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Der Streit zwischen deutschen Phantastik-Autorinnen und selbsternannten Hütern der deutschen Wikipedia erreicht seinen (vorläufigen?) Höhepunkt.

Eigentlich hatte Seraphpreisträgerin Theresa Hannig einfach nur eine Liste deutscher Science-Fiction-Autorinnen auf Wikipedia erstellen wollen, nachdem auf Twitter immer wieder über deren mangelnde Sichtbarkeit geklagt wurde. Zehn Stunden später stellte jemand den ersten Löschantrag. Die Begründung: Es handle sich um eine

[ü]berflüssige Liste, die Redundanzen schafft, vom Inhalt her unklar und vom Konzept her dubios ist

.

Was folgte, war ein ermüdendes Hin und Her, bei dem Autorinnen und Science-Fiction-Fans (darunter Annette Juretzki und Judith C. Vogt) um das Fortbestehen der Liste rangen, aber von einer Handvoll alteingesessener Wikipedianern, die aus ihrem vergangenen Engagement auf der Seite eine Art Hausrecht generierten, in fortwährende Löschdiskussionen verwickelt wurden, wie man auf Hannigs Seite genauer nachlesen kann.

Schnell kam der Eindruck auf, dass das dahinterstehende Problem weit über die Frage nach Frauen in der Science-Fiction hinausgeht und die Mechanismen, nach denen auf Wikipedia entschieden wird, was Relevanz hat und was nicht, alles andere als neutral und demokratisch sind.

Daher haben sich die Listenverfechterinnen nun mit anderen Instanzen zusammengetan und eine Change.org-Petition ins Leben gerufen. Darin fordern sie ein Recht auf geschlechtsspezifische Listen in der deutschen Wikipedia, sowie eine Demokratisierung des Entscheidungsprozesses, wann Artikel als relevant gelten. Die zusätzliche Forderung nach einer „Abschaffung der Pflicht zum generischen Maskulinum in den Wikipedia-Artikeln“ dürfte allerdings die radikalste sein.

Anmerkung der Redaktion: Wir von Teilzeithelden unterstützen die Petition ausdrücklich. Die rückwärtsgewandte Gutsherrenart, die gerade auf Wikipedia an den Tag gelegt wird, sollte im Jahr 2019 eigentlich keinen Platz mehr haben.

Artikelbild: Screenshot Wikipedia, Bearbeitung: Roger Lewin

13 Kommentare

  1. Ich verstehe den Ärger über den Diskussionsverlauf, verstehe aber nicht im geringsten inwiefern eine Petition auf eine Organisationsform wie Wikipedia einwirken sollte. Im übrigen wurden die Löschanträge ja abgelehnt. Das ist ein wenig wie eine Petition zu initiieren, weil einem Kommentare auf Facebook ärgern, obwohl diese gelöscht wurden.

    Und nochmal, ich bin kein binärer Mensch!

    • Tobias Hendrik Dröst Da ist eine solche Petition aber halt genauso wenig hilfreich. Wir sprechen hier nicht vom Bundestag oder sonst einer Institution die sich irgendwas um eine Petition auf einer mehr oder minder beliebigen Plattform scheren müsste.

    • Und ihr meint, das passiert nicht auch noch im Hintergrund? Aber eine solche Petition erregt Aufmerksamkeit, und das ist eben auch erforderlich.
      Besser als einfach rumsitzen und denken „Ach, es ändert sich eh nichts“ ist ja nicht eben hilfreich.

    • Keine Frage, es gibt, wie in jedem derartigen System, Leute die das System missbrauchen. So wie es bei 4chan misogyne Deppen gibt die sich lose zusammenschließen und Meinung machen, gibt es die auch bei Wikipedia. Genau die lassen sich von so eine Petition aber eben nicht beirren sondern feiern so etwas. Die genießen gerade alleine die Wortwahl, von der ich mich ja schon vor den Kopf gestoßen fühle.

      Viel sinnvoller wäre es das eigentliche System zu stärken, sich einzubringen und den Leuten direkt zu begegnen. Aber das ist natürlich aufwändiger als ein Häkchen auf einer völlig beliebigen Seite anzuklicken.

  2. Das war doch das Thema zur Buchmesse, um etwas die Werbetrommel für die SciFi-Autorinnen zu rühren. Ist das nicht schon lange durch?
    Ich meine die Liste um die es ging hatten gerade mal Zugriffszahlen von 10.000 Klicks pro Jahr. Gut. Die davon abgespaltete Liste, dürfte dank des Medienechos jetzt vermutlich schon ein vielfaches haben. So gesehen, ein Erfolg. Vielleicht überlegen sich ja jetzt mehr Frauen, SciFi zu schreiben :)

  3. Soweit ich weiß, ist das aber auch eine Spezialität der deutschen Wikipedia. In der Englischen läuft das anscheinend ein bisschen anders.

    Trotzdem scheiße!

  4. Die nächste Site, die doch eher einseitig ins Horn bläst zum Sturm der Entrüstung, offenbar ohne sich wirklich en detail mit den Geschenissen beschäftigt zu haben und etwas Hintergrundforschung betrieben zu haben.
    Ein wneig schade, aber ich erlaube mir ein paar Anmerkungen, die hoffentlich helfen, diese Angelegenheit in das richtige licht zu rücken:

    Es gibt innerhalb der Wikipedia keine Pflicht innerhalb der Artikel das generische maskulin zu verwenden. Diese gibt es grundsätzlich nur im Lemma, weil es technisch derzeit immer noch nicht ohne größeren „händischen“ Nacharbeitsaufwand möglich ist, da wirklich sauber zu arbeiten und Dinge wie „Hebammein“ zu vermeiden.

    Der ursprüngliche Löschantrag „[ü]berflüssige Liste, die Redundanzen schafft, vom Inhalt her unklar und vom Konzept her dubios ist“ klingt hart, muß aber auch vom Sprachverständnis innerhalb der WP gesehen werden; so, wie sich LARPerInnen zu recht dagegen wehren, das Attentate als „LARPing“ o.ä. bezeichnet werden.

    Die Liste konnte durchaus als redundant gesehen werden, weil es insbesondere jene Teile davon, die bereits in der WP vorhanden waren – also Autorinnen mit eigenem Artikel – eben schon in der Ausgangsliste SF-Autoren“ zu finden waren.
    Inhaltlich unklar und vom Konzept dubios“ betraf vor allem die Auflistung vieler Autorinnen, deren Hauptwerk offensichtlich keine SF war, die aber auch und gerade als reine Selfpublisherinnen veröffentlicht haben.
    Letzteres findet nach Entscheidung der aktiven Mitglieder grundsätzlich keinen Eingang in die WP – demgegenüber kommt aber auch nicht jeder „verlagsautor“ in die WP.

    Ein weiterer Kritikpunkt der aktiven Wikipedianer war, das die Liste von einer darauf vorkommenden Autorin erstellt wurde und von mindestens einer weiteren dort gelisteten – die keinen WP-Artikel hat, wenn ich mich nicht irre – sowie zahlreichen „IPs“ und neu erstellten Benutzern unterstützt wurde; außerdem außerhalb der WP im Zusammenhang mit dieser Liste und den Löschanträgen auch recht deutliche (gesellschafts)politische Statemants abgegeben wurden; etwass, das die WP als Enzyklopedie so nicht abilden will – auch offen und transparent geregelt über demokratische Mitgliedsentscheidungen der aktiven Mitschreiber.

    Als wichtigster Punkt wird in dem ganzen Aufgebausche der Sache gerne unterschagen, das alle Mechanismen, die zum einen „unwerte“ Artikel vermeiden, zum anderen taugliche, aber umstrittene Artikel bewahren sollen – also Löschantrag, Löschung und Löschprüfung (sowie ein Meinungsbild, also eine demokratische Befragung zu einem bestimmten Thema der aktiven Mitglieder) vollumfänglich funktioniert haben.
    Und das mit einem Ergebnis, über das sich die Listenersteller(innen) und deren Unterstützer von insbesondere außerhalb der WP nicht beschweren können.

    Diese Petition jetzt erzeugt tatsächlich Unmut, weil sie zeigt, das sich hier diejenigen zu Klägern und Richtern aufschwingen, die die WP gar nicht kennen und so auch und gerade die WPler(Innen) gegen sich aufbringen, die sich zuvor durchaus für die Liste stark gemacht haben. (Fiona z.B.)

    Es ist als außenstehender Neuling immer mehr oder wneiger schwierig sich in eine bestehende Gruppe einzufinden und ebenso ist es für eine bestehende Gruppe nicht immer leicht, Neulinge zu integrieren.

    Daraus aber einen feministischen Feldzug zu machen, bestätigt lediglich die – überwiegend ruhig und sachlich vorgetragenen Argumente der Kritiker, die frühzeitig daraufhingewiesen haben, das die WP sich tatsächlich als Enzyklopedie versteht, also als etwas, das abbildet, was ist und nicht, was angestrebt wird, sei es von vielen oder von Minderheiten, was noch nicht allgemeinverbindlich geregelt ist – bspw. Binnen-I oder Gender-Asteriks und die sich hier auch an dem Punkt sehen, wo eine entsprechende Umsetzung innerhalb der WP dazu führen könnte, das eine bestimmte Form sich etabliert.
    Das ist nicht Sinn, Zweck und Aufgabe der WP.

    Es wird auch ganz nebenbei der – nicht gerade kleine, vor allem sehr aktive – „feministische“ Bereich inenrhalb der WP unterschlagen, mit eigenen Portalen. Also der ort, wo sich die aktiven WPler und -innen „kurzschließen“ und gemeinsam agieren.

    Der wichtigste Punkt jedoch erscheint mir relativ klar: gerade bei einer offenen Platform wie der WP kann und soll sich – im Rahmen der selbst auferlegten Regeln – jede(r) beteiligen. Statt also hochtrabende und in weiten Teilen sschlicht schlich falsche Petitionen anderort zu fabrizieren, wäre es „der Sache“ sicherlich deutlich dienlicher, sich aktiv in die WP einzubringen; die Regeln des internen Miteinanders zu erlernen, ebenso das intern verwendete Vokabular (wie bei jedem Spiel, wie bei jeder Gruppe).

    Auf diese Weise, wie jetzt verfahren wird, sorgt man – leider – nur für eine wenig förderliche und die Fronten erst tatsächlich erschaffende, zumindest aber massiv verhärtende „Wir-gegen-die“-Mentalität.

    Sehr schade, das nun auch die Teilzeithelden auf diesen Zug einseitig und ich wil lsagen auch sehr unreflektiert aufspringen.

    P.S. Ich hoffe wirklich inständig, das ihr die Werbelayer, welche auf thematisch verwandte Beiträge hinweisen, wenigstens mit einem X-Button zum dauerhaften schließen verseht, denn sie überdecken u.a. einen Teil des Kommentarfeldes, so das man leider nicht – oder zu spät, also nach dem absenden des Kommentars – sieht, was man für Vertipper hat ;)

  5. Nachtrag: Theresa Hanning, die Listenerstellerin, gab ganz zu Anfang der Löschdiskussion an, das es Ihr zu Recherchezwecken völlih ausreichen würde, wenn man eine Spalte „Gender“ in die bestehende(n) Liste(n) einfügen könne, um gezielt z.B. nach Frauen zu suchen. Dann wäre auch nach Ihrer Auffassung die erstelle _innen-Liste redundant und könne weg.

    Es wurde nicht nur mehrfach erwähnt und erklärt, das und wie das umzusetzen sei, es wurde sogar in der SF-Autor-Liste gemacht.

    Das Resultat des, ich möchte ein wenig spitzfindig sagen „kleinen Fingers“ war und ist, das nicht wenige innerhalb der WP von einer Kampagne sprechen, die – neben der Tatsache, das sie im Erfüllungsfall sehr viel zusätzliche Mehrarbeit der Aktiven Schreiber(innen) erfordern würde (falls generell alle Artikel, Listen, Kategorien, etc. gendergerecht gestaltet werden müßten (andere Diskussionen um“Spezialthemengruppen“ die von Außen an die WP heran getragen wurden, endeten ähnlich, vor allem erfahrungsgemäß damit, das von den Außenstehenden kaum jemand, um es höflich milde zu formulieren, bereit war, sich an der eigentlichen Arbeit zu beteiligen; das überließ man gerne jenen, die den fordernden Konsumenten den Konsum überhaupt erst ermöglichen.

    Kurz gesagt: ich persönlich begrüße es tatsächlich, das es nun auch eine Liste weiblicher, deutschsprachiger SF-Autoren (man erlaube mir diesen kleinen Scherz) gibt; wenngleich man sich bei dem ein oder anderen Eintrag sicherlich fragen kann, ob diese Liste der paassende Ort ist, z.B. Lena Falkenhagen; macht ein Roman außerhalb des sonbst üblichen Genres jemandem wirklich zu einem (anderen) Genre-Autor? (Diese Frage stellt sich natürlich auch bei den männlichen Pedants).

    Ich finde es nur, ja, traurig, das der offene und faire Diskurs nicht mehr gesucht wird, sondern mit falschen Fakten und Behauptungen gearbeitet wird (auch hier schließe ich beide Seiten durchaus ein, denn natürlich waren nicht alle Listenkritiker integer und höflich oder sachlich, wie auch nicht alle Befürworter(innen).

    Mir fehlt die Sorgfalt, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen und möglichst neutral zu berichten, anstatt einfach denjenigen zu folgen, die am lautesten schreien und die buntesten Fahnen haben, hinter denen man sich gemütlich einreihen kann.

    P.S. Oh, es gibt den X-Button tatsöchlich bereits, beg your pardon. Allerdings ist er tatsächlich nur schwer, ja, kaum zu sehen; vielleicht kann hier freundlicherweise nochmal etwas nachgerabeitet werden.

    Nicht, das es noch eine Petition dazu gibt ;)

    Auf wiederlesen.

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