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Vor mehr als zehn Jahren haben die Lichtbringer die Finsternis besiegt, doch es sollte kein ewigwährender Frieden sein. Die Finsternis ist zurück und eine neue Generation trägt die Schlacht zu den Monstern in die Hölle. Massive Darkness 2 ist nicht nur eine Fortsetzung der Geschichte, sondern hat sich spielmechanisch weiterentwickelt.

Spielablauf

Massive Darkness 2: Höllenschlund ist wie sein Vorgänger oder beispielsweise Descent ein sehr opulent ausgestatteter Dungeon-Crawler, der szenarioweise gespielt wird, und jedes Szenario hat eine eigene Siegbedingung. Es gibt eine fortschreitende Geschichte, aber keine Kampagne mit Charakterfortschritt oder ähnliches. Hier kommen die im Laufe des Jahres erscheinenden Erweiterungen zum Tragen.

Zu Beginn einer Partie entscheiden sich alle für einen der spielbaren Charaktere. Und diese Wahl hat nicht nur kosmetische Konsequenzen: Alle sechs verfügbaren Charaktere haben einen besonderen Mechanismus, der die Charakterklassen individuell gestaltet. Auf diese gehen wir im weiteren Verlauf noch ein. Die Spielenden wählen nun noch das zu spielende Szenario und los geht der Kampf der Lichtbringer gegen die Ausgeburten der Hölle.

Aufbau des Tutorial-Szenarios.

Jede Runde ist dabei in vier Phasen unterteilt. In der Heldenphase führen die Charaktere ihre Aktionen aus. Die Spielenden können pro Zug drei Aktionen durchführen, von denen es insgesamt fünf verschiedene gibt: Bewegung, Angreifen, Tauschen/Ausrüsten, Erholen und Besondere Aktionen.

Mit einer Bewegung stehen dem Charakter zwei Bewegungspunkte zur Verfügung, die genutzt werden können, um sich in eine angrenzende Zone zu bewegen, eine Tür zu öffnen oder mit einem Objekt zu interagieren. Man kann also mit einer Bewegung laufen und interagieren, ohne zusätzliche Aktionen zu verlieren. Sollte eine Tür zu einem Raum geöffnet werden und dieser erstmalig offen stehen, werden (je nach Raum) Monster aufgestellt und Schätze platziert. Auf jeden Fall aber wird eine Türkarte aufgedeckt und abgehandelt, die unterschiedliche Effekte wie zusätzliche Monster, Heilung oder ähnliches auslösen kann.

Die nächste Aktionsmöglichkeit ist das Angreifen. Ein Charakter benötigt hierfür Sichtlinie, also freie Sicht in gerader Linie, die nicht durch geschlossene Türen oder Mauern wird. Je nach Angriffsart (meist durch die Waffe bestimmt) ist die jeweilige Reichweite definiert. Im Nahkampf sind nur Angriffe im eigenen Feld erlaubt, bei Magie im eigenen oder einem angrenzenden Feld und beim Fernkampf muss mindestens ein Feld dazwischenliegen.

Die Charaktere und ihre Miniaturen.

Nun wird der Würfelvorrat zusammengestellt. Hierfür werden alle angelegten Waffen, aktiven Fähigkeiten, Zaubersprüche und so weiter zusammengenommen und die abgebildeten Würfel bereitgelegt. Ebenso wird auf den Pool der verteidigenden Monster geschaut und für jeden Schergen einer Gruppe (einfache Monstergruppen bestehen aus einem Anführer und einer Anzahl Schergen, die der Anzahl der mitspielenden Charaktere entspricht) ein Schergenwürfel zugezählt. Dieser häufig recht große Würfelpool wird geworfen. Nun werden Schwert und Schildsymbole miteinander abgeglichen und gegebenenfalls der Schaden verteilt. Es gibt noch weitere Symbole, die gewürfelt werden können, die je nach Charakter oder Monster unterschiedliche Ereignisse auslösen können oder den Spielenden Mana geben.

Im Laufe der Partie erhalten unsere Held*innen auch Ausrüstung und Gegenstände. Diese können mit einer Aktion angelegt oder mit anderen Charakteren in der eigenen Zone getauscht werden. Hat die beste Ausrüstung nicht genügend Schutz geboten, können unsere Avatare sich auch erholen. Man erhält hierbei bis zu zwei Gesundheit oder Mana zurück oder kann maximal zwei Brand-Statusmarker ablegen. Zu guter Letzt gibt es noch besondere Aktionen. Dies können Charakterfähigkeiten sein oder besondere Effekte von Gegenständen.

Nach der Heldenphase dürfen sich nun die Monster an den Zug machen. Zunächst werden die Horden aktiviert, also die Anführer mit ihren Schergen. Jede Horde hat zwei Aktionen und greift wenn möglich einen Avatar in Reichweite und Sichtlinie an. Ist kein Angriff möglich, bewegt sich die Horde um eine Zone. Bei einem Angriff werden genau wie bei den Held*innen die Würfel der Karten zu einem Pool zusammengefügt und geworfen. Nach den Horden sind die Wandernden Monster an der Reihe, die im Spiel wie eine Art Mini-Boss funktionieren. Die Wandernden Monster haben auf ihren Karten besondere Anweisungen, die an Bedingungen geknüpft sind wie zum Beispiel „Falls mehr als ein*e Held*in in Sichtlinie ist“. Ist keine der Bedingungen erfüllt, verhält sich das Wandernde Monster wie eine Horde. Die beiden Bosse Der Schatten und Michael – Der verderbte Erzengel haben besondere Regeln, auf die wir aus Spoilergründen nicht eingehen wollen.

Nach dem Zug der Monster folgt die Stufenaufstiegsphase. In dieser müssen die Spielenden ihre Charaktere aufleveln, wenn die nötige Menge an Erfahrungspunkten vorhanden ist. Jeder Aufstieg bringt Verbesserungen, die auf der Stufenkarte abgebildet sind. Zudem darf man sich nun eine neue Fertigkeitskarte nehmen die maximal der neuen Stufe entspricht. Eine Fertigkeit mit Rang, also mit besser werdenden Effekten, kann nur genommen werden, wenn die Vorstufe bereits gelernt wurde.

Beendet wird eine Runde durch die Finsternisphase. Hierbei wandert der Finsternismarker auf der Leiste ein Feld nach vorne und triggert einen Effekt, wie beispielsweise das Auftauchen von Monstern oder das Hinzufügen von besonderen Schätzen in den Gegenstandspool.

Die Runden wiederholen sich so lange, bis das Szenario durch die jeweilige Bedingung gewonnen oder verloren wurde oder den Held*innen keine Lebensbringer-Marker mehr zur Verfügung stehen. Dies sind die Marker, die ausgegeben werden können, wenn ein Charakter sein gesamtes Leben verloren hat. Ein Marker wird ausgegeben und der verstorbene Avatar wird wiederbelebt. Stirbt ein Charakter und kein Marker kann verwendet werden, ist das Spiel verloren. Wie viele Marker man zur Verfügung hat, hängt von der Anzahl der Spielenden ab.

Die Charaktere und ihre Besonderheiten

Die sechs Charaktere haben alle eine besondere Mechanik, mit der sie sich von den anderen unterscheiden und wirklich das Gefühl vermitteln, dass es einen Unterschied macht, welchen Charakter man in die Schlacht führt.

Der Magier besitzt ein Zauberamulett, welches in vier Segmente unterteilt ist. Jedes Segment stellt einen Basisspruch dar und kann durch Fertigkeitskarten verbessert werden. Der Magier kann die Zauber nicht schnell hintereinander wirken, oder zumindest nicht ohne Konsequenzen. Er kann immer nur den Zauber sprechen, der durch den Zeiger als bereit markiert wird. Nach dem Einsatz wandert der Zeiger ein Segment weiter. Man kann den Zeiger auch bewusst drehen, aber nur gegen die Kosten von einem Mana pro Segment.

Mit einer Tafel und drei Weihemarkern ist der Paladin ausgestattet. Er kann die Marker für ein Mana auf ein Feld platzieren, und Charaktere, die auf dem entsprechenden Feld stehen, kommen in den Genuss eines von drei Segen. Welcher Segen es ist, wird über die Tafel festgelegt. Die Weihen können durch Fertigkeiten verbessert oder ergänzt werden.

Schaden nehmen und verteilen ist das Motto der Berserkerin. Sie besitzt eine Tafel, die ihre aktuelle Kampfhaltung festhält und auf der sie Rage sammelt. Für jeden Schaden, den sie nimmt, kann sie einen Lebenspunktmarker auf das Tableau legen. Diese Rage kann für Fähigkeiten der gerade aktiven Haltung verwendet werden. Die Haltung kann ebenfalls durch das Ausgeben von Rage gewechselt werden.

Ein gewisses Zufallselement, aber auch mächtige Werkzeuge hat die Schurkin. Sie hat einen Werkzeugbeutel, aus dem sie in jedem Zug drei Marker zieht. Diese Marker können ihre Aktionen durch Boni verbessern, indem sie für eine Bewegung einen Bewegungspunkt zusätzlich geben, den Würfelpool beim Angriff positiv beeinflussen oder sogar Monstern einen Giftzustand verpassen können.

Der feenähnliche Schamane besitzt eine Elementtafel auf der er Mana, welches nicht gebraucht wird, in Schritte für eines der vier Elemente verwandeln kann. Viele Fertigkeiten des Schamanen haben Elementkosten, die durch diese Schritte ausgegeben werden können. Erreicht er bei einem Element das Maximum, erhält er einen dauerhaften Bonus. Ebenfalls stehen ihm auf höheren Leveln ein Feuer- und ein Eisgeist zur Verfügung, die er kontrollieren kann.

Mit Pfeilen ausgestattet ist der Zentauren-Waldläufer und fordert seine*n Spieler*in zu einem kleinem Push-Your-Luck-Element heraus. Immer wenn ein Fernkampfangriff ausgeführt wird, wird vom Pfeilkartendeck gezogen. Am oberen Rand sind ein bis vier Pfeile abgebildet. Man kann jederzeit aufhören, Karten zu ziehen. Bleibt man unter sieben Pfeilen insgesamt, ist es ein einfacher Treffer und man handelt den mittleren Effekt aller aufgedeckten Karten ab. Hat man exakt sieben Pfeile, war es ein Volltreffer und auch alle oberen Effekte werden gewirkt. Hat man jedoch mehr als sieben Pfeile, muss man sofort aufhören zu ziehen und zusätzlich zum Treffer mit den Konsequenzen im roten Feld klarkommen, wie beispielsweise Selbstschaden.

Ausstattung

Minis, Minis überall Minis. Wobei es an Blasphemie grenzt, bei einigen der Figuren von Miniaturen zu sprechen. Die beiden enthaltenen Bosse sind 15 cm hoch und wirken auf dem Spielfeld sehr opulent. Aber auch die Wandernden Monster machen beim Aufstellen direkt den Eindruck, dass die Gruppe nicht auf Kuchen und Tee eingeladen wurde in die Hölle. Im Spiel mit mehr als vier Personen wird es auch schnell unübersichtlich, denn dann benötigen vor allem die Miniaturen der Horden sehr viel Platz. Zu sechst muss man die Anführer-Miniatur und zusätzlich sechs Schergen Minis aufstellen. Da gerade die Schergen eigentlich „nur“ bessere Lebenspunkte der Horde sind und sich so oder so immer mit ihrem Anführer bewegen, hätte man das anders lösen können.

Viele Schergen im aufgeräumten Plastiktray.

Das Artwork ist relativ unschwer erkennbar von Édouard Guiton, der auch bei Zombicide schon seine Finger im Spiel hatte. Der comic-hafte Look passt wunderbar und insbesondere die Zeichnungen der Monster sind beeindruckend angsteinflößend.

Das restliche Spielmaterial kann durchaus überzeugen und von den Karten bis hin zu den Pappmarkern ist alles funktional gehalten. Die Charaktertableaus sind für die Organisation des eigenen Avatars klasse und helfen bei der Ordnung auf dem Tisch. Was etwas negativ aufstößt, ist die Qualität der beiden Beutel, also des Beutels der Schurkin und des Schatzbeutels. Haptisch fühlen die sich sehr unangenehm an und der Schatzbeutel ist durch seine gelbe Farbe in Kombination mit seiner Dicke durchsichtig, was seinen Zweck obsolet macht. Ebenso gibt es für die Zauberamulett-Tafel des Magiers einen kleinen Punkt doppelseitiges Klebeband. Ich habe zum Glück im Voraus die Anleitung im Internet studiert, bevor das Spiel bei mir eintraf. Der Aufkleber taucht nämlich nicht in der Materialaufstellung auf, steht nur in einer kleinen Bildbeschreibung im Abschnitt des Magiers und segelte dann auch beim Öffnen der Schachtel an mir vorbei. Wer hier nicht aufpasst, kann sich zwar mit eigenem doppelseitigem Klebeband schnell helfen, aber das ist unzureichend gelöst.

Das durchsichtige Schatzsäckchen.

Das Regelheft ist aufgrund der Szenariobeschreibungen sehr dick und bietet auch viel Inhalt. Die Regeln sind gut strukturiert, lediglich die Beispiele hätten manchmal etwas geordneter sein können, sind aber vollkommen verständlich.

Das Insert für die Miniaturen ist super und lässt keine Wünsche offen. Für das restliche Material gibt es jedoch nicht mal mitgelieferte Zip-Beutel. Lediglich die Karten kann man in einen sehr instabilen Halter am Fuße des Kartons stecken. Wer also etwas Ordnung haben will, muss damit rechnen, dass der Deckel nicht mehr richtig schließt.

© Asmodee

Die harten Fakten:

  • Verlag: Asmodee / CMON
  • Autor*in(nen): Alex Olteanu, Marco Portugal
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: ca. 60 Minuten pro Mission
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4 (5) (6)
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Preis: ca. 100 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Webseite von Asmodee gibt es die Regeln zum Download.

Fazit

Nach der ersten Runde Massive Darkness 2 war ich zwiegespalten. Die Testrunde bestand aus sechs Personen und ein Szenario fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Ich ertappte mich dabei, wie ich mir wünschte, dass das Spiel endlich vorbei ist. Doch das wird dem Spiel absolut nicht gerecht und das merkte ich in kleinerer Personenzahl. Massive Darkness 2 ist ein hoch zugänglicher Dungeon Crawler mit beeindruckenden Miniaturen, einfachen Regeln, cleveren charakterspezifischen Finessen und einer Story, die man so zwar schon zigfach gehört hat, die aber wunderbar funktioniert. Durch die Scharen an Monstern die einem entgegengeworfen werden, und die diversen Möglichkeiten, sich zu verbessern und Effekte zu nutzen, entsteht aber ein gewisser Verwaltungsaufwand beim Spielen, der bei mehr als vier Personen nicht mehr schön ist. In einer entspannten Dreier-Runde macht es jedoch unwahrscheinlich viel Spaß und lässt mit einem wehmütigen Auge auf die nicht vorhandene Kampagne blicken – einen Kritikpunkt, den ich auch bei dem im Geiste verwandten Zombicide 2nd Edition anbrachte. Die Hoffnung ruht hier auf den im Laufe 2023 erscheinenden Erweiterungen.

Bis dahin erhält Massive Darkness 2: Höllenschlund von mir vier von fünf Wandernden Monstern.

  • Charaktermechanismen vermitteln das Gefühl, einen Unterschied zu machen

  • Material und Artwork sind wunderschön

  • Die Boss-Miniaturen schinden Eindruck

 

  • Sehr viel Verwaltungsaufwand während des Spielens

  • Insert hilft nicht beim Ordnung Halten

  • Keine Kampagne


Artikelbilder: © Asmodee

Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Alexa Kasparek
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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