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Es geht immer noch schlimmer, merkt euch das. Diese neuen Lebensformen namens Karnomorphs zum Beispiel: Sie fressen, was sich ihnen in den Weg stellt, sogar Artgenossen. Sie wollen wachsen. Wem ist noch zu trauen? Nichts ist gewiss außer der allgegenwärtigen Furcht und dem Grauen. Was bleibt uns noch, außer das Schiff zu sprengen?

Alles lief hervorragend. Wir nahmen Probenbehälter von einem Forschungsschiff entgegen und verstauten diese vorschriftsgemäß in den dafür vorgesehenen Kammern. Sie enthielten eine ungewöhnlich gierige, parasitäre Form der Xenonukleinsäure (XNA), gesammelt auf einem anderen Planeten. Wir fragten nicht weiter nach, sondern erledigten unseren Job. Alles war durchdacht, sämtliche Sicherheitsstandards wurden eingehalten. Vor dem Sprung in den Hyperraum wurden alle Systeme gecheckt, der Kurs eingestellt, die Kryostase vorbereitet. Wir stiegen in unsere Kapseln, ganz gespannt auf die Ankunft auf der Erde. Der Deckel schloss sich über mir, meine Augen fielen zu, doch kurz bevor das Schiff in den Hyperraum sprang und ich in den Kälteschlaf überging, kam mir ein letzter, grausamer Gedanke: Die Katze! Wir haben die Katze vergessen …

Nemesis Karnomorphs ist eine Erweiterung des semi-kooperativen Weltraumhorrorspiels Nemesis.

Eine Erweiterung des semi-kooperativen Weltraumhorrorspiels.

Es ersetzt die Aliens aus dem Grundspiel durch eine neue Rasse: die Karnomorphs. Wussten wir bisher nicht, woher unsere Feinde kamen und warum sie uns nach dem Leben trachteten, bietet die Erweiterung die traurige Gewissheit bezüglich der neuen Spezies: Die Katze hat sich beim Sprung in den Hyperraum in ein Vier-Kilo-Projektil verwandelt und auf ihrem Flug einige der Behälter durchschlagen, in welchen wir die Proben transportierten. Von dem kleinen Fellknäuel ist nur ein Klecks Proteinsuppe zurückgeblieben, welcher sich mit der parasitären XNA vermischt und eine neue Lebensform gebildet hat. Sie ist gefährlicher als die bisher bekannten Xenos und stellt uns vor ganz neuen Herausforderungen. Und sie will Rache.

Schaffen wir es, der Dinge Herr zu werden? Oder bleibt uns am Ende nichts anderes übrig, als das Schiff samt Inhalt zu sprengen, um die Erde vor dem Untergang zu bewahren?

Spielablauf

Vom Grundsatz her gleichen die Regeln von Nemesis Karnomorphs denen des Grundspiels.

Es gibt allerdings ein paar Abweichungen, sowohl im Spielaufbau als auch in den Karten oder in gewissen Abläufen.

Die wichtigsten Unterschiede zum Grundspiel, welches bereits einen hohen Wiederspielwert bietet, werden wir im Folgenden aufzeigen.

Es gibt keine Larven mehr, die in uns hineinkriechen und uns von innen heraus auffressen. An ihre Stelle treten die Mutationen. Durch Zusammentreffen mit den Karnomorphs kommt es auch bei unseren Charakteren zu Veränderungen im Metabolismus. Das Virus gelangt durch Angriffe in unsere Körper. Wir mutieren und erlangen so übernatürliche Fähigkeiten, die uns im Kampf gegen das Übel auf diesem Schiff helfen können. Doch Nemesis wäre nicht Nemesis, wenn nicht auch dies einen Nachteil hätte: Sammeln wir zu viele Mutationsmarker an, welche wir auf vielerlei Arten erhalten können, sterben wir und werden zu einem Teil der Feindesmasse. Es gilt also, die Mutationen weise einzusetzen und sparsam mit unseren neuen Kräften umzugehen.

Da es sich bei den Karnomorphs um eine komplett neue und eigenständige Alien-Rasse handelt, haben die verschiedenen Stadien dieser Wesen natürlich auch andere Namen und verhalten sich anders als die bisherigen Xenos. Sie sind gefährlicher und entwickeln sich rasant weiter.

An die Stelle der Kriecher treten beispielsweise die Verschlinger. Kleine, vielbeinige Wesen, welche bei einem Angriff immer treffen, einen Charakter verwunden und mutieren lassen und sich dann zurückziehen, um als nächstgrößere Stufe zurückzukommen. Auch die Königin, so wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. An ihre Stelle tritt nun der Vater des ganzen Wahnsinns auf diesem Schiff. Er wird der Zerfleischer genannt und ist eine unnatürliche Fleischmonstrosität, welche zu groß ist, um sich durch die Wartungsschächte zu bewegen. Doch dieses Monster muss sich erst entwickeln. Wenn wir das verhindern können, werden wir ihm nie begegnen. Oder ist dies vielleicht sogar jemandes Wunsch?

Neue Aliens machen uns das Leben zur Hölle. Erkennt ihr die Katze in ihnen?

Apropos Töten: Eine weitere Abweichung zu den Grundregeln sind die Lebenspunkte der Aliens. Auf deren Angriffskarten stehen nun je zwei Lebenspunktewerte – einer für die kleinere Entwicklung und einer für alle anderen Typen. Der Zerfleischer, ehemals die Königin, ist somit nicht grundsätzlich zäher als kleinere Karnomorph-Typen. Doch sollte jemand das wahnsinnige Glück haben, ihn zu töten, entwickeln sich aus seinem Körper zwei kleinere Monstrositäten, die zurückbleiben und uns attackieren. Dies macht ihn noch gefährlicher als die Königin des Grundspiels.

Doch kommen wir nun zum spannendsten Teil der Änderungen im Vergleich zum Grundspiel, dem Verhalten der Karnomorphs. Stand bei den Xenos die Jagd auf uns im Vordergrund, verfolgen die Karnomorphs eine andere Strategie: Sie fressen, werden größer und entwickeln sich weiter. So und nur so entsteht der Zerfleischer. In der Ereignisphase, bevor die Angriffe durchgeführt werden, fressen die Karnomorphs und entwickeln sich zur nächsthöheren Stufe. Dabei spielt es keine Rolle, was sie fressen. Leichen unserer gefallenen Teammitglieder, Alienkadaver oder sogar eigene lebende Artgenossen, Nichts ist sicher. Dieser Mechanismus macht die Aliens zwar berechenbarer, da wir abschätzen können, was wann wo passiert, er führt allerdings in Zusammenhang mit der angepassten Alienausbreitung dazu, dass das Schiff über kurz oder lang überrannt wird. Konnten wir im Grundspiel den meisten Kämpfen durch Schleichen oder einfaches Wegrennen aus dem Weg gehen, ist dies nun ab einem gewissen Punkt nicht mehr möglich. Dies macht die Karnomorphs gefährlicher und bösartiger als die Xenos. Wir müssen viel mehr im Team zusammenarbeiten, um diese Situation zu meistern. Und nebenbei natürlich den perfekten Zeitpunkt ausmachen, um unsere eigenen Ziele zu erfüllen und gegebenenfalls anderen in den Rücken zu fallen. Das ist gar nicht mal so einfach.

Das Material ist hochwertig, wenn auch nicht viel.

Zu Guter Letzt bleibt noch eine Kleinigkeit zu erwähnen: Die Aliens haben keine Schwächen mehr, sondern sogenannte Adaptionen. Diese machen sie stärker. Im Grundspiel konnten wir noch recht leicht davon absehen, die Xeno-Schwächen zu erforschen, da dies ein gefährliches Unterfangen war und Zeit kostete. Wir sind den meisten Kämpfen, wenn möglich, einfach aus dem Weg gegangen. Doch mit dieser Erweiterung haben wir kaum noch eine Wahl, wenn wir mit unseren schmächtigen Waffen überhaupt eine Chance gegen diese Vielzahl an Horrorkreaturen haben wollen. Denn es gilt: Um den Karnomorphs ihre Adaptionen zu nehmen, müssen wir diese im Labor erforschen. Da kommt Freude auf!

Das Regelheft

Das Regelheft ist gut strukturiert und gibt leicht verständlich alle Änderungen im Aufbau und den Regeln wieder. Nach einer kurzen Einführung, die wieder für die richtige Atmosphäre und Stimmung am Tisch sorgt, werden erst alle Neuerungen aufgezeigt und im Anschluss alle Regeländerungen erklärt. Durch Beispiele und Bilder werden kniffligere Passagen anschaulich nähergebracht.

Auf der letzten Seite gibt es zudem eine kurze Regelzusammenfassung. Auf dieser werden zusätzlich ein paar Charakterziele aus dem Grundspiel auf diese Erweiterung zugeschnitten erklärt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Awaken Realms, Asmodee
  • Autor*in(nen): Adam Kwapiński
  • Erscheinungsjahr: 2020 (deutsche Ausgabe), 2019 (englische Ausgabe)
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: ab 60 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: (1) (2) 3 4 5
  • Alter: 14+
  • Preis: ca. 60 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Nemesis Karnomorphs steht dem Grundspiel wirklich in nichts nach, bringt tolle Neuerungen und Regeländerungen mit sich und besticht nach wie vor durch Wendungen, nervenaufreibende Kämpfe und den immerwährenden Zweifel an den Mitmenschen. Es weist hochwertiges Spielmaterial auf, alle Miniaturen sind hervorragend ausgearbeitet und sehr detailreich. Das gesamte Material trägt weiterhin einen Großteil zur Atmosphäre des Spiels bei und sichert uns unglaubliche Erlebnisse auf dem Raumschiff.

Durch die Mutationen fühlen wir uns etwas besser auf Situationen vorbereitet, haben aber immer die Angst im Nacken, dass diese uns über kurz oder lang zu einem Teil des Feindes machen.

Doch im Vergleich zu den Xenos aus dem Grundspiel sind diese Aliens nachvollziehbar und vorhersehbarer geworden. Die Mechanik des Fressens kann genutzt werden, um Mitspielende in Fallen zu locken oder gezielt ein bestimmtes Alien zu treffen. Das Ziel „Die große Jagd“ ist auf einmal erreichbarer, da sich die Königin, alias der Zerfleischer, nicht mehr in die Wartungsschächte zurückziehen und somit vom Spielplan verschwinden kann. Es ist immer noch extrem gefährlich aber keine ganz so große Verzweiflungstat mehr. Dennoch ist das Spiel alles andere als einfacher geworden, die Grundmechaniken sind gleichgeblieben. Auch diese Rasse ist uns fremd und wir müssen uns erst mit ihr auseinandersetzen, um effektiv gegen sie vorgehen zu können. Doch dafür bleibt uns kaum Zeit, denn mit jeder Runde kommen mehr Aliens hinzu oder sie entwickeln sich zu noch größeren Bestien.

Durch die entstehende Übermacht an Kreaturen sind wir mehr dazu gezwungen, im Team zu agieren und einander zu vertrauen, haben aber dennoch immer den möglichen Verrat im Hinterkopf.

Eine grandiose Erweiterung eines nervenaufreibenden Spiels. Wer den Wunsch auf Abwechslung in den Mechaniken und Alienrassen verspürt, ist hiermit definitiv gut bedient. Diese Erweiterung ist ein Muss für alle Nemesis-Fans, welche neue Herausforderungen suchen und denen die Xenos bereits aus der Hand fressen. Und ein Kann für all diejenigen, die mit dem Grundspiel bereits zufrieden sind aber neugierig neuen Herausforderungen entgegenblicken.

Ein kleiner Kritikpunkt ist allerdings das Preis-Leistungsverhältnis. Im Vergleich zu dem doch stolzen Preis, ist das Material sehr überschaubar. Hier zahlen wir eindeutig für die Miniaturen.

Dennoch: Von uns gibt es erneut fünf von fünf Alieneiern.

  • Abwechslungsreiche neue Mechaniken
  • Ziele wirken erfüllbarer
  • Neue Gegner mit anderem Verhalten
 

  • Hoher Preis für wenig Material

 

Artikelbilder: © Awaken Realms, © Asmodee
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Maximilian Düngen
Fotografien: Mareike Rathmann
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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