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In einer Welt, in der magische Wesen die Mehrheit der Gesellschaft bilden, muss eben diese Gesellschaft mit dem Verschwinden der Magie umgehen. Auch Fetch, ein Mensch, der für all das verantwortlich ist, muss lernen, mit seiner Schuld zu leben. Und nebenbei noch einen verschwundenen Vampir finden.

Vor sechs Jahren änderte sich die Welt für alle Bewohner des Kontinents Archetellos, als die Magie plötzlich versiegte. Die Feuer, die Sunder Citys Industrie am Leben erhielten, verloschen augenblicklich und das Leben, wie die Bewohner es kannten, war für immer vorbei. Drachen fielen vom Himmel, Elfen alterten rapide und Werwölfe waren von da an zwischen ihren Formen gefangen; nicht ganz Mensch und nicht ganz Tier.

Story

Fetch Phillips, Privatdetektiv und verantwortlich für diese Katastrophe, hadert mit diesem Schicksal und kann sich nicht von der Vergangenheit lösen, um nach vorne zu schauen. Mit daran Schuld ist eine zu Holz gewordene Fee in einer verfallenen Villa. Zusammen mit seiner Alkoholsucht sind das nicht die besten Voraussetzungen für den ehemaligen Soldaten, einen verschwundenen Vampir zu finden.

Aber worum geht es in dem Roman nun eigentlich? Die Frage ist aufgrund der vielen Handlungsstränge nicht leicht zu beantworten. Schlussendlich würde ich aber sagen, dass der Roman vor allem von Fetch selbst handelt und davon, wie er versucht, sein Leben trotz der Schuld wieder auf die Reihe zu bekommen. Seine Ermittlungen sind dabei mehr Mittel zum Zweck.

Die Geschichte von Der letzte Held von Sunder City ist größtenteils gut zu verfolgen. Schwierigkeiten hatte ich mit den Stellen, in denen Fetch plötzlich Geistesblitze in Bezug auf seine laufenden Fälle hat. Der verschwundene Vampir wird schnell um eine verschwundene Sirene und ein totes, unidentifizierbares Wesen ergänzt. Diese drei Fälle werden mit unterschiedlicher Intensität verfolgt, bis sie gegen Ende zusammenlaufen und das Gesamtbild offenbaren. Die Situationen, die Fetch der Lösung eines Falls näherbrachten, waren für mich allerdings nicht immer direkt nachzuvollziehen. An diesen Stellen kommt möglicherweise der Hauptberuf des Autors (Schauspieler) durch, da diese Stellen immer sehr an die Szenen erinnerten, wie sie vor und nach einer Werbeunterbrechung zu sehen sind. Trotzdem ist schon zu sehen, wie die drei Fälle am Ende zusammenkommen und sich gegenseitig ergänzen beziehungsweise erklären.

Mit Fetch Phillips bedient der Autor sich am Klischee des Soldaten, der zu viel gesehen und getan hat und schließlich zu einem alkoholkranken Privatdetektiv wird. Fetch lebt von der Hand in den Mund, trinkt viel, prügelt sich gern und wird nicht allzu ernst genommen; weder von sich noch von anderen. Er hat keine wirklichen Freunde, mehr Bekannte oder Feinde, mit denen Waffenstillstand herrscht. Oft trifft er Entscheidungen, bei denen man sich mit der flachen Hand vor die Stirn schlagen möchte. So sucht er zum Beispiel Streit, wenn er bei seinen Ermittlungen in einer Sackgasse landet, was dazu führt, dass er noch weniger erreicht.

Vier Mal nutzt der Autor Rückblenden, um zu erklären, wie Fetch an seine jeweiligen Tattoos gelangte. Diese werden je mit einem Satz ähnlich „Mein erstes Tattoo bekam ich von meinem Vater“ eingeleitet, stehen aber ansonsten losgelöst vom Rest der Geschichte. Man erfährt so zwar mehr über Fetchs Vergangenheit und wie es zur Coda (wie das Verschwinden der Magie genannt wird) kam, aber ich kann nicht umhin, mir die Frage zu stellen, ob man das auch anders hätte lösen können. Leider haben mich diese Auszüge immer aus der eigentlichen Handlung herausgerissen, in die ich danach nur schwer wieder hineinfand.

Schreibstil

Die Geschichte wird aus Fetchs Sicht erzählt, sodass die Leser*innen auch immer Einsicht in seine Gedanken und Motive erhalten; außer, wie zuvor schon erwähnt, wenn Fetch einen Geistesblitz hat, der sich den Lesenden nicht immer gleich erschließt. Abgesehen davon lässt sich alles sehr flüssig lesen, wenn auch wenig spannend. Der einzige Moment, in dem ich das Gefühl hatte, nicht aufhören zu können, war erst im letzten Drittel des Romans. Starke Regenfälle verursachen eine Überschwemmung der Slums. Auf diese Gefahr wird bereits früher durch einen Charakter hingewiesen, sodass die Überschwemmung selbst nicht komplett überraschend kommt. Arnold schreibt diese Szene allerdings so mitreißend, dass ich nicht aufhören konnte, zu lesen.

Das grundlegende Setting des Romans ist sehr spannend. Wie geht eine Gesellschaft mit einer solch tiefgreifenden Veränderung um, die noch nicht so lange her ist? Wie macht man Kindern begreiflich, dass die Knubbel auf ihren Schultern Überreste ihrer Flügel sind? Wie geht man damit um, wenn man keine Magie mehr wirken kann, die zuvor sprichwörtlich den Daumen ersetzt hat? Ab wann ist man bereit, der Vergangenheit den Rücken zuzuwenden und in eine Zukunft zu blicken? Dies sind Fragen, die auch Fetch sich stellen muss und die großen Einfluss auf den Fall des verschwundenen Vampirs haben. Der letzte Held von Sunder City bietet zumindest teilweise Antworten auf diese Fragen; sowohl aus einer optimistischen als auch einer pessimistischen Perspektive.

In Bezug auf die Übersetzung ist allerdings interessant, dass der englische Titel The Last Smile in Sunder City lautet, dessen Bedeutung sich erst am Ende des Romans zeigt. Der letzte Held von Sunder City dagegen scheint auf Fetch selbst zu verweisen und wirft die ebenfalls interessante Frage auf, ob man Fetch als Helden bezeichnen kann und, vielleicht noch wichtiger, ob er selbst sich als Held bezeichnen würde.

Der Autor

Luke Arnold wurde 1984 in Sydney geboren und arbeitet hauptberuflich als Schauspieler. Bekannt ist er insbesondere durch seine Rolle des Piraten John Silver aus Black Sails. Der letzte Held von Sunder City ist sein Debütroman.

Erscheinungsbild

Das Cover entspricht dem derzeitigen Standard für Urban Fantasy: eine Straßenkarte, die den Hintergrund für den Titel bildet. In diesem Falls sind die vorherrschenden Farben Dunkelgrau und Rot, was den weißen Schriftzug leuchten lässt. Dennoch scheint es, als hätte man versucht, die Cover der Peter Grant-Reihe von Ben Aaronovitch zu kopieren.

Leider gibt es zwischendurch immer wieder Schreib- und Wortfehler, die nicht nur Stolpersteine beim Lesen darstellen, sondern wirklich aus dem Lesefluss herausreißen. So wird der Schuldirektor bereits auf Seite 8 einmal Burbank statt Burbage genannt und junge Männer „lachten und produzierten sich“. Das sind nur zwei Beispiele von vielen, die mich das Buch am liebsten zur Seite hätten legen lassen. Inwieweit das an der Übersetzung oder dem Lektorat/Korrektorat (egal, ob deutsch oder englisch) liegt, kann ich allerdings nicht sagen.

Der Klappentext ist zwar keine Inhaltsbeschreibung im eigentlichen Sinne, macht aber durchaus neugierig auf den Inhalt. Dass man an dessen Stelle keine Werbung findet, ist ebenfalls positiv anzumerken.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Knaur TB
  • Autor: Luke Arnold
  • Erscheinungsdatum: Oktober 2020
  • Sprache: Deutsch (Aus dem Englischen übersetzt von Christoph Hardebusch)
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 320 Seiten
  • ISBN: 978-3426526163
  • Preis: 14,99 EUR (Print); 9,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon (deutsch und englisch), idealo

 

Fazit

Der letzte Held von Sunder City startet mit einer Idee, die neugierig macht und aus der man sehr viel entwickeln könnte. Auch die Idee, einen Ermittlungsfall, der sich um einen vermissten Vampir dreht, der zum Ende hin mehr ist, als er auf den ersten Blick scheint, finde ich wirklich nicht schlecht. Nur die Umsetzung ist leider nicht ganz gelungen. Der Roman, obwohl er nur 320 Seiten umfasst, hat seine Längen und die Schreib- und Wortfehler müssten wirklich nicht sein; ein Buch, das mich wegen der Fehler schon nach 20 Seiten fragen lässt, ob ich es zu Ende lesen will, hat bei mir keinen guten Stand.

Die Geschichte unterhält und Fetch ist ein großartiger Stadtführer; trotz oder gerade weil er so klischeebehaftet ist. Seine Reue durchzieht den ganzen Roman, und es ist schön zu sehen, dass er hoffnungsfroher aus der Geschichte hinausgeht, als er sie beginnt.

Der Folgeroman Totengraben ist bereits für Juli 2021 angekündigt. Ob er allerdings den Weg in mein Bücherregal finden wird, kann ich noch nicht mit Sicherheit sagen.

 

 

Artikelbilder: © Knaur TB
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Saskia Harendt

 

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