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Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis die Elder-Scrolls-Reihe ein Tabletop bekommt. Mit The Elder Scrolls: Call to Arms veröffentlichen Bethesda und Modiphius einen Skirmisher in der Welt von Skyrim. Wir haben den Hörnerhelm aufgesetzt und sind in den Norden gezogen.

Die Welt Tamriel hält ihre Fans immer noch gefangen. Auch neun Jahre nach seiner Veröffentlichung ist der letzte Einzelspielerteil The Elder Scrolls V: Skyrim auf diversen Plattformen beliebt. Warum also nicht auch ein Tabletop dazu? Mit The Elder Scrolls: Call to Arms können wir endlich in die dunklen Grüfte Tamriels hinabsteigen. Alternativ können wir auch Konflikte zwischen den Sturmmänteln und der Legion austragen. Gemein haben alle Szenarien, dass man sich in einem recht überschaubaren Rahmen bewegt. Nicht mehr als fünf Figuren pro Seite sind dabei keine Seltenheit, unendlich viel Platz wird somit nicht benötigt und das Spiel passt gut auf einen normalen Küchentisch. Wer spielen will, muss aber natürlich die Regeln kennen, die wir euch im Nachfolgenden anreißen möchten.

Figuren im Vergleich
Figuren im Vergleich

Spielablauf

The Elder Scrolls: Call to Arms bietet zwei grundverschiedene Spielmodi, die sich jedoch im Regelwerk nicht unterscheiden. Der Zug besteht aus drei grundsätzlichen Phasen: Vorteilsphase, Aktivierungsphase und Eventphase.

In der Vorteilsphase geht es darum, welche*r der beiden Spieler*innen die erste Aktion ausführt. Im ersten Zug wird dies entweder im Szenario vorgegeben oder diejenige Person, die nicht den Vorteil in der Aufstellung hatte, hat den ersten Zug. In den nachfolgenden Zügen wechselt dies zwischen den Spieler*innen hin und her. Bei mehr als zwei Spielenden rotiert der Vorteil mit dem Uhrzeigersinn.

Die wichtigste Phase, in der die meisten Handlungen geschehen, ist die Aktivierungsphase, in der man sich in der Aktivierung von Figuren abwechselt. Dieser schnelle Wechsel sorgt dafür, dass man keine langen Wartezeiten hat. Aktiviert man eine Figur, darf diese zwei Aktionen ausführen. Wichtig ist dabei, dass die gleiche Aktion nicht zweimal ausgeführt werden darf. Man darf also weder zweimal kämpfen noch sich doppelt bewegen.

Die Regeln der Kurzanleitung sind gut verständlich.

Man hat eine ganze Reihe von Aktionen zur Auswahl. Neben Bewegen und Kämpfen finden sich auch eher ungewöhnlichere Aktionen für ein Tabletop, wie Sich-Verstecken oder Taschendiebstahl. Recht schnell wird dabei klar, dass möglichst viele Fähigkeiten aus dem Computerspiel hier ihre Abbildung finden.

The Elder Scrolls: Call to Arms nutzt eigene Würfel in unterschiedlichen Farben. Ziel ist, möglichst niedrig zu würfeln, um unter den eigenen Wert in der jeweiligen Fähigkeit zu kommen. Diese Würfe können auf unterschiedlichste Arten modifiziert werden. Ein Wurf kann erleichtert sein, wenn man beispielsweise aus dem Hinterhalt angreift, oder erschwert, wenn man mit einer Waffe in der zweiten Hand angreift.

Für alle möglichen Optionen bietet das Regelwerk hierbei unterschiedlichste Lösungsansätze. Bei den Probespielen sind uns keine Regellücken untergekommen, die nicht geklärt worden konnten. Hat man ein Ziel getroffen, kann sich dieses noch mit Würfeln verteidigen, sei es, weil es Rüstung trägt oder weil es die Aktion Blocken genutzt hat und einen Block-Token hat. Grundsätzlich nutzt das Spiel eine Vielzahl von Token, um unterschiedliche Status anzuzeigen.

Die Flut an unterschiedlichen Token lässt die Komplexität der Regeln erahnen.

Hinzu kommt noch Ausdauer als Verbrauchsgut, das sich regelmäßig wieder auflädt und mit dem man eigene Aktionen verstärken kann. So kann der Schuss genauer werden oder man läuft weiter, wobei die zusätzliche Laufbewegung durch das Gewicht der eigenen Rüstung definiert wird.

Nach der Aktionsphase folgt die angesprochene Eventphase. Hierbei werden zunächst die Aktionen der neutralen Kreaturen auf dem Spielfeld bestimmt. Man nutzt jeweils eine Matrix, aus der nach einem Würfelwurf das Verhalten der jeweiligen Kreatur abgelesen werden kann. Dann überprüft man einen entsprechenden Flowchart, der zu der Aktion der Kreatur passt. So kann man Zielpräferenz, Bewegungsmuster und Ähnliches bestimmen. Dies alles ist leider relativ komplex und erfordert zumindest zu Anfang einiges an Geblätter.

Diverse Optionen machen das Spiel spannend, aber auch schwer zu händeln.

Als nächstes zieht diejenige Person, die den Vorteil hat, eine Eventkarte. Diese kann sowohl Ereignisse als auch neue Aufträge beinhalten, die von beiden Seiten erfüllt werden können. Durch diese Karten spawnen auch neue neutrale Kreaturen auf dem Feld. Zum Schluss gibt es noch eine Überprüfung der Moral der Figuren auf dem Feld.

Die grundsätzliche Regelkonzeption ist recht eingänglich, jedoch ist die Anzahl an unterschiedlichen Sonderregeln schlicht erschlagend. Zu viele Optionen, Einschränkungen und Auswahlmöglichkeiten bestimmen das Spielgeschehen. Hier wäre an diversen Stellen weniger definitiv mehr gewesen.

Das ist alles? – Der Hintergrund.

Der Hintergrund fällt leider in allen Teilen des Regelwerkes sehr spärlich aus. Vereinzelt gibt es zwar kurze Erklärungstexte, ein wirklicher Einblick für neue Spielerinnen und Spieler fehlt jedoch völlig. Dies ist vor allem bei so komplexen Hintergründen wie den unterschiedlichen Völkern im Elder-Scrolls-Hintergrund oder auch den Dragonborn durchaus schwierig.

Wer Skyrim gespielt hat, dürfte sich hier ohne Probleme auskennen, alle anderen bleiben mit vielen Fragezeichen zurück. Das macht The Elder Scrolls: Call to Arms leider in keiner Weise einsteigerfreundlich. Wenigstens zu den Fraktionen hätte man einige kurze Sätze verlieren können, um sie für Neulinge schmackhafter zu machen. Auch in den Fraktionsboxen findet sich keinerlei Hintergrund.

Und nun zur nächsten Fähigkeit – Einstieg und taktische Einschätzung

NSC Reaktionen werden durch Flussdiagramme dargestellt.

Die Spielanleitung selbst spricht davon, dass das Spiel einfach zu erlernen, jedoch herausfordernd zu meistern sei, und zumindest auf den ersten Blick trifft diese Regel auch zu. Neben dem hochkomplexen Regelwerk enthält die Grundbox auch eine Schnellstart-Anleitung, die einen an die ersten Regeln heranführt. Diese ist ausgezeichnet gelungen und vermittelt in kurzen und prägnanten Einzelszenarien grundlegende Mechaniken. Eine Konzeption, von der sich andere große Tabletop-Hersteller ruhig eine Scheibe abschneiden könnten.

Der Schritt ins richtige Regelwerk ist aber gewaltig und eröffnet ungeahnte taktische Möglichkeiten. Das ist Fluch und Segen zugleich. Die taktische Komplexität ist beeindruckend, vor allem durch die unterschiedliche Nutzung von Ausdauer-Punkten. Jeder Einsatz muss gut geplant sein, hat man doch diverse Möglichkeiten, die entsprechenden Punkte auszugeben.

Die Fähigkeitenkarte des Skeletts gibt einem alle Informationen, die man braucht.

Gleichzeitig beinhaltet das Spiel eine Vielzahl von Sonderregeln und Fähigkeiten, die man im Auge behalten muss, seien es Fähigkeiten der Charaktere, der Ausrüstung oder auch der Umgebung im Sinne der neutralen Monster. Dies kann schnell unübersichtlich werden, bietet Spieler*innen, die sich eingefuchst haben, aber großartige Möglichkeiten.

The Elder Scrolls: Call to Arms ist damit aber kein kleines Spiel für zwischendurch, sondern erfordert eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Regelwerk, zumindest wenn man es gegeneinander spielen möchte. Die kooperativen Varianten gehen gefühlt deutlich leichter von der Hand, muss man dabei doch auf weniger Interaktionen achten.

Größenvergleich mit Space Marine von Games Workshop
Größenvergleich mit Space Marine von Games Workshop

Was brauche ich jetzt eigentlich? – Die Ausstattung

Viele Tabletop-Spiele kommen mit einer größeren Grundbox daher, die alles in einer Kiste vereint. Beim vorliegenden Spiel hat man sich jedoch für einen anderen Weg entschieden und die Materialien auf vier Boxen aufgeteilt, die man aber für das richtige Spielen dann doch alle braucht. In der Core Box finden sich alle Marker, das Grundregelwerk, das Szenarioheft und die Schnellstart-Anleitung. Darüber hinaus finden sich die Würfel, diverse Marker und eine Vielzahl von Karten im Set, die unter anderem Monster, Schätze, Fallen und Zaubersprüche beschreiben.

In der Monsterbox findet sich auch die Dragonborn.

Zum Spielen benötigt man jedoch mindestens noch die Miniaturenbox, die sowohl den namensgebenden Dragonborn als auch Monster wie Skelette und Draugr enthält. Hiermit kann man dann zumindest allein spielen. Wer alle Spielvariationen nutzen möchte, braucht darüber hinaus noch zwei Fraktionsboxen. Der aufaddierte Preis des Materials erreicht so schnell über EUR 100.

Das Material der Core Box selbst ist gut gestaltet, das Regelwerk kommt in einem soliden Softcover daher und der Druck ist ohne Schlieren. Die Figurenboxen enthalten bei den Fraktionen jeweils zwei Helden und drei generische Soldaten, während die dritte Box einen weiblichen Dragonborn und die Kreaturen enthält. Diese setzen sich aus einem Draugr Overlord, drei Draugr und drei Skeletten zusammen. Die Gussrahmen sind gut verarbeitet, alle Teile lassen sich sauber herauslösen. Der Detailgrad der Miniaturen ist angenehm hoch, auch feine Aussparungen wie Lederriemen am Pfeilköcher sind gut zu erkennen.

Die Qualität der Gussrahmen ist völlig in Ordnung.

Alle Figuren haben eine vorgegebene Pose, bei gleicher Ausrüstung variiert diese jedoch zwischen den Miniaturen. So hat einer der Zweihandschwertkämpfer der Sturmmäntel sein Schwert erhoben, während ein anderer damit gerade schon schwingt. Eine nette Variation, so sehen die Miniaturen dynamischer aus.

Das Material hinterlässt insgesamt einen wertigen Eindruck und muss sich auch nicht hinter denen anderer Tabletopspiele verstecken. Ein kleines Manko ist, dass man zum Spielen einen Zollmaßstab oder ein entsprechendes Maßband benötigt, diese Gegenstände jedoch nicht in der Core Box zu finden sind.

Die Vorderseite der Startbox.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Bethesda/Modiphius
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Englisch
  • Spieleranzahl: 1–2
  • Alter: 14+
  • Preis: Core Box UVP EUR 36
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon

 

Fus Roh Ja? – Ein Fazit

Die unterschiedlichen Szenarien laden zum Wiederspielen ein.

Zugegeben, The Elder Scrolls: Call to Arms ist kein schlechtes Spiel. Vor allem Fans bietet es einen ungewohnten Einblick in die Welt von Tamriel. Diverse Fähigkeiten und Gegner kennt man aus dem Spiel, der Wiedererkennungswert ist hoch. Auch die Auswahl zwischen Koop-Missionen und einem Skirmish mit neutralen Kreaturen kann überzeugen. Der eigentliche Regelkanon bleibt jedoch sehr sperrig.

Diverse Seiten mit Sonderregeln und Optionen während des Spiels können den Spielfluss unangenehm lähmen. Gleichzeitig ist der Einstiegspreis überraschend hoch. Wer komplexe Spiele dieser Art mag und die Welt von Tamriel liebt, kann durchaus zugreifen, andere sind aber potenziell bei einem Spiel von anderen Anbietern besser aufgehoben.

Ein Spiel für Fans mit komplexen Regeln

 

Artikelbilder: © Modiphius Games, Markus Kastell
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Simon Burandt
Fotografien: Markus Kastell
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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