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Die junge sizilianische Hexe Emilia findet ihre Zwillingsschwester Victoria ermordet in den Tiefen eines Klosters. Über die Leiche beugt sich ein Unbekannter, der bei ihrem Erscheinen flüchtet. Auf der Suche nach dem Mörder verstrickt sich Emilia immer tiefer in die Magie der Höllenfürsten, von der sie sich eigentlich fernhalten sollte.

Die beiden Zwillingsschwestern Emilia und Victoria führen ein wohlbehütetes Leben auf Sizilien. Kleine versteckte Hexereien verzaubern ihren Alltag, doch auf die Erzählungen ihrer Großmutter über die Wicked und Geschichten über grausame Höllenfürsten geben die Schwestern nicht viel. Das soll sich ändern, als Emilia ihre Schwester brutal ermordet in den Katakomben des Klosters ihres Viertels in Palermo auffindet. Ein Unbekannter beugt sich über die Leiche ihrer Schwester, doch flieht, als er von Emilia entdeckt wird. Emilia weigert sich, daraufhin in Trauer zu versinken und beginnt, die Verstrickungen ihrer Schwester zu entwirren, um den Mörder ausfindig zu machen. Dabei gerät sie selbst immer tiefer in die Umtriebe der Höllenfürsten, die nur darauf warten, Emilia in ihre Fänge zu bekommen. Allen voran Wrath, der Fürst des Zorns, der Emilia zwar seine Hilfe anbietet, doch gleichzeitig eigene Ränke zu schmieden scheint.

Story

Die Geschichte beginnt mit einem kurzen Kapitel aus der Sicht Nonna Marias, der Großmutter der Zwillingsschwestern Emilia und Victoria. Während die beiden zu diesem Zeitpunkt achtjährigen Geschwister ihre gelernten Schutzzauber aufsagen, macht sich Nonna Gedanken über die Wicked, die Wesen der Unterwelt, sowie ihre sieben Herrscher, die sieben Höllenfürsten der Todsünden. Ein aufziehendes Gewitter scheint ihren Gedanken folgend ebenso ein Zeichen des Teufels zu sein wie plötzliche Luftverwirbelungen des Windes, eine dunkle Wolke vor der Sonne oder ein nur schwach wahrnehmbarer Geruch.

Diese Unsicherheit, ob die wahrgenommenen Zeichen tatsächlich für das Unsagbare stehen oder doch eher nur Ergebnis tief verwurzelten Aberglaubens sind, wird sich insbesondere im ersten Drittel des Buches öfters zeigen. Die weiteren Kapitel begleitet die Leser*innenschaft die nun 18-jährige Emilia. Als eher ruhigere Schwester der Zwillinge nimmt sie die Regeln und Vorgaben Nonnas ernst, auch wenn sie schon lange nicht mehr wirklich an das Volk der Wicked oder Höllenfürsten glaubt. Ausführlich werden ihre Tätigkeiten in der Küche des Familienrestaurants beschrieben. Genannte sizilianische Speisen machen Lust auf die dortige Küche. Tatsächliche Hexerei oder Magie jedoch wird nur am Rande in Kleinigkeiten wie besonders guten Speisen erwähnt. So erhärtet sich beim Lesen zunächst der Eindruck, bei vielen Tätigkeiten der Protagonistin, wie das Verbrennen bestimmter Kräuter oder Sprechen kleiner Sprüche, handle es sich schlicht um die Überreste des durch die Großmutter vorgelebten Aberglaubens, wie es auch beispielsweise die Sommersonnenwende in vielen Kulturen ist.

Die Geschichte spielt auf der Insel Sizilien, was nicht nur durch die häufig beschriebene Küche, sondern auch viele italienisch anmutende Begriffe transportiert wird. Dass sie nicht in der Gegenwart, sondern Vergangenheit spielt, wird erst im Laufe des Buches klarer, da der Fokus ganz klar auf der Protagonistin liegt. Erst durch das Fehlen moderner Einflüsse wie elektronische Geräte oder die Beschreibung der nach wie vor religiös männlich dominierten Gesellschaft präzisiert sich das Setting im Bereich der Neuzeit mit zunächst nur subtilen fantastischen Elementen. Diese Phase des historisch wirkenden Romans zieht sich über das erste Viertel des Buches, sodass dieser Teil für Fantasyleser*innen eher träge bis langweilig wirkt.

Erst mit dem Tod der Zwillingsschwester Emilias, der lebensfrohen Victoria, nimmt der Roman langsam Fahrt auf. Emilia stolpert in den Tiefen des Klosters ihres Heimatdorfes, angezogen durch einen unerklärlichen Sog, über die Leiche ihrer Schwester. Ein unbekannter Mann mit seltsamer Aura beugt sich über ihre Schwester und scheint ihr Blut zu kosten. Von der Situation überrumpelt ist es für die Protagonistin ein Glück, dass der Unbekannte flieht statt anzugreifen. In den nachfolgenden Tagen entscheidet sich Emilia, statt ihrer Trauer nachzugehen, ihrer Schwester Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und ihren Mörder ausfindig zu machen.

Etwas hilflos anmutend verfolgt sie dabei die Spuren ihrer Schwester, die in den Wochen vor ihrem Tod nicht nur einen Jungen, wie von Emilia zunächst angenommen, im Kopf hatte, sondern dunkle Magie bis hin zum Bund mit einem der dunklen Höllenfürsten. Emilia findet sowohl im Tagebuch ihrer Schwester, in Erzählungen von Bekannten und Freund*innen als auch ihrer Heimatstadt selbst den ein und anderen Hinweis auf das Handeln ihrer Schwester vor ihrem Tod. Gleichzeitig gerät sie und somit ihre Familie in große Gefahr, denn durch ihre Nachforschungen verstrickt sich Emilia selbst in die Machenschaften der Untergrundfürsten.

Emilia wird als starke junge Frau beschrieben, stolpert aber tatsächlich nur den Hinweisen hinterher und geht so den Untergrundfürsten ein ums andere Mal in die Fänge. Letztlich überlebt sie all ihre Begegnungen nicht aufgrund etwaiger Vorbereitungen, Überlegungen oder Pläne, sondern weil die Gegenseite sie als Schachfigur missbraucht und noch einen Nutzen in ihr sieht. An mehreren Stellen in der Geschichte war bereits bei Beginn eines Handlungsstranges klar, dass die Protagonistin erneut einen entscheidenden Fehler begehen oder in eine Falle tappen würde. Statt Spannung kommt in solchen Momenten Frustration auf.

Das Buch wird auch unter dem Gesichtspunkt einer „Enemy to lovers“-Geschichte beworben. Tatsächlich stolpert Emilia im Zuge einer Beschwörung über den Höllenfürsten Wrath, den Fürsten des Zornes. Mit diesem gutaussehenden Dämon geht Emilia ein temporäres Bündnis ein, das mehr auf Misstrauen und Notwendigkeit denn Vertrauen oder gar Sympathie beruht. Mehrere Wortgefechte und gegenseitige Spitzen untermauern die Antipathie der beiden Charaktere zueinander. Im Laufe des Buches vertraut Emilia dem Dämon nicht und schlägt diverse Hilfsangebote, deren Folgen sie nicht abzusehen vermag, aus, sodass keine richtige Beziehung entsteht. Die Antipathie wird gegen Ende des Buches durch starke körperliche Anziehungskraft ergänzt, die den Konflikt der beiden Charaktere jedoch nicht löst. Eine in irgendeiner Form über das zweckmäßige Handeln hinausgehende Beziehung wurde nicht aufgebaut. Der Folgeband Kingdom of the Wicked – Die Königin der Hölle wird angeteasert mit „höllischer Spannung und knisternder Romantik“, sodass in der Fortsetzung mehr zur Beziehung der beiden zu erwarten ist.

Schreibstil

Der Schreibstil der Autorin Kerri Maniscalco ist angenehm zu lesen. Sie schafft es gekonnt, das Gefühls- und Innenleben der Protagonistin zu beschreiben, sodass zu jedem Zeitpunkt klar ist, um was sich die Gedanken Emilias gerade drehen und was sie zu tun gedenkt. Interessant ist der Aspekt der Hexerei, den die Autorin mit italienischen Begriffen beschreibt, sodass die Magie in einer ungewohnt anderen Form auftritt, als es die Leser*innenschaft in der Fantasy üblicherweise kennt.

Schade ist hierbei, dass bei der Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch einige englische Begriffe übernommen wurden und so im Buch selbst ein Gemisch aus Deutsch, Italienisch und Englisch vorzufinden ist. Bereits der Titel wurde in Teilen auf Englisch übernommen, doch als störend wirkten eher die Bezeichnungen der Höllenfürsten und deren Häuser, die die Todsünden symbolisieren und weiterhin als „Sloth“, „Pride“, „Gluttony“ oder „Wrath“ bezeichnet werden. Dies lässt den Lesefluss trotz des ruhigen Schreibstils der Autorin stocken.

Die Autorin

Kerri Maniscalco wuchs in Hudson Valley, New York, auf. Maniscalco legt großen Wert auf ihre sizilianisch-irisch-spanischen Wurzeln und verarbeitet diese in ihren Romanen. Der Roman Kingdom of the Wicked spielt nicht nur in Sizilien, sondern lässt mit den Beschreibungen des Familienrestaurants auch die Lust zum Kochen aufleben, die Maniscalco durch ihre eigene Familie erleben durfte.

Bekannt wurde sie in Amerika durch ihre vierteilige Young-Adult-Reihe Stalking Jack the Ripper. Ihr Debütroman und der erste der Reihe erreichte Platz eins der New York Times-Bestsellerliste.

2020 veröffentlichte sie den ersten Teil der Kingdom of the Wicked-Trilogie. Der zweite Teil wurde im Oktober 2021 veröffentlicht und erscheint als Übersetzung auf dem deutschen Buchmarkt am 1. September 2022. Der dritte Teil der Trilogie wurde ebenfalls für September 2022 angekündigt.

Erscheinungsbild

Das deutsche Cover übernimmt mit Ausnahme feiner Farbnuancen das Cover des amerikanischen Originals. Es wirkt düster und bedrohlich und passt somit sehr gut zur Geschichte. Das Cover erinnert somit stark die düstere Darstellung von Märchen, wie wir sie auch in Graphic Novels wiederfinden.

Die Blumen, der Totenschädel wie auch die dargestellte Schlange finden sich im Roman wieder, sodass das Cover mehr als nur generisch ist. Die Schrift des Titels wirkt verzweigt und deutet bereits an, dass es um Hexerei gehen wird. Insgesamt passt das Cover gut zum Inhalt und wirkt stimmig. Auch ohne den Klappentext zu kennen, verdeutlicht es, dass es sich um einen eher düsteren Fantasyroman handelt.

In der ersten Auflage wurde der Roman in der deutschen Übersetzung mit passendem farbigem Buchschnitt veröffentlicht, der sich insbesondere im Bereich der deutschen Buchcommunity auf Instagram großer Beliebtheit erfreute.

Die vordere Klappenbroschur weist eine wunderschöne Zeichnung mit Übersicht aller sieben dämonischen Häuser auf. Diese Zeichnung ist ein wahres Kunstwerk und wird mutmaßlich in den Folgeromanen bei Auftauchen weiterer Höllenfürsten eine Hilfe für die Leser*innenschaft sein.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Piper Verlag
  • Autor*in: Kerri Maniscalco
  • Erscheinungsdatum: April 2022
  • Sprache: Deutsch (Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Diana Bürgel und Julian Müller)
  • Format: Broschur
  • Seitenanzahl: 416 Seiten
  • ISBN: 978-3492706810
  • Preis: 17,00 EUR Print + 12,99 E-Book + 22,95 Hörbuch
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon, idealo, audible

 

Fazit

Dieser erste Teil der Trilogie Kingdom of the Wicked erzählt die Geschichte der jungen sizilianischen Hexe Emilia, die durch den Tod ihrer Zwillingsschwester aus ihrem trauten Leben gerissen wird und im Zuge ihrer Nachforschungen um den Tod ihrer Schwester immer tiefer in die Abgründe der dunklen Unterwelt gezogen wird, von der sie sich eigentlich fernhalten sollte.

Durch ihre Beschreibung der Hexerei sowie die Verwendung von italienischen Begriffen für magische Gegenstände hat die Autorin eine in der Fantasy-Branche neuartige Magie erschaffen und beschrieben. Auch ihr Schreibstil weiß durch seine ruhige Art zu überzeugen. Da ist es schade, dass die Protagonistin doch eher schwach wirkt und der Handlung hinterher zu laufen scheint. Dass sich in der Übersetzung zwischen deutschen Sätzen sowohl italienische als auch englische Begriffe tummeln, stört leider teilweise den Lesefluss. Der Roman wirkt im ersten Viertel sehr ruhig, manchmal zu ruhig, zieht ab dem zweiten Viertel jedoch an.

Insgesamt stellt das Buch einen eher ruhigen Einstieg in die Trilogie dar mit der Anspielung einer noch zu erwartenden Enemy-to-Lovers-Romanze zwischen der Protagonistin Emilia und dem Höllenfürsten Wrath. Wirklich überzeugen kann er allein jedoch nicht.

  • Neuartige Magie
  • Ruhiger Schreibstil
 

  • Schwache Protagonistin
  • Störende englische Begriffe
  • Sehr langsamer Beginn

 

Artikelbilder : © Piper Verlag, Titelbild: © AntonMatyukha
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Rick Davids
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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