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Am Montagmorgen verstarb mit Stan Lee eine der bekanntesten Personen der Comic-Industrie. Er wurde 95 Jahre alt. Wer war der Mann mit der Sonnenbrille und dem Oberlippenbart, der den meisten Leuten hauptsächlich aus seinen Cameo-Auftritten bekannt war? Wir blicken zurück auf einen der ganz Großen.

Excelsior! So beendete Stan Lee jeden Monat seine Kolumne Stan’s Soapbox. Es wurde zu seiner Catchphrase. Er wählte das Wort, da es toll klang, ohne dass die Leser genau wussten, was es heißt oder wie es ausgesprochen wird. Man kann dieses lateinische Wort mit „immer Aufwärts“ übersetzen. Als Marvel-Chefautor machte er aus dem kleinen Comicverlag eine der ganz großen Heldenschmieden. Sein Motto scheint sich bewahrheitet zu haben.

Der Verlag, der Marvel wurde

Als Stanley Martin Lieber mit 19 Jahren als Chefautor bei Marvel anfing, hieß der Verlag noch Timley Comics. Dort schuf er unter anderem die Heldenfigur The Destroyer oder schrieb an den Captain America-Comics mit. Sein Pseudonym wurde Stan Lee. Doch mit dem Ende des zweiten Weltkriegs endete langsam das goldene Zeitalter der Superhelden-Comics. Aus Timley Comics wurde Atlas Comics, und Lee schrieb alles Mögliche von Western über Horror bis hin zu Romanzen.

Der große Umbruch kam mit dem Erscheinen der Justice League of America bei der Konkurrenz  DC Comics. Lee wollte so schnell wie möglich an diesen Erfolg anknüpfen und schrieb eine kurze Zusammenfassung einer Story, die er an seinen Zeichner Jack Kirby schickte. In dieser Geschichte ging es um vier Superhelden, die Menschen wie du und ich waren, eine Familie. Jack Kirby erstellte Zeichnungen, und Stan Lee füllte nur noch die Sprechblasen mit Text. Im November 1961 erschien Fantastic Four #1 unter dem Label Marvel Comics. Dies ist der Anfang der Erfolgsgeschichte.

Die Marvel-Methode

Der Comic war ein riesiger Erfolg. Innerhalb kürzester Zeit produzierte Stan Lee mit dieser Vorgehensweise weitere Serien. Allein in den Jahren 1962 und 1963 entstanden zusammen mit Jack Kirby die Charaktere Ant-Man, Hulk, Iron Man, Wasp und mit Steve Ditko Spider-Man und Doctor Strange. Ebenfalls 1963 kam es zu einem Crossover zwischen den Einzelhelden von Jack Kirby im Comic Avengers #1. Im gleichen Monat wurde mit den X-Men ein weiteres Superhelden-Team ins Leben gerufen. 1964 folgten mit dem Zeichner Bill Everett noch Daredevil #1 sowie mit dem Zeichner Don Heck die Iron-Man-Gegner Black Widow und Hawkeye. Zusätzlich wurde in diesem Jahr der frühere Erfolgsgarant Captain America aus einem Eisblock befreit.

Diese schnelle Art, neue Inhalte zu erzeugen, wurde später als die Marvel-Methode bekannt. Der Autor gab den Zeichnern nur einen Grobentwurf und legte einen großen Teil der kreativen Leistung in ihre Hände. Dies führte zu einem hohen Output, sorgte aber auch oftmals für Streit, wer denn nun die treibende Kraft hinter der Erfindung bekannter Figuren war.

Stan Lee schrieb Charaktere, die nicht vollkommen waren. Sie hatten Probleme und Selbstzweifel. Sie plagten Probleme, die auch ein Comicleser kannte. Damit begründete er das silberne Comiczeitalter. Es ist unbestreitbar, dass in den Jahren 1961–1964 der Grundstein für das Medienunternehmen gelegt wurde, als das Marvel heute weltweit bekannt ist, und Stan Lee einen großen Teil dazu beigetragen hat.

The Man

Im Jahr 1972 übergab er den Chefautoren-Posten bei Marvel an Roy Thomas. Er selbst blieb aber die Galionsfigur des Verlags. Er trat auf Conventions auf und machte sich selbst zu einer Marke. In den 80ern zog er nach Kalifornien, um TV- und Filmrealisierungen seiner Marvel-Werke zu fördern. Großen Erfolg hatte dieses Unterfangen aber nicht.

Erst mit dem Film Blade im Jahr 1998 war die große Zeit der Marvel-Filme im Kino gekommen. Als Würdigung von Stan Lees Person wurde hier ein Cameo mit ihm gedreht, der aber in der finalen Schnittfassung entfernt wurde. Er tauchte aber in den großen Hits X-Men (2000), Spider-Man (2002) und Hulk (2003) auf. Von da an wurde es zu einem Running-Gag, ihn in Filmen auftauchen zu lassen. Dies ging so weit, dass er selbst in Animationsfilmen und Werken, an denen er niemals beteiligt war, erschien. So ist sein Gesicht heute auch vielen Leuten bekannt, die niemals einen Comic gelesen haben.

Zuletzt ist Stan Lee immer seltener zu Autogrammstunden gefahren und hat viele Termine abgesagt. Er zeigte sich nicht als alter und gebrechlicher Mann, sondern ihn umgab bis zu seinem Tod eine Aura des Besonderen. Er starb am 12. November 2018 in einem Krankenhaus in Los Angeles.

Trotz aller Kritik an seiner Person verabschieden wir uns doch von einem Menschen, der die Superhelden zu Figuren machte, mit denen sich jeder identifizieren kann. Ohne ihn gäbe es heute vermutlich keine Superhelden-Filme als Blockbuster, und die Welt wäre ein bisschen ärmer an Geschichten von Menschen, die über sich hinauswachsen, die ihre Probleme überwinden und es trotz aller Hindernisse schaffen, die Welt zu retten.

Excelsior!

Artikelbilder: The Globe and Mail, Bild, IGN, Bearbeitet von Verena Bach

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