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Dieses Abenteuer für Das Schwarze Auge führt die Helden ins Horasreich. Weinreiche Feiern gehören dort in der Oberschicht zum guten Ton. Doch wann wird Dekadenz zur Perversion? Wann Zügellosigkeit zur Blasphemie? Die Teilzeithelden gingen diesen Fragen nach und wagten sich auf Das Fest der Feinde.

Das Horasreich ist für ausschweifende Feste und weit verzweigte Intrigen bekannt. Manch einer wacht nach dem Rausch nicht mehr auf, sondern weilt dank eines Dolches im Herzen oder wegen eines vergifteten Weines bereits in Borons Hallen. Das Fest wird für den Glücklosen oder Wagemutigen schnell zum Fest der Feinde, dem er nur noch schwer entrinnen kann.

Dekadenz in der Weißen Wacht

In den letzten Jahren, nachdem die fünfte Edition von Das Schwarze Auge erschien, waren es oftmals alte Flüche und unheilsame Artefakte, die das Eingreifen tapferer Recken auslösten. In Das Fest der Feinde stehen die Helden jedoch einer brandaktuellen Intrige gegenüber, welche die Stadt Neetha, wenn nicht gar das gesamte Horasreich, in ihren Bann zu ziehen vermag.

Doch eines nach dem anderen. Die Helden werden von der Rahja-Kirche in Neetha angeworben, um den jüngsten Ausschweifungen der städtischen Oberschicht nachzugehen. Zwar sind im Horasreich, das an das irdische Südeuropa der Frühen Neuzeit angelehnt ist, opulente Feste keine Seltenheit und gerade der Süden des Reiches, in dem sich Neetha befindet, gibt sich bewusst ungezwungen und freizügig.

Jedoch scheinen in einigen Festsälen nicht mehr nur rahjagefällige Feste gefeiert, sondern auch andere, dunklere, Aspekte des Rausches und der Lust zelebriert zu werden. Selbst den Dienern Rahjas scheint es zu viel zu werden, sodass die Helden beauftragt werden, den Umtrieben nachzugehen.

Spoiler

Hinter den immer maßloseren Feiern steckt Sherizeth al’Azila, die einen Pakt mit der Erzdämonin Belkelel, der Gegenspielerin Rahjas, eingegangen ist. Dass sie sich zu immer gewagteren Festivitäten hinreißen lässt, liegt allerdings weniger an ihrer Verderbtheit, sondern an einem Neuankömmling in der Stadt. Der undurchsichtige Edelmann, den alle nur „Comto“ nennen, ist dabei, ihr den Rang als beste Gastgeberin Neethas abzulaufen.

Dies ist aber nicht alles, denn der Comto tut dies, um sich an Sherizeth zu rächen. Einst Lustsklave und Folterobjekt im Belkelel-Zirkel, dem Sherizeth damals angehörte, ist der Comto heute ein mächtiger Geweihter des Namenlosen. Er will nicht nur seine ehemalige Peinigerin büßen lassen, sondern auch die Macht einer von ihm gegründeten Loge vergrößern. Hinter Patriotismus und Geselligkeit verbirgt sich der Namenlose, Gegenspieler aller Götter und Dämonen.

Dass die Helden sich gegen Ende des Abenteuers entscheiden können, ob sie Sherizeth oder den Comto als Verbündeten gewinnen möchten, erscheint im Kontext der Spielwelt zunächst nicht ganz schlüssig. Es ist jedoch durchaus möglich, dass die Helden keinen der beiden enttarnen und deswegen keine Ahnung haben, an welche finsteren Mächte sie geraten sind.

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Das Fest der Feinde bietet manche Überraschung

Sinnesfreuden werden viele geboten
Sinnesfreuden werden viele geboten

Das Abenteuer ist angenehm offen gestaltet. Die Autorin bedenkt mehrere Ermittlungsansätze, über die sich die Helden dem Geheimnis hinter den zügellosen Feiern nähern können. Anfangs sind die Informationen noch äußerst vage, weswegen mehrere Anlaufpunkte gewählt werden können. Dementsprechend bekommt der Spielleiter ausreichend viel Material zu Verfügung gestellt. Enthalten ist auch eine kompakte Beschreibung Neethas samt einem schönen Stadtplan.

Das Fest der Feinde enthält außerdem eine kleine Spielhilfe zum Ausrichten von eigenen Festen, sollten die Helden sich entscheiden, auf diesem Wege in der Oberschicht von Neetha Fuß zu fassen. Dazu passt, dass die Helden zur Tarnung ihrer Absichten eine Villa in Neetha beziehen können, deren Darstellung ebenfalls im Abenteuer zu finden ist. Gerade in der Kombination mit Wege der Vereinigungen können Spielrunden mit entsprechender Neigung viel Spaß in Neetha haben. Das Abenteuer weist übrigens ausdrücklich darauf hin, dass auch Spielercharaktere nicht vor der Beeinflussung durch Nichtspielercharaktere geschützt sind. Eine Berücksichtigung des Mini-PDFs zu Sozialen Interaktionen kann deswegen nicht schaden. Der relevante Inhalt dieser Spielhilfe findet sich jedoch auch in kompakter Form im Abenteuer wieder.

Das Abenteuer bietet also mehrere Anspielpunkte und viel Handlungsfreiheit. Dementsprechend sind viele Informationen zu möglichen Episoden enthalten. Was aber oft fehlt, sind konkrete Ansatzpunkte, wie es nun zu dieser oder jener Situation kommen mag. Dies fängt mit dem etwas schwammigen Einstiegsverdacht an, durch den die Helden überhaupt erst angeworben werden. Die Ausschweifungen beobachtet die Rahja-Kirche allmählich mit Skepsis und Sorge, heißt es.

Doch was genau geschieht auf diesen Feiern? Sind es schlicht zu viel Wein oder illegale Rauschmittel? Zu viel wahlloser Geschlechtsverkehr? Oder werden bereits die Peitschen ausgepackt und K.O.-Tropfen in die Weinbecher gekippt? Wenn die Helden schließlich eines der Feste aufsuchen, wird es jedenfalls nicht gerade als übertrieben zügellos beschrieben, weswegen die Frage aufkommt, was für schlimme Vorkommnisse eigentlich den Ausgangsverdacht verursacht haben.

Der Weg ist das Ziel

Die eigentliche Handlung – das muss an dieser Stelle leider gesagt werden – bleibt trotz aller Mühen flach und gradlinig. Zwar mag sich das Finale je nach den Entscheidungen der Helden leicht anders gestalten, aber letztlich befinden sich die Helden gegen Ende in einer Reihe von Ereignissen, die sie nur schwer durchbrechen können.

Dass die Enttarnung der Ränkeschmiede im offenen Teil des Abenteuers nur schwer möglich ist und viele relevante Entscheidungen erst kurz vor dem Finale verfügbar werden, trübt zudem die Freude. Auch wenn die Spielercharaktere im offenen Teil viele Optionen haben, scheint das letzte Kapitel trotzdem sehr stark für sich zu stehen. Stimmiger wäre es, die dort erstmals auftauchenden Nichtspielercharaktere, die als Verbündete gewonnen werden können, bereits im offenen Teil einzuführen. Dieser beinhaltet stattdessen ein gutes Dutzend Spielleiterfiguren, die gegen Ende kaum noch Relevanz besitzen.

Es bleibt festzuhalten, dass der offene Teil sehr unterhaltsam sein mag, sich dabei aber auch weit von der eigentlichen Handlung entfernen kann. Den Helden werden zahlreiche Optionen angeboten, wie sie ihre Zeit verbringen können, aber nur wenige Hinweise gegeben, mit denen nennenswerte Zwischenerfolge gefeiert werden können. Zudem bleibt lange unklar, was – oder wer – eigentlich das Ziel der Ermittlungen ist. Erst das letzte Kapitel offenbart konkrete Lösungsansätze, konfrontiert die Spieler dann aber schnell mit gegebenen Tatsachen. 

Wohl gekleidet möge der Besucher eines Balls sein
Wohl gekleidet möge der Besucher eines Balls sein

Erscheinungsbild

Das Abenteuer ist übersichtlich strukturiert und beinhaltet sehenswerte Illustrationen. Manche Inhalte sind zwar nur solide, bewegen sich aber stets auf einem guten bis sehr guten Niveau. Vor allem die Stadtkarte von Neetha, die im inzwischen üblichen Stil neuerer DSA-Publikationen gestaltet ist, kann durch Übersichtlichkeit überzeugen und strahlt gleichzeitig eine Lebendigkeit aus, die Lust weckt, in die Spielwelt einzutauchen. Gleiches gilt für die Karte einer Villa, welche den Helden im Zuge ihrer Ermittlungen als Zuhause dienen kann.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ulisses Spiele
  • Autorin: Jeanette Marsteller
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover / PDF
  • Seitenanzahl: 64
  • ISBN: 978-3-96331-123-9
  • Preis: 14,95 EUR (Softcover) / 7,99 EUR (PDF)
  • Bezugsquelle: Amazon, DriveThruRPG, Sphärenmeister

 

Fazit

Das Fest der Feinde ist ein solides Abenteuer, das jedoch hinter seinen Möglichkeiten bleibt. Die Helden bekommen sehr viel Handlungsfreiheit zugestanden, wobei das Abenteuer einige Ansätze für eine unterhaltsame Sandbox bietet. Dies steht jedoch im Kontrast zur geschlossenen Rahmenhandlung. Dadurch, dass die Spielercharaktere über einen Auftrag ins Abenteuer kommen und dessen Erledigung im Finale geschieht, wirkt der offene Teil in diese hineingezwängt.

Ein solides Abenteuer, das aber nicht alle Möglichkeiten nutzt
Ein solides Abenteuer, das aber nicht alle Möglichkeiten nutzt

Stimmiger wäre es, wenn die Spielercharaktere aus einem anderen Grund die Bühne betreten und dann nach und nach die Intrigen ihrer Gegenspieler aufdecken, das eigentliche Abenteuer also erst im Verlauf der Handlung entdecken. Der Klassiker Die Herren von Chorhop, in dem die Helden durch Zufall – oder göttliche Fügung? – in eine Sandbox geraten, in der sie sich ungezwungen austoben können, während nach und nach Teile der Rahmenhandlung eingestreut werden, kann hier als Vorbild dienen.

Nichtsdestotrotz bietet Das Fest der Feinde seinen Spielern viele Möglichkeiten, manch unterhaltsamen Spielabend zu verbringen. Es ist nur die Komposition der Elemente, nicht die einzelnen Elemente an sich, die etwas unausgegoren wirkt. Die überschaubare Rahmenhandlung wäre ein gutes Heldenwerk-Abenteuer, der offene Teil eine gute Sandbox-Kampagne. So stehen sich die einzelnen Teile gegenseitig im Weg. Wenn der oder die SpielleiterIn aber einige diesbezügliche Änderungen vornehmen will, ist dies ohne größere Umstände möglich, was wiederum für die Offenheit des Abenteuers spricht.

Artikelbilder: © Ulisses Spiele, Bearbeitung: Roger Lewin
Dieses Produkt wurde kostenlos als PDF zur Verfügung gestellt.

1 Kommentar

  1. „Das Fest der Feinde bietet manche Überraschung“

    vs.

    „Die eigentliche Handlung – das muss an dieser Stelle leider gesagt werden – bleibt trotz aller Mühen flach und gradlinig.“

    Sorry, irgendwie passt der ganze Text nicht zu der Überschrift.

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