Geschätzte Lesezeit: 16 Minuten

7 Staffeln lang haben Marvels Geheimagenten die Welt vor Hydra, Inhumans, Aliens und anderen Gefahren beschützt. Jetzt geht ihre Reise zu Ende und damit auch ein Kapitel Marvel-Fernsehgeschichte. Doch vorher machen sie noch einmal eine große Tour durch die Vergangenheit von S.H.I.E.L.D. mit vielen bekannten Gesichtern…

Totgesagte leben länger, das weiß auch der mehrmals verstorbene und wiederbelebte Agent Phil Coulson. In den vergangenen Jahren wollte der Sender ABC die unprofitable Serie rund um Marvels Superagenten immer wieder einstellen, da die Zuschauerzahlen von Staffel zu Staffel sanken. Doch Mutterkonzern Disney intervenierte jedes Mal, ließ die Serie weiterlaufen. Schon mehrfach bereitete sich das Produktionsteam rund um die Showrunner Maurissa Tancharoen und Jed Whedon auf das Ende vor. Staffel 5 wurde sogar mit einem Finale versehen, das die Serie endgültig abschließen sollte. Doch dann kam die überraschende Meldung, dass Agents of S.H.I.E.L.D. (AoS) um zwei letzte Staffeln verlängert wird. 6 und 7 wurden an einem Stück produziert und bauen inhaltlich aufeinander auf. Jetzt sind die letzten beiden Episoden von Staffel 7 ausgestrahlt worden und es ist nicht übertrieben zu sagen, dass dieses Finale in jeder Hinsicht das Endgame von Agents of S.H.I.E.L.D

Warnung: Enthält offene Spoiler für alle Staffeln von AoS mit Ausnahme des Finales (Spoiler zum Finale sind in Spoilerboxen versteckt).

Story

Im Finale von Staffel 6 ging es Schlag auf Schlag ab: Izel und Pachakutiq waren zwar besiegt, aber May tödlich verletzt und Yo-Yo in akuter Lebensgefahr, nachdem sie einen Shrike verschluckt hatte. Dann tauchte urplötzlich Simmons mit anderer Frisur und ohne Fitz auf, holte alle in die fliegende Basis Zephyr One ab und erklärte, das Team müsse jetzt aufbrechen. Nach einem Sprung mit dem neuen Antrieb des Zephyr fanden sich alle plötzlich im Jahr 1931 wieder – und Coulson war wieder mit an Bord, allerdings als Roboter…

Dieser harte Cliffhanger ließ Fans ratlos zurück. Tancharoen und Whedon lassen sich aber beim Staffelbeginn bewusst Zeit und erklären nach und nach, worum es ging: Die künstlichen Chronicoms, Enochs Rasse, verloren durch Izel ihren Heimatplaneten Chronyca-2. Jetzt werden sie von Extremisten angeführt, die die Erde zu ihrer neuen Heimat Chronyca-3 erklären wollen. Anführerin Sibyl hat dabei den „Time Stream“, eine Sammlung möglicher Zukunftsszenarien, untersucht und festgestellt, dass der Eroberung der Erde nur eines im Weg steht: S.H.I.E.L.D. Damit das dezimierte Volk nicht gegen die geballte Macht der irdischen Agenten ankämpfen muss, reisen sie in der Zeit zurück, um die Organisation zu zerstören, bevor sie Widerstand leisten kann. Fitz und Enoch haben dies vorhergesehen und daher mehrere Vorkehrungen getroffen: Sie haben eine Chronicom-Zeitmaschine in den Zephyr eingebaut und ein Life Model Decoy (LMD) erschaffen, das nicht nur wie Coulson aussieht, sondern auch seine Erinnerungen hat. Der neue Coulson soll seinem Team mit seiner langjährigen Erfahrung sowie seinem Wissen über die Geschichte von S.H.I.E.L.D. aushelfen.

Agents of SHIELD © ABC

Soweit verständlich? Nein? Auch die Teammitglieder rund um Direktor Mack sind über Simmons‘ Erklärungen erst einmal perplex, finden sich aber schnell in der neuen Rolle als Zeitagenten zurecht. Von den 30er Jahren springen sie weiter in die 50er, 70er und schließlich in die 80er Jahre, immer den versteckten Anweisungen von Fitz folgend. Der brillante Ingenieur hat einen Masterplan, um die Chronicoms aufzuhalten, den aber nicht einmal Simmons und Enoch kennen. Die beiden haben Fitz‘ Aufenthaltsort aus ihren Gedächtnissen gelöscht – zu groß ist die Gefahr, dass die Chronicoms ihn aufspüren und den Plan vereiteln. Bei den Zeitsprüngen erschaffen die Agenten durch ihre Aktionen eine ganz neue Geschichte für S.H.I.E.L.D. und Hydra, in der einige Dinge früher passieren. Und nebenbei treffen sie auf einige interessante Gestalten wie etwa den Großvater der Koenig-Geschwister (natürlich gespielt von Patton Oswald, wie alle männlichen Koenigs in den vorigen Episoden) oder Daniel Sousa, den Ex-Partner von Peggy Carter.

Erst in den Episoden 12 und 13, dem Finale der Staffel (und der Serie als Ganzes) wird erklärt, was der eigentliche Plan war und wieso alles geheim bleiben musste. Nur so viel vorab: Der Twist ist wirklich spannend und für alle AoS-Fans ein Leckerbissen. Lange gehegte Fantheorien werden bestätigt und alle noch offenen Charakter-Handlungsstränge meisterhaft abgeschlossen.

Agents of SHIELD © ABC
Agents of SHIELD © ABC

Darsteller

Alle Darsteller holen zum großen Finale noch einmal alles aus sich heraus. Ähnlich wie Avengers: Endgame ist die siebte Staffel von AoS eine Belohnung für langjährige Begleiter der Serie. Das fängt schon damit an, dass Coulson wieder da ist. Kein böses Alien mit seinem Gesicht, sondern der (fast) echte Coulson. Ironischerweise ist er schon zum zweiten Mal nach Staffel 4 ein LMD, diesmal mit verbesserter Chronicom-Technologie ausgestattet. Man merkt Clark Gregg an, dass diese Rolle deutlich besser zu ihm passt. Zwar ist Coulson nicht mehr der Anführer, dafür bekommt er dank seines robusten Metallgehäuses mehr Actionszenen. Sprüche klopfen darf er auch wieder: In einer Szene mit May erinnert er sich daran, wie er seine Hand verlor (in Staffel 2): „Seemed like a big deal at the time“ („Damals war das noch was Besonderes“). Von der Roboterhand zum Roboterkörper, nicht das Verrückteste, das der Superagent in seiner Zeit bei S.H.I.E.L.D. erlebt hat. Wer hätte das 2008 gedacht, als Clark Greggs namenloser Agent in Iron Man hinter Tony Stark aufräumen musste?

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Ming-Na Wen und Natalia Cordova-Buckley dürfen ihre Charaktere etwas anders spielen. Die Nahtoderfahrungen haben sowohl May als auch Yo-Yo verändert. Diese Traumata verkörpern die beiden glaubwürdig, ruhig, ohne übertriebene Tragik. In manchen anderen Serien würden sie ihre Probleme für sich behalten und mit niemandem das Gespräch suchen, bis das erlittene Trauma zum ungünstigsten Zeitpunkt zum Vorschein kommt (siehe: jede Serie auf dem Sender CW, vor allem Supernatural). Hier aber sprechen die Agentinnen sofort miteinander und suchen eine Lösung. Die Hauptcharaktere sind nicht nur ein professionelles Team, sondern auch eine Familie, das haben die Autoren immer wieder betont. Dass May und Yo-Yo es mithilfe ihrer Familie schaffen, aus ihren Schicksalsschlägen wortwörtlich gestärkt hervorzugehen, ist eine sehr schöne Metapher, die in der aktuellen Fernsehlandschaft selten geworden ist. Gebrochene Helden haben wir inzwischen genug.

Leo Fitz ist diese Staffel leider nur als Gaststar zu sehen. Aufgrund der Unsicherheit, ob die Serie verlängert wird, hatte Iain de Caestecker eine Filmrolle angenommen, die seine Zeit in Anspruch nahm. Sobald er aber auftaucht, ist er gewohnt manisch-genial, wir erleben den schottischen Schauspieler zum Schluss als eine ganz neue Art von Fitz – was auch mit Simmons zu tun hat!

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Die hält in Staffel 7 als heimliche Anführerin alle Fäden in der Hand. Als eine der wenigen, die eine ungefähre Ahnung von Fitz‘ Plan hat, hält Simmons das Team mit Empathie und wissenschaftlichem Genie zusammen. Während May und Yo-Yo übernatürliche Probleme haben, leidet Simmons darunter, dass sie sich nicht an Fitz‘ Aufenthaltsort erinnert. Elizabeth Henstridge bringt das wunderbar rüber und zeigt die Stärke einer Agentin, die auch von ihrem Partner getrennt für ihre Familie kämpft. Henstridge hat auch einen Youtube-Kanal, auf dem sie in den letzten Wochen Livestreams der Episoden mit den Darstellern und der Filmcrew präsentierte. Die Videos liefern interessante Einblicke in die Produktion und zeigen, wie viel Herzblut alle Beteiligten in diese Staffel steckten.

Chloe Bennet bildet erneut das Actionteam zusammen mit Ming-Na und Natalia, gleichzeitig wird es auch sehr persönlich für Daisy in den späteren Episoden der Staffel. Eine Konfrontation mit ihrer Familie sowie eine neue Romanze bahnen sich an, die eigene Handlungsstränge bilden und auch Daisys Zukunft prägen. Bennet wird von den Fans am ehesten als der Charakter gehandelt, der in einer Spin-off-Serie oder einem MCU-Film auftauchen könnte. War sie in Staffel 1 noch die recht farblose und klischeehafte Skye, so ist sie in den letzten Jahren in eine vielschichtige und glaubwürdige Rolle gewachsen. Auch das schuldet sie ihrer Adoptivfamilie mit Coulson als Ersatzvater. Daisy Johnson schließt ihre Heldenreise vom Hacker-Waisenkind zur standhaften Verteidigerin der Erde ab… aber sie hat Potential für mehr!

Jeff Ward alias Deke wächst endlich über seine Pausenclown-Rolle hinaus, er wird zu einem echten Helden, der Mack aus der Krise hilft und sogar Führungsqualitäten beweist. Dass er nebenbei der größte Rockstar der 80er wird… nun ja, ein bisschen Spaß soll das Weltenretten ja auch machen. Man merkt eindeutig die gute Chemie zwischen Enkel und Oma: Ward und Henstridge verkörpern in ihren gemeinsamen Szenen die Familienbande sehr authentisch, was anrührend ist, aber auch oft komisch, wie etwa Deke’s Versuch, den schottischen Akzent von Fitz nachzuahmen.

Für Henry Simmons alias Alphonso „Mack” Mackenzie wird es zur Mitte der Staffel sehr persönlich, als seine Familie ins Spiel kommt. Hier sehen wir wieder eine etwas menschlichere Seite des abgebrühten Direktors, fernab von jeglichen Shotgun-Axe-Machoallüren. Diese Seite von Mack war nach dem (erneuten) tragischen Verlust seiner Tochter in Staffel 4 etwas in den Hintergrund gerückt, jetzt wird er erneut von seiner schwierigen Familiensituation überwältigt. Gut, dass er einen Freund in Gestalt von Deke hat, der ihn aus seinem Tief herausholt. Diese Episode ist eine tolle schauspielerische Leistung der beiden und das AoS-Äquivalent einer Buddy Comedy. Nur der falsche Quarantäne-Bart hätte nicht sein müssen.

Agents of SHIELD © ABC

Heimlicher Star der Staffel: Joel Stoffer als Enoch. Der einzige gute Chronicom bringt das nötige Wissen über Zeitreisen und seinen typischen trockenen Roboterhumor mit, der jede noch so verfahrene Situation auflockert. Er würde natürlich korrigieren, dass Chronicoms keine Roboter sind.

Kein Spoiler, da schon zu Beginn groß angekündigt, ist die Rückkehr von Daniel Sousa, dem Partner von Peggy Carter in der zu früh abgesetzten Serie Agent Carter. Wir erfahren, was er in den Folgejahren machte, als die Organisation SSR in S.H.I.E.L.D. umgewandelt wurde. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände nimmt das Team ihn kurzerhand mit und hat neben zwei Superheldinnen und zwei Robotern jetzt auch einen 50er-Jahre-Gentleman an Bord. Enver Gjokaj bringt wieder dieselbe lässige Souveränität mit, die er schon in Agent Carter hatte. Eine tolle Ergänzung fürs Team und ein kleiner Trost für alle, die die Serie mit Hayley Atwell vermissen.

Die Gaststars, darunter Tamara Taylor als Sibyl, Thomas E. Sullivan als Nathaniel Malick und Dianne Doan als Kora bleiben ein wenig farblos. Das liegt nicht unbedingt am Schauspieltalent, sondern am Skript. „Skye“ und Grant Ward waren in Staffel 1 ebenfalls recht eindimensional, bis ihre Charaktere zum Ende der Staffel herausgearbeitet wurden. So viel Zeit gab es in Staffel 7 leider nicht. Schade, denn im Gegensatz zu den MCU-Filmen war AoS meist besser darin, interessante Bösewichte zu schreiben. Allein James Paxton sticht positiv hervor: Der junge Schauspieler übernimmt die Rolle seines verstorbenen Vaters Bill, der in Staffel 1 Hydra-Boss John Garrett verkörperte. Als dauergrinsender, manischer Handlanger macht der junge Garrett eine gute Figur.

Inszenierung

Zum Abschluss haben Marvel Studios und die Produktionsfirma Mutant Enemy sich nicht lumpen lassen: Beeindruckende Sets und Kostüme für jede Epoche, fantastische CGI-Effekte wie den Zeittunnel oder die Schiffe der Chronicoms bilden visuelle Highlights. Das ist auch nötig, denn viele Szenen spielen wieder in der blinkenden Zephyr-Kommandozentrale oder den endlosen Betonkorridoren der Lighthouse-Basis. Immerhin geben sich die Autoren selbstironisch, als Mack witzelt, er freue sich über eine Basis, die nicht unterirdisch liegt. Trotz des oft recycelten Hintergrunds wird es selten langweilig, denn auch die Szenen, die in schmucklosen Gängen spielen, enthalten clevere Dialoge oder packende Kämpfe.

Agents of SHIELD © ABC

Verschiedene Faktoren haben die Kampfszenen in den letzten Jahren eingeschränkt: Die Altersbeschränkung im Free-TV, der hehre Anspruch, dass S.H.I.E.L.D.-Agenten nicht wahllos töten, aber vor allem das zunehmend schrumpfende Effektebudget. Daher sehen wir auch in Staffel 7 vorwiegend Nahkämpfe, die aber sehr gut choreographiert sind und von denen sich andere Produktionen eine Scheibe abschneiden können (erinnern wir uns an die miserablen Martial Arts-Sequenzen in der ersten Staffel von Iron Fist). Mit einem Filmbudget würden Yo-Yo und Daisy ihre Kräfte vermutlich ständig einsetzen, und man kann als Actionfan nur spekulieren, wie cool eine Vibrationen schleudernde, Parkour springende Quake gegen ein Bataillon Hydra-Kämpfer aussehen könnte. Das Zeug dazu hat Chloe Bennet allemal: Bereits in der zweiten Staffel sahen wir eine Sequenz, die direkt aus einem John-Wick-Film entsprungen schien.

Erzählstil

Die Bösewicht-der-Woche-Erzählstruktur der ersten Staffel ist schon längst vergessen. Seit 2013 hat sich bei vielen Zuschauern eine Bingewatching-Sehgewohnheit herausgebildet, die kürzere Staffeln mit verdichteten Handlungssträngen bevorzugt. Man kann diesen Wandel graduell bei AoS beobachten, wo von Jahr zu Jahr die Episodenzahl abnahm und gleichzeitig jede Staffel mit 2-3 Handlungsbögen ausgestattet wurde. In Staffel 4 ging es zuerst um Ghost Rider, dann um LMDs und schließlich um das Framework. In Staffel 5 besuchten die Helden in der ersten Hälfte die Zukunft, um in der zweiten Hälfte eben jene Zukunft zu verhindern. In der 7. Staffel gibt es nur noch 13 Episoden, die strikt auf die Zeitreisehandlung ausgelegt ist. Die Crew des Zephyr hat nicht die Möglichkeit, eigene Reiseziele zu bestimmen, sie folgt den von Fitz vorgegebenen Zeitsprüngen. Im Pen&Paper-Rollenspiel würde man diese lineare Erzählweise eventuell als Railroading bezeichnen, in einer Filmproduktion sind die Handlungen der Charaktere sowieso vorgegeben. Somit kann ein stärkerer Fokus auf eine einzelne Story gesetzt werden.

Agents of SHIELD © ABC

Der Zeitreiseplot orientiert sich dabei an derselben wissenschaftlichen Erklärung wie in Endgame: Reisen in die Vergangenheit ändert nicht die ursprüngliche Gegenwart, sondern erschafft eine neue Zeitlinie. In eben jener neuen Dimension kommt etwa Hydra viel früher zum Vorschein, als das in der Originalzeit der Fall war. Als den Agenten diese Unterschiede klar werden, müssen sie versuchen, in ihre eigene Dimension zurückzukehren, ohne die neue Zeitlinie in Trümmern zu hinterlassen – ein spannendes Dilemma, das in Zeitreisegeschichten eher selten vorkommt.

Eine besonders atmosphärisch inszenierte Episode ist Nummer 9, „As I Have Always Been“, in der Daisy eine Art Zeitschleife erlebt. Dieses Stilmittel kennt man ja aus verschiedenen Science Fiction-Geschichten, aber die Art, wie Daisy mit ihrem eigenen „Groundhog Day“ umgeht und mit dem Team eine Lösung für das Dilemma findet, ist raffiniert. Neben Technobabble bietet die Folge auch ruhigere, zwischenmenschliche Töne, in denen das gesamte Ensemble seine schauspielerische Vielfalt zeigt. Preisverdächtig in dieser Episode: Joel Stoffer, der dem künstlichen Chronicom Enoch Tiefe und Menschlichkeit verleiht. Regie führte erstmals Elizabeth Henstridge, die sowohl vor als auch hinter der Kamera brilliert. Weitere Regieaufträge in der Zukunft wären ihr mit diesem Debüt sicher.

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Neben der atemlosen Jagd durch das 20. Jahrhundert nimmt sich Staffel 7 aber auch immer wieder lockere Momente heraus. Wenn Deke versucht, ein eigenes Team von Rockstar-Agenten anzuführen oder General Rick Stoners tollpatschiger Führungsstil vorgeführt wird, bringt das etwas Leichtigkeit in die dramatische Story. Dennoch driftet AoS nicht in Slapstick-Humor oder die ironischen Wortgefechte der MCU-Filme ab, die nicht bei allen Fans auf Gegenliebe treffen.

Wie zuvor erwähnt, bleiben die Bösewichte der Staffel eher etwas blass. Das ist sehr schade, denn diese Schwäche kennen wir eher aus den MCU-Filmen, wo die Protagonisten oftmals komplexe Charakterentwicklungen durchleben dürfen, während von den Antagonisten nach dem Abspann meist nur der Name und der fiese Plan bekannt sind. Die Fernsehproduktionen, seien es Agent Carter, AoS oder die Netflix-Serien, ließen sich meist mehr Zeit, um auch die Gegenspieler genau zu betrachten. Malicks Revolution wird nur sehr vage umrissen und was Sibyls Chronicoms mit der Erde machen wollen, bleibt völlig offen. Ganz im Stil des Terminators sind die Chronicoms humorlose Zeitgenossen, mit denen man einfach nicht verhandeln kann. Fairerweise muss man sagen, dass das Schicksal der künstlichen Rasse eine unerwartete und originelle Lösung darstellt.

Alles in allem gehört der große Handlungsbogen von Staffel 7 zu den besten TV-Science-Fiction-Stories des Jahres. Viele Fans haben das Zeitreiseelement mit DCs Legends of Tomorrow verglichen, ohne den absurden Humor oder das andauernde zwischenmenschliche Drama der Konkurrenzserie. Dennoch gibt es im Finale, als das große Geheimnis um Fitz gelüftet wird, einige Ungereimtheiten, die hier als versteckte Spoiler genannt werden:

Spoiler: Lesen auf eigene Gefahr

Wenn laut Fitz Kora der Schlüssel zum Sieg über die Chronicoms war, wieso hat er das Team nicht direkt nach 1983 springen lassen? Wie konnte er überhaupt sicher sein, dass das Team das Richtige tut, wenn sie keine Ahnung hatten, worin der Plan besteht? Wir sehen ja seine Verwirrung, als er erfährt, dass Jiaying tot ist. Scheinbar war sie ebenfalls Teil seines Vorhabens.

Und auch, wenn es im Sinne des Technikfans Fitz ist, die Chronicoms nicht mit Gewalt zu besiegen, sondern zu konvertieren, wirft diese Lösung Fragen auf: Warum hat „Empathie“ die Chronicoms dazu gebracht, sich sofort als Freunde von S.H.I.E.L.D. zu sehen, sogar „as we have always been“ („die wir schon immer waren“)? Ist diese Form von Gehirnwäsche nicht ein extremer Eingriff in die Persönlichkeiten der intelligenten Wesen?

Darüber hinaus sind die Chronicoms immer noch ein Volk ohne Heimat. Werden sie jetzt auf der Erde angesiedelt, was sowieso ihre Absicht war? Oder finden Daisy, Sousa und Kora einen neuen Planeten, der die gleichen Bedingungen wie die Erde bietet? Warum genau Malachi und seine Rebellen den ursprünglichen Plan, Chronyca-2 wiederherzustellen, in eine Eroberung der Erde umwandelten, wurde leider nie klar. Schade! Hier hätte man einen vielschichtigeren Gegenspieler für die letzten zwei Staffeln schaffen können.

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Die harten Fakten:

  • Regie: Kevin Tancharoen, Elizabeth Henstridge et al.
  • Darsteller: Clark Gregg, Ming-Na Wen, Chloe Bennet, Elizabeth Henstridge, Natalia Cordova-Buckley, Henry Simmons, Jeff Ward et al.
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Englisch
  • Format: Videostream
  • Preis: 19,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Staffel 7 erweist sich als würdiger Abschluss einer Serie, die länger lebte, als viele – inklusive der Produzenten – erwartet hatten. Witz, Spannung und Drama fügen sich nahtlos zu einer großen Story zusammen, die zur Freude langjähriger Fans auch einige Verweise auf frühere Staffeln enthält. Für Gelegenheitszuschauer ist die letzte Staffel daher weniger empfehlenswert, man braucht zumindest etwas Vorwissen zu den Charakteren, um die Handlung verstehen zu können.

Mit der letzten Szene schließt sich der Kreis zur allerersten Episode, womit am Ende nur noch eine Frage übrig bleibt: Warum hat der Disney-Konzern so lange seine schützende Hand über die ertragsschwache, mehrfach von Absetzung bedrohte Serie gehalten? Gab es bereits Jahre im Voraus Pläne für MCU-Phase 4, die im November mit Black Widow beginnt? Noch ist nichts angekündigt, aber viele Fans hoffen auf ein Spin-off, möglicherweise über die Schwesterorganisation S.W.O.R.D., die sich mit Gefahren aus dem All befasst. Die Grundlage für kosmische Abenteuer hat Agents of S.H.I.E.L.D. schon in Staffel 3 geschaffen. Und die End-Credits-Szene von Spider-Man: Far From Home suggeriert ebenfalls, dass Nick Fury etwas Großes im Weltall plant. Es wäre doch schön, wenn einige S.H.I.E.L.D.-Kollegen ihm dabei helfen würden.

 

Für Fans des MCU ein krönender Abschluss
mit nur kleinen erzählerischen Schwächen

 

Artikelbilder: © American Broadcasting Company
Lektorat: Nina Horbelt
Layout: Roger Lewin
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

2 Kommentare

  1. Das ende ist offen das finde ich Mega!
    Aber eins frage ich mich sind unsere Helden zum Schluss in unterschiedlichen zeitlinien oder habe ich das falsch verstanden.

    • Durch die Zeitreise nach 1931 wurde eine neue Zeitlinie aufgemacht. Deke ist als neuer Direktor von SHIELD in dieser Zeitlinie verblieben, während der Rest des Teams in die originale Zeitlinie zurückgereist ist.

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