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Im Zuge von Legacy treffen bei Marvel nun neuste Inkarnationen von altbekannten Helden auf ihre Vorgänger. Die Beliebtheit von Zeitreiseabenteuern hat seit den 80er-Jahren nicht nachgelassen. Doch schaffen es die beiden Paperbacks wirklich, spannende Geschichten zu erzählen, oder verschwinden sie direkt wieder im Raum-Zeit-Kontinuum?

Viele alte Helden des Marvel-Universums haben bereits Nachfolger, die in ihre Fußstapfen getreten sind. Als Beispiel sind hier Miles Morales als Spider-Man oder Laura Kinney als Wolverine zu nennen. Die Bände Generations #1 und #2 beinhalten nun jeweils fünf Treffen der Generationen, in denen der Nachfolger auf seinen Vorgänger trifft. Jedes Treffen ist mit einer Zeitreise verbunden. Davon bewegt sich eine sogar in die Zukunft und bei einer muss Uatu the Watcher eingreifen, damit der Verlauf der Geschichte nicht geändert wird. Ausgelöst werden diese Raum-Zeit-Anomalien durch Kobik und die Ereignisse aus Secret Empire. Ob eine höhere Absicht dahinter steckt, darf diskutiert werden. Als Leser kann man sich über Team-Ups freuen, die Marvel-Klassiker mit modernen Helden zusammenbringen. Der Band Generations #1 beinhaltet Geschichten über Thor, Jean Grey, Hulk, Wolverine und Hawkeye. Im zweiten Band findet man Iron Man, Captain Marvel, Spider-Man, Ms. Marvel und Captain America.

Handlung

In der ersten Geschichte reist Jane Foster überraschend weit in die Vergangenheit ins alte Ägypten und hilft Thor Odinson im Kampf seiner Wikinger gegen Apocalypse. Hier erlebt man viel Action, aber wenig Überraschungen. Am Ende wird aber noch einmal Odins Beziehung zu Phoenix angeteasert, die auch im Legacy-Heft thematisiert ist.

Danach trifft die junge Jean Grey eine junge Phoenix, bei der die Ereignisse der Dark Phoenix Saga kurz bevor stehen. Da Jean noch nicht viele Erfahrungen mit dem Phoenix gemacht hat, hat sie natürlich unglaublich viele Fragen. Das Abenteuer beginnt am Strand und endet irgendwo in der Galaxis. Dieser Widerspruch sorgt unter anderem dafür, dass diese Erzählung besonders belanglos wirkt.

Ebenfalls vorhanden ist eine Geschichte, in der Amadeus Cho und Bruce Banners Hulk zusammen in der Wüste gegen Hubschrauber, Panzer, seltsame Monster und sich selbst kämpfen. Eine klassische Hulk-Story-Line, die dadurch aber auch bedeutungslos wirkt. Der logische Schluss, dass die Fähigkeiten des Hulk mehr Fluch als Segen sind, wird zumindest hier nicht deutlich.

Gelungenere Storys

Wirklich interessant ist dagegen die Wolverine-Story. Hier versuchen Logan und Laura gemeinsam die entführte Akiko, eine Pflegetochter von Logan, zu befreien. Sie kämpfen sich dabei durch haufenweise Ninjas der Hand. Die Dynamik zwischen den beiden Figuren funktioniert sehr gut und für die Länge der Geschichte wird sogar ansatzweise Spannung aufgebaut.

Auch als gelungen kann ich die Geschichte bezeichnen, in der Hawkeye und Hawkeye (also Kate und Clint) zusammen auf einer Insel sind, auf der eine Art Hunger Games veranstaltet werden. Die illustre Riege der Antagonisten sorgt für die nötige Dynamik und der mysteriöse Veranstalter für eine gesunde Portion Spannung.

Der zweite Band beginnt mit einer Reise in die Zukunft. Hier trifft Ironheart auf Tony Stark, der nicht mehr als Iron Man, sondern als Sorcerer Supreme unterwegs ist. Wirklich viel passiert hier nicht. Dafür wird das Szenario genutzt, um besonders eindrucksvolle Storyboards zu zeichnen und ein wenig von einer Utopie des Autors zu erzählen.

Carol Danvers ist gleich zweimal in dem Band vertreten. Zuerst reist sie selbst durch Zeit und Raum, um in der Negative-Zone auf den ursprünglichen Captain Marvel zu treffen, der sie aus irgendeinem Grund auch nicht wiedererkennt. Hier wird ein wenig mit den Geschlechterklischees gespielt und beide müssen sich für ihr Handeln verantworten. Dabei kommt aber weder Spannung noch Drama auf.

Tiefgang und Nostalgie

Das Treffen der zwei Spider-Men kommt ohne einen großen Kampf aus und wirkt eher wie eine etwas intimere Begegnung, in der beide Figuren mit ihren eigenen Ängsten und Gefühlen zu kämpfen haben. Dadurch bleibt hier auch ein etwas besserer Eindruck zurück als in den Stories, in denen es nur um einen einzelnen anspruchslosen Kampf gegen die Größen des Marvel-Universums geht.

Ebenfalls aus der Zeit gefallen, scheint das Treffen von Kamala Khan (Ms. Marvel) und der früheren Carol Danvers zu sein. Carol arbeitet als Chefredakteurin für eine Frauenzeitschrift des Daily Bugle, als eine außerirdische Bedrohung den Verlag aufkaufen will. Nur Kamala kann durch eine feministische Kolumne helfen. Ich mag den ironischen, aber auch politischen Unterton dieser Geschichte, der den Stil alter Comichefte humoristisch persifliert.

Zum Schluss gibt es noch eine Geschichte, die komplett anders ist als die anderen Zeitreise-Geschichten. Dies liegt auch daran, dass sich Kobik für Steve Rogers und Sam Wilson etwas Besonderes überlegt hat: Sam darf ein ganzes Leben in der Vergangenheit verbringen und die komplette Karriere von Captain America mitverfolgen. Das weckt Nostalgie und funktioniert erstaunlich gut.

Charaktere

Die Figuren sind nicht umsonst ein paar der beliebtesten Figuren aus Marvels Heldenportfolio. Der zukünftige Iron Man wirkt eher wie Doctor Strange als Tony Stark, doch die anderen Charaktere sind so, wie man sie in Erinnerung hat. Clint Barton ist ein Aufreißer, Logan eine coole Sau und Steve Rogers der ruhige Anführertyp. Die Auswahl der Charaktere verspricht interessante Geschichten, und auch die klassische Darstellung der alten Riege ist mit einer wunderbaren Portion Ironie gespickt. Was dabei aber auffällt, ist die Tatsache, dass die neue Heldenriege sich sehr stark ähnelt und die meisten Geschichten über passiv bleibt, während sie staunenden Auges die Zeit beobachtet, in der sie gelandet ist. Ein wenig mehr selbstständige Persönlichkeit hätte den Figuren gut getan.

Zeichenstil

Jeder Comic wurde in einem ganz eigenen Stil gehalten. Besonders sticht der klassische Stil des Spider-Man-Treffens hervor. Dicke Linien und blasse Farben unterstreichen das Gefühl, dass die Figuren aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Die Wolverine-Geschichte ist schön atmosphärisch koloriert und die Zukunftsvision von Iron Man erinnert zeitweise an Yellow Submarine. Auf Grund der Vielfalt der Zeichnungen ist es schwer, zu einem einheitlichen Urteil zu kommen. Kein Stil wirkt wirklich deplatziert, und es ist schön, in den Heften ein so breites Spektrum mitzubekommen.

Erscheinungsbild

Die Titelbilder kommen in edlem weiß daher und machen, wie auch die Hefte, einen guten Eindruck. Das Papier des zweiten Bandes ist im Gegensatz zum Hochglanzdruck des ersten Bandes leicht rau und in der Haptik dadurch angenehmer. Beide zeugen aber von hochwertiger Verarbeitung. Über das beliebte Paperback-Format braucht man nicht viele Worte verlieren. Die Einteilung in zwei Bände ist diskussionswürdig, aber ein Kompromiss zwischen Einzelveröffentlichungen und einem dicken Megaband.

Die harten Fakten:

Generations #1

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): Greg Pak, Tom Taylor, Cullen Bunn, Kelly Thompson, Jason Aaron
  • Zeichner(in): Mahmud Asrar, Ramon Rosanas, Matteo Buffagni, R.B. Silva, Stefano Raffaele
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 164
  • Preis: 17,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon,  Panini-Comics

 

Generations #2

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): Brian Michael Bendis, G. Willow Wilson, Nick Spencer, Margaret Stohl
  • Zeichner(in): Ramon K. Perez, Paul Renaud, Brent Schoonover, Marco Rudy, Paolo Villanelli
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 164
  • Preis: 17,99 EUR
  • Bezugsquelle: AmazonPanini-Comics

 

Fazit

Wer einmal ein altes Comicheft verschlungen hat, kann den Reiz verspüren, den diese beiden Bände ausstrahlen. Die Geschichten wirken teilweise ein wenig verschroben, aber in sich geschlossen und ohne zu viel Ballast. Die Zeichnungen sind gut gelungen und können mit anderen modernen Veröffentlichungen mithalten. Leider hat aber kaum eine der Geschichten einen wirklichen Mehrwert. Die Handlungen sind so geschrieben, als ob die modernen Charaktere durch die Beobachtung ihres Vorgängers eine neue Erkenntnis gewinnen würden, doch eine erkennbare Charakterentwicklung findet nicht statt. Aber vielleicht wollen das die Generations-Bände auch gar nicht. Es sind Comics zum Schmökern, zum Schwärmen und eventuell, um eine der Figuren neu zu entdecken. Wer nicht mehr möchte, kann gerne zugreifen. Die Geschichten, die ich lesenswert finde (Wolverine, Hawkeye, Spider-Man, Ms. Marvel und Captain America), hätten zusammen eine höhere Wertung verdient gehabt. Doch man bezahlt bei dem Preis auch ein paar bedeutungslose Episoden mit. Zusammen ergibt das eine sehr durchschnittliche Bewertung und jeder muss für sich entscheiden, ob er den nostalgischen Sprung in die Vergangenheit wagen will.

 

Artikelbilder: © Panini Comics, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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