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Wien im Jahre 1365: Die Toten erheben sich aus den Gräbern und bluttrinkende Wesen, Strigoi genannt, infiltrieren die Stadt. Elyssa stellt sich ihnen entgegen, begleitet nur von dem Geistlichen Stephanus und dem Messerschmied Christian. Doch was kann sie ausrichten, wenn nichts ist, wie es scheint?

Eines vorweg: Bei Auferstanden handelt es sich um eine komplett überarbeitete Neuauflage des im Dezember 2014 erschienenen Romans Schwarzes Blut: Maleficus. Da ich den Vorgänger nicht gelesen habe, kann ich euch nur losgelöst davon meinen Eindruck vermitteln, sodass es in dieser Rezension keine Vergleiche zwischen Auferstanden und Maleficus geben kann.

Story

Die Geschichte beginnt mit einem Schwertkampf zwischen Elyssa, unserer Protagonistin, und Philipp, ihrem Cousin. Schnell wird klar, dass Elyssa sehr genau weiß, wer sie ist. Einen Mann heiraten, nur damit sie verheiratet ist? Kommt nicht in Frage. Ihr Großvater scheint sich damit abgefunden zu haben, und gemeinsam führen sie eine Taverne am Rande Wiens.

Die Idylle löst sich schnell in Rauch auf, als eine Gruppe die Taverne überfällt, nachdem deren Anführer bei dem Versuch, Elyssa zu vergewaltigen, von Stephanus aufgehalten wurde. Auf der Suche nach Rudolf IV., dem Herzog Österreichs und vermeintlichen Auftraggeber der Söldner, gerät Elyssa von einer Gefahr in die andere und entkommt nur knapp dem Tode.

Bis es ihr einmal nicht gelingt, dem Tod durch Glück oder Verbündete zu entwischen und sie selbst als untote Strigoi erwacht. Damit ist sie nun stärker und schneller als ein Mensch, allerdings nur so lange, wie sie regelmäßig frisches Blut zu sich nimmt. Dies ändert jedoch nichts an ihrem Plan, Rache an Rudolf IV. zu nehmen. Vielmehr hat sie nun auch eine reale Chance gegen die Wachmänner, die ihr immer wieder auf den Fersen sind, und die Strigoi, deren Zahl immer weiter zunimmt.

Die Geschichte fühlt sich zwischenzeitlich wie eine Lawine an. Kaum ist Elyssa einer Situation entkommen, schlittert sie in die nächste; Momente zum Durchatmen sind selten. Das sorgt zum einen dafür, dass man den Roman nur schwer aus der Hand legen kann und hofft, dass der E-Reader nicht zwischendurch aufgibt. Zum anderen hat man aber auch wenig Möglichkeiten, das Geschehene Revue passieren zu lassen und mögliche Hinweise auf die Identität einiger Charaktere wirklich wahrzunehmen.

Dabei sind wir auch schon bei den Charakteren. Stephanus zeigt sich schnell als Geistlicher, der das Klischee nicht so recht erfüllen mag, was ich zunächst sehr erfrischend finde. So trägt er Armschienen unter seiner Kleidung und weiß, mit einem Schwert umzugehen. Christian lernen wir kennen, nachdem er die Bewohner seines Dorfes beerdigte, die von denselben Söldner getötet wurden, die auch Elyssas Taverne angriffen. Auch wenn ihm der Verlust zu schaffen macht, interessiert er sich doch recht schnell für Elyssa, die seine Avancen zunächst entschieden abweist.

Alle drei Hauptcharaktere haben ihre Eigenheiten und Motivationen, die sie sich von den 08/15-Charakteren der deutschen Phantastik abheben lassen. Allerdings hatte ich auch mehrmals Schwierigkeiten, Sympathien zu empfinden. Das gilt besonders für Elyssa und Christian. Letzterer versucht immer wieder, Elyssa nahe zu kommen, auch wenn sie durch Körpersprache sehr deutlich macht, dass das Interesse einseitig ist. Nachdem es dann doch zu Sex zwischen ihnen kommt, ist er krankhaft eifersüchtig, besonders gegenüber Stephanus, was Elyssa immer wieder gegen ihn aufbringt. Elyssas Begründung für den Sex mit Christian ist, dass sie beide „wundgelebt sind“; also Sex, um wieder etwas zu empfinden. Nichts dagegen einzuwenden, aber das ständige Hin und Her (Will sie was von ihm oder will sie ihn auf den Mond schießen?) hat mich nicht nur gelangweilt, sondern regelrecht genervt.

Schreibstil

Der Roman ist durchweg aus Elyssas Perspektive geschrieben, auch wenn die erzählende Stimme hin und wieder eine Bemerkung fallen lässt, die Einblick in Stephanus‘ oder Christians Gedankenwelt gibt. So erwähnt der Erzähler nach einem Kampf beispielsweise, dass es nicht das erste Mal ist, dass Stephanus dem Anblick von abgeschlachteten Menschen ausgeliefert ist. Im nächsten Satz wird wieder zurück zu Elyssas Perspektive gewechselt. Diese Bemerkung wird zwar gegen Ende hin wichtig, aber mir erschließt sich nicht ganz, warum den LeserInnen ein solcher Hinweis gegeben wird, wenn die Perspektive der männlichen Charaktere sonst keine Rolle spielt.

Eine weitere Ungereimtheit: Obwohl Elyssa nur ein Spitzname für Elyssandria ist, ist es der präferierte Name. Lediglich Stephanus nutzt den vollen Namen. Je weiter man liest, desto öfter wird auch Elyssandria vom Erzähler verwendet, wobei sich mir der Sinn nicht ganz erschließt.

Die Weltenbeschreibung in Auferstanden ist allerdings fantastisch. Melanie Vogltanz schafft es immer wieder, auf eine Art und Weise mit Gerüchen und Texturen zu arbeiten, die die Welt greifbar werden lässt. Gerade die Strigoi sind großartig beschrieben und man spürt die Gefahr, die von ihnen ausgeht. Dazu kommt, dass die Strigoi kaum Schwächen haben. Sie können sich im Sonnenlicht bewegen, sind ausdauernder, stärker und unempfindlicher gegenüber Sauerstoffmangel als Menschen. Ihre Verletzungen heilen wieder, solange sie bald wieder frisches Blut zu sich nehmen und der Körper nicht unwiderruflich zerstört ist. Elyssa und ihre Begleiter finden relativ schnell heraus, dass das Köpfen der Strigoi ihnen den Garaus macht. Warum sie dann Eric, den Anführer der Söldner, der sich bald als Strigoi entpuppt, nicht köpfen, wenn er ohnmächtig auf dem Boden liegt, kann ich mir nicht erklären.

Zu den Strigoi gesellen sich noch die Hemykinen (eine Art Werwolf) und Mortus, ein Wesen so alt wie die Welt selbst, auf das Strigoi und Hemykinen zurückgehen. Dadurch erhält Auferstanden einen mythologischen Hintergrund, der definitiv Lust auf mehr macht. Insbesondere von Mortus, der kein geistloser Killer zu sein scheint, würde ich gerne mehr sehen.

Die Autorin

Melanie Vogltanz ist gebürtige Wienerin und studiert dort Deutsche Philologie, Anglistik und LehrerInnenbildung. Von sich selbst und ihren Geschichten schreibt sie, dass sie dem klassischen Happy End den Kampf angesagt hat, da man dieses auch im echten Leben nur selten findet. 2007 veröffentlichte sie ihr Romandebüt und ist unter dem Pseudonym H. M. Vogltanz in Horror, statt Dunkler Phantastik zu finden. Der Folgeband zu Auferstanden, Sterblich, führt die Geschichte um Elyssa fort und erschien im Juli 2020.

Erscheinungsbild

Das Cover wurde von Grit Richter designt. Der stilisierte Frauenkopf, der halb Schädel ist, weist definitiv auf Elyssas Schicksal hin. Der mythologische Aspekt wird treffend durch die weitere Gestaltung wiedergegeben und insgesamt ist das Cover so düster wie der Inhalt.

Positiv anzumerken ist, dass dem Roman Inhaltswarnungen beigefügt sind, sodass LeserInnen sich auf mögliche Trigger einstellen können und entsprechend vorgewarnt sind. Leider befinden diese sich (zumindest beim rezensierten E-Book) am Ende des Buches. Dementsprechend habe ich sie erst gesehen, nachdem ich den Roman fertiggelesen habe. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber bei einem E-Book blättere ich nicht erst nach ganz hinten, bevor ich überhaupt mit dem Lesen beginne.

Die Inhaltswarnungen hätte ich mir also zu Beginn des E-Books gewünscht. Interessanterweise scheinen sie im Taschenbuch vorne platziert zu sein.

Die harten Fakten:

  • Verlag: BoD – Books on Demand
  • Autorin: Melanie Vogltanz
  • Erscheinungsdatum: April 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Format: E-Book
  • Seitenanzahl: 392 Seiten
  • ISBN: 978-3750488243
  • Preis: 12,99 EUR (Print) + 2,99 (E-Book)
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Auferstanden erzählt die düstere Geschichte eines Wiens, das von Untoten überrannt wird. Melanie Vogltanz schafft es dabei, die bedrohlich gruselige Atmosphäre einzufangen, die dafür sorgt, dass man lieber ein wenig länger das Licht anlässt. Elyssa ist keine hilflose Schankmaid, sondern weiß, sich zu verteidigen. Dabei ist sie aber, zumindest mit dem Schwert, nicht übermächtig. Erst wenn sie in eine Strigoi verwandelt wird, wird sie ein Gegner, mit dem man rechnen muss.

Leider sind die Charaktere nicht immer Sympathieträger, was besonders dann schade ist, wenn Elyssa, Stephanus und Christian gleichzeitig beschließen, schwierig zu sein. Auch die Perspektive wird nicht durchgängig gehalten, was allerdings so selten passiert, dass man sich mehr wundert als daran stört.

Wer Spaß an Dunkler Phantastik und dreidimensionalen Charakteren hat – auch wenn diese, wie gesagt, hin und wieder für Augenrollen sorgen – dem kann ich Auferstanden ans Herz legen.

 

Artieklbild/Coverdesign: © Grit Richter 
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Saskia Harendt

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