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Die Hauptsaison im LARP geht von Frühling bis Herbst, alle größeren Cons liegen überwiegend in dieser Zeit. Doch dass dies kein Muss ist und der Winter sogar die bessere Zeit für LARP sein kann, zeigt Euch dieser Artikel. Ein Plädoyer für mehr LARP im Winter.

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Das Fantasy-LARP-Jahr in Deutschland folgt einem mehr oder weniger festen Rhythmus. Im Frühjahr weckt die Vorfreude den gemeinen LARPer aus seiner Winterstarre. Er wäscht seine noch vom letzten Sommer dreckige Gewandung, versucht verzweifelt, den Rost von seiner Rüstung zu polieren und schockiert seine altgedienten Waffen mit einer ihnen bislang unbekannten Substanz namens Latexspray. Nachdem so seine Kleidung vom Schimmel und Schlamm befreit und seine restliche Ausrüstung wieder vorzeigbar ist, steht er verzweifelnd vor dem Kalender. Wochenende für Wochenende, Feiertag für Feiertag bersten nur so über vor lauter Veranstaltungen. Großcons werfen in Form ihrer Ablegerveranstaltungen ihre Schatten voraus, ans Herz gewachsene kleine Cons setzen die seit Jahren laufende Story fort und Neulinge locken mit spannenden Ideen. Auf der Welle dieser Veranstaltungen reitet man als Spieler nun bis zu den Großcons im Sommer. Dort heißt es, auf in die Schlacht bei nicht immer nur gefühlten 40°C im Schatten, denn schließlich will jeder seine in mühsamer Handarbeit an finstren Winterabenden genähte Gewandung präsentieren.

Nach diesen kraftraubenden Wochen kehrt der LARPer wieder heim, um seine verbleibende Restenergie in kleinere Cons im Spätsommer und Frühherbst zu verbrauchen. Nun beginnt der chronisch klamme Spieler seine Ausstattung an Gewandung und Rüstung im flächendeckenden Ausverkauf aller LARP-Händler aufzustocken und sich auf den Winter vorzubereiten. Denn zusammen mit den Blättern fallen jetzt auch die conbefüllten Wochenenden aus dem Kalender, bis bald nur noch einzelne Tavernen unbeugsam die LARP-Fahne hochhalten. Bald schon verfällt der Spieler daher wieder in seine alljährliche Winterstarre, in der er Kälte und Schnee überdauert, bis ein neuer Morgen anbricht und der Frühling sowie der müffelnde Kleiderberg im Keller zu neuen Abenteuern rufen.

Doch so schön und altvertraut dieser Ablauf und die paar Monate Ruhe, in denen sich Familie, sonstige Freunde sowie Partner daran erinnern, dass da noch jemand mit seltsamem Hobby existiert, auch sein mögen: Sie verschenken damit die nach vielfacher Meinung (dieses Autors) beste Zeit für eine Con: Herbst und Winter.

Warum Abenteuer bei Schnee und Kälte besser sind als bei Sonne und Wärme, davon überzeugen euch nun zehn Punkte.

Nummer 1: Mal was anderes

Wie oben bereits beschrieben, finden Cons überwiegend in der warmen Jahreszeit statt. Ob der Kampf gegen dunkle Höllenherrscher, finstre Eisköniginnen oder gruselige Schattendämonen geht, stets sind blühende Landschaften zu sehen, in denen Vögel zwitschern und Insekten zirpen. Beim Kampf mit dem Eisriesen fließt der Schweiß daher ähnlich stark wie in der Woche zuvor, beim Duell mit heißblütigen Nomaden im Wüstensand. Selbst die besten Spielleiter können lediglich das Szenario und die Kulisse ändern: Wetter und Landschaft bleiben gleich. Eine LARP im Winter bietet hier erfrischende Abwechslung. Bereits herbstlich braune Bäume bewirken eine gänzlich andere Stimmung als ein grüner Sommerwald. Das weichende Leben der Blätter unterstreicht eher bedrohliche Szenarien der Niedergangs oder der feindlichen Invasion, egal ob magisch oder mundan. Ein Prophet der Apokalypse wirkt gleich viel glaubwürdiger, wenn um ihn herum die Natur regelrecht verfällt und abstirbt.

Und das alles gilt noch viel stärker im Winter. Schnee knirscht unter den Sohlen, während man sich an Feinde heranschleicht. Der eisige Hauch des Todes weht nicht nur im übertragenen Sinne um das Genick, während die Orks anrücken. Im Herbst und vor allem im Winter wandelt sich das Antlitz der Welt. Selbst bekannte Gelände wirken plötzlich unvertraut und neu. Das gibt Cons einen speziellen Charme und lässt den Spieler glaubhafter in eine fremde Welt eintauchen.

Herbst und Winter bieten gleich eine ganz andere Kulisse für bedrohliche Szenarien.

Nummer 2: Endlich passt die Gewandung

Wer kennt das nicht? Da ist der Nordmann-Charakter oder der Paladin endlich fertig ausstaffiert. Unsummen stecken in herrlich und luxuriös aussehenden Kunstpelzbehängen und Wollmänteln und der endlich optimal sitzende Plattenpanzer glänzt im Sonnenlicht. Doch beim ersten Einsatz der neuen Gewandung verwandelt sich der eigene Körper in eine Miniaturausgabe der Niagara-Fälle, während das Hirn hitzebedingt zusammen mit dem restlichen Kreislauf den Notausschalter betätigt. Während manch leidgeplagter Spieler deshalb gerüchteweise bereits auf eine Wasserkühlung unter seiner Rüstung zurückgreift, entscheiden sich andere, ihren kleidenden Metallvorrat im Wert eines kleinen Karibikurlaubs zur reinen Deko zu degradieren.

Schwere Panzerung trägt sich leichter, imposante Gewandung ist endlich funktional statt erstickend!

Und auch die Gewandung verharrt nur kurz im „Trage ich zum Eröffnungsritual“-Status, bevor sie endgültig als Insektenfänger im Zelt endet. Da ist es ein kleiner Trost, dass selbst der Ottomane im Nachbarlager durch die Hitze zu einer Imitation des nach ihm benannten Möbelstücks mutiert.

Die Rettung aus dieser Misere sind Cons im Winter. Hier sind die Temperaturen niedrig genug, dass sich jeder Charakter voll in Schale schmeißen kann. Lustvoll toben Schwergepanzerte durch den Tiefschnee, erfreuen sich nordische Charaktere an der bisher für sie infernalisch heißen Glut des Lagerfeuers. Selbst südländische Charaktere können sich im Winter wohl fühlen, wenn sie genug Schichten übereinander ziehen. Der Winter zeigt sich daher, was Gewandungen und Rüstungen angeht, für den LARPer als ideale Jahreszeit.

Nummer 3: Extreme Bedingungen unterstreichen den Abenteuercharakter

Wie bereits bei Nummer 1 erwähnt, lässt der Winter ein Gelände nicht nur unvertraut und fremd wirken: Die leblos erscheinende Welt betont jedes Bedrohungsszenario. Egal ob Untote, Räuberbanden, Orks, Elfen oder ein fast schon gewöhnlicher Krieg, nichts wirkt glaubwürdiger in einer trostlosen braunen Einöde oder in eisiger Kälte. Die Landschaft selbst erschafft ein Gefühl von Mangel und Unfrieden, der sich in der dargestellten Konfliktsituation entlädt.

Gefallene Kämpfer wirken in rauer, karger Winterlandschaft gleich viel authentischer.

Keine Felder sind mehr bestellbar, weshalb der Hunger Menschen wie sonstige Lebewesen zum Kampf um Nahrung antreibt. Schnee und Eis können den magischen Griff symbolisieren, in dem eine Hexe oder ein Zauberer das Land hält. Lediglich Untote haben es im Winter etwas schwerer, aus ihren Gräbern im gefrorenen Boden wieder aufzuerstehen. Aber hier findet sich dann bestimmt ein Magier, der ihnen aus purer Experimentierfreude behilflich ist.

Auch abgesehen von Bedrohungsszenarien wirkt ein Kult oder ein Ritual in mystischer Dunkelheit oder im Zwielicht gleich viel stimmungsvoller.

Nummer 4: Der Sommer ist überfüllt

Der Sommer als Hochzeit der LARP-Saison ist schlicht und ergreifend überbelegt. Von Anfang April bis Ende August vergeht kein einziges Wochenende, an dem nicht eine große oder mittelgroße Con ist. Geliebte Veranstaltungen liegen zeitgleich, Freundeskreise werden so brutal auseinandergerissen und es entstehen tiefe Gräben beim Streit, welches nun die bessere Con ist. Statt sich mit zahlreichen anderen Veranstaltern um Spieler und Gelände zu prügeln, sollten Organisatoren daher das einzig Sinnvolle machen und in die Wintermonate ausweichen. Hier ist noch genug Platz für Veranstaltungen, gerade für größere. Und ähnlich wie im Sommer gibt es zwischen den Jahren die einzigen Ferien, die in allen Bundesländern zeitgleich liegen.

Nummer 5: Schnee hilft beim Abtarnen

Es ist der Alptraum einer jeden Orga, die um ein schön stimmiges Ambiente besorgt ist: Mitten aus den authentischen Zelten ragt ein nur mäßig abgedecktes pink-rosa-farbenes Igluzelt heraus. Das epische Gruppenbild aller Spieler in der Endschlacht wird etwas profanisiert durch den Typ mit weißen Sneakers mit neongrünem Markenzeichen. Doch das muss nicht sein. Einmal seine Con in den Winter gelegt und etwas Glück mit dem Wetter gehabt und schon verschwinden Zelt wie Schuhe unter einer gnädigen weißen Decke.

Nummer 6: Weniger Tierinvasionen

Wer kennt es nicht, das wohlige Gefühl, abends in seinen Schlafsack zu klettern und dort jemanden vorzufinden, der schon auf einen wartet? Nun, jeder LARPer tut dies bestimmt. Denn keine Con vergeht, ohne dass das eigene Zelt von Massen von Spinnen, Schnecken, Mäusen, Grillen, Käfern oder Eichenprozessionsspinnern aufgesucht wird. Manchmal hat man auch das außergewöhnliche Glück, dass all diese Tiere gleichzeitig das eigene Zelt bevölkern. Und so naturverbunden der Durchschnittsspieler generell und der Waldelf im Besonderen auch sind, spätestens wenn die eigenen Schuhe von Spinnen als Brutplatz auserkoren wurden, endet die Freundschaft. Für all diese Tiergeplagten bietet der Winter eine willkommene Alternative. Ein Großteil der kuschelbedürftigen Tiere hält dann entweder Winterschlaf oder -starre oder ist kältebedingt in den Wechsel zur nächsten Generation übergegangen – und der Spieler kann endlich wieder sein Zelt genießen. Bis zu dem Moment, in dem der Zeltnachbar beim Schlafen die Säge auspackt …

Nummer 7: Das schöne Gefühl, ins Warme zu kommen

Das Lagerfeuer ist nicht mehr nur ein schweißtreibender Ambientefaktor.

Tavernen sind schön. Tavernen sind toll. Eine gute Taverne strahlt ein Gefühl von Gemütlichkeit und Behaglichkeit aus. In der Ecke prasselt ein Feuer, am Tresen bedient ein geselliger Schankwirt bei schummrigem Licht mit halbsauberen Gläsern. An den Tischen sitzen dicht gedrängt gute Zechgenossen, die es sich bei Met, Wein und Ale gutgehen lassen, die Krüge heben und fröhlich singen, und in einer dunklen Ecke wird ein einsamer Wanderer erdolcht und ausgeraubt. Tavernen stellen die Essenz von LARP im Kleinen dar. Doch zu all diesem fehlt noch ein Element, das dieses Szenario noch behaglicher macht: das Prasseln von Regen oder Hagel gegen die Fenster sowie die schneidende Kälte, die durch die Tür hereindrückt, wenn ein neuer Gast die Schänke betritt. Diese Dinge betonen die Anziehung der Taverne und lassen in jedem Anwesenden ein Gefühl der Freude und Dankbarkeit aufkommen, in diesem schönen Lokal gelandet zu sein.

Nummer 8: Ein guter Grund, gemeinsam zu zechen

Gut, dieser Punkt gilt auch für Cons im Sommer. Auch hier trifft man Freunde und lässt in gemütlicher Runde am Feuer den Metkrug oder den Schwarzwurzelsaft kreisen. Doch im Winter gibt es noch weitere Alibis zum sinnlosen Besäufnis. [Wir meinen natürlich zum verantwortungsbewussten und mäßigen Genuss von alkoholhaltigen Getränken – Anmerkung der Redaktion]. Denn auf die kalten Temperaturen hat der menschliche und nichtmenschliche Geist mit der genialen Idee reagiert, Getränke zu erhitzen, damit sie gegen die Kälte helfen. Während man im Sommer also höchstens unter lauwarmem Bier leidet, erfreut sich der gemeine LARPer im Winter an Glühwein, Glühmet, Glühbier, Kinderpunsch, Elfenblut, Wintertee und anderen Dingen, die man gemeinsam überm Feuer erhitzen kann. Ein eindeutiger Punkt für den Winter.

Bei allem Spaß liegt es uns doch am Herzen, darauf hinzuweisen, dass Alkoholkonsum, besonders übermäßiger, gefährlich und schädlich ist. Neben den sonstigen negativen gesundheitlichen Auswirkungen erhöht Alkohol bereits bei gewöhnlichen Cons das Verletzungsrisiko, da er die Koordination und die Fähigkeit zur Gefahrenabschätzung einschränkt. Bei Cons im Winter kommt noch hinzu, dass Alkoholkonsum den Körper nicht erwärmt, sondern im Gegenteil dessen Auskühlen beschleunigt und damit das Auftreten einer Unterkühlung herbeiführen kann.

Nummer 9: Der Sommerurlaub

Viele LARPer kommen am Ende der LARP-Saison nach Hause und stellen überrascht fest, dass da die ganze Zeit ein Partner oder eine Partnerin war und geduldig gewartet hat. Falls sie nicht geduldig gewartet hat, stellt man höchstens fest, dass da plötzlich mehr freie Schränke sind, in denen man seine Gewandung und Ausrüstung verstauen kann. Aber selbst dann kann eine Verlagerung von Cons in die Winterzeit helfen, zumindest beim nächsten Partner. Denn wenn nicht mehr jedes Sommerwochenende in der Wildniss verbracht werden muss, kann in der so gewonnenen Zeit mit dem Partner ein schöner Sommerurlaub gemacht werden. Das ist eine Win-Win-Situation für alle. Man festigt die Beziehung, nicht nur zum Partner, sondern zur OT-Welt im allgemeinen, verpasst keine wichtige Con (Wobei „wichtig“ hier auch eine Fünf-Mann-Taverne im Odenwald umfassen kann) und als Krönung des Ganzen ist die Wintercon sogar ein guter Grund, an Weihnachten den Schwiegereltern aus dem Weg zu gehen. Dort kann dann stattdessen die Freundin beim Dia-Abend mit den Bildern vom Sommerurlaub beweisen, dass man wirklich existiert.

Nummer 10: „Schlammageddon“

Bei Bodenfrost wäre das nicht passiert.

Artikelbild: © fotokvadrat | depositphotos.com, Fotografien: © Kira Hagen, © LARP.net, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

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