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Gangster-Thriller und Horror: Moonshine von 100 Bullets Autor Brian Azzarello verknüpft zwei interessante Genres zu einer Geschichte, in der illegal gebrannter Schnaps eine wichtige Rolle spielt. Warum diese Prämisse prinzipiell funktioniert, aber besonders zu Beginn aufgrund der Charaktergestaltung Probleme hat, erfahrt ihr in unserem Graphic Novel Kurzcheck.

Lange mussten Leser hierzulande auf eine deutsche Übersetzung von Moonshine warten, dessen Veröffentlichung sich immer wieder verzögert hat. Verantwortlich für die Mischung aus Gangster-Thriller und Horror ist der amerikanische Autor Brian Azzarello. Bekannt wurde er besonders durch seine Graphic Novel 100 Bullets, einer Verbrechersaga im Stile alter Noir und Pulp-Titel. Darüber hinaus ist er an verschiedenen Reihen von DC Comics beteiligt, zuletzt Wonder Woman.

Nach der Auszeichnung von 100 Bullets mit dem Eisner-Award sind die Erwartungen an das neueste Werk von Azzarello hoch. Kann die düstere Welt von Moonshine uns in ihren Bann ziehen?

Handlung & Charaktere

Moonshine spielt in den Vereinigten Staaten zur Zeit der Prohibition. Das Alkoholverbot hat eine florierende Schattenwirtschaft geschaffen, in der illegal gebrannter Schnaps zu einem wertvollen Gut wird. Sowohl für Hersteller als auch Distributoren des flüssigen Rausches eröffnen sich wahre Goldgruben.

So ist es kein Wunder, dass hochwertiger Stoff äußerst begehrt ist; Schnaps wie der von Hiram Holt, einem Schwarzbrenner in den entlegenen Appalachen im Osten Nordamerikas. Dessen hochprozentige Ware hat in Form einer Kostprobe ihren Weg in die Hände des Verbrecherbosses Joe Masseria gefunden. Ihm ist klar, dass der illegale Verkauf beide Seiten reich machen kann. Deswegen schickt er seinen Handlanger Lou Pirlo, um mit Holt ins Geschäft zu kommen.

Schnell muss Lou erkennen, dass in der Wildnis andere Regeln gelten als in New York. Sein blendendes Aussehen und die Verbindungen zur Unterwelt helfen ihm bei der Überzeugung dieser boshaft betitelten Hinterwäldler wenig weiter. Holt und seine Familie verteidigen ihre Schwarzbrennerei mit allen Mitteln gegen Unruhestifter von außen. Dabei scheinen einige dieser Mittel monströser und übernatürlicher Natur zu sein.

Moonshine überzeugt mit einer unverbrauchten Ausgangssituation in einer spannenden Zeit der amerikanischen Geschichte. Das Interesse der Gangster auf der einen Seite und die Skepsis der Schwarzbrenner auf der anderen Seite sorgen für interessantes Konfliktpotential. Dabei wird schnell klar, dass keine der Parteien zimperlich agiert. Der Kampf um den Schnaps wird brutal ausgefochten, wodurch Moonshine einige Actionszenen aufweist. Begleitet werden diese durch die permanente Andeutung einer übernatürlichen Gefahr, die zusätzlich für Spannung sorgt.

Ein Problem von Moonshine sind die Charaktere. Zum einen werden zu viele zu schnell eingeführt, wobei ein Großteil nur eine geringe Relevanz aufweist. Zum anderen fehlt es den meisten an Tiefgang. Selbst Protagonist Lou ist davon betroffen, wenngleich gegen Ende des ersten Bandes mehr Einblick in seine Vergangenheit gewährt wird. Viele Charaktere entsprechen gängigen Klischees und bieten wenig Vielfalt. Im Vergleich dazu haben es Serien wie Deadly Class besser gemacht, eine Gruppe von Antihelden mit eigenen Interessen zu etablieren. Am spannendsten ist für den Leser noch die Familie um Schwarzbrenner Hiram Holt. Diese liefert einen ständigen Faktor der Ungewissheit und Fremdartigkeit. Als Folge dessen wirken Szenen mit ihrer Beteiligung deutlich interessanter.

Zeichnungen & Kolorierung

Wie schon bei 100 Bullets werden die Zeichnungen von Eduardo Risso gestaltet. Das etablierte Team versteht es, im Zusammenspiel von Bild und Text eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen. Risso setzt auf einen einfachen Stil, der viel Fokus auf die Charaktere legt. Mimik und Gestik werden sorgfältig ausgearbeitet, während die Hintergründe detailarm bleiben. Auch bei der Ausgestaltung brutaler Szenen geizt die visuelle Inszenierung nicht. Blut und Körperteile fliegen zwar nicht in Massen, doch einzelne Panels zeigen Gewalt in aller Deutlichkeit.

Unterstützt werden die Artworks durch eine einfache Kolorierung, die pro Seite einen dominanten Farbton aufweist. Häufig eingesetzt werden dunkle Töne aufgrund der Vielzahl an Nachtszenen. Hier erinnert Moonshine ebenfalls an Deadly Class, wenngleich letztgenanntes noch eine reduziertere Farbpalette zeigt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor: Brian Azzarello
  • Zeichner: Eduardo Risso
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 144
  • Preis: 22,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Mein Instinkt nach den ersten beiden Dritteln von Moonshine war, eine schlechtere Bewertung zu vergeben. Zu sehr störte ich mich, trotz der interessanten Hintergrundgeschichte, an den oberflächlichen Charakteren. Jedoch gelang es Autor Brian Azzarello, mich am Ende des Pilotbandes mit einigen spannenden Handlungselementen wieder einzufangen. Besonders Protagonist Lou gewann durch diese an Tiefe und andere Charaktere wurden interessanter. Somit hinterlässt der Pilotband von Moonshine Lust nach mehr, auch aufgrund einer sehr stimmigen visuellen Umsetzung durch Eduardo Risso.

Artikelbild: Cross Cult
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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