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Was bedeutet es, der Sohn einer Superhelden-Legende zu sein? Robert Kirkman bringt uns mit Invincible die Antwort auf diese Frage. In diesem Kurzcheck klären wir euch darüber auf, warum der dritte und vierte Sammelband die bereits hohe Qualität der Serie noch weiter steigern können.

Invincible beantwortet die Frage, was es bedeutet, der Sohn des größten Superhelden der Welt zu sein. Robert Kirkmans Geschichten um den Werdegang des jungen Mark zum Superhelden Invincible sind nach 16 Jahren Aufbau endlich als Sammelband erhältlich.

Die Handlung verknüpft geschickt die Herausforderungen eines Lebens als Superheld*in mit den Alltagsproblemen von Jugendlichen. Die Stärke von Invincible liegt in den nahbaren Charakteren und der Leichtigkeit des Erzählstils. Die Geschichte nimmt sich nie komplett ernst und man bemerkt das Augenzwinkern des Autoren auf fast jeder Seite. Dennoch gleitet die Handlung nie in das Alberne ab und behandelt durchaus ernste Themen. Aus diesem Grund haben sowohl der erste, als auch der zweite Sammelband gute Bewertungen ergattert. Die Reihe hat es zuletzt auf unsere Liste der besten Graphic Novels 2020 geschafft.

Der dritte und vierte Sammelband von Invincible stehen den ersten beiden in Sachen Umfang in nichts nach. Wir klären euch auf, warum die Reihe, deren Serienadaption 2021 auf Amazon Prime Video veröffentlicht werden soll, darüber hinaus die hohe Qualität beibehalten konnte.

Spoiler: Lesen auf eigene Gefahr!

Die ersten Monate seines Superheldenlebens waren schwer für Mark Grayson. Dabei sind gar nicht die stetig auftauchenden Superschurk*innen das Problem für den quasi unbesiegbaren Jungen gewesen. Hatte Mark zunächst gehofft den Fußstapfen seines Vaters zu folgen, musste er im Laufe der Handlung dessen wahre Motive herausfinden. Diese Enthüllung hinterließ die Welt von Mark und seiner Mutter in Trümmern. Darüber hinaus mussten typische Probleme seines Alters wie Schule, Freund*innen und der Umgang mit Mädchen bewältigt werden. Die Gesamtsituation machte es für Mark kompliziert, seinen Platz auf der Erde zu erkennen.

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Invincible 3

Im dritten Sammelband von Invincible erreicht Mark ein Hilferuf von einem anderen Planeten. Obwohl Cecil, sein Ansprechpartner in der Regierung, die Reise verhindern möchte, lässt es Marks Gewissen nicht zu Hilfsbedürftigen seine Unterstützung zu verweigern. Zu Beginn der Reise kann der junge Superheld nicht ahnen, dass ihn eine der größten Überraschungen seit langer Zeit erwartet. Mark erkennt, dass er bald entscheiden muss, wie er mit dem Vermächtnis seines Vaters umgehen wird.

Der dritte Sammelband enthält die Einzelhefte 25 bis 35 der insgesamt 144 Ausgaben langen Reihe. Gleich zu Beginn erwartet Mark und die Leser*innen eine faustdicke Überraschung, die weitreichende Konsequenzen für die Reihe hat. Generell steht dieser Band im Fokus von Marks Herkunft väterlicherseits, der er seine Superkräfte verdankt. Marks Vater Omni-Man war für lange Zeit der größte Held der Erde und gehört zur Rasse der Viltrumiten, die unzählige Planeten in ihre langfristigen Pläne für ein angeblich besseres Universum einbeziehen. Das erste Mal seit langer Zeit sieht sich Invincible wieder mit dieser Tatsache konfrontiert.

Darüber hinaus wird das Leben nicht einfacher. Marks Beziehung mit seiner Freundin Amber, die über keine Superkräfte verfügt, leidet unter der Heldenarbeit. Mit seiner alten Kollegin Eve kommt eine weitere Komponente ins Spiel, die das Gefühlsleben des jungen Mannes verkompliziert. Natürlich wollen weiterhin fiese Bösewichte mit oder ohne Unterstützung der anderen Superheld*innen der Erde bekämpft werden. Dabei muss Mark die schmerzhafte Erfahrung machen, dass er trotz seiner fast perfekten Unverwundbarkeit anderweitig verletzt werden kann.

Der Werdegang vom unsicheren Teenager zu einem mächtigen Helden ist der Kern von Invincible und in diesem Band spürt man das an jeder Stelle. Mark übernimmt mehr und mehr Verantwortung und reift zu einem Helden heran, der nicht mehr im Schatten seines Vaters steht. Neben dem Protagonisten entwickeln sich auch ein paar Nebencharaktere weiter, aber im Fokus von Invincible 3 liegt klar der titelgebende Held. Die Charakterentwicklung bindet Autor Robert Kirkman in eine Reihe kurzweiliger Erzählungen mit exzellentem Handlungsbogen ein. Dieser dritte Sammelband ist mein bisheriger Favorit, besonders aufgrund der letzten Kapitel. Sie offenbaren eine unerwartete Schwäche des jungen Helden, die ihn für eine Weile beeinflussen wird.

Passend zum Genre liegt der Fokus der visuellen Gestaltung auf den Charakteren und der Action. Eine starke Strichführung mit dominanten Außenlinien und eine Tendenz zur Überzeichnung verpassen den Charakteren einen Cartoon-Eindruck. Beim Design ist der Einfluss aus den Welten von Marvel und DC deutlich zu merken. Allerdings hat die Qualität der Zeichnungen nochmals zugelegt. Die Hintergründe sind detailreicher, ohne überladen zu erscheinen. Deutlich wird das beispielsweise bei Marks und Ambers Besuch von Eve in Afrika und den darin enthaltenen schönen Szenerieren.

Verstärkt wird der Eindruck eines Cartoons durch die farbenfrohe Kolorierung von Bill Crabtree. Die meist einfarbig gehaltenen Hintergründe bieten einen perfekten Kontrast zu den inszenierten Charakteren, die selbst in sehr üppigen Farbkombinationen auftreten. Gleichzeitig ist dieser Band einer der brutalsten hinsichtlich der Inszenierung der Kämpfe. Besonders in der ersten Hälfte fließt bei einer der großen Auseinandersetzungen literweise Blut.

Als zusätzlichen Bonus enthält Invincible 3 ein Einzelheft von The Pact. Dieses Superheld*innen-Team von Image Comics besteht ebenfalls aus Teenager*innen, weswegen sich ein Gastauftritt von Invincible natürlich anbot. Die Geschichte ist unterhaltsam und liefert eine nette Ergänzung für den Sammelband.

Die harten Fakten

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor*in: Robert Kirkman
  • Zeichner*innen: Ryan Ottley, Bill Crabtree, Cliff Rathburn
  • Seitenanzahl: 320
  • Preis: 30,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Invincible 4

Der Sammelband Invincible 4 enthält die Einzelhefte 36 bis 47 und greift eine Vielzahl loser Fäden auf. Im ersten Abschnitt geht Mark dem Schicksal eines verschwundenen Freundes auf den Grund, um danach in einen Konflikt mit einer Bedrohung vom Mars gezogen zu werden.

Die zweite Hälfte des Sammelbandes fokussiert sich auf die Entwicklung von Mark und seiner Beziehungen zu wichtigen Personen in seinem Leben, beispielsweise seiner Mutter. Marks Verhältnis zu den Viltrumiten wird abermals aufgegriffen. Darüber hinaus gibt es im Leben einiger Mitstreiter*innen von Invincible interessante Neuerungen.

Der vierte Sammelband enthält nicht so viele Überraschungsmomente wie sein Vorgänger, überzeugt jedoch mit den gleichen Stärken. Die einzelnen Kapitel sind kurzweilig, unterhaltsam und spinnen eine Vielzahl begonnener Handlungsstränge weiter. Das Highlight bildet die Geschichte um die vom Mars ausgehende Bedrohung, da neben der brachialen Action auch handfeste Konsequenzen für Spannung sorgen.

Zudem verschwimmen in Invincible 4 sichtlich die Grenzen zwischen Gut und Böse. Zuvor setze die Graphic Novel meist auf die stereotypischen Klischees von abgrundtief bösen Schurk*innen und den strahlenden Held*innen im Gegenzug. Bekam dieses Bild bereits zuvor einige Risse, bröckelt die Fassade in anderen Fällen nun vollständig ab. Besonders deutlich wird das bei Marks Regierungskontakt Cecil, dessen pragmatische Sichtweise mehr und mehr in Kontrast zu den Idealen des jungen Helden steht. Ein Konflikt scheint anhand der Ereignisse im Einzelheft 47 unausweichlich.

Gleichzeitig versucht Robert Kirkman die Motive einiger Bösewichte verständlicher zu machen. Der daraus entstehende Tiefgang macht die Konfrontationen wirkungsvoller, da man die Denkweise der Antagonist*innen nachvollziehen kann. Solche Schritte hätte ich mir bereits am Anfang der Reihe gewünscht, da dort die meisten Gegenspieler*innen austauschbar wirken.

Zur visuellen Gestaltung wurde bereits viel im Abschnitt zu Invincible 3 geschrieben. Die Qualität wird in Invincible 4 beibehalten, wenngleich die Action mehr im Vordergrund steht. Die größten Hingucker sind die Massenkämpfe in einigen Auseinandersetzungen, die sich auf Doppelseiten erstrecken können. Erfreulicherweise wird man direkt auf den ersten Seiten mit einer solchen Szene verwöhnt.

Die harten Fakten

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor*in: Robert Kirkman
  • Zeichner*innen: Ryan Ottley, Bill Crabtree
  • Seitenanzahl: 320
  • Preis: 30,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Abschließendes Fazit

Der dritte und vierte Sammelband von Invincible machen die Rezension einfach. Die Reihe behält die Stärken der Vorgänger bei, zu denen die interessanten Charaktere, der unterhaltsame Erzählstil und der fesselnde Spannungsbogen zählen. Darüber hinaus sind einige Verbesserungen zu beobachten, beispielsweise im Detailreichtum der Zeichnungen und der Charakterentwicklung des Protagonisten Mark/Invincible.

Besonders im dritten Sammelband passieren eine Menge Dinge, die das Leben des jungen Mannes nachhaltig beeinflussen und stellenweise belasten. Die Empathie für den scheinbar unbesiegbaren Superhelden, dem doch auf unerwartete Weise Herausforderungen begegnen, macht für mich den wahren Reiz dieser Reihe aus. Man fühlt mit Mark und seinen Liebsten, die in erste Linie auch nur Individuen mit eigenen Schwierigkeiten sind.

Abgerundet wird dieses Leseerlebnis durch die turbulente Action, die in keiner Geschichte des Genres fehlen darf. In dieser Hinsicht wird Invincible keinen Preis für Innovationen gewinnen, doch Autor Robert Kirkman sorgt für stetige Abwechslung in den Abenteuern. An keiner Stelle entstehen Langeweile oder der Eindruck von unnötigen Längen. Erfreulicherweise stehen einige Entwicklungen, die im ersten und zweiten Sammelband lediglich angedeutet wurden, im Rampenlicht dieser beiden Ausgaben. Das Aufgreifen all dieser Handlungsfäden vermittelt das Gefühl einer lebendigen Welt, in der jede Entscheidung der Protagonist*innen zu früher oder später eintretenden Konsequenzen führt.

Lobend zu erwähnen ist die künstlerische Gestaltung. Die farbenfrohe Cartoon-Inszenierung liefert die passende visuelle Untermalung der unterhaltsamen Handlung. Optische Highlights, wie Szenen mit gigantischen Monstern oder Auseinandersetzungen mit dutzendweise Kämpfer*innen, verfehlen ihre Wirkung nicht.

Für mich ist Invincible im Moment die beste Superheld*innen-Serie am Markt, besonders wenn man unter Ermüdungserscheinungen bei den etablierten Marken leidet. Zugegeben ist die Handlung an vielen Stellen nicht originell, doch die Erzählweise und die Charakterentwicklung machen diesen leichten Kritikpunkt problemlos wett. Ich freue mich wahnsinnig auf die Fortsetzung der Reihe im fünften (Veröffentlichung Februar 2021) und sechsten (Veröffentlichung Juli 2021) Sammelband.

 

Artikelbild: @Cross Cult
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Sabrina Plote
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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