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Eine kleine Truppe aus Schurken und Betrüger wird gegen ihren Willen in eine Schatzsuche verwickelt. Auf der Reise erwarten die ungewöhnlichen Helden Meeresungeheuer, verfluchte Untote und alles, was man von einer ordentlichen Seeräubergeschichte erwartet. Doch wodurch kann sich Nils Krebbers erster Roman von anderen Vertretern des Genres abheben?

Spätestens seit Fluch der Karibik ist das Piratenabenteuer fest in unserer aktuellen Popkultur verankert. Daher ist es kein Wunder, dass allein der Titel des Buchs Keine Helden – Piraten des Mahlstroms bestimmte Assoziationen weckt: Exotische Settings, sympathische Halunken, ein bisschen Magie und vielleicht der eine oder andere Fluch, das erwartet man dieser Tage von einem Piratenroman. Erfüllt der erste Roman von Autor Nils Krebber diese Erwartungen, oder segelt er in eine ganz andere Richtung? Lichten wir die Anker und finden es heraus.

Story

„Was soll schon passieren?“ ist das sorglose Motto von Eberhart Brettschneider, das ihm beinahe zum Verhängnis wird. Er und seine Komplizin Aurelia sind Kleinganoven und Betrüger in der Hafenstadt Kammerbad. Bisher ist es ihnen gelungen, unter dem Radar des Imperiums und seiner religiösen Inquisition zu bleiben. Nun scheint die im Exil lebende Gräfin Estella del Mar, erfüllt von naiver Faszination für die Raubzüge des legendären Schreckenskapitäns, das ideale Opfer für ihren großen Coup zu sein. Diese Annahme erweist sich bald als große Fehleinschätzung. Die gerissene Adlige dreht den Spieß einfach um und plötzlich finden sich die beiden Gauner zwischen Nekromanten und Piraten auf einer großen Schatzsuche wieder, deren Ziel nichts Geringeres als die Eroberung einer ganzen Insel ist. Dass sie damit dem Imperium und seinen Schergen gehörig auf die Füße treten, ist schnell ihre geringste Sorge. Der beschworene Geist eines verfluchten Piraten lässt ahnen, dass einige der Legenden, die man sich in ihrer Heimat erzählt, entschieden mehr Wahrheit enthalten, als den Protagonisten lieb sein kann. Welche Geheimnisse enthält ihre adlige Auftraggeberin ihnen vor? Werden sie sich am Ende gar dem Schreckenskapitän selbst stellen müssen? Eberhardt und Aurelia suchen verzweifelt nach einer Möglichkeit, sich aus der Affäre zu ziehen, denn, wie sie immer wieder verzweifelt versichern, sie sind einfach keine Helden.

Trotz der Umwege, die seine Figuren gelegentlich zurücklegen müssen, erzählt Nils Krebber mit Keine Helden ein gradliniges und sehr unterhaltsames Abenteuer, bei dem eindeutig der Weg das Ziel ist. Mehr als von seinem konventionellen Setting lebt der Roman nämlich von seinen Figuren, sympathischen Außenseitern, die dem Titel alle Ehre machen. Da ist Aurelia, die flinke Diebin mit losem Mundwerk und einem heimlichen Gespür für das Richtige, deren tiefsitzende Angst vor dem Meeresgott Laros auf See eher hinderlich ist. Da sind Akbash und seine heruntergekommene Crew habgieriger Halunken, die bereit sind, sich und ihr Schiff für das Unternehmen zur Verfügung zu stellen, ohne zu ahnen, welche Opfer sie werden bringen müssen. Und da ist Joachim, der alterslose Totenbeschwörer, dessen Körper seit der letzten Beschwörung leider nicht mehr ganz ihm selbst gehört. Gemeinsam bilden sie eine vergnügliche Truppe, mit der man gerne Zeit verbringt. Mit von der Partie sind außerdem die geheimnisvolle Gräfin del Mar als Drahtzieherin des Unternehmens und ihr Leibwächter Adrian von Berg, seines Zeichens kirchlicher Inquisitor. Abgerundet wird die Aufstellung von Eberhardt Brettschneider als unkonventionellem Protagonisten: Beleibt und ängstlich, dafür aber mit einem messerscharfen Verstand ausgestattet, schummelt er sich durch allerhand kleine Abenteuer und muss doch immer wieder befürchten, dass am Ende eine Herausforderung stehen wird, vor der er sich nicht mehr drücken kann. Als einfacher, wenn auch nicht immer gesetzestreuer Händler, der selbst kein Seefahrer (geschweige denn Pirat!) ist, hat er allen Grund, den Ereignissen den Rücken zu kehren. Gleichzeitig schwindet aber seine Motivation, sich heimlich davonzuschleichen, je stärker seine Gefühle für den freundlichen Joachim werden, dessen Schicksal in den Händen der Gräfin liegt. Auch dies ist eine angenehme Abwechslung, denn Eberharts Homosexualität wird nie humoristisch ausgeschlachtet oder mit Klischees überhäuft. Dass die Protagonisten irgendwann im Verlauf der Reise ihr sprichwörtliches Herz aus Gold entdecken und eben doch zu Helden werden müssen, ahnt man zwar vom ersten Kapitel an, nimmt es dem Buch aber überhaupt nicht übel. Immerhin sind Geschichten von Helden, die keine sein wollen, in der Phantastik gang und gäbe.

Die Vorliebe fürs Rollenspiel merkt man Nils Krebber in seinem Erstlingsroman durchaus an. Episodisch schickt er seine Abenteurertruppe auf die immer gefährlicher werdende Schnitzeljagd, bei der in üblicher Manier magische Gegenstände gesucht und Geheimnisse gelüftet werden müssen, bis es zur finalen Auseinandersetzung kommen kann. Entsprechend hat der Aufbau selbst kaum Überraschungen parat, aber dank abwechslungsreicher Settings und phantasievoller Herausforderungen kommt beim Lesen keine Langeweile auf. Da stört es auch nicht, wenn man sich für das nach und nach enthüllte Geheimnis des Schreckenskapitäns nur mäßig interessiert. Ob man gerade das Auge des Leviathans, Kapitän Escobars Schiff oder das magische Unlicht sucht, bleibt zweitrangig. Die Hauptsache ist, man ist Teil der Crew und verlässt sich darauf, dass am Ende schon alles Sinn ergibt. Zum Glück tut es das dann auch und der Leser wird mit einem eindrucksvollen Finale belohnt, das sich sehen lassen kann.

Schreibstil

Keine Helden ist natürlich kein großer literarischer Wurf, sondern eben ein kurzweiliges Piratenabenteuer für zwischendurch. Die Sprache ist unkompliziert und der Roman lässt sich leicht runterlesen. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass es in den Dialogen kaum Varianzen gibt. Nahezu alle Akteure haben die gleiche Art zu reden und den gleichen Wortschatz. Das erlaubt es einerseits, sich ganz auf den Plot zu konzentrieren, ist aber natürlich andererseits auch eine vertane Chance, die Nebenfiguren, die eine klare Stärke des Romans sind, noch deutlicher zu unterstreichen.

Die Erzählung folgt überwiegend dem Protagonisten Eberhart, rückt ihn aber nie so sehr in den Vordergrund, dass er seine Mitstreiter in den Schatten stellt. Auch dieser klare Fokus trägt maßgeblich zur Leserfreundlichkeit des Buchs bei. Überhaupt ist die Anzahl der Schauplätze und Nebenfiguren recht überschaubar, so dass man der Handlung stets folgen kann, ohne ständig nach Karten oder Glossaren blättern zu müssen. Leider haben sich einige Tippfehler eingeschlichen, die man aber weitgehend überlesen kann.

Der Autor

Nils Krebber wurde 1975 geboren und ist Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik. Mit Keine Helden: Piraten des Mahlstroms legte der passionierte Rollenspieler 2017 seinen ersten Roman vor. Da Krebber mit seiner Familie in Hamburg lebt, ist er aktuell außerdem bei lokalen Projekten wie der Altonale oder der Anthologie Arkanes Hamburg vertreten.

Erscheinungsbild

Das Cover von Keine Helden – Piraten des Mahlstroms zeigt dem Thema gemäß ein Schiff und einen Riesenkraken in aufgewühlter See vor einem gelben Himmel. Die Piratenflagge darüber ziert im Buch außerdem jeden Kapitelanfang. Der Amrûn-Verlag liefert hier ein verhältnismäßig großes und robustes Taschenbuch, das man getrost mit auf Kaperfahrt nehmen kann.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Amrûn
  • Autor: Nils Krebber
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 301
  • ISBN: 978-3-9586-9296-1
  • Preis: 12,90 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, lokaler Buchhandel

 

Fazit

Das Setting von Keine Helden – Piraten des Mahlstroms liefert genau das ab, was man von einem Piratenroman erwartet. Der Versuch einer zusammengewürfelten Truppe von Kleinganoven, hinter das Geheimnis des Schreckenkapitäns zu kommen, ist es ein vergnügliches Abenteuer mit erfrischenden Charakteren. Man fühlt sich beim Lesen gut unterhalten. Zwar sind die Aufgaben, welche die unfreiwilligen Helden erwarten, keinesfalls ungewöhnlich: Stück für Stück werden die Hintergründe der Welt aufgedeckt, nach und nach müssen magische Gegenstände zusammengesucht werden und man ahnt schon ungefähr, worauf das alles hinauslaufen wird. Doch die einzelnen Stationen der Abenteurer sind stets wohl durchdacht und nicht ohne einen gewissen Charme.

Dabei sind es vor allem die liebevoll gezeichneten Charaktere, die für die richtige Stimmung sorgen. Wo der Handlung etwas Wind in den Segeln fehlt, bringen die sympathischen Figuren einen sicher durch die Flaute. Wer Spaß an Piratengeschichten hat und auf der Suche nach leichter Unterhaltung ist, wird viel Freude damit haben.

Alles in allem kann man Autor Nils Krebber zu diesem gelungenen ersten Roman gratulieren, der hoffentlich keinesfalls sein letzter ist. Auch Eberhart Brettschneider und seine Gefährten würde man gern auf weiteren Reisen begleiten.

Artikelbild: Amrûn
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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