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Herr der Ringe. Eragon. Harry Potter. Tintenherz. Der Hobbit. Diese Filme haben alle gemein, dass sie auf Büchern basieren. Als Leser ist man zwiegespalten: Freue ich mich nun oder ärgere ich mich darüber, dass sie einen Film (oder gleich eine ganze Filmreihe) aus dieser Geschichte machen mussten?

Wenn es um Buchverfilmungen geht, gibt es gemeinhin zwei Lager: diejenigen, die sich freuen, mehr von der Welt zu sehen, in die sie so gerne eintauchen, und die, die es nicht erwarten können, liebgewonnene Figuren auf der Leinwand zu sehen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Buchverfilmungen für ein Werk des Teufels halten und sich fragen, ob denn gar nichts mehr heilig ist. [Randnotiz: Mir ist bewusst, dass es auch diejenigen gibt, die diesen Filmen neutral bis neugierig gegenüberstehen. Aus Gründen der Dramaturgie werden sie in diesem Fall aber außer Acht gelassen. Entschuldigt.] Also, werfen wir einen Blick auf die beiden Lager und wie sie auf Buchverfilmungen reagieren.

Oh mein Gott, sie machen einen Film daraus. Endlich!

Du hast dieses Buch durch Zufall gefunden. Vielleicht wurde es dir auch empfohlen oder geschenkt. Wie auch immer es zu dir gelangt ist, du hast dich jedenfalls darin verloren. Du kennst die Welt und die Charaktere darin wie deine Westentasche und zitierst den Text bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Der Autor oder die Autorin muss göttlicher Abstammung sein, um so etwas erschaffen zu können. Aber das Buch oder die Reihe ist zu Ende. Es gibt keinen offiziellen Nachschub, keine entfallenen Szenen, keine Hintergrundgeschichte zu diesem etwas zu hilfsbereiten Koch im dritten Dorf, der dem Helden aushilft, ohne etwas im Gegenzug zu verlangen. Nichts.

Doch dann, wie aus dem Nichts, die Ankündigung: Ein Film ist geplant, möglicherweise eine Trilogie. Schauspieler A ist für diese Rolle angedacht und Schauspielerin B bekundet Interesse an jener. Du verfolgst jeden noch so kleinen Schnipsel an Information und kannst deine Vorfreude kaum im Zaum halten, bis du endlich am Tag der Premiere mit einem Eimer Popcorn im Kino sitzt.

Als hätten sie den Film aus meinem Kopf genommen!

Cloud Atlas © Warner Bros.
Cloud Atlas © Warner Bros.

Das ist natürlich der Idealfall. Welt und Figuren sehen exakt so aus, wie du sie dir beim Lesen vorgestellt hast. Die intelligenten und witzigen Dialoge sind auf den Punkt und fangen den Geist des Buches perfekt ein. Nachdem der Autor oder die Autorin selbst das Drehbuch mitgeschrieben haben, gibt es ein paar wenige, zusätzliche Informationen für Fans der Bücher und du freust dich, dass du endlich die Theorie, die du aufgestellt hast, verifizieren kannst.

Glücklich, dass der Film treu zur Buchvorlage und zudem für sich ein guter Film war, gehst du nach Hause, nur ein bisschen traurig darüber, dass es das nun erst einmal wieder war.

Was zur Hölle?

Während du im Kino sitzt, kannst du nicht fassen, was die Filmemacher dieser wundervollen Vorlage angetan haben. Die Schauspieler passen nicht zu den Figuren, die sie verkörpern sollen, die Dialoge wirken flach und warum genau fehlen die größten Schlüsselszenen?

Wer kam auf die Idee, die wichtigsten Plotpunkte zu streichen und woher genau kommt die Romanze, die im Buch maximal angedeutet ist? Du verstehst nicht, wie Leute, die das Buch gelesen haben, diesen Film gut finden können, und schwörst, in Zukunft die Finger von Buchverfilmungen zu lassen. Sie werden dich ja doch nur alle enttäuschen.

Die Bücherdiebin © 20th Century Fox
Die Bücherdiebin © 20th Century Fox

Oh mein Gott, sie machen einen Film daraus. Muss das sein?

Auch du hast dieses Buch durch Zufall gefunden, es wurde dir empfohlen oder geschenkt und du hast selten etwas so Gutes gelesen. Jedenfalls ist es auf dem besten Weg, dein Lieblingsbuch für den Rest deines Lebens zu werden (oder zumindest hat es sich eine Platzierung in den Top Ten verdient). Du würdest gerne noch mehr über die Welt und die Figuren erfahren, aber das, was du in den Händen hältst, ist alles, was es gibt. Das muss nichts Schlechtes sein, denn Dinge (insbesondere Geschichten) müssen zu Ende gehen, damit etwas Neues beginnen kann.

Lemony Snickets © Netflix
Lemony Snickets © Netflix

Doch dann, wie aus dem Nichts, die Ankündigung: Ein Film ist geplant, möglicherweise eine Trilogie. Du bist fassungslos. Wie können sie es wagen, Hand an dieses Meisterwerk zu legen? Du bist dir sicher, dass dieses Projekt nur in die Hose gehen kann. Der Regisseur und die Drehbuchautoren können noch so gut sein, aber es ist einfach unmöglich, dass jemand fähig ist, die Magie des Buches auch nur halbwegs visuell festzuhalten.

Obwohl du deine Meinung lautstark kundgetan hast (mehr als einmal, wenn wir ehrlich sind), sitzt du trotzdem in Kino. Vielleicht hoffst du, dass es doch nicht so schlimm wird. Vielleicht wurdest du von Freunden oder Familie gezwungen. Warum auch immer, auf jeden Fall hast du nicht vor, mit dieser Buchverfilmung allzu freundlich ins Gericht zu gehen.

Ich sage nicht, ich hatte Recht, aber …

Je länger du dort sitzt, desto finsterer wird dein Gesicht. Du hast es von Anfang an gewusst. Der Film mag nicht schlecht sein und vielleicht würdest du ihn sogar wirklich mögen, wenn du wüsstest, dass er nicht auf einer Buchvorlage basiert. Aber das, was du dir ansiehst, hat nichts mit der Geschichte gemein, die du regelrecht verschlungen hast. Wurden all die Leser, die diese Buchverfilmung feiern, gekauft? Hat man ihnen irgendetwas versprochen, wenn sie sagen, sie finden sie gut?

Es ist bloße Höflichkeit, die dich davon abhält, nicht einfach mittendrin zu gehen. Für dich steht fest, dass du nie wieder von diesem Film sprechen wirst. In deiner Welt hat er schlichtweg nie existiert. Oder er wird nie existiert haben, wenn du erst einmal dieses Kino verlassen hast.

Okay, vielleicht haben sie nicht alles vermurkst

It ends - Chapter 2 © Warner Bros.
It ends – Chapter 2 © Warner Bros.

Du bist nicht gerade begeistert, aber es ist bei weitem nicht so schlimm, wie du erwartet hast. Ja, sie haben Änderungen vorgenommen, aber darauf warst du gefasst. Was dich tatsächlich überrascht, ist die Tatsache, dass sie bei den wichtigsten Punkten darauf geachtet haben, dass sie sie beibehalten.

Offensichtlich hat sich jemand mit der Buchvorlage auseinandergesetzt und nicht nur das schnelle Geld im Blick gehabt. Das ist mehr, als du zu hoffen gewagt hast, und du bist zumindest halbwegs zufrieden, als du das Kino wieder verlässt. Dennoch: Egal, wie positiv überrascht du vom Ergebnis bist, das Buch selbst und die Welt, die du damit in deinem Kopf kreierst, sind dir lieber.

Also, was nun?

Seien wir mal ehrlich: Buchverfilmungen tun erst einmal niemandem weh (außer, dass sie Platz vereinnahmen, den originale Drehbücher besser gebrauchen könnten, aber das ist eine ganz andere Geschichte). Ob man Buchverfilmungen mag, toleriert oder sie zum Teufel wünscht, bleibt am Ende jedem selbst überlassen.

Die Verurteilten © Castle Rock Entertainment
Die Verurteilten © Castle Rock Entertainment

Ganz persönlich gesprochen? Die Harry-Potter-Filme werden für mich immer einen großen Teil meiner Kindheit ausmachen und ich liebe gerade die ersten drei, obwohl (oder eben weil) sie keine Eins-zu-eins-Kopien der Bücher sind. Fantastische Tierwesen (und da sehe ich dich an, Grindelwalds Verbrechen!) ist allerdings etwas ganz anderes (sowohl von der Qualität als auch der Art der Vorlage) und ich werde so tun, als gebe es nur einen Film und keine fünfteilige Reihe. Ich finde (und das mögen mir diejenigen verzeihen, die anderer Meinung sind) die Hobbit-Filme sehr unterhaltsam, eben weil sie die Möglichkeit bieten, Stoff aus den Anhängen unterzubringen.

Allerdings habe ich mich auch schon ordentlich verbrannt. Die Verfilmung von Eragon wird mir immer als die größte Enttäuschung meines jungen Lebens in Erinnerung bleiben und niemand wird mich je davon überzeugen können, dass der Film gut ist – weder als Buchverfilmung noch als eigenständiger Film. Diese Erfahrung ist auch der Grund dafür, dass ich mich auf die angekündigte Serie zu Der Herr der Ringe nicht ganz freuen kann; die Skepsis wartet mit und mir wird nichts anderes übrig bleiben, als mich überraschen zu lassen.

Andererseits können Buchverfilmungen eine Möglichkeit darstellen, überhaupt auf die entsprechenden Bücher aufmerksam zu werden, und somit als Wandschrank in eine völlig andere Welt dienen. Mich würde es zum Beispiel nicht überraschen, wie viele begonnen haben, Game of Thrones zu lesen, nachdem sie die Serie gesehen haben.

Das Fazit? Ob Buchverfilmungen oder Adaptionen anderer Art einen Fluch oder einen Segen darstellen, liegt allein bei euch. Ich bemühe mich jedenfalls, unbefangen an die Sache heranzugehen, auch wenn ich nichts versprechen kann.

Artikelbilder: © 20th Century Fox, © Warner Bros, © Castle Rock Entertainment, © Foxmovies, © Netflix

1 Kommentar

  1. Bei mir persönlich ist praktisch schon alles vorgekommen, außer der Gedanke, dass Buchverfilmungen „niemals gelingen können“.
    Durch den Zeichentrickfilm „Unten am Fluss“ bin ich zum Buch gekommen, und auch wenn der Film vieles zusammenstreichen musste, mag ich das Ergebnis immer noch gern.
    Auch Peter Jackson’s Herr-der-Ringe-Filme mag ich (unter einigen Abstrichen) immer noch sehr gern. „Der Hobbit“ dagegen gefiel mir von mal zu mal weniger, und „Die Schlacht der Fünf Heere“ wurde schließlich zu meiner bis dahin schmerzvollsten Kino-Erfahrung.

    Das absolute Tief an Adaptionen war und ist jedoch die TV-Mini-Serie „The Legend of Earth Sea“, die aus einem philosophisch-anspruchsvollen und bezaubernden Titel eine billige Schmonzette machte.

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