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Sie werden schnell ausgesprochen, können aber nur schwer behoben werden: Flüche. Dabei sind sie keineswegs nur Begleiterscheinung von Spuk- und Geisterhäusern, sondern sie können genauso Basis für spannende Rollenspielhandlungen sein. Wie und warum die Verwünschungen wichtig sein können und warum ihre Verwendung kein Hexenwerk ist, erfahrt ihr in diesem Artikel.

„Sollte ich dich durch mein Leben oder meinen Tod schützen können, werde ich es tun. Du hast mein Schwert“

– Aragorn in „Der Herr der Ringe“

Einen Schwur am Anfang eines Artikels zum Thema Flüche zu zitieren, mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Allerdings zeigt es, wie fest verwurzelt der Schwur in der Fantasy-Literatur und auch in vielen Fantasy-Rollenspielen sein kann. Edle Paladin*innen schwören auf ihre Ehre, Zwerge auf ihren Bart, ein*e Dritte*r auf das Leben einer geliebten Person. Schwüre und Flüche sind zwei Seiten der gleichen, oder zumindest einer ähnlichen, Medaille. Schwüre sind feierliche, emotionale Absichtserklärungen und besitzen oft eine positive Grundeinstellung – und sind damit das komplette Gegenteil zum Fluch. Ein Fluch ist ein ebenso emotionaler Ausspruch, der allerdings von den negativen Seiten des emotionalen Lebens geprägt ist: Neid, Fanatismus, Hass.

Klar ist also, dass Flüche ebenso Teil eines Rollenspiels sein können wie Schwüre. Gleichwohl braucht es einen guten Aufhänger, damit der Fluch nicht zum Klischee verkommt, dem Pathos innewohnt. Art und Inhalt eines Fluchs sollten zuallererst herausgearbeitet werden, bevor man sich Gedanken darüber machen kann, was für eine Rolle er in einem Abenteuer oder einer Kampagne spielen soll. Dies sind alles Aspekte, mit denen sich dieser Artikel beschäftigen will.

Triggerwarnungen

Body Horror

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Was macht einen guten Fluch aus?

Ein guter Fluch ist vor allem eines: Selten. Er ist ein gestalterisches Mittel, welches äußerst dosiert eingesetzt werden sollte. Flüche oder Verwünschungen werden in Momenten starker Emotionalisierung ausgesprochen. Sie sind meist ein verbales Mittel der Rache, wenn die verfluchende Person keine andere Möglichkeit sieht, sich zu wehren beziehungsweise, ihrem Ärger Luft zu machen. Wichtig ist also vor allem, wo und in welchem Kontext der Fluch ausgesprochen wurde, was quasi seine Hintergrundgeschichte ist. Denn sie bildet die Basis für alles, was danach kommt. Also sowohl für die Veränderung, die er auf eine Person hat, als auch für ihren Umgang mit dem Fluch. Der Fluch sollte so außergewöhnlich sein und die betreffende Person derart nachhaltig verändern, dass sie eine Besserung des Status Quo anstrebt. Sie muss sich weiterentwickeln oder zumindest anpassen wollen, um den Fluch zu überwinden und als Charakter daran zu wachsen.

Schwur und Fluch, zwei Seiten derselben Medaille. © Depositphotos | KrisCole

Da Flüche und Verwünschungen oftmals in Folge von Neid ausgesprochen werden, lohnt auch der Blick, welcher Charakter von dem Fluch betroffen sein wird. Was könnte beispielsweise der wertvollste Besitz sein, über welchen ein Charakter verfügt und welcher durch einen Fluch genommen werden könnte?

Dabei muss keineswegs rein materialistisch gedacht werden. Genauso kann ein Fluch eine Person aus dem Umfeld des Charakters treffen, die Schönheit einer Figur oder eine Charaktereigenschaft wie die Empathie oder die Freude am Leben.

Welche Arten von Flüchen und Verwünschungen sind denkbar?

Eine erschöpfende Antwort darauf zu geben, welche Flüche es gibt, ist unmöglich. Daher seien im Folgenden lediglich einige Tropen vorgestellt, die oft mit Flüchen in Verbindung gebracht werden.

Sicherlich der „Klassiker“ unter den Flüchen, sind jene, die die verfluchte Person verwandeln oder erkranken lassen – also eine Art body horror vollführen. Man denke hierbei etwa an die Lykanthropie, also die Verwandlung in einen Werwolf bei Vollmond, oder an den im Mittelalter populären Fluch „hol‘ dich die Pest“. Der Fluch fungiert in einem solchen Fall als ein soziales und / oder körperliches Stigma, mit welchem sich der Charakter immer wieder verstecken muss. Hier kann es rollenspieltechnisch darum gehen, mit wem er dieses Geheimnis teilt und wie weit er geht, den Fluch geheim zu halten.

Flüche berufen sich auch oft auf göttliche Macht, die sozusagen als „Vollstrecker“ des Fluches angerufen wird, zum Beispiel bei dem alten Ausspruch „Soll‘ dich der Teufel holen“. Kombiniert damit, dass die meisten Rollenspielwelten zumindest einige übernatürliche Aspekte besitzen, kann auch die Götter-Frage ein lohnender Anhaltspunkt sein. Der Wunsch, dass sich jemand zum Teufel scheren solle, kann womöglich durchaus wörtlich verstanden werden.

Existieren göttliche oder übernatürliche Wesen, wie etwa auch Dschinns, Dämonen oder das wilde Heer, in der bespielten Welt? Sind sie bekannt dafür, persönlich aufzutreten oder eventuell sogar zu intervenieren und wenn ja, auf wessen Seite? Ein Fluch, der einem Charakter ein bestimmtes Wesen an den Hals wünscht, personifiziert den Fluch nicht nur, er schafft außerdem erste Gegner, die es im Kampf dann mitunter zu besiegen gilt, um den Fluch aufzuheben.

Hat hier wer „hol‘ dich der Teufel gesagt“?
Hat hier wer „hol‘ dich der Teufel gesagt“? © Depositphotos  FairytaleDesign

Geschieht ein Fluch aus Neid, so ist er häufig der Ausdruck des Wunsches, mehr zu besitzen als die andere Person. Der Wunsch-Aspekt einer Verwünschung kann ebenfalls die Quelle eines Fluches sein. Denn von jemandem „bezaubert“ zu sein, kann genauso als Fluch wahrgenommen werden, wie für eine*n andere*n die Verwandlung in einen Fuchs bei Halbmond. So entsteht die Beziehung von Geralt von Riva und Yennefer von Vengerberg in den Hexer-Kurzgeschichten ja auch vermutlich durch das Wirken eines Dschinns.

Daraufhin sind sie auf die eine oder andere Art miteinander verbunden. Und das, ob sie es wollen oder nicht. Somit kann ein Fluch auch mit anderen Emotionen als nur Neid oder Missgunst spielen, jedoch den Zwang-Aspekt eines Fluches beibehalten. Aber insbesondere bei Liebe und Beziehungen, mehr noch als bei „regulären“ Flüchen, ist die Absprache in der Gruppe enorm wichtig, damit sich niemand genötigt sieht, etwas auszuspielen, was ihm*ihr unangenehm ist.

Bei der Vielzahl an möglichen Flüchen sei insbesondere eine Idee noch vorgestellt: Die des gedachten Fluchs. Denn genauso wie eine tatsächliche Verwünschung ist natürlich auch eine imaginierte möglich, die die eigenen Ängste des* der Verfluchten wiederspiegelt. Etwa der Adelsspross, der*die denkt, auf der eigenen Familie laste zum Beispiel der Fluch, unglücklich zu sein und nun dementsprechend handelt. Der gedachte Fluch ist eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. „Ich denke, ich bin verflucht, also handle ich genauso, wie ich erwarten würde, wie der Fluch wirkt“ lautet dann das Motto.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie ein Charakter zufällige Ereignisse auf den eigenen „Fluch“ bezieht oder, von anderen Figuren auf die Diskrepanz zwischen „Fluch“ und Wirklichkeit angesprochen, schlussendlich doch als Charakter wachsen und die Ängstlichkeit hinter sich lassen kann.

„Die Geister, die ich rief“ – Flüche einbinden und lösen

In Form von NSC

Flüche rufen eine Vielzahl von mysteriösen und windigen Gestalten auf den Plan, die eine größere oder kleinere Rolle spielen können. Dabei reicht die Bandbreite von Kräuterhexen, die im Wald ihre Magie gegen eine Entlohnung verüben, über Wanderpriester*innen hin zu Magier*innen. Auch Gelehrte oder Alchemiekundige sind denkbar, wenn ein Fluch mehr oder weniger wissenschaftlich gelöst werden soll. Ob jene Figuren listig sind, oder ehrliche Unterstützer*innen, hängt dabei ganz vom Ermessen der SL ab und der Frage, welche Rolle den Figuren in der Geschichte eines Fluches zukommt.

Im Kontext von Abenteuern und Kampagnen

Spielt der Fluch nur in einem Abenteuer eine Rolle, ist es denkbar, dass eine Person außerhalb der Gruppe von dem Fluch betroffen ist, sich die Gruppe sozusagen als Helfer*innen anbietet. Den Fluch lösen zu wollen, heißt zuallererst, ihn kennenzulernen, Recherche zu betreiben, Nachforschungen anzustellen. Hier kann die*der SL nicht nur Hinweise streuen, was es mit dem Fluch auf sich hat, sondern auch, mit was für Mitteln er sich vielleicht lösen lässt. Muss eine Voodoo-Puppe zerstört werden? Oder ein Ritual durchgeführt werden? Wenn ja, welche Materialien braucht die Gruppe dafür? Amulette, Katzenhaare oder doch Weihrauch? Wichtig ist hier vor allem, dass die Gegenstände auch tatsächlich story-technisch etwas mit dem Fluch zu tun haben und die Lösung des Fluches nicht zur Sammel-Quest degradieren.

Freundin oder Feindin? Magisch begabte können in puncto Flüche beide Rollen einnehmen.
Freundin oder Feindin? Magisch begabte können in puncto Flüche beide Rollen einnehmen. © Depositphotos | 89609065481

Eventuell braucht es zur Lösung des Fluchs auch eine*n Priester*in. Wenn es unkonventioneller sein darf, lässt sich der Fluch aber vielleicht auch mit Hilfe eines*einer Wissenschaftler*in als fauler Zauber enttarnen und mit Logik und Verstand lösen. Etwa auf die Weise, dass der Dämon, der den*die Auftraggeber*in heimsucht, lediglich ein geschickt verkleidetes Tier oder ein Mensch war.

Stehen Flüche im Zentrum einer Kampagne, wird es vermutlich länger dauern, diese zu lösen und ihre Implikationen könnten größer sein. Denn vielleicht ist es nicht nur eine einzelne Person, auf welcher ein Fluch lastet, sondern womöglich ist direkt eine ganze Stadt oder ein Gebiet, wie etwa die diversen korrumpierten Lande in Symbaroum, die alle dort lebenden Personen langsam aber sicher verwünschen und verändern, betroffen.

Und wenn mehrere Menschen oder Stadtgesellschaften von ein und demselben Fluch betroffen sind, wirft das natürlich auch die Frage auf, was die Antwort der Gesellschaft darauf sein wird. In der unübersichtlichen Gemengelage eines Häresie- oder Hexerei-Prozesses lassen sich Kampagnen konzipieren, die sich mit Fanatismus, religiösem Eifer und dem Konflikt zwischen Wissenschaft und Aberglaube befassen.

Fazit – Fluch oder Segen?

Flüche in Rollenspielabenteuern sind oft schwere Kost. Der Fokus auf negativen Emotionen und den zwanghaften Folgen von Verwünschungen machen Flüche zu einem schwierigen Thema, welches nur mit Fingerspitzengefühl und nach Rücksprache mit der Gruppe eingesetzt werden sollte. Dann bieten sich aber eine Vielzahl von Plots und Verstrickungen an, die sich mit der Geschichte eines Fluchs, den involvierten Personen wie auch der Lösung befassen können.

Flüche zu brechen ist oft die Aufgabe von spirituell begabten Menschen, muss es aber nicht sein.
Flüche zu brechen ist oft die Aufgabe von spirituell begabten Menschen, muss es aber nicht sein. © Depositphotos | lenschanger

Auf verschiedensten Ebenen können größere Fragen von Schuld, Rache oder Fanatismus verhandelt werden. Gleichzeitig sind Flüche prädestiniert für die Umkehrung negativer Klischees. Abwechslungsreich sind aufklärerische Plots, in denen sich der Fluch als lediglich in den Köpfen der Handelnden wirkmächtig entpuppt.

Egal für welche Art von Verzauberung man sich entscheiden mag, wichtig ist, vorher die Rahmenbedingungen (in der Gruppe, aber eben auch innerhalb der Geschichte) abzuklären, damit Logiklöchern von vornherein der Garaus gemacht werden kann. Dann sind Flüche ein wahrer Segen für eine Vielzahl neuer Rollenspielabenteuer.

 

Artikelbilder: © Depositphotos | NewAfrica
Layout und Satz: Norbert Schlüter
Lektorat: Laura Pascharat

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