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Dieser „blöde Virus“ hält die Welt seit März in Schach. Immer wieder liest man neue Hiobsbotschaften und es ist schwer geworden, sich in die Welt zu stürzen, die für manche Larper*innen wie Urlaub im Kopf ist. Wie man dennoch etwas abschalten kann? Einige wenige Möglichkeiten gibt es zum Glück.

Abgesagte Cons, verschobene Events oder Larp mit Hygienekonzept: Es ist recht ruhig im Hobby geworden, manche bleiben aus unterschiedlichen Gründen zu Hause, andere haben im Sommer und Herbst die Möglichkeiten genutzt, die wenigen Cons zu besuchen, die stattfinden durften. Eine davon wurde dank nicht eingehaltenem Hygienekonzept von Skandalen begleitet, die meisten gingen aber tadellos über die Bühne. Es ist schwer in diesen Zeiten – sowohl für Teilnehmer*innen als auch Organisator*innen. Manch Larp-Orga hat Probleme, sich über Wasser zu halten, einige Events wurden schon mehrfach verschoben und irgendwie müssen wir den Weg aus der Krise finden oder den Umgang mit selbiger bewältigen.

Ich selbst hatte vieles geplant dieses Jahr: ein internationales Larp in Slowenien, Drachenfest, Zeit der Legenden, ein eigenes Larp für 2021 organisieren. Nichts fand statt, das eigene Larp musste verschoben werden, ein anderes wurde nicht geplant, weil es aktuell einfach zu unsicher war. Dennoch gibt es Möglichkeiten, dem Larp-Loch ein wenig zu entfliehen.

Ist Sicherheit erst jetzt wichtig geworden?

Waffencheck, keine spitzen Kanten an der Rüstung, abgesperrte steile Abhänge – Sicherheit der Mitspielenden ist auf Larp eigentlich schon immer ein Thema, doch die Pandemie stellt die Szene vor ein Problem, das man bisher weitgehend vernachlässigt hat: Hygiene. Es beginnt bei mangelhaften Sanitäreinrichtungen auf der Feld-Wald-und-Wiesen-Con für 50 €, weil mehr im Budget einfach nicht drin war, und endet beim Teilen der Wasserflaschen auf der Schlachtenwiese nach der samstäglichen Endschlacht. Krankheiten haben vielfältige Möglichkeiten, sich zu verbreiten, was mit dem neuartigen Covid-19 Virus zu großen Problemen führen kann.

Eigentlich schon immer ein Thema – Sicherhheit, dazu zählt auch Hygiene. © Depositphotos | gustavofrazao

Mit dieser neuen Herausforderung haben im Jahr 2020 viele Organisierende gekämpft und neue Fragen für sich beantwortet: Was ist gut am Larp, was kann man weiterspinnen, was vermisst man daran und wie stellt man sich die Zukunft des Larps vor? Denn sicher ist, dass auch wenn Corona verschwunden sein sollte, diese Themen und Fragen nicht wieder verschwinden werden – für eine sichere und krisensichere Zukunft auch im Larp.

Wichtig ist vor allem, dass man sich jetzt nicht dazu hinreißen lässt, nichts zu tun, denn das würde der Szene sicherlich nicht guttun – auch wenn es einfacher ist. Es herrscht insgesamt große Unsicherheit und manche*r hat sich womöglich im letzten Jahr gefragt, ob er*sie ein schlechter Mensch ist, weil er*sie ein Larp besucht hat. Ab und an hört man Stimmen, die sagen, man könne ja eine Zeit lang auf Larp verzichten, es sei ja „nur“ ein Hobby … aber Fußball darf stattfinden? 

Online-Larp – eine Alternative?

Ein paar Orgas bieten derzeit Online-Larps an. Diese laufen beispielsweise über die Plattform Discord, nutzen Hilfsmittel wie eine Webcam und versuchen zumindest ein wenig das Gefühl einer echten Con zu erschaffen. Ein Beispiel hierfür ist das internationale online-Larp Animus von Chaos League.

Zwei Runs davon fanden im Oktober statt. In elf Gruppen zu je sechs Spielenden und einem NSC, der auch teilweise die Funktion einer SL einnahm, tauchte man in drei Sessions in das Leben einer Freundesgruppe ein, die sich nach vielen Jahren wiedersieht, wenn auch nur online. Das Ganze erhält einen kleinen Fantasy-Touch durch gemeinsame luzide Träume und ein interessantes Text-Adventure, das man gemeinsam lösen muss. Ich will hier jedoch nicht zu viel spoilern, da es durchaus wert ist, selbst mitzumachen, sollte es weitere Runs geben.

In der Hauptsache geht es jedoch um die Emotionen der Charaktere, deren (gemeinsame) Vergangenheit und die Interaktion miteinander. Wenn jeder sich darauf einlässt, kann es ein äußerst immersives, sehr emotionales Spiel werden.

Eine Frage der Gruppenkonstellation

Beim Online-Larp muss die Gruppe passen. © Depositphotos | jazavac

Eine große Hürde bietet dieses Konzept jedoch: Die Gruppenkonstellation muss passen. Im Falle von Animus wird die ganze Zeit mit denselben Personen gespielt: Man kann sich nicht eine Gruppe aussuchen, mit der man gut harmoniert, und dies kann dem Spiel einen Dämpfer verleihen.

Dann muss versucht werden, dennoch das Beste herauszuholen, damit man nicht enttäuscht zurückbleibt. Die gebotene Story kann noch so gut sein, denn wenn das Spiel untereinander gar nicht funktioniert, ist das Erlebnis leider trotzdem nicht so gut, wie es sein könnte. Doch diese Hürde gibt es auch mit normalen Cons, wenn man nicht richtig ins Spiel kommt.

Einen Versuch ist diese Alternative jedenfalls trotzdem wert und ich würde jederzeit an einem weiteren Online-Larp teilnehmen. Eine weitere Möglichkeit ist zum Beispiel Together Forever, bei dem es um die Suche nach dem Partner fürs Leben geht und welches von einer schwedischen Gruppe organisiert wird.

Andere Online-Alternativen

Ein paar Larper*innen haben sich zusammengetan und andere Online-Alternativen geschaffen. So gab es gemeinsame Lagerfeuerabende verschiedener Gruppen in Discord: meist privat, teilweise durch Orgas.

Über Instagram habe ich an einem solchen Abend teilgenommen, an welchem alle, die wollten, gemeinsam gesungen und getrunken haben. Natürlich kommt dabei nicht dasselbe Gefühl auf, wie wenn man gemeinsam am Samstagabend auf Con die Geschehnisse der letzten Tage Revue passieren lässt, aber zumindest ein bisschen tröstet es über das Larp-Loch hinweg.

Eine andere Gruppe hat im Sommer eine Larp-Meme-Gruppe auf Facebook gegründet und dort ein wenig von der Larp-freien Zeit verarbeitet. Streitbar ist dabei die Außenwirkung der Gruppe, die mancherorts in der Kritik steht, aber auch schon einige interessante Anstöße in der Community geboten hat – auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Von manchen nur belächelt und als pubertäre Schulhofgang bezeichnet, bietet die Gruppe für mittlerweile doch schon fast 700 Larper*innen eine Zuflucht – Tendenz steigend.

Larp mit Hygienekonzept

Manche Orgas haben sich dazu entschlossen, dennoch Larps zu veranstalten – mit Auflagen und Regeln. Ein positives Beispiel ist hier die Twilight-Orga, die auch immer bereit ist, ihre Erfahrung mit anderen Orgas zu teilen.

Ein Hygienekonzept für Larps erfordert etwas Kreativität © Depositphotos | AntonMatyukha

Wie kann also so ein Larp mit Hygienekonzept aussehen? Positiv ist hier hervorzuheben, dass wenn sich alle darauf einlassen, das Spielerlebnis nicht darunter leidet. Natürlich ist es in vorhinein lästig, wenn man ständig Maske tragen und Abstand halten muss, obwohl man doch sonst im Larp gern nah beieinandersitzt.

Dennoch ist dies mit durchdachten Konzepten und strengen Regeln realisierbar, die vorher gut kommuniziert werden. Zum Beispiel kann man sich auf OT-Zeichen einigen, die andere darauf hinweisen, dass der Abstand zu gering ist oder dass die Maske aufgesetzt werden muss. Hier bieten sich beispielsweise Handzeichen an oder eine SL, die mit einem Glöckchen vorbeiläuft, um nicht durch OT-Ansagen das Spiel zu unterbrechen.

Gut gelöst wird auch die Taverne: Auf den Tischen stehen Laternen, die anzeigen, ob der Tisch besetzt ist. Getränkeausgabe erfolgt nur in Flaschen und es wird ein großer Wert auf Sauberkeit und Hygiene gelegt. Nachdem der Tisch verlassen wurde, wird die Laterne ausgemacht und der Tisch gesäubert, um ihn für die nächsten Gäste vorzubereiten.

Diese Maßnahmen waren notwendig, da ein Wochenend-Con ohne Taverne nur schwer auskommt. Die Twilight-Orga selbst hat aber bereits mit ihrem Konzept der Dark Tavern beschlossen, die klassische Larp-Taverne derzeit aus dem Fokus zu nehmen und nur eine Plattform für Spielanstöße zu geben. So rückt man auch bewusst vom Bild von der feiernden, trinkenden Menge ab, welches in den aktuellen Zeiten nicht förderlich ist. Stattdessen wird das Spielen und Larpen miteinander fokussiert, damit man aktuell auch mit physischer Distanz „zusammenrücken“ kann.

Im Plot wurde das Masken Tragen am Beispiel der Herbst-Con „Witchcraft“ mit einem Pestilenz-Plot begründet, sodass auch IT ein Anreiz bestand. In Kämpfen wurde auch durchgehend eine Maske getragen, obwohl nach Möglichkeit hauptsächlich mit Stangenwaffen gekämpft werden sollte.

Eigene Lösungen

Wenn man selbst die Möglichkeit hat, sich im erlaubten Rahmen mit anderen zu treffen, sollte man sich zwar zunächst fragen, ob dies gerade sinnvoll ist – aber zumindest sind mit dem nötigen Abstand auch gemeinsame Basteltage oder Waffentraining in kleinen Gruppen möglich. Auch hier sind aktuell Abstriche nötig und man sollte immer die aktuellen Bestimmungen und regionalen Regularien im Auge behalten, um im gesetzten Rahmen zu handeln. Ein Waffentraining geht auch gut zu zweit oder fünft statt mit 20 Personen, und statt sich zu raufen, ist Schattenboxen vielleicht eine gute Alternative. Auch ein kleiner IT-Abend ist realisierbar, wenn die aktuellen Auflagen es zulassen. Gerade jetzt im Winter ist dies aber auch immer schwieriger oder unmöglich, und die beste Lösung ist aktuell wohl, auf Online-Alternativen auszuweichen, damit die Lage nicht weiter eskaliert.

Balance aus Verantwortung und Seelenpflege

Das Larp-Leben ist momentan sehr eingeschränkt, soviel ist klar. Immer wieder muss abgewogen werden, was im aktuellen Rahmen möglich und sinnvoll ist und ob man – auch wenn es rechtlich erlaubt ist – versucht zu larpen, wenn vielleicht das Gewissen sagt, dass es besser wäre, es zu lassen.

© Depositphotos | bolina

Auch in meiner Brust schlagen zwei Herzen: die Sehnsucht, endlich wieder mit meinen Gruppen zu spielen, Personen zu sehen, die ich das ganze Jahr nicht sehen konnte, und das Gewissen, die mir sagt, dass ich zu meinem eigenen und zum Wohle Anderer doch lieber darauf verzichten sollte.

Es bleibt zu sagen, dass derzeit nichts erzwungen werden sollte und man die Möglichkeiten ausnutzen kann, die es gibt. Online-Larp bietet eine gute, gangbare Alternative, um über die Zeit hinwegzutrösten, bis wieder richtige Larps möglich sind – und vielleicht auch wieder mit weniger Auflagen, auch wenn man sich vermutlich mit der Zeit auch daran gewöhnen kann, wie auch an das Tragen der Maske im Supermarkt.

 

Artikelbilder: © Depositphotos | andreajk3, olly18
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Alexa Kasparek

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