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Die letzte Schlacht ist geschlagen, der Krieg gewonnen, die glorreichen Held*innen kehren heim: das klassische Ende des Fantasyromans. In Priest of Bones ist dieses Szenario der Anfang. Tomas Piety muss sein Schattenimperium aus Bordellen, Schänken und Glücksspiel wieder aufbauen. Doch er ist nicht der Einzige, der ehrgeizige Pläne hat.

Nachdem der Krieg vorbei ist, kehrt Tomas Piety, der Soldatenpriester, mitsamt den Überlebenden seiner Kompanie in die Stadt Ellinburg zurück. Vor dem Krieg war er der Chef eines florierenden Unternehmens, das über die Schänken, Bordelle und Casinos seines Viertels herrschte. Doch nun existiert seine Bande, die Pious Men, nicht mehr und Fremde haben die Hoheit über die Geschäfte erlangt. Der Knochenpriester steht vor der Aufgabe, aus den teils traumatisierten und in Geschäftsanliegen unerfahren Soldat*innen neue Pious Men zu formen und gemeinsam mit seiner rechten Hand Bloody Anne das verlorene Imperium zurückzuerobern. Und schließlich ist da noch Billy the Kid: ein Junge, der über ungeheure magische Kräfte verfügt und von der Göttin berührt zu sein scheint. So entspinnt sich eine Gangstergeschichte in einem phantastischen Setting.

Story

Die Rückeroberung des Viertels verlangt den neu formierten Pious Men einiges ab: Es müssen Strategien entworfen und viele, teils äußerst blutige, Kämpfe gefochten werden. Schritt für Schritt zieht Tomas Piety seinen Plan durch und schreckt auch vor Risiken nicht zurück. Ausgangspunkt für alle Unternehmungen bildet die Taverne „Tanners Arms“, welche das Basislager für die Pious Men darstellt. Hier muss Piety zwangsweise eine neue Schankmagd einstellen – doch diese ist nicht, was sie zu sein scheint. Ihre wahre Identität muss unter allen Umständen geheim bleiben. Zwischen ihr und Piety entwickelt sich mit Fortgang der Geschichte eine ganz besondere Beziehung.

Zugleich machen weitere Hindernisse das Leben des Soldatenpriesters schwer: Eine ihm wohlbekannte Macht spinnt Intrigen, die zu vergebenden Posten für die Geschäfte müssen aufgrund der verschiedenen Loyalitäten wohldurchdacht werden und seine Vertraute Bloody Anne fürchtet sich vor den magischen Fähigkeiten des jungen Billy the Kid. Die Zusammenarbeit mit seinem Bruder und die Machtansprüche seiner Tante gestalten sich ebenfalls alles andere als einfach.

Hier nimmt die Geschichte ihren Lauf: Ellinburg

Über den vielen Aufgaben schweben immer noch die Schatten des vorangegangenen Krieges und die Veteran*innen leiden mehr oder weniger unter psychischen wie auch körperlichen Folgen. Die Art und Weise des Umgangs damit variiert und Tomas Piety muss auch im Zuge dieser Problematiken beweisen, dass er eine gute Menschenkenntnis besitzt. Nur so kann er seine Bande zusammenhalten. Diese Darstellung von posttraumatischen Belastungsstörungen ist für einen phantastischen Roman eher unüblich, passt jedoch ausgezeichnet in die raue Grundstimmung des Romans.

Die*der Leser*in verfolgt den Protagonisten dabei, wie er seine Aufgaben angeht und die sich immer verändernde Lage durchdenkt. Dadurch, dass Piety seine Gedanken und Überlegungen für die anstehenden Aufgaben als Erzähler beschreibt, können die Lesenden dem Handlungsstrang und den daraus resultierenden Folgen für die Pious Men gut folgen. Nach und nach wird Ellinburg vertrauter und die Bewegungen der Pious Men und vor allem die von Bloody Anne und Piety können so anschaulich nachverfolgt werden.

Magie spielt in dieser Welt, oder zumindest in diesem ersten Band, eine eher untergeordnete Rolle. Billy the Kid scheint über enorme magische Kräfte zu verfügen, doch ist man sich unsicher, wie diese Stärke zu beurteilen ist und ob sie zum Guten führt. Auch die Rezeption von magischen Fähigkeiten ist von Person zu Person unterschiedlich: Während Bloody Anne sich fürchtet, sieht Tomas Piety sie als etwas für sich Nutzbares an. Leider ist dies, neben dem ungewöhnlichen Glauben, dem der Soldatenpriester anhängt, das einzige phantastische Element in diesem Buch. Da das Buch explizit als Fantasyroman bezeichnet wird, verwundert dieser Mangel. Wünschenswert wäre hier mehr Experimentierfreude gewesen, denn die Grundprämisse hätte dies durchaus hergegeben. Auch bleiben die Lesenden im Unklaren darüber, was es mit dem titelgebenden „Rosenthron“ auf sich hat. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass dieses Mysterium im Folgeband aufgelöst wird.

Schreibstil

Wie bereits angeklungen ist, ist die Grundstimmung des gesamten Romans rau und dreckig. Passend dazu verwendet McLean eine Sprache, die dieser Atmosphäre und den Charakteren Tribut zollt: Geradlinig, unverblümt und teilweise explizit. Schimpfworte und Flüche werden häufig benutzt und machen die beschriebene Rauheit des Settings zusätzlich anschaulich.

Der Roman wird von Tomas Piety aus der Ich-Perspektive erzählt. Die Lesenden wissen so zu jeder Zeit den aktuellen Stand der Unternehmungen und können die Hintergründe zu Entscheidungen nachvollziehen. Auch Überraschungen oder Unwägbarkeiten werden angemessen beleuchtet und man erfährt einiges über das Innenleben des Soldatenpriesters. Die Lesenden werden in einen kontinuierlichen Sog der Aktivitäten in Ellinburg gezogen und mit der fortlaufenden Rückeroberung der Stadt gestaltet sich die Handlung zunehmend komplexer. Dank der teilweise ausführlichen Taktikerläuterungen durch den Ich-Erzähler kann dieser zu jeder Zeit gut gefolgt werden.

Die komplette Handlung findet in der Stadt Ellinburg statt. Die einzelnen Viertel und Wege werden ausführlich erläutert und der*die Leser*in kann sich so gedanklich darin zurechtfinden. Es gibt reichere Viertel und ärmere, Viertel, die von Piety kontrolliert werden, Viertel, in denen die Stadtwache einen guten Stand hat und Viertel, die von Gegner*innen der Pious Men beherrscht werden. So weit, so gewöhnlich. Auch hier wären ein paar phantastische oder innovative Elemente nett gewesen.

Der Autor

Peter McLean ist ein britischer Fantasyautor, der 1972 in der Nähe von London geboren wurde. Priest of Bones und der bereits veröffentlichte zweite Band der Serie Kampf um den Rosenthron sind sein zweites Fantasywerk. Zuvor wurde die Urban-Fantasy-Reihe The Burned Man herausgegeben, die jedoch nicht in deutscher Sprache erschienen ist. Weitere Informationen über den Autoren sind auf seiner Homepage zu finden.

Erscheinungsbild

Die Farbgestaltung des Covers des Paperbacks ist zurückhaltend in Grautönen gestaltet. Mit einem großen Schwert in der Mitte vor einer stilisierten, schemenhaft angedeuteten Stadt passt das Cover sehr gut zum Inhalt des Buches. Der Titel Priest of Bones nimmt etwa die Hälfte der Höhe des Buches ein und ist haptisch herausgestellt. Umrahmt wird das Cover von einer Bordüre, die aus Stangen und eisernen Rosen besteht. Die bereits beschriebene Rauheit von Ellinburg wird in diesem ansprechend gestalteten Cover deutlich.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Hobbit Presse Klett-Cotta
  • Autor*in(nen): Peter McLean
  • Erscheinungsdatum: 2020
  • Sprache: Deutsch (Aus dem Englischen übersetzt von Jochen Schwarzer)
  • Format: Paperback
  • Seitenanzahl: 412
  • ISBN: 978-3-608-96414-1
  • Preis: 17,00 EUR (Print), 9,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Eine Karte von Ellinburg mit den wichtigsten Gebäuden und Bezeichnungen der Viertel ist an den Anfang des Buches gestellt. Sie ist eher skizzenartig und nicht ausgearbeitet; es entsteht der Eindruck, dass sie vor allem dem Zweck der Übersichtlichkeit dient und keinen hohen künstlerischen Ansprüchen genügen möchte.

Eine Aufzählung der „Dramatis personae“ folgt direkt auf die Karte. Die im Buch handelnden Personen werden in Gruppen eingeteilt und mit ihrem Namen sowie einer kurzen Beschreibung vorgestellt. Dies hat zwei Vorteile: Zum einen bekommt man einen ersten Überblick über die Charaktere und kann bei Bedarf später noch einmal nachschauen. Zum anderen wird die Grundstimmung und die Direktheit der Sprache schon hier präsentiert, sodass die Lesenden eine Ahnung bekommen, was sie erwartet.

Fazit

In Priest of Bones begleiten wir den Soldatenpriester Tomas Piety dabei, wie er nach der Heimkehr vom Krieg sein verlorenes Imperium aus Schänken, Bordellen und Spielhöllen zurückerobert. Hilfe erhält er dabei von seinem Bruder, seiner rechten Hand Bloody Anne und den Pious Men, seiner Truppe, die aus ehemaligen Soldat*innen besteht. Er erfährt dabei unterschiedlichste Herausforderungen: blutige Kämpfe, magiebegabte Jungen und eine geheimnisvolle Macht, die ihren Einfluss auf die Stadt ausbauen möchte.

Die Handlung nimmt mit fortlaufender Rückeroberung immer mehr an Fahrt auf und zieht die Leser*innen in ihren Bann. Mit der Hauptfigur des Tomas Piety hat Peter McLean einen streitbaren Charakter geschaffen, der trotz seiner moralisch fragwürdigen Geschäftspraktiken ein großes Herz hat und nachvollziehbar handelt. Auch die anderen Personen sind gut ausgearbeitet und es gibt eine große, diverse Bandbreite an Nebencharakteren. Einziger Wermutstropfen ist der Mangel an phantastischen Elementen: Hier wurde leider etwas Potenzial verschenkt.

 

  • Detailliert ausgearbeitete Charaktere
  • Komplexe Handlung
  • Gutes Bonusmaterial
 

  • Wenig phantastische Elemente

 

Artikelbilder: © Hobbit Presse Klett-Cotta
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Alexa Kasparek
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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