sprüche mit Domino? Eine Studie zum amerikanischen Traum mit Captain America? Oder abgedrehte Abenteuer mit Ant-Man und Wasp? Die Auswahl ist groß und wir sagen euch, was einen zweiten Blick wert ist.

Diesen Monat gibt es viel neues Material und alles ist wunderbar für Neuleser geeignet. Mit Captain America und Bruce Banner: Hulk legen hier zwei klassische Neustarts vor. Während erster jüngst noch durch eine Hydra-Version ersetzt wurde, war der grüne Riese bis vor kurzem noch tot. Mit Domino startet nun zum ersten Mal ein Solo-Run der X-Force-Heldin in Deutschland. Das Abenteuer von Ant-Man und Wasp ist kein Start einer eigenen Serie, sondern ein Einzelband über Scott Lang und Nadia van Dyne im Microverse. Die Autoren haben unterschiedliche Herangehensweisen daran, eine Geschichte zu erzählen und es ist spannend zu sehen, wie die Helden neu interpretiert werden. Also schnappt euch den Comic eurer Wahl und taucht ein in die große bunte Marvel-Welt.

Bruce Banner: Hulk #1 – Unsterblich

Bruce Banner war tot, damit wollen wir beginnen. Doch können Superhelden sterben? Kann der Hulk sterben? Diese Geschichte startet in einer Tankstelle irgendwo im nirgendwo. Es gibt einen Unfall und drei Leichen. Doch eine davon verschwindet schon sehr bald aus der Leichenhalle und Geschichten über ein grünes Monster machen die Runde.

Bevor bei Marvel Comics Superhelden-Geschichten erzählt wurden, hieß der Verlag Atlas Comics und brachte Monstergeschichten mit Gruselfaktor heraus. So ist es auch nicht verwunderlich, dass damals Hulk (als Mischung zwischen Monster- und Superheldengeschichte) einer der ersten Titel war. Dieser Run besinnt sich auf die Anfangszeit und macht aus dem Konstrukt wieder eine Horrorgeschichte.

Viele Kapitel werden nicht aus Bruce Banners Sicht, sondern der von unbeteiligten Dritten erzählt. Dazu wird auch die Journalistin Jackie McGee eingeführt, die dem grünen Monster auf der Spur ist. Es geht weniger um einen Bruce Banner, der mit seinen inneren Dämonen klarkommen muss, als um unterschiedliche Monster-Begegnungen. Und im Grunde ist das gut. Das ist eine andere Art Geschichte, als jetzt schon zu oft erzählt wird. Gleichzeitig wird der gesamte Band aber auch etwas zu episodenhaft.

Gelungene Horroratmosphäre

Hulk selbst ist intelligenter als er es bisher war. Bruce Banner dagegen ist zwar nicht dümmer, aber besinnt sich weniger auf seine Expertise als Wissenschaftler als es bislang der Fall war. Dafür ist die Angst vor dem Monster in ihm stets präsent. Auch seine Erlebnisse mit seinem Vater, die in ihm einst erst die Wut erweckt haben, die ihn zum Hulk machte, werden wieder aufgegriffen.

Die Bilder sind düster gehalten und die Handlung findet hauptsächlich bei Nacht statt. Dem Leser läuft allein beim Betrachten der Zeichnungen ein eisiger Schauer den Rücken herunter. Daher wurde hier nichts falsch gemacht. Ein Highlight ist gleich am Anfang ein Close-Up von Hulks Kopf als Doppelseite. Es ist fast als ob der grüne Riese den Leser direkt anschaut und ihn jeden Augenblick zerquetschen möchte.

Wer gerne alte Schauergeschichten gelesen hat, wird sich von diesem Comic sicher direkt angesprochen fühlen. Die ersten beiden Handlungen funktionieren super auf dieser Ebene. Danach wird es etwas abstruser und die Begegnung mit Sasquatch ist mir dann wieder zu sehr Klopperei. Ich finde die neue Herangehensweise an Hulk als Horrorgestalt sehr erfrischend und denke ein Kampf gegen andere Monster ist gar nicht nötig in so einen Comic. Man darf gespannt sein, in welche Richtung sich diese Reihe weiter entwickelt und ich hoffe, dass der Horror- und Gruselaspekt weiter betont wird. So gesehen, ist dies ein gelungener Auftakt einer neuen Reihe mit leichten Schwächen im Abgang.

Die harten Fakten

  • Autor: Al Ewing
  • Zeichner(in): Joe Bennett
  • Seitenanzahl: 124
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

Domino #1 – Glückstreffer und Pechsträhnen

Neena Thurman ist Domino, eine Mutantin mit der Fähigkeit glücklich aus jeder Situation herauszukommen. Das führt teilweise zu leichtsinnigem Verhalten. Doch bei einer Mission geht plötzlich alles schief und später kommt auch noch Pech dazu. Was ist schief gelaufen und was hat ihre Vergangenheit damit zu tun? Wie konnten die Antagonisten von der Mission wissen und sie sabotieren?

Der Comic ist sehr unterhaltsam. Die Gedanken Neenas ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Darunter viele sarkastische Bemerkungen, peinliche Gefühlsregungen, aber auch Sinnfragen. Sie sind der Grund, warum die Handlung funktioniert. Denn drum herum sind sonst nur sexy Frauen mit harten Fäusten. Die gedanklichen Bemerkungen sind humorvoll und schaffen es Domino zu einer glaubhaften Figur zu machen.

Neena war jahrelang ein Teil von Teams. Seien es diverse Iterationen der X-Force oder kürzlich Weapon X. Auch hier wurden ihr zwei Sidekicks an die Seite gestellt: Outlaw und Diamondback. Die beiden werden hier als Neenas Freundinnen präsentiert und das passt. Auch andere Nebenfiguren, wie Deadpool oder Amadeus Cho sind stets authentische Charaktere. Diese liebevolle Charakterzeichnung macht auch bei den Antagonisten nicht halt. Insgesamt wirkt alles wie aus einem Guss.

Glaubwürdigkeits-Probleme

Die Handlung hat dafür gerade am Ende ein paar Glaubwürdigkeits-Probleme, die leider zu kleinen Abzügen führen. Der Antrieb der Antagonisten wirkt weit hergeholt und irgendwie zu beliebig. Das trifft teilweise auch auf die Rettungen in letzter Sekunde zu, die mir hier ein wenig zu oft vorkommen. Abgesehen davon, dass sie zur Superkraft passen.

Die Zeichnungen sind funktional und actionreich. Die Frauen werden mir etwas zu oft als Sexobjekte dargestellt und die vielfältigen Sprünge zwischen verschiedenen Handlungssträngen wirken ein wenig unbeholfen. Dennoch kann sich dieser Comic sehen lassen. Besonders die Produktionsqualität von Panini sticht wieder einmal positiv hervor.

Wer sich seit Deadpool 2 wünscht, mehr über Domino zu erfahren, findet hier einen ansprechenden Band. Er dürfte jedem Fan von Actionkomödien gefallen. Gleichzeitig ist der Comic eine Charakterstudie mit vielen liebevollen Nebenfiguren. Wer über die eher flache Handlung hinwegsehen kann, macht hier wenig falsch.

Die harten Fakten

  • Autor(en): Gail Simone
  • Zeichner(in): David Baldeon, Anthony Piper
  • Seitenanzahl: 140
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

Captain America #1 – Neuanfang

Wenn Amerika in Zeiten von Trump nicht mehr klar zu den Guten gehört, wie kann dann Captain America noch klar für das Gute stehen? Im Marvel-Universum gab es keinen Trump. Doch es gab Hydra und Captain America als ihren obersten Anführer. Zumindest eine andere Version von ihm. Doch egal ob Trump oder Hydra: Amerika ist ein zutiefst zerrüttetes Land. Dementsprechend befindet sich Steve Rogers in einer Art Sinnkrise. Gleich zu Beginn muss er passenderweise gegen Nuke antreten. Einen Mann, der sich die amerikanische Flagge ins Gesicht tätowiert hat – genauer gegen eine ganze Armee von Nuke-Cyborg-Klonen, deren Angriffsziele unter anderem Pro-Hydra-Demonstranten sind. Für wen soll sich Captain Amerika einsetzen? Und wer zieht die Fäden im Hintergrund?

Der Journalist Ta-Nehisi Coates, der durch seine politischen Texte bekannt geworden ist, ist auch für die Black Panther-Serie verantwortlich (die es bei uns auch in eine Top10 geschafft hat). Mit dieser Ausgabe übernimmt er auch das Ruder bei Cap und zeigt uns gleich seine ganze Bandbreite an philosophischen und politischen Überlegungen. Der Band kommt mit sehr wenig Text aus. Die Bilder erzeugen einen gewissen Sog, der durch Gedanken-Kommentare ergänzt wird. Dadurch erreicht der Comic eine gewisse Langsamkeit und Nachdenklichkeit, die aber sehr angenehm ist.

Neue Gesichter, gelungener Einstieg

Steves Suche nach den Drahtziehern hat eine höhere Einstiegshürde als andere Neustarts. Es tauchen Antagonisten auf, die einem Neuleser möglicherweise unbekannt sind. Auch der Hydra-Staat aus Nick Spencers Captain America Serie ist dauerpräsent. Es wäre aber auch schade gewesen, wenn diese prägende Storyline unter den Tisch fallen würde. Der letzte Versuch von Mark Waid (wir berichteten) hat nicht so gut geklappt. Doch Panini hat hier sehr gute Arbeit geleistet und alles so aufbereitet, dass man einfach einsteigen kann, ohne vorher etwas davon zu wissen.

Damit ist dieser Comic ein rundum gelungener Band für Captain America-Fans und solche die es werden wollen. Man sollte wissen, dass man sich hier auf einen ernsten Comic mit philosophischen Anleihen einlässt. Auch die Langsamkeit ist sicher nicht für jeden geeignet. Ich persönlich habe mich von der ganzen Zusammenstellung aber sehr angesprochen gefühlt. Zeichnungen oder Handlung sind niemals überladen. Der Verlauf folgt einem roten Faden und schafft es, dass man gespannt auf das Erscheinen der nächsten Ausgabe wartet. Von daher: klare Kaufempfehlung!

Die harten Fakten

  • Autor(en): Ta-Nehisi Coates
  • Zeichner(in): Leinil Francis Yu
  • Seitenanzahl: 148
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

Ant-Man und Wasp – Abenteuer im Microverse

Nach Scott Langs Abenteuern bei den Guardians of the Galaxy (siehe unsere Rezension) möchte er pünktlich zum Geburtstag seiner Tochter zurück auf die Erde. Dazu kontaktiert er Nadia (Hope) van Dyne, die neuste Wasp. Sie versucht ihn mit technologischem Klimbim zurück zu holen, doch dabei geht etwas schief. Und nun muss sie ins Microverse, um ihn von dort abzuholen. Dabei passiert dann natürlich ein Unglück nach dem Nächsten.

Pünktlich zum Film (den wir hier rezensiert haben) kam in den USA dieser Comic heraus. Mit den passenden Helden, dem richtigen Humor und einem Abenteuer im Microverse sind alle Zutaten vorhanden, um Kinogänger abzugreifen. Leider merkt man ihm an, dass er hauptsächlich zu diesem Zweck geschrieben wurde. Es ist eigentlich keine sonderlich interessante Geschichte zu erzählen, sondern stattdessen eine Aneinanderreihung von Problemen, die alle mit einem Deus Ex Machina gelöst werden. Das Microverse entspricht nicht der Logik unserer Welt. Das ist okay. Doch diese Logik wird immer genau in dem Augenblick definiert, wenn es gerade für die Story nötig ist. Das halte ich für miese Schriftstellerei.

Buntes logisches Durcheinander

Die beiden Hauptfiguren werden sympathisch abgebildet. Auch die Hintergrundgeschichten werden noch einmal aufgerollt. Das ist gerade bei der jungen Nadia notwendig, da sie erst nach dem Erfolg des ersten Films ins Comic-Universum eingeführt wurde. Eine Liebesgeschichte wie im Film wird nicht passieren. Dazu ist Nadia alterstechnisch zu nah an Cassie, Scotts Tochter, dran.

Die Kolorierung ist außerordentlich bunt, der Pinselstrich wild. Am Ende des Bandes wird uns ein „Hinter den Kulissen“ vom Zeichner Javier Garron präsentiert, der hier auch über die Anspielungen redet, die er in den Bildern eingebracht hat. Sein Stil passt zu der humorvollen Erzählweise der Handlung, ist mir aber teilweise aber zu unübersichtlich und durcheinander.

Abschließend kann man sagen, dass der Comic zu wenig logische Story besitzt, um langfristig im Gedächtnis zu bleiben. Die Wendungen sind oftmals abstrus und manchmal wirkt es, als ob Setzungen einfach wieder fallengelassen werden. Es ist daher auch nicht schlimm, dass es sich nur um einen Einzelband handelt. Das was diesen Band rettet, ist das flotte Pacing und die damit verbundene leichte Erzählweise. Es macht Spaß den beiden Helden bei ihrem verrückten Abenteuer zu folgen. Da wirklich alles passieren kann, wird man immer wieder aufs Neue überrascht. Das macht insgesamt eine durchschnittliche Wertung. Für Fans verrückter Entdeckungstrips funktioniert dieser Comic ganz gut.

Die harten Fakten

  • Autor(en): Mark Waid
  • Zeichner(in): Javier Garron
  • Seitenanzahl: 148
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

Artikelbilder: © Panini Comics, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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