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Welchen Zauber will ich behalten, welchen darf ich nicht an meinen Nachbarn weitergeben? Will ich diesen Zauber in die eigene Auslage legen oder die aktuellen Monde nutzen, um Zauber zu aktivieren? Entscheidungen über Entscheidungen erwarten die Spielenden in Arcana Rising. Wir haben es uns für euch angesehen.

Drafting ist ein Mechanismus, der oftmals mit Engine Building kombiniert wird. Klassiker wie 7 Wonders und Erfolge der jüngeren Vergangenheit wie It’s a Wonderful World haben gezeigt, dass diese beiden Mechanismen gut zusammenspielen. Meist sind die resultierenden Spiele im unteren bis mittleren Bereich der Komplexitätsskala zu finden. Ein Bereich, den Autor Tim Armstrong schon mit Spielen wie Orbis bereichert hat.

Um sich aus der Masse der Neuheiten hervorzuheben, braucht ein Spiel aber mehr als nur eine Kombination von beliebten Mechanismen und erfolgreichen Autor*innen. Das Spiel muss einzigartige Dinge aufweisen – Alleinstellungsmerkmale. Entweder durch ein ungewöhnliches Thema – was hier nicht der Fall ist – oder durch Mechanismen, die die gewohnte Zusammenstellung aufbrechen und frischen Wind ins Spiel bringen. Hier hat Arcana Rising durchaus etwas zu bieten.

Spielablauf

Die zwei bis sechs Spielenden in Arcana Rising übernehmen jeweils die Rolle von aufstrebenden Magier*innen. Im Laufe von drei Runden müssen neue Zauber erlernt und im richtigen Moment gewirkt werden.

Jede Runde beginnt damit, dass jeweils sechs Karten vom Stapel für die aktuelle Runde zugeteilt werden. Diese Karten werden nach und nach gedraftet – das heißt eine Karte wird behalten, die anderen nach links oder rechts weiteregegeben.

Die Spielertableaus zeigen jeweils einen Grundzauber pro Schule, der von Spielbeginn an genutzt werden kann.
Die Spielertableaus zeigen jeweils einen Grundzauber pro Schule, der von Spielbeginn an genutzt werden kann.

Nachdem eine Karte gedraftet wurde, treffen die Spielenden jeweils die Entscheidung, ob sie diese Karte ausspielen wollen, oder ob sie abgelegt wird, um Zauber zu wirken. Welche Zauber das sind, hängt davon ab, welche der zu Beginn der Runde ausgelegt Pokerchips aktuell aktiv sind. Hier gilt es, schon zu Beginn der Runde zu sehen, welche Magieschulen früher oder später in der Runde aktivierbar sein werden und das richtige Timing zu finden. Eine Besonderheit stellt die letzte Phase jeder Runde dar. In dieser werden, wenn gezaubert wird, die jeweils neuesten Zauber jeder Schule aktiviert – also die, die dort am weitesten unten liegen.

Von den ausliegenden „Monden“ hängt ab, welche Zauber in welcher Runde gewirkt werden können.
Von den ausliegenden „Monden“ hängt ab, welche Zauber in welcher Runde gewirkt werden können.

Fällt die Entscheidung aufs Ausspielen der Karte, kommt diese in den meisten Fällen in die eigene Auslage in eine der fünf Zauberschulen und kann später gewirkt werden. Bei allen Zauberkarten besteht die Wahl, sie mit einer bestimmten Menge einer Ressource zu bezahlen, oder einer meist höheren Menge aus beliebigen Ressourcen.

Die einzelnen Magieschulen haben unterschiedliche Stärken und Schwächen und wie in Engine Buildern üblich, muss überlegt werden, auf welche dieser Stärken man setzen will.

Die Karten gehören zu einer von fünf Magieschulen, von denen jede eigene Mechanismen hat.
Die Karten gehören zu einer von fünf Magieschulen, von denen jede eigene Mechanismen hat.

Neben Zaubern gibt es noch Ereignisse und Artefakte. Ereignisse haben einen einmaligen und sofortigen Effekt. Mit diesen kann zum Beispiel eine Zauberkarte aus einem Ablagestapel zurückgeholt werden. Artefakte hingegen bleiben bis zum Spielende liegen und geben dann Siegpunkte für bestimmte Dinge.

Nachdem die drei Runden gespielt sind, kommt es zur Endwertung. Drei der fünf Magieschulen geben für jeweils drei Ressourcen dieser Art einen Punkt. Gold, das durch Alchemie gewonnen wird, zählt jeweils einen Punkt. Und Blut, welches man über Blutmagie bekommt, ist negative Punkte wert. Man sollte also dieses Blut möglichst im Spielverlauf immer wieder verbrauchen, um am Ende nicht zu viele Punkte zu verlieren.

Dazu werden die Punkte von Artefakten addiert, sowie im Verlauf des Spiels bereits generierte Siegpunkte. Wer die meisten Punkt hat, gewinnt.

Arcana Rising spielt sich zügig und wie bei Drafting üblich, gibt es nur sehr wenig Downtime. Die Interaktion mit den anderen Spielenden erfolgt fast ausschließlich über das Drafting. Einzige Ausnahme sind ein paar Artefakte, für die wichtig ist, ob man in einer Schule mehr Zauber hat als die anderen. Während des Spiels selbst lassen sich die anderen aber nicht direkt beeinflussen. Wer will, kann die Auslagen der anderen komplett ignorieren und ein Multiplayer-Solitaire vor sich hin spielen.

Die Regeln sind simpel und schnell verstanden. Auch der ungewöhnliche Mechanismus, dass die Zauber jeweils nur zu bestimmten Zeiten gewirkt werden können, wird schnell klar und sorgt dafür, dass Timing eine wichtige Rolle spielt. Hier muss vorausschauend geplant werden, um das Optimum aus den eigenen Zaubern herausholen zu können. An Entscheidungen mangelt es in Arcana Rising wahrlich nicht.

Die Pokerchips gehören zu den optischen und haptischen Highlights von Arcana Rising.
Die Pokerchips gehören zu den optischen und haptischen Highlights von Arcana Rising.

Woran es hingegen etwas mangelt, ist Thematik. Ja, nominell sind das Zauber und Artefakte, die man auslegt. Und die Monde beeinflussen die Magie, die wirksam ist. Aber das Ganze würde mit anderen Themen genauso funktionieren und die Mechanismen an sich wirken reichlich abstrakt.

Durch die zufällige Verteilung der Karten, sowie die zufällige Auslage der Monde bietet Arcana Rising eine Menge Varianz und Input Randomness. Hierdurch unterscheiden sich die Partien erheblich voneinander und das eigene Spiel muss in jeder Runde erneut an Karten und Mondpositionen angepasst werden. Dennoch fühlt es sich nach ein paar Partien an, als hätte man alles gesehen, was das Spiel zu bieten hat. Die Varianz sorgt am Ende doch nicht dafür, dass sich die Partien signifikant anders anfühlen.

Im Grunde spielt sich Arcana Rising mit jeder Zahl an Spielenden nahezu identisch. Lediglich die Anzahl der Karten, die man im Drafting mehrmals sieht, sinkt, wenn mehr Leute beteiligt sind. Daher ist eine Zahl von drei oder besser noch vier Personen ideal, da man in diesem Fall alle oder fast alle Stapel zwei Mal sieht, aber dennoch genügend unterschiedliche Karten zu Gesicht bekommt und so die beste Mischung aus Planbarkeit und Auswahl hat.

Ausstattung

Die Grafik von Arcana Rising ist nicht weiter bemerkenswert. Weder besonders gut noch besonders schlecht werden generische Fantasy-Motive zur Illustration der Karten verwendet. Die für das eigentliche Spiel wichtigen Symbole finden sich im unteren Drittel der Karten und sind gut erkennbar sowie, nach kurzer Gewöhnungsphase, verständlich. Ein Blick in die Erklärung einzelner Karten im Regelheft ist nur selten nötig.

Was das Material angeht, ist der Samtbeutel mit den darin enthaltenen Pokerchips positiv hervorzuheben. Diese Chips sind leichter als die meisten Casinochips, aber sie fühlen sich wertig an und machen auch optisch durchaus etwas her.

Für den Rest des Materials gilt das leider nicht. Die Spielerboards sind zwar aus ordentlicher, fester Pappe, aber sie werden zusammengeklappt in der Box aufbewahrt und wollen einfach nicht flach liegen bleiben, nachdem sie aufgeklappt wurden. Längere Liegezeit behebt das Problem ein wenig, aber bei einem recht kurzen Spiel wie Arcana Rising ist das dennoch ein Faktor. Die Karten sind dünn und schon nach wenigen Partien sind Gebrauchsspuren sichtbar – und das, obwohl jeder Stapel nur einmal pro Spiel gemischt wird.

Die 00er Jahre hätten gerne ihre Ressourcenmarker zurück!
Die 00er Jahre hätten gerne ihre Ressourcenmarker zurück!

Die Marker für Ressourcen und Siegpunkte sind funktional, sehen aber heutzutage kaum noch zeitgemäß aus. Und zu schlechter Letzt sind noch die Schachtel und das Inlay zu erwähnen. Das Inlay hat ein Fach, in das die Zauberkarten passen, sowie drei weitere Fächer, die von der Größe her kaum zum gelieferten Spielmaterial passen. Die Schachtel an sich ist zu kurz und zu breit, um die zusammengeklappten Spielerboards dort vernünftig nebeneinander platzieren zu können. Hierdurch gibt es keine Möglichkeit, diese in einer Art und Weise zu verstauen, bei der sie nicht hin- und her rutschen können.

Arcana Rising kostet im Vergleich zu vielen anderen aktuellen Spielen nicht besonders viel, aber dieser niedrige Preis wurde leider durch suboptimales Material erkauft.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mirakulus / Grey Fox Games
  • Autor*in(nen): Tim Armstrong
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch / Englisch
  • Spieldauer: 30-60 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4 5 6
  • Alter: 10+
  • Preis: ca. 30-35 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Herstellerseite findet sich, neben dem üblichen Shop und ein paar Bildern, wenig zu Arcana Rising. Es gibt ein Erratum zu einer Karte, aber leider nicht die Spielregeln zum Download. Da das Spiel über die Spiele-Offensive finanziert wurde, ist dort immerhin einen Link zu den englischen Spielregeln zu finden.

Im Regelheft findet sich auch eine Solo-Variante, die das Drafting durch eine Kartenpyramide ersetzt, in der nur ein Teil der Karten zu Beginn der Runde sichtbar sind. Das erinnert ein wenig an 7 Wonders: Duel, aber da ich kein Solospieler bin, ist diese Variante ungetestet geblieben und geht nicht mit in die Wertung ein.

Fazit

Arcana Rising ist ein schnelles Drafting-Spiel, in dem die Spielenden sich jeweils eine eigene Engine aus verschiedenen Zaubern aufbauen, die dann zur rechten Zeit aktiviert werden wollen. Das Spiel besticht mit einem interessanten Timing-Mechanismus, durch den die Zauber der einzelnen Schulen immer nur in bestimmten Zügen aktiviert werden können. Kombiniert mit Drafting sorgt das für viele interessante Entscheidungsmomente. Ebenfalls hervorzuheben ist, dass Arcana Rising mit bis zu sechs Personen gespielt werden kann und dabei weder deutlich länger wird, noch sich spielerisch grundlegend verändert. Generell ist die Spielzeit mit 30-60 Minuten (je nachdem, wie entscheidungsfreudig die Spielenden sind) angenehm kurz.

Leider stehen diesen positiven Eigenschaften nicht zu vernachlässigende negative gegenüber. Das Material lässt an vielen Stellen zu wünschen übrig, das Thema wirkt aufgesetzt und trotz der hohen Varianz fühlen sich die Partien recht schnell gleich an. Insgesamt ein brauchbares Spiel, das ein paar Male sicherlich Spaß macht, aber dann vermutlich schnell im Regal verstaubt oder dort gar keinen Platz mehr bekommt und durch andere Spiele ersetzt wird.

  • Ständige relevante Entscheidungsmomente
  • Kurze Dauer
  • Flexible Anzahl an Spielenden
 

  • Schlechtes Material
  • Aufgesetztes Thema
  • Relativ geringer Wiederspielwert

 

Artikelbilder: © Grey Fox Games
Layout und Satz: Milanko Doroski
Lektorat: Sabrina Plote
Fotografien: Holger Christiansen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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