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Mit Rogue Trader erscheint die erste große Erweiterung zu Kill Team. Neben einigen neuen Regeln bietet die Box auch zwei neue Fraktionen, die bisher noch nicht über Modelle im 40k-Universum verfügten. Eine sinnvolle Erweiterung oder doch eine überteuerte Box?

Kill Team hat erfolgreich kleine und damit schnellere Gefechte ins Warhammer 40k-Universum zurückgebracht. Auch wenn Games Workshop (GW) schon direkt zu Beginn angekündigt hatte, das System langfristig zu unterstützen, zweifelten manche Spieler daran, dass das Spiel tatsächlich größere Unterstützung erfahren würde. Nach einigen kleineren Schlachtfelderweiterungen ist mit Rogue Trader jetzt die erste große Erweiterungsbox erschienen, die neben neuen Regeln auch neue Modelle enthält. Mit den Elucidian Starstriders und den Gellerpox Infected erscheinen zwei Fraktionen, die zwar grob dem Imperium und den Truppen des Chaos zugeordnet werden können, in dieser Form aber noch nicht als spielbare Fraktionen aufgetreten sind. Als besonderes Schmankerl spendiert die Box zwei Mini-Codizes, um die neuen Modelle auch in normalen Warhammer 40k-Spielen nutzen zu können. Wir schauen uns daher die neuen Regeln sowohl für Kill Team als auch 40k an und versuchen eine Einschätzung zu geben, für wen sich der Kauf lohnt.

Mein Gott, ist das eng hier! – Die neuen Regeln

Kill Team war bisher auf Gefechte in einem engeren Rahmen als die Schlachten beim großen Tabletopbruder ausgelegt. Mit Rogue Trader wird dieser Rahmen jetzt nochmals enger gefasst, geht es doch in der Erweiterung um Kämpfe in Innenräumen. Die Regeln dazu finden sich auf einer einzelnen Doppelseite und umfassen beispielsweise explizitere Sichtregeln und das Öffnen und Schließen von Türen. Ergänzt werden diese Regeln durch zwei neue Taktiken, die auf dem beidseitig bedruckten Spielplan Anwendung finden können. Eine der beiden Seiten zeigt die Wahrfalke, ein Transportshuttle der Rogue Trader, und die andere Seite einen Ministorum-Schrein.

Die Wahrfalke ist eine der beiden Spielumgebungen.

Der zweite Regelteil beschäftigt sich mit der Möglichkeit, Kommandeure in das eigene Kill Team aufzunehmen. Dies sind besonders mächtige Charaktere, die in unterschiedlichen Stufen verfügbar sind und damit einhergehend eine unterschiedliche Anzahl von Fähigkeiten besitzen.

Die Auswahl an speziellen Kommandeursfähigkeiten und Taktiken macht diese Modelle zu mächtigen, aber nicht unbezwingbaren Kombattanten. Punktemäßig sind beide vorgestellten Kommandeure so teuer, dass diese in den normalen 100-Punkte-Gefechten keinen Platz finden.

Zwei neue sehr unterschiedliche Kill Teams

Jede der beiden neuen Fraktionen bringt einen eigenen Kommandanten mit, der seine Leute in den Kampf führen kann. Schade ist hier, dass Regeln dafür fehlen, für die anderen bestehenden Fraktionen ebenfalls Kommandeure zu nutzen. Diese werden wohl in einer eigenen Erweiterung folgen, die im Fließtext von Rogue Trader schon erwähnt wird. Diese Erweiterung wird den wenig überraschenden Titel Kill Team Kommandeure tragen. Es hinterlässt doch einen etwas faden Beigeschmack, dass man hier, statt mehr als vier Seiten Regeln zu liefern, auf die nächste Erweiterung verweist.

Die Regeln für die beiden neuen Kill Teams sind dafür gut gelungen, sind diese doch beeindruckend unterschiedlich. Die Elucidian Starstriders sind eine Gruppe beeindruckend ausgebildeter Spezialisten. Jede der Einheiten muss dabei bewusst eingesetzt werden, schmerzt doch durch die hohe Spezialisierung jeder Verlust doppelt. Vor allem im Fernkampf ist diese Truppe nicht zu unterschätzen, bringt sie doch exotische Waffen wie eine Rotorkanone oder eine Elektropistole mit aufs Feld.

Die Gellerpox Infected überzeugen dafür mehr durch Masse als durch Klasse. Nahezu der gesamte Trupp ist auf den Nahkampf ausgelegt, Fernkampfangriffe sind die deutliche Ausnahme. Schwärme aus mutiertem Ungeziefer versuchen dabei, die gegnerischen Einheiten zu binden, bis die schwerfälligeren Nightmare Hulks ihr Ziel erreichen.

Der Ministorum Spielplan überzeugt mit interessanten Wegen.

Die beiden unterschiedlichen Teams ermöglichen somit einen sehr cineastischen Spielstil. Die Spezialisten der Starstriders ziehen sich feuernd zurück, verfolgt von einer Horde Dinger aus der Hölle. Spannende Spielmöglichkeiten sind somit garantiert.

Die mitgelieferten Szenarien bieten nette Einsatzmöglichkeiten der beiden Bodenplatten. Die Missionen sind dabei so gestaltet, dass sie nicht nur mit den beiliegenden Teams gespielt werden können, sondern mit nahezu jeder möglichen Kombination von Gegnern Sinn ergeben – ein angenehmer Ansatz. Auch die Szenariovorschläge, um eigene Missionen zu generieren, bieten spannende Ideen wie eine zurückgelassene Bombe, die entschärft werden muss während man Gegner abhält. Wie alle anderen Spielumgebungen haben die beiden Spielflächen auch Zufallsereignisse, die man vor dem eigentlichen Spiel auswürfeln kann. Zuletzt besteht noch die Möglichkeit, einzelne Missionen zu einer zusammenhängenden Kampagne zu verknüpfen. Der Regelteil in Rogue Trader ist somit überraschend kurz ausgefallen, die netten Szenarien und vor allem die großartigen Kill Teams können dafür überzeugen. 

Gellerfeld? Freihändler? Was ist hier eigentlich los?

Rogue Trader beschäftigt sich mit einem Konzept, das im Tabletop-Universum bisher höchstens über Hintergrundinformationen angeschnitten wurde: Freihändler, eine Art Zukunfts-Freibeuter, die für unterschiedliche imperiale Institutionen oder auch für Gesetzlose Aufgaben am Rande der Legalität erledigen. Die Elucidian Starstriders sind hier keine Ausnahme, folgen sie doch der Freihändlerin Elucia Vhane. Diese hat von der imperialen Kommandantur den Auftrag bekommen, noch unbesiedelte, rohstoffreiche Planeten zu finden, um diese für das Imperium in Anspruch zu nehmen und die imperiale Kriegsmaschinerie so weiter mit Material versorgen zu können.

Im Warhammer 40k-Hintergrund müssen Raumschiffe riesige Entfernungen zurücklegen und bedienen sich dafür einer äußerst gefährlichen Technik. Hierbei wird ein Riss in den Warpraum geöffnet, durch welchen sich das Schiff dann bewegt, um hoffentlich am geplanten Zielort wieder in den Realraum übertreten zu können. Damit die Besatzung des Schiffes nicht von den Bewohnern des Warpraums, Dämonen und Ähnliches, angegriffen wird, nutzt das Imperium eine Technik, die als Gellerfeld bekannt ist. Hierbei sorgt eine Art Schutzschild dafür, dass sich keine Wesenheiten ins Innere des Schiffs begeben können.

Fehlfunktion mit Folgen

Der Gellerfeld-Generator der Neuer Tag, Elucia Vhanes Schiff, hatte nur für eine Sekunde eine Fehlfunktion, doch die kurze Zeitspanne reichte, damit sich ein Dämon in der Maschine einnisten konnte. Dieser nutzte die nächsten Tage, um die Mannschaft auf den Maschinendecks zu korrumpieren und das Schiff selbst Stück für Stück zu verwandeln. Die Gellerpox Infected waren geboren.

Als die Starstriders von einem vielversprechenden Ausflug auf die Oberfläche eines unbewohnten Planeten zurückkehrten, fanden sie ihr Schiff in der Auflösung begriffen und mussten sich den Weg freikämpfen, um zu entkommen.

Der Hintergrund der neuen Box ist nett gestaltet und bietet schöne Ansätze, um den Spielstil der beiden Gruppen aufzugreifen. Erste Befürchtungen von Fans, dass die Gellerfelder gar nicht mehr funktionieren würden und das Imperium somit keine Raumreisen mehr tätigen könne, wurden nicht bestätigt. Die Fraktionsbeschreibungen sind gut gelungen, vor allem die einzelnen Rollen in den Teams und ihre Funktion werden ausführlich beschrieben. 

The good, the bad and the mutated – Taktische Einschätzung

Wie schon zuvor gesagt sind die Einsatzmöglichkeiten in Kill Team für beide Gruppen vielfältig, wobei unterschiedliche Spielstile gefördert werden. Die Spezialisierung der Starstriders ist dabei Fluch und Segen zugleich. Einerseits hat man eine gute Truppe auf dem Feld, andererseits bieten sich nicht so viele Möglichkeiten, den Trupp an den eigenen Spielstil anzupassen.

Ein Großteil der Infected kann wiederum Spezialisierungen nach den eigenen Vorlieben erhalten, nicht zuletzt ein Ausdruck ihrer vielen Mutationen.

Auch bei Einsätzen in 40k-Schlachten nehmen die beiden Gruppen unterschiedliche Rollen ein. Die Aufstellung erfolgt dabei gleichzeitig mit dem eigenen Anführer. Dafür müssen die Modelle in sechs Zoll Umkreis um diesen positioniert werden. Beide bieten genug Modelle, um ein eigenes Kontingent auszufüllen, was sich auch anbietet, um ihre jeweiligen Gefechtsoptionen nutzen zu können.

Diese bieten bei beiden Seiten eine gute klassische Mischung abgewandelter bekannter Fähigkeiten ohne große Überraschungen. Interessant ist die Einschränkung, dass man zwar zusätzliche Befehlspunkte erhält, wenn das entsprechende Anführermodell der Kriegsherr der gesamten Armee ist, diese Punkte aber nur für die Gefechtsoptionen der jeweiligen Fraktion des Anführers ausgegeben werden können. Möglicherweise eine Einschränkung, die mit dem nächsten größeren Update auch für andere Armeen gelten wird, sind doch in vielen Turnierspielen zusammengewürfelte Listen mit einem Befehlspunkte-Generator immer noch üblich.

Die taktischen Funktionen der beiden Fraktionen könnten dabei unterschiedlicher nicht sein.

Die neuen Fraktionen im Detail

Alle Gellerpox Infected.

Die Gellerpox Infected sind eine mögliche zusätzliche Nahkampfunterstützung, die gute Werte mitbringt. Die Gellerpox Mutants sind beispielsweise für 8 Punkte deutlich besser als Poxwalker, haben sie doch unter anderem einen Rettungswurf und einen höheren Durchschlag. Die unterschiedlichen Schwärme können gut gegnerische Einheiten im Nahkampf binden und somit am Beschuss hindern. Die Nightmare Hulks funktionieren ähnlich wie Ogryns und können einen Haufen Beschuss schlucken und trotzdem noch im Ziel ankommen.

Unpraktisch ist, dass alle Einheiten sehr klein sind. Die Mutants sind beispielsweise nur drei Modelle und können auch nicht in größerer Zahl aufgestellt werden. Ähnlich ist es bei den anderen Einheiten der Armee: Die Truppgröße ist exakt die Anzahl Modelle, die in der Rogue Trader-Erweiterung enthalten sind. So praktisch das für den ersten Einsatz ist, so unsinnig macht es viele der Einheiten in den Großgefechten. So sind die Einheiten eher eine hübsche Ergänzung, als dass sie einen wirklichen Einsatz in einer Liste rechtfertigen.

Alle Modelle der Starstriders.

Die Starstriders haben das gleiche Problem mit der Einschränkung der Truppengrößen, bieten dafür aber eine ganze Reihe Charaktermodelle. Diese können in gewohnter Weise nicht anvisiert werden, wenn sie nicht das nächste Ziel sind. So können die Starstriders eine cineastische und durchaus sinnvolle Rolle erfüllen. Während große Armeen aufeinander treffen, schleichen sie irgendwo übers Schlachtfeld und sammeln Schätze, in diesem Fall eben Missionsziele, ein.

Interessant ist der Ausblick, den der Minicodex hier bietet, ist doch wie bei den Infected jedem Charaktermodell ein Einheitenname zugeordnet, so dass später vielleicht noch mehr Modelle mit einer solchen Benennung folgen könnten, um größere Armeen oder Einheiten zu ermöglichen. Larsen van der Grauss ist beispielsweise ein Lectro-Maester, was sich auch in seinen Schlüsselwörtern wiederfindet.

Beide Trupps sind somit, abseits von ihrem offensichtlichen Nutzen in Kill Team, nette Ergänzungen zu bestehenden Chaos- oder Imperiumsarmeen. Wirklich spielentscheidend, so dass sie sich in Turnierlisten wiederfinden werden, sind sie aber wahrscheinlich nicht.

Eine reiche Beute? Ausstattung

Rückseite der Box.

Die Box selbst besitzt eine solide Papierummantelung, wie sie viele andere Großboxen von GW auch besitzen. Im Gegensatz zur Kill Team-Grundbox hat man aber auf festen Karton, der sich als dauerhafte Lagermöglichkeit eignet, verzichtet. Im Inneren findet sich dann das gesammelte Spielmaterial, das dabei die folgenden Komponenten umfasst:

  • Das 56-seitige Rogue Trader-Heft
  • Zwei 24-seitige Mini-Codizes für beide Fraktionen, um sie bei 40k einzusetzen
  • Zehn Modelle der Elucidian Starstriders
  • 23 Modelle der Gellopox Infected
  • Datakarten der beiden Fraktionen
  • Ein Geländegussrahmen, bestehend aus zehn Türen, vier Truhen, zwei Rohrleitungen, vier Konsolen, vier Rettungskapseln und zwei Stühlen
  • Ein beidseitig bedrucktes Spielfeld (22*30 Zoll)
  • Marker für beide Fraktionen
  • Das Titelbild auf Pappe gedruckt

 

Die Box ist prall gefüllt.

Der Inhalt der Box wirkt sauber aufgeräumt, die Hefte und die Spielmarken wirken wertig. Die Hefte haben den gewohnten hohen Papierstandard, Rechtschreibfehler sind uns beim ersten Lesen fast nicht untergekommen. Der Karton der Marker ist fest und dick, die Farbunterscheidungen zwischen den Fraktionen sind klar erkennbar. So kommt es nicht zu Verwechslungen auf dem Schlachtfeld.

Das bedruckte Spielfeld ist auf wertigem Karton gedruckt, aufgelegt stören die sichtbaren Übergänge kaum. Toll ist die Möglichkeit, das Ministorum-Feld mit anderen Kill Team-Spielplänen zu kombinieren, um so ein größeres gemeinsames Feld zu erzeugen.

Das absolute Highlight der Box sind natürlich die neuen Miniaturen, die in farbigem Plastik gefertigt sind. Obwohl alle Modelle nur eine Zusammenbaumöglichkeit mit einer Pose bieten, sind die Posen an vielen Stellen hochdynamisch. Hier hat GW erneut einen guten Schritt nach vorn getan, zeigt sich doch hier, wie dynamisches Figurendesign geht. Der Detailgrad ist ebenfalls großartig, vor allem an den Gellerpox Infected erkennt man noch die kleinsten Details. Ein weiteres Highlight war schon vor der Veröffentlichung, dass sich ein Hundemodell unter den Elucidian Starstriders befindet. Dieses ist so neutral gestaltet, dass es sich als treuer Begleiter diverser Charaktermodelle anbietet.

Der Inhalt der Box ist gut gelungen, der Preis für das Gebotene aber trotzdem recht hoch. Für 105 EUR hat man zuvor auch die Kill Team-Grundbox erhalten, die neben dem umfangreichen Regelbuch vor allem auch deutlich mehr Gelände enthielt. Natürlich sind Grundboxen immer vergleichsweise günstig angelegt, trotzdem ist der gleiche Preis für den doch deutlich schmaleren Inhalt, der sich selbst im Verpackungsmaß niederschlägt, ein etwas kritischer Faktor. Zu beachten ist dabei zusätzlich, dass man zum Spielen zwingend das Kill Team-Grundregelwerk braucht. Regeln zum eigentlichen Spielen sind in der Box nicht enthalten

Die harten Fakten:

  • Verlag: Games Workshop
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Preis: 105 EUR
  • Bezugsquelle: Games Workshop, Amazon

 

Allein im Weltall? – Ein Fazit

Rogue Trader ist auf keinen Fall eine schlechte Box. Man bekommt interessante Ergänzungen für die eigene Kill Team-Kampagne, hübsch designte Geländeelemente und wunderschöne Figuren, die man vorher noch nirgends bekommen konnte. Trotzdem hätte es für den Preis etwas mehr sein können, sei es umfassenderes Hintergrundmaterial, das sich in längeren Begleitheften niederschlägt, oder etwas mehr Gelände. Auch der Verweis in der neu erschienenen Erweiterung auf die nachfolgende kann sauer aufstoßen. Wenn man sich sowieso schon Kill Team geholt hat und dies als das ansieht, was es sein möchte, eine Ergänzung zum Hauptspiel, bekommt man aber zwei interessante Gruppen, die neue Spielmöglichkeiten befeuern und sich auch auf den anderen Spielplänen gut machen werden. Wer also mit den Starstriders Abenteuer erleben oder die Galaxis infizieren möchte, kann hier unbesorgt zugreifen. Für die Regeln alleine lohnt sich die neue Box jedoch potentiell nicht. 


Fotografien: Markus Kastell, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Rogue Trader wurde uns von Games Workshop zur Verfügung gestellt.

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