Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Ardoas ist die siebte Inkarnation Naromees und wie in seinen anderen Leben begibt er sich auf die Suche nach Naromees Wissen. Auf dem Weg findet er in Daludred und Jerudana auch, was er nicht suchte. Doch kann er die Erinnerungen finden, bevor es zu spät ist?

An seinem zweiunddreißigsten Geburtstag wird Ardoas III. nicht nur erwachsen. Als siebte Inkarnation der Elfenmagierin Naromee, die einst eine Gemeinschaft aus Elfen, Zwergen und Feen durch das Weltentor nach Alvaredur führte, ist es seine Aufgabe, Naromees Erinnerungen und die seiner vorigen Leben wiederzuerlangen, um die Seelenmagie wieder nutzbar zu machen. Doch das kann er nicht behütet in Ilbengrund tun. Ihn zieht es in die Wildnis, auf die Spur seiner Seelenschwester Ardoana.

Story

Die Lesenden folgen Ardoas auf seinem Weg aus Ilbengrund hinaus auf der Suche nach dem Felsentempel, in dem das Orakel Niadaris haust. Zweiunddreißig Jahre sind, in Elfenzeit, kein Alter, und entsprechend naiv wirkt Ardoas gerade zu Beginn der Reise. Er reift jedoch auf seinem Weg, nicht zuletzt durch die Unterstützung und Beziehung zu seinen Vertrauten. Daludred ist ein Adelssohn aus Yannau, der sich fünf Jahre zuvor auf die Suche nach dem Orakel begab, da er selbst hellseherische Fähigkeiten hat. Jerudana ist eine Söldnerin, die zunächst nur die Belohnung für Daludred, ein Kopfgeld von zweitausend Kronen, einsammeln möchte und dann doch den beiden Männern als Leibwache nach Beskadur folgt. Auf dieser Reise bilden und finden diese drei eine Gemeinschaft, die sie so zuvor nicht kannten. Ardoas, Daludred und Jerudana können jeweils ihre Stärken ausspielen und andererseits ihre Schwächen zeigen, ohne dafür verurteilt zu werden. Diese polyamorische Beziehung ist definitiv eine der Stärken von Das Erbe der Elfenmagierin.

Die Reise, die Ardoas zunächst alleine antritt und der sich erst Daludred und schließlich Jerudana anschließen, ist gut zu verfolgen. Zeit scheint teilweise sehr schnell zu vergehen. Das kann zwar zum einen dazu führen, sämtliches Zeitgefühl für den Roman zu verlieren, andererseits fügt es sich genau in die Struktur ein. Das Jahr, das der Roman umspannt, ist in Elfenzeit nicht mehr als ein Wimpernschlag, und Reisezeit, in der nichts geschieht, ist schlichtweg nicht spannend zu lesen. Auf der Reise begegnet die Gemeinschaft mehreren Parteien, die sie aus unterschiedlichen Gründen verfolgen: Yulesch will den Schatz von Beskadur, Caloun und Naulina wollen die Belohnung für Daludred, und Velbaree will Ardoas sicher zurück nach Ilbengrund bringen. Und dann sind da noch die Finstermäntel, die bisher jede Inkarnation Naromees getötet haben. Die Reise führt schließlich nach Beskadur, dem Felsentempel des Orakels, und ein Kampf entbrennt zwischen den Parteien, bei dem es um mehr geht als Schätze aus Silber und Gold.

Schreibstil

Alvaredur ist eine Welt, die von verschiedenen Wesen bewohnt wird. Bereits vor der Ankunft der Gemeinschaft von Elfen, Zwergen und Feen gab es Menschen und andere Elfen, Vilbaren, Belraunen und Raveelen. Die Welt ist divers in jeglicher Hinsicht und damit nicht nur belebt, sondern auch lebendig. Die Magie ist ein fester Teil der Welt und organisch mit dieser verwoben. Allerdings hat die Magie Grenzen. Nicht jede Person kann alles mit ihr tun oder hat überhaupt Zugang zu ihr.

Die Worte fließen einfach von der Seite und es fällt schwer, Das Erbe der Elfenmagierin zur Seite zu legen. Gerade die drei Figuren, die die zentrale Gemeinschaft bilden – Ardoas, Daludred und Jerudana – haben jeweils ihre eigene Stimme, ihre eigene Sprechweise. Ardoas klingt etwas gestelzter. Es ist das erste Mal, dass er sich außerhalb von Ilbengrund bewegt, und er lernte Ioderisch, die Sprache, die vor allem von Menschen gesprochen wird, nicht von jemandem, die*der sie als Muttersprache spricht. Dass er manche Flüche oder Redewendungen nicht versteht, ist deshalb selbstverständlich. So muss Jerudana, die sich einer deutlich derberen Sprache bedient, ihm erst erklären, was fakke bedeutet; ein Ausdruck, der sich nicht wortwörtlich ins Elfische übersetzen lässt und den Ardoas schließlich in seinen Wortschatz übernimmt. Daludreds Sprache spiegelt seine Unsicherheit und Vorsicht wider und erst im Verlauf der Reise wird er zuversichtlicher in seine eigenen Fähigkeiten.

James A. Sullivan verwendet mehr Worte darauf, die Figuren, ihre Gedanken und Emotionen zu beschreiben als die Landschaften, durch die sie sich bewegen. Das passt dahingehend, da die Reise, die die Figuren körperlich absolvieren, mehr eine Leinwand für die emotionale Reise der Figuren ist. Sie alle glauben zunächst, die Erwartungen anderer erfüllen zu müssen, bis sie lernen, dass auch ihre eigenen Wünsche und Pläne berechtigt sind. So wechselt auch die Erzählperspektive immer wieder, ohne eine Figur zu bevorzugen. Die Held*innen Ardoas, Daludred und Jerudana kommen ebenso zu Wort wie zum Beispiel Caloun, Jerudanas Cousin und einer der Widersacher. Allerdings habe ich oft den Überblick verloren, wo die Figuren sich gerade aufhalten, sowohl im Kleinen als auch im Großen. Das kann aber auch auf meinen generell fehlenden Orientierungssinn zurückzuführen sein.

Der Autor

James A. Sullivan wurde 1974 in West Point geboren und wuchs in Deutschland auf, wo er Anglistik, Germanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft in Köln studierte. Als Co-Autor von Die Elfen wagte er sich in die Phantastik vor. Nach der Veröffentlichung mehrerer Science-Fiction- Romane kehrt er nun mit Das Erbe der Elfenmagierin zu den Elfen und der Phantastik zurück. Der zweite Band von Die Chroniken von Beskadur wird mit dem Titel Das Orakel in der Fremde im Januar 2022 erscheinen.

Erscheinungsbild

Das Cover zeigt den Felsentempel Beskadur in der Ferne und eine Gestalt auf einem Pferd im Vordergrund. Die Identität der Gestalt kann nicht ganz geklärt werden. Alles ist in Blau-Grau gehalten und wirkt durch den Nebel mystisch und geheimnisvoll, wovon sich der Titel in Gold deutlich abhebt. Das Cover verspricht bereits High Fantasy, ohne dass man einen Blick auf den Klappentext geworfen hat. Dieser gibt eine grobe Idee vom Inhalt, ohne von Werbung erstickt zu werden. Das Cover ist insgesamt sehr ansprechend und wunderschön gestaltet. Leider ist jedoch der*die Künstler*in nicht genannt.

Im Lektorat wurde sehr sorgfältig gearbeitet und der Satz nutzt den Platz auf der Seite optimal aus, ohne dass es zu gedrängt wirkt. Das Papier hat eine tolle Qualität, und ich mag die Verzierungen im Text bei Perspektivenwechseln oder Zeitsprüngen, die sich auch um die Seitenzahlen wiederfinden.

Die Überschriften der wenigen, aber oft langen Kapitel gleichen in den meisten Fällen eher Ortsangaben und helfen, die Reise der Figuren nachzuvollziehen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Piper
  • Autor*in: James A. Sullivan
  • Erscheinungsdatum: September 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 448 Seiten
  • ISBN: 978-3-492-70671-1
  • Preis: 16,00 EUR (Print) + 4,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Dem Beginn der Geschichte ist eine Karte vorangestellt, die deutlich mehr umfasst als den Bereich, den Ardoas, Daludred und Jerudana in Das Erbe der Elfenmagierin bereisen. Damit wird die Erzählung in einen größeren Zusammenhang gerückt und ich bin gespannt, ob weitere Teile der Karte im zweiten Band bereist werden. Die Karte findet sich außerdem noch einmal im vorderen Einband in einer farbigen Variante, die ich mir problemlos als Poster über den Schreibtisch hängen würde. In hinteren Einband verbirgt sich die erste Seite von Ardoanas Tagebuch, als wäre das Blatt eingescannt worden. Hier zeigt sich ebenfalls die Liebe, die in die Gestaltung des Buches geflossen ist.

Am Ende des Buches befinden sich ein Figurenverzeichnis, ein Glossar, Inhaltswarnungen und Tags, also Stichworte, die den Inhalt andeuten. Dies ist eine Praxis aus dem Bereich der Fanfictions und gewissermaßen das positive Gegenstück zu Inhaltswarnungen. Auf diese Verzeichnisse wird bereits zu Beginn des Buches hingewiesen.

Fazit

Es ist sehr lange her, dass ich zuletzt High Fantasy gelesen habe und ich wusste nicht ganz, was ich erwarten sollte. Die Tags noch mehr als der Klappentext haben jedoch meine Neugierde geweckt und „Wholesome Epic Fantasy“ beschreibt Das Erbe der Elfenmagierin einfach am besten. Die Geschichte scheint organisch aus den Figuren zu wachsen. Sie gehen nicht zu Punkt A und danach zu Punkt B, weil es der Plot verlangt, sondern weil ihre Pläne und deren Durchkreuzungen sie nirgends anders hinführen können.

Da ist eine Sanftheit zwischen Ardoas, Daludred und Jerudana, die langsam entsteht und tiefer wirkt. Ein Vertrauen und eine Intimität, die mich nach ähnlichen Erfahrungen sehnen lässt. Es ist einfach, mit allen drei Figuren mitzufühlen, aber aus irgendeinem Grund habe ich mich besonders in Daludred wiedererkannt, auch wenn ich nicht danach strebe, ein Orakel zu werden.

Die Welt ist divers und lebhaft und ich wünsche mir sehr, dass dies ein Punkt ist, an dem das Leben die Kunst nachahmt. Ich wünsche mir mehr Beziehungen in der Literatur, die auf einer verständnisvollen Sanftheit gründen und in denen Figuren sie selbst sein können, ohne sich für ihre Ängste und Sorgen schämen zu müssen. Ich wünsche mir mehr Wholesome Epic Fantasy.

 

  • Progressive Phantastik
  • Wholesome Epic Fantasy
  • Found Family
 

  • Nur eine Duologie
  • Erzählung schreitet teilweise sehr schnell voran

 

Artikelbilder: © Piper
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Saskia Harendt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein