Geschätzte Lesezeit: 11 Minuten

Was einst mit Dungeons(&Dragons) begann, kehrt nun wieder an den Rollenspieltisch zurück: Gefangen im Grab der Königin verspricht Escape-Room-Flair, ob es das auch liefert, haben wir getestet. Redakteur Torben hat sich eine mutige Gruppe zusammengesucht und die alhanischen Grabkammern für euch erkundet.

Dem Blöden wird das Glück nicht zu teil, der Kühne sucht die Gefahr auf und er freut sich mit ihr; sie hilft ihm wieder entkommen.


– J.W.v. Goethe (Versepos, Reinecke Fuchs, 1794)

 

Sowohl Das schwarze Auge, als auch Dungeons&Dragons sind im Laufe der Jahrzehnte weit über den Status des Dungeon-Abenteuers, des Erkunden von Kellern, Gewölben und Kavernen, hinausgewachsen. Auch die Escape-Rooms, die sich von dem 70er-Jahre Adventure-Games zum Life-Abenteuer weiterentwickelt haben, gehen heute verschiedenste Wege. So findet man mittlerweile in jeder größeren Stadt Escape-Rooms zu diversen Themengebieten und mit unterschiedlich aufwändigem medialen Einsatz, wie Hörspielen oder Filmpräsentationen.
In Gefangen in der Gruft der Königin stoßen diese beiden Phänomene, Dungeon-Abenteuer und Escape-Room, nun erstmalig (wieder) aufeinander.

Im Laufe des letzten Monats hatte ich das Glück, anlässlich einer Geburtstagsfeier, einen der neusten und modernsten Escape-Rooms in Hamburg zu besuchen. Die Spannung, die tollen Rätsel und die besondere Atmosphäre dienten mir beim Schreiben meiner Rezension als hervorragende Vergleichsmöglichkeiten. Wie aufregend und herausfordernd der vorliegende Dungeon war, konnte ich anschließend mit Hilfe einiger Freunde am Spieltisch erfahren.

An dieser Stelle sei explizit darauf hingewiesen, dass diese Rezension Spoiler beinhaltet! Die Aufzeichnungen der Helden sind gezwungenermaßen mit Ingame-Informationen gefüllt.

Auf diese besondere Reise haben sich begeben:

Zwerg Aborax (Architekt und Tunnelgräber),
Beltana von Löwenstein (Kundschafterin der Amazonen),
Cusimo Pelegrippa (Nandusgeweihter aus Belhanka),
Dschelef Assan (Magier aus Khunchom),
Undi Jonasson (Grabräuber und Hobby-Archäologe aus Thorwal)

Inhalt

In aller Kürze zusammengefasst, befinden sich die Helden in einer Stadt in Tobrien. Dort werden sie auf ein paar alte Artefakte aufmerksam und versuchen deren Herkunftsort zu erfahren. Auf diese Weise stoßen sie auf eine alte Grabanlage der Al’Hani, die ihnen zum Verhängnis wird. Nur durch das Lösen diverser Rätsel können sie den teilweise tödlichen Fallen und Vermächtnissen der Zauberpriesterinnen entfliehen.

Erste Eindrücke des Spielleiters

Das Abenteuer ist gut strukturiert und bietet an vielen Stellen sowohl dem Spielleiter, als auch den Helden Freiheiten. Die Szenerie startet in einer Stadt in Tobrien, dabei sind drei größere Städte zur Auswahl gegeben und mit entsprechenden Hintergründen versehen. Ob die Helden sich aber in Mendena, Eslamsbrück oder Perainefurten ins Abenteuer stürzen, ist ihnen überlassen. Die wichtigsten Personen, denen sie auf ihrer Suche nach dem Ursprung der Artefakte begegnen können, sind für alle Städte gleich benannt, haben aber unterschiedliche Charaktereigenschaften bekommen. So bewirtet Kunibald in Eslamsbrück gerne das Söldnervolk, während er in Mendena Soldaten eher für „rücksichtslose Bastarde“ hält, oder in Perainefurten besonders freundlich zu gutbetuchten Reisenden ist.

Personen und Orte sind detailliert beschrieben und werden für den Schnellleser mit zusammenfassenden Informationsboxen unterstützt. Handouts sind auf die Innenseite des Einbandes gedruckt worden und für meinen Geschmack etwas zu klein geraten. Hierfür hätte man sicher ein paar Seiten am Ende des Bandes freimachen können. Insgesamt sind aber viele hilfreiche Abbildungen und Rätselhinweise enthalten.

Ebenso nützlich sind die Informationen zu den Al’Hani und ihrer Geschichte. Hilfreich sind daneben auch die Hinweise zur Wahl der Helden. Hier wird nicht nur die typische Problematik von Rätsel-Abenteuern geklärt (Was mache ich mit einem Hellsichtsmagier in der Gruppe?), sondern auch Anreize und Motivationen für diverse Heldentypen mitgeliefert. Ein sehr banal klingendes Problem wird an dieser Stelle allerdings außer Acht gelassen: Wie gehe ich mit dem Unterschied zwischen Helden- und Spielerwissen um? Im Gegensatz zum Escape-Room, wo der Spieler auf sein eigenes Wissen zurückgreifen muss, steht dem aventurischen Helden häufig ganz anderes Wissen zur Verfügung, wenngleich der Spieler seine eigene Logik zum Rätsellösen benutzen muss. Eine Lösung wird nicht angeboten. Mháire von der LateNerdShow, die dieses Problem ebenfalls erkannt hat, weist darauf hin, dass es eine Möglichkeit wäre, Proben würfeln zu lassen, um Tipps für das Lösen der Rätsel zu bekommen. Danke für diese Idee.

Wer anderweitig Hilfe benötigt, kann auf die Gestalt der Hanija vertrauen – ein Geist, der gerne weiterhilft, wenn die Helden feststecken. Hanija übernimmt damit die Rolle des Escape-Room-Spielleiters.

Das Abenteuer – Akt I.

Aus den Aufzeichnungen des Cusimo Pelegrippa:

Es begann in einer Taverne. Beginnt es nicht immer in einer Taverne? Aborax, der genüsslich tabak-kauende Zwerg, Beltana, die Amazone mit den starken Oberarmen, die sich mit Undi unserem Thorwaler im Armdrücken maß, und Dschelef, der verzweifelt versuchte in einem Buch zu lesen, saßen zusammen und warteten. Worauf? Auf mich! Ach so, ich habe vergessen mich vorzustellen. Ich bin Cusimo Pelegrippa, Geweihter des Herren Nandus. Also, wie gesagt, unsere Gruppe, die sich erst vor ein paar Wochen hier in Mendena zusammengefunden hatte, wartete auf mich. Ich hatte mich verspätet, denn meine alte Freundin Wulfriede Birkenhain hatte mich auf ein Wort in ihre Studierstube gebeten. Was ich dort erfahren hatte, war für uns alle von großem Interesse, hieß es doch ein neues Abenteuer beginnen.

Ich wurde nun also mit unterschiedlich ausfallender Freude begrüßt – Aborax grummelte nur irgendetwas in seinen Bart. Nachdem ich mir von Wirt Kunibald einen Humpen feinen Bieres bestellt hatte, erzählte ich alsbald von unserem neuen Auftrag. Wir sollten uns im Hehlermillieu umhören, um dort alhanischer Kunst auf die Spur zu kommen. Dafür sollten wir eine reichliche Belohnung von fünf Dukaten erhalten. Schnell waren alle überzeugt und unseren Recherchen stand nichts mehr im Wege – außer dem vollen Humpen Bier.

Aus den Aufzeichnungen des Aborax:

Der Großling Cusimo hatte mal wieder was organisiert. Sollten nach Kunst suchen al‘anfanisch oder so. Sind dann in der halben Stadt umhergelaufen. Warum bin ich nochmal mit? Ach ja, sollte gutes Gold dafür geben. Haben dann auch eine Spur gefunden, die zu so einem Hehler geführt hat. Dafür musste Beltana erst mal einen Goblin verhauen, aber das hat geholfen. Den Hehler haben wir dann nicht verhauen, der hat uns auch so verraten woher er die Ware hatte.Anmerkung des Spielleiters: Das Abenteuer lässt offen, wie die Helden an die nützlichen Informationen gelangen. Es werden aber diverse Vorschläge beschrieben, der Einsatz der Faust ist nur eine davon. Letztlich können die Helden ein Hehlerversteck ausfindig machen und in Erfahrung bringen, dass eine Abenteuerin die Artefakte verkauft hat. Finden sie die Abenteuerin, so gibt es eine Verfolgungsjagd über die Dächer der Stadt. Hier werden verschiedene Abschnitte der Verfolgungsjagd mit regeltechnischen Besonderheiten dargestellt, wie dem Hinaufklettern oder dem Herabspringen vom Dach. Eine sehr gelungene Abwechslung.

Aus den Aufzeichnungen der Beltana:

Hatte uns die Göre doch in die Irre leiten wollen und versucht über die Dächer zu entkommen. Auf Hilfe durch Aborax mit seinen kurzen Beinen war hier oben nicht zu hoffen, und auch Dschelef in seiner Robe war keine große Hilfe. So musste ich mal wieder mein Geschick beweisen. Während Cusimo und Undi sich noch gegenseitig auf das Dach hinaufhalfen, hatte ich die Fliehende bereits in einer angrenzenden Gasse gestellt. Cusimo argumentierte dann auch sehr überzeugend und besorgte uns die Informationen, die wir brauchten. Meine Faust in ihrer Magengrube wäre sicher genauso überzeugend gewesen. Naja, auf jeden Fall wussten wir nun, dass die Artefakte aus einem Grab zwei Tagesreisen von hier stammten. Wir mussten nur noch ein paar Besorgungen auf dem Markt machen, Ausrüstung kaufen und unsere Gäule abholen, dann konnten wir uns auch schon auf den Weg dorthin machen. Das Tagebuch, dass Cusimo immer wieder studierte, sollte uns helfen die Grabkammern unbeschadet zu erforschen.

Anmerkungen des Spielleiters: Für die Reise durch das tobrische Land gibt es einige Zufallsbegegnungen, sodass auch der Reisepart des Abenteuers nicht langweilig wird.

Das Abenteuer – Akt II.

Der zweite Teil des Abenteuers beginnt mit einer Übersicht über die Geschichte des Grabmales und einer detaillierten Beschreibung des vorliegenden „Rätselpfades“.  Hierbei wird es dem Spielleiter überlassen, wie er das Grab letztendlich gestaltet. Mehr noch, mit Hilfe der Kopiervorlagen der Wabenräume, kann die Grabanlage theoretisch vollkommen frei gestaltet werden. Für diejenigen, die sich nicht die Mühe machen wollen, gibt es eine übersichtliche, wenn auch etwas klein geratene, Karte.

Bevor die einzelnen Räume und die enthaltenen Rätsel vorgestellt werden, kann man sich mit dem Aufbau des Grabmales im Allgemeinen und dem wichtigsten Bewohner „Geist Hanija“ vertraut machen. Letztere fungiert, wie bereits beschrieben, als hilfreiche Tippgeberin.

Aus den Aufzeichnungen des Dschelef:

Da waren wir nun, in den Tiefen der Grabanlage alhanischer Zauberpriester. Dass wir nicht die Ersten waren und hier diverse Gefahren lauern mochten, das wurde bereits durch die skelettierten Corpi klar, welche wir fanden. Kaum waren wir über die Schwelle getreten, hatten wir auch schon Gesellschaft bekommen. Während ich noch die Zeichen des alten Alaani versuchte zu übersetzen, materialisierte sich eine körperlose Gestalt. Was war ich froh, als ich erfuhr, dass es sich um die Zauberpriesterin Hanija handelte, die hier ihr Dasein fristete. Noch froher war ich wohl, dass sie uns wohlgesonnen war. Etwas angenehmer wäre unser Gespräch sicherlich verlaufen, wenn Undi bei ihrem Anblick nicht in heillose Panik verfallen wäre. Thorwalscher Aberglaube …

Anmerkung des Spielleiters: Die im Anhang befindlichen Regeln zum Umgang mit Panik lassen sich besonders gut bei der ersten Erscheinung Hanijas testen und sind für diverse Situationen innerhalb des Grabmals einsetzbar. Besonders lustig wurde es empfunden, wenn mehrere Personen in Panik verfallen, diese sich aber unterschiedlich äußert. So ist ein vor Angst brabbelnder Zwerg vielleicht nicht allzu ungewöhnlich, ein panisch schreiender Thorwaler von zwei Schritt Größe vielleicht schon.

Aus den Aufzeichnungen des Undi:

Geister, warum müssen es immer Geister sein?
Nachdem wir uns kriechend und krabbelnd endlich bis in das Heiligtum des Grabes vorgewagt hatten, passierte das, was ich die ganze Zeit befürchtet hatte: Geröll von oben! Und ich sag noch: Das riecht nach Falle hier drin. Aber es wollte ja keiner auf mich hören. Naja, blieb uns dann nichts anderes übrig als einen anderen Weg hier raus zu finden. Hat ziemlich lange gedauert. Gut das Cusimo dabei war, mussten uns durch einige knifflige Rätsel arbeiten. Und ohne Beltanas Schwertarm wären wir sicher auch nicht alle lebend hier herausgekommen. Hat sich aber gelohnt. Ich glaube, ich werde diesen Hehler nochmal aufsuchen.

Anmerkung des Spielleiters: Der Verlauf des Abenteuers ist an dieser Stelle sehr linear, was sich aber leicht mit dem Rätselpfad der Priesterinnen erklären lässt. Dabei reichen die vorgeschlagenen neun Rätsel von Logikrätseln, die vornehmlich eher von den Spielern gelöst werden, bis hin zu Geschicklichkeitsrätseln. Letztere werden anhand von Proben-Würfen absolviert. Das Abenteuer bietet zu jeder Rätselform auch stets eine würfelbare Lösung an, sodass es der Gruppe selbst überlassen ist, ob sie lieber rätseln oder würfeln möchte. Eine ausgewogene Mischung ist hier zu empfehlen. Der Anhang bietet überdies noch weitere Rätsel. Wer eine eher kampflustige Gruppe leitet, kann die eher leeren Räume durchaus mit weiteren Geister- oder Untotenbegegnungen füllen.

Neben dem erlangten alhanischen Wissen bietet das Abenteuer eine Reihe diverser Beutestücke, die aus dem Grabmal mitgenommen werden können. Und selbstverständlich ist die wiedergewonnene Freiheit die größte Belohnung, die die Helden bekommen.

Erscheinungsbild

Das Abenteuer besticht durch tolle Grafiken. Beginnend mit einem tollen Covermotiv von Christian Schob, setzten sich die tollen Darstellungen mit Innenillustrationen von Charakteren, Artefakten und Rätselhinweisen bis zum Ende fort. Die Papierqualität und Lesbarkeit ist seit Beginn der DSA5-Publikationen kaum mehr zu bemängeln. Lediglich die Handouts hätten etwas mehr Platz bekommen können. Die 64 Seiten sind atmosphärisch gestaltet und äußerst gut strukturiert, was die Handhabung für den Spielleiter sehr erleichtert.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ulisses Spiele GmbH
  • Autor(en): Jeanette Marsteller
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: DIN A4
  • Seitenanzahl: 64 Seiten
  • ISBN: 978-3-95752-975-6
  • Preis: 14,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, Sphärenmeister, Ulisses eBooks

 

Bonus/Downloadcontent

Als Downloadcontent bietet Ulisses die zusammengefassten Handouts dieses Produktes in einer PDF-Datei an.

Fazit

Zwergenarchitekt Aborax findet die Wabenstruktur des Grabes grässlich, kann sich aber mit dem sehr guten Aufbau und der Struktur des Abenteuers anfreunden. Amazone Beltana ist um eine Mumien-Kampf-Erfahrung reicher und freut sich, dass ihre weniger kriegsgelehrten Freunde, aufgrund der geringen Anzahl an Gegnern, unbeschadet davongekommen sind. Nandusgeweihter Cusimo sitzt noch immer an einigen Rätseln. Im Buch standen genug, um ihn für viele weitere Stunden zu beschäftigen. Magier Dschelef hätte gerne mit mehr Geistern gesprochen und empfand das Grab als bedauernswert leer. Dafür kennt er jetzt alhanisches Geheimwissen und die neuen Panikregeln. Grabräuber Undi hat sich die Taschen mit tollen Schätzen gefüllt und freut sich auf das nächste Treffen mit seiner neuen Hehler-Bekanntschaft.

Alles in allem ein gelungenes Abenteuer, das spannende Unterhaltung und Nervenkitzel verspricht. Der Bezug zum Escape-Room ist vorhanden, wird aber durch das entscheidende Manko des fehlenden Zeitdruckes nicht vollkommen umgesetzt. Trotzdem wird durch den schönen Erzählstil und das gewählte Setting eine angenehme Atmosphäre aufgebaut, die nicht zuletzt durch die Illustrationen lebendig wirkt. Hier wurde das Rad nicht neu erfunden, aber dem typischen Dungeon-Abenteuer ein paar ansehnliche neue Fallen, Rätsel und Ideen beigemengt.

 


mit Tendenz nach oben

 

Artikelbilder: Ulisses Spiele GmbH
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

4 Kommentare

  1. Spielen es auch gerade und macht allen Freude. Was das Cover betrifft so gefällt mir die Illustration eher weniger, da ich mir wünschen würde, die abgebildeten Helden sehen aus wie Erwachsene und nicht wie 17-jährige. Überhaupt ein Trend bei vielen DSA -Illustrationen wie mir scheint – Aventurien scheint in erster Linie aus sehr jungen, attraktiven Personen mit Modelmaßen zu bestehen :-/

  2. Die Handouts gibt es zum Download auf der entsprechenden Produktseite bei Ulisses, das erleichtert das Leben doch erheblich. Hätte man als Rezensent schon mal nachsehen können, ob es wirklich keinen Downloadcontent gibt;)

  3. Vielen Dank für den Hinweis, das habe ich tatsächlich übersehen. Da ich mir die Handouts immer aus den Büchern kopiere ist das beim Spielen nicht so schwer ins Gewicht gefallen, aber in der Tat ist es mit dem Downloadcontent etwas komfortabler.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein