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Secure. Contain. Protect. Als Mitglied der Foundation begegnet man vielem, das sich auf den ersten Blick nicht erklären lässt – manches auch nicht auf den tausendsten. SCPs sind mysteriöse Anomalien, die zum Schutz der Welt gesichert werden müssen. Ein abgestürztes Flugobjekt verspricht ein weiteres Rätsel, das kurz vor seiner Entdeckung steht.

Spielwelt, Regeln und Charaktererschaffung

SCP – The Tabletop RPG ist ein Rollenspiel, das insbesondere für Fans des SCP-Universums geschaffen wurde. In dieser Welt, die der unseren gar nicht unähnlich ist, agiert eine Organisation, die sich „Foundation“ nennt, im Geheimen. Weltweit spürt sie Anomalien auf, von denen einige eine nicht unerhebliche Gefahr für Erde und Menschheit darstellen.

Dank der Foundation werden diese sogenannten SCPs sichergestellt, verwahrt und erforscht. In SCP – The Tabletop RPG sind die Spieler*innen als Mitarbeitende ein Teil davon. Ob Wissenschaftler*in, medizinisches oder Sicherheitspersonal, die Möglichkeiten die Foundation zu unterstützen sind vielfältig – genauso vielfältig wie die damit verbundenen Abenteuer und SCPs.

Die Erforschung der SCPs ist eine der vielen Aufgaben der Foundation.
Die Erforschung der SCPs ist eine der vielen Aufgaben der Foundation.

Das Regelsystem sieht bei der Ausführung von Proben im Normalfall die Verwendung von W8 und W10 vor, bei einem Maximum von insgesamt vier Würfeln. Wie viele von welcher Sorte verwendet werden können, hängt davon ab, wie viele Würfel bei der Charaktererschaffung für ein Attribut ausgegeben wurden.

Ein Beispiel: Hat man dem Attribut „Strength“ bei der Erschaffung 4W8 und 2W10 zugewiesen, so darf man bei einer Probe auf dieses Attribut aus dem Pool insgesamt vier Würfel wählen.

Die beiden höchsten Ergebnisse werden addiert und müssen einen vorgegebenen Wert erreichen oder übertreffen. Passende Fertigkeiten können das erwürfelte Ergebnis weiter erhöhen.

Eine ausführliche Beschreibung der oben genannten Punkte lässt sich im Ersteindruck zu SCP – The Tabletop RPG nachlesen.

Spielbericht

Für den folgenden Spielbericht wurde das im Grundregelwerk enthaltene Abenteuer „The Black Glass Labyrinth“ gespielt. Zusammen mit der Charaktererschaffung nahm es etwa sechs Stunden, verteilt auf zwei Spielabende, in Anspruch. Wer das Abenteuer als Spieler*in erleben möchte, sollte den nächsten Teil überspringen.

Eine Variante des Ausweises, den alle neuen Mitarbeiter*innen der Foundation erhalten.
Eine Variante des Ausweises, den alle neuen Mitarbeiter*innen der Foundation erhalten.

Die gemeinsame Erschaffung der drei Charaktere dauerte etwa 80 Minuten. Diese enthielten allerdings auch Erklärungen, sodass mit etwas Erfahrung, das Erstellen eines Charakters deutlich schneller vonstattengeht. Durch das Fehlen von Klassen und damit verbundenen Vorgaben ist man sehr frei bei der Gestaltung des eigenen Charakters. Die Basis sollte ein Beruf sein, anhand dessen man passende Attribute und Fertigkeiten auswählt. Die Tatsache, dass die Werte der Fertigkeiten eine Nachkommastelle haben, war zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, funktionierte im Nachhinein aber besser als gedacht. Es fiel jedoch als unpassend auf, dass die Charakterschaffung ein reines Kaufsystem ist und nur diese Nachkommastellen ausgewürfelt werden.

Nach einiger Rechnerei und dem Notieren vieler Zahlen entstanden der Wissenschaftler Daniel Carter, die Ingenieurin und ehemalige Soldatin Yumi Carter (nicht mit Daniel verwandt oder verschwägert) und der Arzt Gonzales.

The Black Glass Labyrinth

Das Abenteuer beginnt damit, dass die drei zu einer Besprechung gerufen werden. Irgendwo im Niemandsland ist ein unbekanntes, fliegendes Objekt abgestürzt. Da sich die zu Hilfe gerufenen Einsatzkräfte merkwürdig verhielten und manche nun vermisst werden, besteht der Verdacht, es könne sich um eine Anomalie – also ein SCP – handeln. Die Charaktere sollen diese Annahme bestätigen oder widerlegen, und eine potenzielle Anomalie nach Möglichkeit sicherstellen.

So etwas wie Alltag gibt es auch in der Foundation – manchmal.
So etwas wie Alltag gibt es auch in der Foundation – manchmal.

Dazu werden sie per Hubschrauber zum Einsatzort irgendwo im Nirgendwo geflogen und beginnen, getarnt als FBI-Agent*innen, mit ihren Untersuchungen. Nach Rücksprache mit dem dortigen Sheriff, machen sie sich auf den Weg zur Absturzstelle. Im durch den Absturz entstandenen Krater entdecken sie ein kleines Flugobjekt, das einmal ein Privatjet gewesen sein könnte. Das Auffälligste ist jedoch ein großer, schwarzer Obelisk, der auf dem Boden liegt. Um ihn herum stehen fünf der vermissten Personen. Sie leben noch, sind aber nicht ansprechbar und reagieren in keiner Weise auf die drei Foundation-Mitarbeiter*innen. Weitere Vermisste liegen tot in der Nähe und wurden offensichtlich Opfer von Gewaltanwendung.

Es wird ernst

Nachdem die Charaktere sich vorsichtig nähern, stellen sie fest, dass es der einzigen Frau, die am Obelisken steht, nicht gut geht. Nachdem sie von Gonzales stabilisiert wurde, fallen ihnen auf der Oberseite des Obelisken fünf rote Lichter auf, von denen eines hektisch blinkt, sich nun aber beruhigt. Sie scheinen offenbar mit den Vitalfunktionen der Vermissten zusammenzuhängen. Bevor sie dem weiter auf den Grund gehen können, kommt einer der Männer plötzlich zu sich und greift an. Nachdem er ausgeschaltet wurde, machen sie sich daran, alle zu fesseln, um weitere Attacken zu vermeiden. Dabei fällt Daniel plötzlich in denselben katatonischen Zustand, wie die vermissten Personen.

Das System, nach dem SCPs klassifiziert werden. Es wird ersichtlich, wie gefährlich manche sein können.
Das System, nach dem SCPs klassifiziert werden. Es wird ersichtlich, wie gefährlich manche sein können.

Während Gonzales und Yumi seinen Körper außerhalb des Kraters in Sicherheit bringen, findet Daniel sich in einem, aus vielen Gängen bestehenden, Labyrinth wieder und merkt schnell, dass er nicht allein ist. Er trifft auf einen Wirbel aus verschiedensten geometrischen Formen, der ihn nach einem kurzen Kampf scheinbar tötet. Doch Daniel wacht lediglich, jetzt wieder in seinem eigenen Körper, desorientiert auf.

Die Drei beraten sich und beschließen, die beeinträchtigten Personen auszuschalten, in der Hoffnung, den Obelisken so unschädlich zu machen. Doch dieser explodiert schließlich, und sie werden von dem Wesen aus dem Labyrinth angegriffen. Schnell merken sie, dass ein Kampf aussichtslos ist, und nachdem Gonzales schwer verletzt wird, treten sie den Rückzug an. Da sie nun zweifelsfrei wissen, dass es sich um eine Anomalie handelt, fordern sie per Funk Verstärkung von der Foundation an, die sich der Sache annimmt.

Spielbarkeit aus Spielleitungssicht

Das Buch anhand der verschiedenen Security Level aufzubauen, ist eine interessante Idee und optisch ansprechend, doch dadurch werden zusammengehörende Dinge, wie etwa die Waffen, stark über das Buch verstreut. Dies verursacht viel Hin- und Herblättern, und man verliert schnell den Überblick. Zudem sind immer wieder wichtige Informationen, zum Beispiel die Heilung, nicht sonderlich hervorgehoben, sondern an den Rand gequetscht, sodass sie leicht übersehen werden können.

Das Regelsystem ist kompliziert und es wurden zu viele verschiedene Regelmechaniken zusammengeworfen. Eine Probe zu würfeln ist ohne digitale Hilfsmittel, wie Roll20, sehr umständlich und es dauert eine Weile, bis man das Ergebnis hat. Zudem gibt es zu viele verschiedene „Währungen“, die alle für unterschiedliche Dinge (materielle und immaterielle) verwendet werden können. Außerdem ist die Ausrüstung nur sporadisch beschrieben und über weite Teile des Buches verteilt. Die Waffen sind nicht ausbalanciert. So sind beispielsweise Maschinenpistolen aufgrund ihres nicht vorhandenen Rückstoßes deutlich effektiver und können im Endeffekt mehr Schaden verursachen als Sturmgewehre. Diese können durch den starken Rückstoß nur jede zweite Runde verwendet werden, wenn man ohne Einbußen schießen möchte.

Das Abenteuer hat eine solide, aber keine außergewöhnliche Idee. Allerdings erhält die Spielleitung zu wenige Informationen, insbesondere im Hinblick auf die Lösung. Dass kein bekanntes SCP, wie das „Hard-to-Destroy Reptile“, auftaucht, kommt erschwerend hinzu, da man sich so keine weiteren Informationen aus dem Internet durchlesen kann. Zudem sind keinerlei begleitende Karten oder Illustrationen vorhanden. Gerade unerfahrenere Spielleitungen werden Schwierigkeiten haben, ihre Gruppe erfolgreich durch das Abenteuer zu führen.

Insgesamt entstand der Eindruck, dass dieses System nur etwas für erfahrene Rollenspieler*innen ist, die sich im SCP-Universum auskennen und Spaß an komplexen Regeln haben. Diese sind an den falschen Stellen überladen, wodurch das System unnötig kompliziert wird.

Positiv hervorzuheben sind die im Buch vorgestellten SCPs mit Bildern, Werten und Beschreibungen, sowie Ideen und Tipps, um sie in eigene Abenteuer einbauen zu können.

Spielbarkeit aus Spieler*innensicht

Der Spielerin des Arztes Gonzales hat das Setting gut gefallen, was sie an 1990er-Jahre Serien, wie Akte X, erinnerte. Das System selbst, sowie seine Gestaltung wurden als inkonsistent empfunden. Nach eigener Aussage des Autors („I started making role-playing games several years ago after being frustrated with how much „fluff“ most RPGs put in their books.”) sollen die Regeln im Vordergrund stehen. Dieser Eindruck wird im Buch durchaus vermittelt, aber nicht konsequent umgesetzt, sodass eine Unsicherheit entsteht, ob Fluff nun vom System gewünscht ist oder nicht.

Irritierend ist auch die Vermischung der meist rein mathematischen Regeln mit Zufallskomponenten, wie etwa die erwürfelte Nachkommastelle der Fertigkeiten. Andere Regeln, wie etwa die unterschiedliche Anzahl der durch die explodierenden Würfel hinzugewonnenen Bonuswürfel, sind ohne ersichtlichen Grund willkürlich. Positiv ist jedoch, dass es im Kampf durch Vorteile gewürdigt wird, an erster Stelle der Initiative-Reihenfolge zu stehen.

Waffen können im Kampf gegen gefährliche SCPs lebensrettend sein. Doch manchmal sind sie nicht genug.
Waffen können im Kampf gegen gefährliche SCPs lebensrettend sein. Doch manchmal sind sie nicht genug.

Das System erscheint nur für Personen interessant, die sowohl mit Tischrollenspielen als auch mit dem SCP-Universum vertraut sind: Auf Rollenspiel-Neulinge wirkt das System abschreckendnd Unerfahrene in der Welt der SCP können nicht abschätzen, welche Möglichkeiten sie haben.

Daniel Carters Spieler hat besonderen Gefallen an den Nachkommastellen der Fertigkeiten gefunden, die ein Alleinstellungsmerkmal des Systems darstellen und besser funktionieren, als man zunächst denkt. Bemängelt wurde zum einen das schlechte Balancing der Waffen und zum anderen, dass die meisten Fertigkeiten auf die Attribute „Dexterity“ und „Intelligence“ zurückgreifen, was die restlichen Attribute überflüssig erscheinen lässt.

Die Mission des Einstiegsabenteuers war klar, aber im Verlauf entstand für ihn der Eindruck, Teil des Intros einer Stargate-Episode zu sein, in dem alles schiefgeht, bis die Profis kommen und aufräumen. Zudem lieferte das Abenteuer keine Hilfestellungen zu seiner Lösung, was ungünstig ist, da es den Einstieg in das System ermöglichen soll.

Die Spielerin von Yumi Carter hat als einzige Erfahrung mit dem SCP-Universum. Dadurch entstand bei ihr der Eindruck, dass sich das Einstiegsabenteuer entweder nicht an die normale Vorgehensweise der Foundation gehalten hat oder es sowohl Spielleitung als auch Spieler*innen nicht genügend Informationen lieferte, um „Foundation-konform“ handeln zu können.

Auch sie empfand die Regeln als zu überladen und „zu viel gewollt“. Beim Würfeln ohne digitale Hilfsmittel wie Roll20, benötigt man für alle Fälle mindestens 4W8, 4W10, 4W12 und 1W20, da jeder Würfel explodieren kann und somit das Würfeln eines höherrangigen Würfels verursacht. Dadurch muss man jedes Mal aufpassen, um nicht durcheinander zu kommen.

Unter anderem das Aussehen eines Charakters beeinflusst manche seiner Fertigkeiten.
Unter anderem das Aussehen eines Charakters beeinflusst manche seiner Fertigkeiten.

Das unlogische Balancing der Waffen ist ebenfalls negativ aufgefallen. Es gibt keinen Grund, bei einem normalen Gefecht eine andere Waffe als eine Maschinenpistole (etwa die MP5) zu verwenden. Denn mit diesen kann man jede Runde schießen und zusätzlich durch den fehlenden Rückstoß mit vollem Bonus würfeln. Sturmgewehre sind hierbei – trotz des besseren Schadens – stark im Nachteil, da man mit ihnen immer wieder Runden aussetzen muss, um neu zu zielen.

Die Charaktererschaffung hat hingegen Spaß gemacht und die Regelung, dass Aussehen und Gesinnung tatsächlich Auswirkungen auf manche Fertigkeiten haben, ist eine erfrischende Abwechslung.

Die harten Fakten:

  • Verlag: 26 Letter Publishing
  • Autor*innen: Jason Keech, Ethan Severson, Rob Leigh
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Englisch
  • Format: Hardcover, PDF
  • Seitenanzahl: 292
  • ISBN: 9798524671998
  • Preis: ab 49,99 USD (Hardcover), 19,99 USD (PDF)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, DriveThruRPG

 

Fazit

SCP – The Tabletop RPG ist ein äußerst regellastiges System. Leider hat sich nach dem Praxistest herausgestellt, dass die Regeln zu überladen, kleinteilig und nicht immer gut aufeinander abgestimmt sind. Die Aufteilung des Buches in die verschiedenen Security Level ist optisch zwar ansprechend, im praktischen Gebrauch aber unvorteilhaft, da zusammengehörende Informationen und Ausrüstungen dadurch ebenfalls aufgeteilt sind.

Das enthaltene Einstiegsabenteuer hat deutliche Schwächen – allen voran die fehlenden Informationen, ohne die es Spielleitung und Spieler*innen schwerfallen wird, sich im Setting zurechtzufinden.

Es ist am besten, wenn sowohl Spielleitung als auch Spieler*innen mit der Welt der SCPs vertraut sind. Insgesamt lässt sich SCP – The Tabletop RPG  für erfahrene Rollenspieler*innen und SCP-Vertraute, die komplexe Regelsysteme mögen, empfehlen. Alle anderen sind mit einem generischen System für dieses Setting besser bedient.

  • Baut auf einem faszinierenden Setting auf
 

  • Zu überladenes Regelsystem
  • Nur für eine kleine Zielgruppe geeignet
  • Schwaches Einstiegsabenteuer

 

Artikelbilder: © 26 Letter Publishing, Creative Commons Sharealike 3.0
Screenshots: Ayleen Schmidt
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Sabrina Plote
Dieses Produkt wurde durch die Einnahmen auf Patreon finanziert.

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