Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Seit 1997 begeistert das Legend of the Five Rings RPG Rollenspielfans. Mit der 5. Edition hat Fantasy Flight Games nun eine offene Beta gestartet. Grund genug, einmal reinzuschauen. Was hat sich von den Tagen von AEGs Roll’n’Keep zu nun geändert? Steffen hat einen intensiven Blick hineingeworfen.

Im Jahr 1997 erschuf der bekannte Rollenspielautor John Wick zusammen mit der Alderac Entertainment Group die erste Edition eines Rollenspiels im Universum von „Legend of the Five Rings“. 18 Jahre und mehrere weitere Editionen später erwirbt Fantasy Flight Games die Lizenz und bringt nicht nur ein wundervolles Living Card Game mit der Legend of the Five Rings-Lizenz heraus, sondern arbeitet auch an einer neuen Edition des RPG-Systems.Seit September 2017 ist dieses Regelwerk nun in einer offenen Betaphase und steht allen Interessierten zum kostenlosen Download zur Verfügung. Natürlich bedeutet Beta, dass das Regelwerk noch lange nicht komplett ist, dennoch haben wir uns das Ganze schon einmal angesehen, um euch zu berichten, welches Potenzial das RPG besitzt.

Die Spielwelt

Legend of the Five Rings bringt euch ins fiktionale Imperium Rokugan. Rokugan ist stark angelehnt an das feudale Japan, enthält allerdings auch weitere Elemente asiatischer Kulturen, inklusive mystischer Kreaturen, Spiritualität und Magie. Vor allem aber haben sich die Autoren wichtige Elemente aus der Kultur der japanischen Samurai entliehen. So streben die meisten Bewohner von Rokugan nach Ehre und Ruhm für sich und ihre Familien und die meisten Krieger stellen sich unter den Codex des Bushido. Für sie sind Ehre, Aufrichtigkeit, Mut, Barmherzigkeit, Höflichkeit, Rechtschaffenheit und Loyalität die wichtigsten Leitlinien ihres gesamten Lebens.

Zusätzlich zum Imperium Rokugan gibt es noch weitere Nationen und Regionen in der Welt von Legend of the Five Rings, diese finden allerdings lediglich Erwähnung in der aktuellen Version des Betaregelwerks und werden nicht weiter behandelt.

In Rokugan herrscht ein strenges System aus Clans und Familien, die untereinander um Macht und Einfluss ringen. Die sieben großen Clans des Imperiums haben sämtlich unterschiedliche Rollen in diesem System und jeder Clan wird von einigen wenigen mächtigen Familien beherrscht. In den sieben großen Clans findet man eigentlich alles, was man sich von dem Setting verspricht: Der Crab-Clan beispielsweise wird weithin als unzivilisiert angesehen und seine Krieger bewachen die große Mauer, die Rokugan von den sogenannten Shadow-Lands abtrennt, während die Mitglieder des Crane-Clans allgemein als große Künstler und grazile Duellanten gelten. Hier findet man als Spieler auf jeden Fall für jeden Geschmack etwas.

Viel mehr an Informationen über die Welt von Legend of the Five Rings findet man in der aktuellen Version des Betaregelwerkes leider noch nicht. Die unterschiedlichen Clans sind aber alle gut beschrieben, sodass man sich schnell ein Bild von Rokugan machen kann. Sicherlich würden dem System ein paar mehr Hintergrundinformationen gut tun, aber das ist für eine offene Betaphase auch kein Muss. Grundsätzlich kann man sich aber schnell und einfach in die Welt von Legend of the Five Rings eindenken.

Die Regeln

Einen Großteil des Betaregelwerks nehmen die eigentlichen Spielmechaniken und Regeln ein, und die haben es teilweise in sich. Legend of the Five Rings nutzt sechsseitige und zwölfseitige Würfel, die obendrein noch (ähnlich wie z.B: bei Star Wars: Age of the Rebellion) nicht mit Nummern, sondern mit speziellen Symbolen bestückt sind. Zwar liegt dem Regelwerk ein Druckbogen bei, mit dem man Aufkleber für normale Würfel drucken kann, aber es ist schon eindeutig, dass Fantasy Flight Games hier nochmal mit zusätzlichen Würfelverkäufen oder der 3,79 EUR teuren Würfelapp Kasse machen will. Aber vielleicht bin ich auch von den Star Wars-Rollenspielen zu sehr vorgeschädigt.

Jeder Würfel hat auf seinen Seiten insgesamt vier verschiedene Symbole in unterschiedlichen Kombinationen und Leerseiten abgedruckt. Jedes der vier Symbole steht für ein unterschiedliches Ergebnis: Success, Explosive Success, Opportunity und Strife. Success und Explosive Success stellen, wie der Name schon sagt, die Erfolgsgrade einer Probe dar. Erwürfelt man ein Opportunity Symbol, so kann man dieses nutzen, um zu seinen Erfolgen besondere Zusatzeffekte zu erzielen. Strife hingegen ist ein negativer Effekt, der zu emotionaler Unruhe in dem Charakter führt. Häuft man zuviel Strife an, verliert der Charakter für einen Moment die Fassung und emotionales Chaos macht sich breit. Wie sich dies letztendlich in bestimmten Situationen zeigt, ist dem Spieler und dem Spielleiter vorbehalten.

Wie viele und welche Würfel man überhaupt würfelt, entscheidet der Charakterbogen. Hier finden sich einerseits Werte für die entsprechenden Skills wie zum Beispiel Fernkampf, Medizin, Überleben et cetera, und zudem noch die namensgebenden Five Rings , die jeweils einem Element zugeordnet sind: Air, Earth, Fire, Water und Void. Auch hier besitzt jeder Charakter für jeden Ring einen Wert zwischen eins und sieben. Diese Werte stellen allerdings nicht direkt körperliche Fähigkeiten des jeweiligen Charakters dar, sondern eher ihre Art und Weise, sich Prüfungen zu stellen. Hat ein Charakter einen hohen Wert im Earth-Ring, so bevorzugt er eine direkte Konfrontation bei Problemen und übersteht diese mit Sturheit und purer Willenskraft. Charaktere mit hohen Werten in Water hingegen brillieren bei Prüfungen, in denen Anpassungsfähigkeit gefragt ist.

Möchte man als Charakter nun eine bestimmte Prüfung absolvieren, so beschreibt man dem Spielleiter zunächst die Intention und die Art und Weise, wie das Problem angegangen werden soll. Der Spielleiter entscheidet dann, welcher Ring zu der Herangehensweise passt und welcher Skill genutzt werden muss. Ist das geschehen bildet der Spieler einen Würfelpool aus sechseitigen- und zwölfseitigen Würfeln, je nach Höhe des entsprechenden Ranges in Ring und Skill. Nach dem Wurf kann der Spieler nun so viele Würfel behalten, wie er Ränge in dem jeweiligen Ring besitzt. Er kann sich allerdings auch dafür entscheiden, weniger Würfel zu behalten. Gemeinsam mit dem Spielleiter interpretiert nun der Spieler das Würfelergebnis und überprüft, ob er genug Erfolge gewürfelt hat.

Grundsätzlich klingt dieses System erstmal furchtbar kompliziert, aber man gewöhnt sich schnell daran. Spieler der Star Wars-Rollenspiele werden viele Parallelen erkennen, allerdings ist diese Art von System auch nicht für jeden etwas. Jedes Würfelergebnis hat einen gewissen Interpretationsspielraum, was dazu führt, dass Spieler und Spielleiter gemeinsam den Ausgang einer Probe erzählen und man als Spieler viel mehr in die Fortführung des Abenteuers eingebunden ist. Das macht das System ideal für Spielergruppen, die starke Narrative in Ihren Runden bevorzugen. Manche Spieler oder Spielleiter wird aber mit Sicherheit trotzdem eindeutigere Spielsysteme vorziehen.

Charaktererschaffung

Die Charaktererschaffung von Legend of the Five Rings gehört für mich zu den größten Stärken des Systems. Aber der Reihe nach: Wenn man sich den Charakterbogen aus dem Beta-Regelwerk ausdruckt, merkt man, dass noch weitere vier Seiten an dem Charakterbogen dranhängen. Auf Ihnen finden sich insgesamt 20 Fragen, die den Kern jeder Charaktererschaffung bilden. Wenn der Spieler diese 20 Fragen beantwortet, generiert er seinen Charakter nicht nur in Bezug auf Werte, sondern macht sich gleichzeitig Gedanken über den Hintergrund des Charakters. Gleichzeitig kann man alle Antworten auf die Fragen in den Fragebogen mit allen daraus resultierenden Boni eintragen. So fällt es später viel leichter, alle Werte und Ergebnisse sauber in den eigentlichen Charakterbogen einzutragen.

Zu Beginn stehen noch relativ simple Fragen. Welchem der sieben Clans und der dazugehörigen Familien gehört der Charakter an? Hier gibt es für jeden genug Auswahl, sodass sich die Charaktere auch unterschiedlich genug anfühlen. Aus diesen Auswahlen entstehen erste Boni auf bestimmte Ringe und Skills sowie der Grundwert für Glory und Status. Diese beiden Werte repräsentieren das allgemeine Ansehen und den Ruhm der Clans und Familien innerhalb des Imperiums.

Als nächstes wählt jeder Charakter eine entsprechende Schule. Dort stehen aktuell leider noch nicht viele Schulen zur Verfügung. Zum Beispiel gibt es beim Unicorn-Clan aktuell lediglich zwei unterschiedliche Schulen, zwischen denen man wählen kann. Das ist zwar sehr schade, aber es ist ja auch noch die Beta. Mit der Auswahl der Schule bekommt jeder Charakter nicht nur seine Startausrüstung, sondern es entscheidet sich daraus auch, welche Gruppen der Techniken der Charakter nutzen kann – und erste Techniken bekommt der Charakter sogar noch obendrauf. Techniken kann man sich in etwa wie Spezialfähigkeiten vorstellen, die in Ihrer Ausprägung von Angriffstechniken bis zu Beschwörungsritualen reichen.

Ab diesem Punkt werden die Fragen komplexer und man muss sich tiefer mit seinem Charakter beschäftigen. Fragen wie „Was ist das Größte, was du bisher erreicht hast?“, „Womit entspannt sich dein Charakter?“, oder „Was ist die größte Angst deines Charakters?“ helfen nicht nur, dem eigenen Charakter mehr Ecken und Kanten zu geben und ihn weiter auszudefinieren. Aus ihnen generieren sich zudem noch weitere regeltechnische Mechanismen. Als Spieler wählt man mit Beantwortung dieser Fragen gleichzeitig Vorteile und Nachteile, die einen als Spieler unterstützen oder die der Spielleiter nutzen kann, um die Spieler in brenzlige Situationen zu bringen.

Hat man die letzte Frage, „Wie will dein Charakter sterben?“ , beantwortet, ist alles dafür bereit, sämtliche Werte auf den Charakterbogen zu übertragen. Am Ende besitzt man einen angehenden Samurai, der vielleicht schon ein bisschen erlebt hat, aber im Grunde noch am Anfang seiner Karriere steht.

Der große Vorteil dieser Art der Charaktererschaffung ist, dass man sich nicht groß mit Rechnerei herumschlagen muss und gleichzeitig für sich selbst dem eigenen Charakter automatisch zusätzlichen Hintergrund gibt. Dies geht zudem so einfach und schnell von der Hand, dass man innerhalb von 30 Minuten mit allem durch ist. Allerdings muss man bei bestimmten Fragen zwischen verschiedenen Kapiteln in der PDF hin und herwechseln, was manchmal etwas anstrengend sein kann.

Erscheinungsbild

Zum Erscheinungsbild kann man im jetzigen Status leider noch sehr wenig sagen. Im Beta-Regelwerk existiert bis auf das Cover kein weiteres Artwork oder Grafiken. Die Textblöcke sind aber insgesamt gut lesbar und in leichter Kalligrafie auch thematisch absolut passend. Mit 233 Seiten ist das Regelwerk bereits jetzt sehr umfangreich, und man bekommt in der offenen Beta nicht nur mit den Grundregeln alles, was man zum losspielen benötigt, sondern auch ein Starterabenteuer, womit man seine Gruppe gleich in die Welt von Legend of the Five Rings entführen kann.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Fantasy Flight Games
  • Autor(en): Max Brooke and Katrina Ostrander
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Englisch
  • Format:PDF
  • Seitenanzahl: 233
  • Preis: kostenlos
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG.com,  Fantasy Flight Games

 

Fazit

Der Ersteindruck, den das Beta-Regelwerk bei mir hinterlassen hat, ist super! Ja, das Setting und das Würfelsystem sind nicht für jeden etwas. Ja, die vielen japanischen Begriffe, die immer wieder auftauchen, sind verwirrend. Aber dennoch würde ich am Liebsten jetzt schon das fertige Produkt auf dem Tisch liegen haben. Dies liegt vor allem an dem fantastischen System zur Charaktererstellung. Also: weiter so, Fantasy Flight Games!

Ersteindruck basiert auf der Lektüre und Charaktererstellung.

Artikelbilder: Fantasy Flight Games
Dieses Produkt ist kostenlos.

 

2 Kommentare

  1. Für mich persönlich irgendwie aus der Kategorie „Braucht kein Mensch“.
    Die 4te Edition ist sowohl von den Regeln als auch vom Layout her ein Traum. Da ist denke ich absolut 0 Bedarf für ein „Upgrade“.
    Und irgendwelche Spezial Würfel , unabhängig davon ob man sich die selber basteln kann oder nicht sind auch keine Spielbereicherung sondern lediglich eine kein kommerzielle Idee.

  2. … ich hab nur mal (digital) reingeblättert:
    Das Regelsystem (GeneSys), das von Warhammer Fantasy Rollenspiel 3rd Edition herrührt und auch bei Star Wars in einer Variation verwendet wurde, scheint mir ganz gut an Rokugan angepasst worden zu sein. Trotzdem hat das Regelwerk einige – für mich massive – Kernprobleme:

    Es will gleichzeitig erzählerisch sein und über eine Vielzahl von Detail- und Sonderregeln Spieler.innen ansprechen, denen was an wertetechnischer Charakterausgestaltung liegt. Was dadurch passiert ist Folgendes: Das Setting, Rokugan, wird zur Bühne und die reine Spielwelt-Logik kommt weniger zur Geltung. Spielweltbasierte Probleme als solche sind nicht nicht mehr vorgesehen, stattdessen stehen die Storys der Charaktere im Mittelpunkt. Spielweltexploration und Charakterdrama (Scheitern der Spielfiguren an der Spielwelt) wird wenig berücksichtigt.

    … bei FFG Star Wars konnte ich in einem ersten Testversuch mit der Einsteigerbox die Macken im Basismechanismus beheben, indem ich einen Großteil der Detailregeln ersatzlos gestrichen habe und weitestgehend freiformmäßig auf die erzählerischen Würfel gesetzt habe. Die Würfel lösen dann auch keine Spezialfähigkeiten mehr aus.

    Insgesamt: Das neue FFG L5R scheint ein Spiel zu werden, das bestimmte Fan-Gruppen erreichen wird, aber zentral andere Interessen bedient als die Vorgängerversion. Da das Spiel vorsichtiger und besser designt wurde, kann ich mir schon vorstellen, dass das Spiel ne Zukunft haben wird. Es wurde sogar der „Roll-&-Keep“-Mechanismus beibehalten. Ein Edition-War-Desaster wie bei Warhammer Fantasy Roleplay ist nicht zu befürchten.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein