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Egal ob Abenteuer- oder großes Schlachten-Con: Larp kann richtig anstrengend sein und eine Menge abverlangen. Körperliche und geistige Anstrengung weit ab vom Alltag bringen Spielende und Veranstaltende manchmal an die eigenen Grenzen. Wie viel Fitness und Vorbereitung braucht es also wirklich, um sicher durch das nächste Abenteuer zu kommen?

Liverollenspiel ist für viele Spielende, aber auch Veranstaltende und NSC-Darstellende, Entspannung durch Anspannung – Erholung durch Stress. Da scheint es offensichtlich, dass besser vorbereitet ist, wer auch im täglichen Leben auf Sport und Fitness wert legt. Aber wie fit ist fit genug? Eins ist sicher: Den einen Königsweg, das ultimative Larp-Training gibt es nicht, denn jeder*r Spielende ist anders.

Triggerwarnungen

Erwähnung von Bodyshaming, Stress und Alkoholkonsum

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Fitness, Kondition und Training

Direkt zu Anfang sei gesagt: Fitness im Zusammenhang mit Liverollenspiel meint hier nicht, das gesamte Con-Gelände dreimal am Tag in Bestzeit zu umlaufen oder ein bestimmtes Körperbild zu erfüllen, um ein Charakterkonzept spielen zu können. Jede Rolle ist für jede*n da, der*die sie sich zutraut, und Body-shaming (verbale Herabsetzung von Körperformen) gehört nicht ins Rollenspiel (und auch sonst nirgendwo hin).

Gut-in-Form-Sein kommt in vielen Formen. Vielmehr soll hier ein Blick auf die verschiedenen Facetten geworfen werden, wie sich Spielende auf anstrengende Situationen im Liverollenspiel-Kontext vorbereiten und wie sie von bereits vorhandenen Fähigkeiten profitieren können.

Den eigenen Trainingsstand richtig einzuschätzen, kann durchaus Auswirkungen darauf haben, welche Charaktere sich Spielende selbst zutrauen. Wer beispielsweise schnell angestrengt ins Schwitzen kommt, wenn lange Strecken oder unwegsames Gelände zu bewältigen sind, wird die Rolle eines Waldläufers*einer Waldläuferin als größere Herausforderung empfinden als jemand, der*die regelmäßige Gewaltmärsche durch Wald und Berge unternimmt. Es lohnt sich also, sich zumindest ein wenig vorzubereiten, wenn das angestrebte Charakterkonzept es notwendig macht. Eine gesunde Kondition benötigt aber keinen Leistungssport und ist im Normalfall völlig ausreichend. Das ist eine simple Vorbereitung, die sich gut im Alltag unterbringen lässt.

Ein anderes Thema ist der Umgang mit Gegner*innen.

Immer wieder fällt die Aussage, dass gewisse Sportarten wie Kampfsport und HEMA (Historical European Martial Arts) im Liverollenspiel generell nicht anwendbar und sogar kontraproduktiv seien. Für die offensiven Aspekte trifft dies auch eher zu, sonst würde der Ratschlag wohl nicht so oft fallen. Wer über Jahre gelernt hat, einen Gegner zu Boden zu bringen, oder gezielt auf den Kopf zu treffen, wie es viele historische Unterlagen lehren, kann sich schwertun, das Erlernte auszublenden. Wenn eine Technik zum Instinkt geworden ist, lässt sie sich nur schwer abstellen. Larp ist immer ein Miteinander, kein Gegeneinander und den*die Gegner*in zu verletzen ist nie das Ziel.

Einige wollen auch im Larp hoch hinaus
Einige wollen auch im Larp hoch hinaus

Genau aus diesem Grund können aber Vorkenntnisse aus genau diesen Sportarten auch, entgegen der genannten Richtlinie, besonders hilfreich sein. Wer einen Kampfsport korrekt trainiert, lernt, sich auf das Gegenüber einzulassen und eine Kampfsituation zu beurteilen. Das Gefühl für den eigenen Körper ist ausgeprägter und eine nicht unwesentliche Fähigkeit wurde erlernt: richtig zu fallen. Wer sicher fallen kann, ohne sich und andere zu verletzen, spielt vermutlich nicht nur schöner aus, wenn er oder sie getroffen wurde, sondern geht auch mit weniger Angst in eine Kampfsituation. Dazu kommt, dass Schwert und Schild, Messer und Bogen zumindest für die meisten Spielenden keine Alltagsgegenstände sind. Eine Sportart, die sich damit beschäftigt, diese Waffen als Sportgeräte zu begreifen und Kenntnisse über den richtigen Umgang mit ihnen zu vermitteln, verschafft Spielenden vor allem eins: Kontrolle. Natürlich ist es nicht sinnvoll, die “harten” Fähigkeiten wie effektive – sprich: kampfunfähig machende – Techniken einzusetzen. Die erlernten “weichen” Fähigkeiten wie Schwertführung und Selbstkontrolle allerdings schon, genauso wie ein geschärftes Bewusstsein für die Sicherheit des Gegenübers. Wer eine Waffe richtig führen kann, weiß vor allem auch, wann und wie sie richtig stoppt. Mitspielende wie auch NSC werden es zu schätzen wissen, und für die Darstellung kann es durchaus zuträglich sein.

Man kann also nicht sagen, dass (mittelalterliche) Kampfsportarten sich nicht ins Larp übertragen lassen. Es ist kein Muss, sich mit ihnen befasst zu haben, aber sicher, entgegen der zuvor genannten Faustregel, auch kein Nachteil. Nicht umsonst heißt es “Der*die gefährlichste Gegner*in ist ein*e blutige*r Anfänger*in”.

Das richtige Gefühl

Jeder Körper hat andere Bedürfnisse, reagiert ganz unterschiedlich auf Ausnahmesituationen und im Normalfall kennt jede*r Spielende den eigenen Körper am besten. Gerade im Groß-Con-Sommer kommen immer häufiger auch Extremwetterlagen dazu, die dafür sorgen, dass die Anstrengung zu groß wird oder Spielende sich über- und die Umgebung unterschätzen. Besonders dann, wenn ein Charakter gespielt wird, der vielleicht nicht menschlich oder an große Anstrengungen wie Schlachten und lange Märsche bei jedem Wetter und in mehreren Schichten Gewandung und/oder Rüstung gewöhnt ist. Dass das kaum jemand täglich leistet, liegt auf der Hand. Aber allein diese Erkenntnis reicht in den meisten Fällen schon aus. Wer auf das eigene Körpergefühl vertraut, kann sich bei Anstrengung richtig verhalten und sich die eigenen Kräfte besser einteilen.

Vorkenntnisse zahlen sich auch abseits des Schlachtfeldes aus
Vorkenntnisse zahlen sich auch abseits des Schlachtfeldes aus

Dafür sollte auch mit der zu tragenden Ausrüstung geübt worden sein. Einige Male vor der Veranstaltung die Hausarbeit in Kettenhemd und Rüstung erledigt zu haben, kann sich als unschätzbarer Vorteil entpuppen.

Was banal klingt, aber immer gilt: Schmerzen, die über Muskelkater und Feldbett-Verspannung hinausgehen, sind ein Warnsignal. Lieber schaut man einmal öfter bei den Sanitäter*innen oder der Spielleitung vorbei, als eine ernsthafte Verletzung zu riskieren. Denn auch, wer noch selbst die Zähne zusammenbeißen kann, wird durch Schmerzen weniger reaktionsschnell und so auch schneller zum Risiko für andere.

Was für den Körper gilt, gilt aber auch für den Blick auf die eigene mentale Gesundheit. Der große Reiz im Larp ist es, (Extrem-)Situationen auszuprobieren, im sicheren Rahmen die eigenen Grenzen auszutesten. Doch sind diese erreicht oder kommt eine Spielsituation, der Spielende sich nicht gewachsen sehen, beispielsweise ein Trigger – dann sollte auf das Gefühl vertraut werden. Kein Spiel ist so wichtig, dass man eine OT belastende Situation „durchziehen“ muss, und Mitspielende wie Spielleitung werden dafür Verständnis haben, wenn jemand an dieser Stelle abbrechen möchte.

Grundbedürfnis trifft auf Stress

Larp-Veranstaltungen gehen meist mit nicht alltäglichen Szenarien einher, wie der Durchführung von langwierigen Ritualen, der Notwendigkeit von Nachtwachen und -aktionen oder Kampfhandlungen im größeren oder kleineren Rahmen.

Gespielt wird in der Regel 24/7, das Spiel stoppt nicht. Dies geht unweigerlich zulasten von Schlaf, Nahrungsaufnahme und vorhersehbarer Tagesplanung, für Spielende und Veranstaltende gleichermaßen. Der Körper reagiert auf einen solchen Eingriff ab einem gewissen Punkt immer mit Stress, welcher durchaus auch positiv wahrgenommen werden kann.

Dann kann es passieren, dass Grundbedürfnisse nicht mehr oder nur noch vermindert wahrgenommen werden, Hunger und Durst werden ausgeblendet und Nächte durchgemacht.

Auch einfach mal Pause machen
Auch einfach mal Pause machen

Oft kommt dazu dann ins Spiel, was die Lage ins Kippen bringt: Alkohol, der dann besonders heftig wirkt, wenn die restliche Nahrungsversorgung eher mäßig ausfiel.

Genau wie in den anderen Bereichen gilt auch hier: Im Vorteil ist, wer die eigenen Grenzen kennt.

Für viele ist das Feiern am letzten Abend fester Bestandteil eines gelungenen Cons und gehört dazu. Und gerade, wenn man das fest einplanen möchte, lohnt es sich umso mehr, auch die restliche Veranstaltung über auf die eigenen Grundbedürfnisse zu achten sowie ein Auge auf diejenigen der Mitspielenden zu haben.

Fazit: Kenne Dich selbst

Es zeigt sich, sportliche Vorkenntnisse und eine gesunde Kondition machen das Leben als Larpende durchaus leichter. Wer schon einmal ein Schwert in der Hand hatte, weiß besser, wie man niemanden damit verletzt und wer weiß, wie man richtig fällt, tut das in der Regel nicht nur sicherer, sondern auch schöner. Aber niemand muss als Profisportler ins Larp gehen. Viel wichtiger ist es, zu wissen, wie die eigenen Vorkenntnisse, egal wo sie erworben wurden, zu Stärken werden können, die nicht nur das eigene, sondern auch das Spiel anderer bereichern.

Es ist nicht nötig, einen Marathon laufen zu können, wenn man weiß, wann ein beherzter Sprint zum Ziel führt. Die eigenen Fähigkeiten und Grenzen richtig einzuschätzen und vor allem auf die Signale von Körper und Geist zu achten, ist das beste Training, für Spielende und Veranstaltende gleichermaßen.

Wer sich sportlich ein wenig auf die nächste Larp-Saison vorbereiten möchte, tut sich und den Mitspielenden mit Sicherheit einen Gefallen. Und warum nicht auch das nächste Treffen der eigenen Gruppe nutzen, um gemeinsam zu schauen, wie es um die Fitness bestellt ist? Genau wie Liverollenspiel macht schließlich auch Sport am meisten Spaß gemeinsam.

Artikelbilder: © Nabil Hanano
Layout und Satz: Milanko Doroski
Lektorat: Saskia Harendt
Fotografien: Nabil Hanano

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