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Gemeinsam versammelt man sich am Tisch, um im Rollenspiel spannende Abenteuer zu erleben. Zusammen taucht man in eine faszinierende Spielwelt ab. Was passiert aber, wenn man dort getrennt wird? Gibt es gute Gründe für aufgeteilte Spielgruppen? Die Teilzeithelden haben sich diesen Fragen gewidmet.

Endlich beginnt wieder ein gemeinsamer Spielabend. Am Spieltisch versammeln sich die SpielerInnen, um zusammen ein Abenteuer zu erleben. Sei es ein Ausflug in den nächstgelegenen Dungeon, das Aufklären eines Mordes in einem alten Anwesen oder die Erkundung eines fremden Planeten – in der Regel trifft man sich zu einer Gruppenaktivität.

Manchmal bleibt es aber nicht aus, dass die Geschichte die Gruppe trennt und ihre einzelnen Mitglieder voneinander getrennt ganz eigene Fäden der Handlung erleben. Dies kann ein ganz banaler Besuch des Marktplatzes sein, an dem nicht jeder teilnimmt, aber auch ein zentraler Plot-Moment, von dem einzelne Figuren aufgrund vorheriger Entscheidungen ausgeklammert werden.

Dieser Artikel soll sich mit den Fragen beschäftigen, wann und warum sich eine Gruppe aufteilt und welche Möglichkeiten es gibt, auch bei getrennten Gruppen alle Anwesenden am Spieltisch einzubeziehen. Zunächst soll es um Situationen gehen, in denen die Spielfiguren getrennt werden, wie es dazu kommen kann und ab wann daraus Probleme entstehen.

„Ich will nur kurz zum Marktplatz, ehrlich.“ – Wer bekommt wie viel Zeit?

Diese Situation kennen viele SpielerInnen wahrscheinlich: Shopping wird zum abendfüllenden Ereignis. Nicht selten spaltet sich dabei eine Gruppe auf. Die Kriegerin will sich eine neue Rüstung anfertigen lassen, die Magierin braucht alchemistische Zutaten, der Elf hingegen ist wunschlos glücklich und zieht sich zurück. Es gibt viele Personen, die Spaß an ausgedehnten Einkaufstouren haben. Warum auch nicht? Wenn die Spielfigur dabei endlich einmal über erworbenes Wissen fachsimpeln kann, sei es ihr natürlich gegönnt.

Eine Schieflage entsteht nur dann, wenn hier bestimmte Figuren bevorzugt werden. Die Spielleitung hat Freude daran, den kauzigen Zwergenschmied oder die zwielichtige Schieberin auszugestalten? Dies ist natürlich ein nachvollziehbarer Ansatz, vor allem dann, wenn diese Nebenfiguren Relevanz für den Plot haben. Wenn nicht, sollte sich die Spielleitung genau überlegen, wieso und warum sie bestimmte Nichtspielercharaktere ausgestaltet und wie viele das sein sollten. Zum Problem kann dies ganz schnell werden, wenn auffällt, wie viel Zeit bereits mit einer bestimmten Nebenfigur verbracht wurde und es dann zum Rest der Gruppe lapidar heißt: „Ihr kauft die Sachen, die ihr braucht, und trefft euch dann wieder.“

Dieses Problem lässt sich noch durch ein verbessertes Zeit- und Plotmanagement beheben. Nicht zuletzt sollte die Spielleitung auch ein Auge auf die Stimmung am Tisch haben. Wenn der oben genannte Zwergenschmied so unterhaltsam ist, dass er regelmäßig für allgemeines Gelächter sorgt, kann man ihm mehr Raum geben, als wenn nur die Spielerin der gerade aktiven Spielfigur gebannt lauscht. Die Spielleitung sollte den SpielerInnen gleichmäßig eine Bühne bieten, nicht nur einzelnen, die sich in den Vordergrund drängen. Dies betrifft auch aufgeteilte Spielgruppen.

„Wir müssen uns aufteilen!“ – Wer muss das wirklich?

Entsprechend kritisch sollte die Spielleitung auch Pläne hinterfragen, die zu einer Aufspaltung der Gruppe führen. Immer wieder kommt es vor, dass einzelne Spielerinnen oder Spieler eine Situation als so zeitkritisch empfinden, dass sie eine Aufteilung von sich aus vorschlagen. Doch muss ein Dungeon wirklich effizient in einer Stunde erkundet werden? Muss bei einem Mordfall jeder Zeuge von einer anderen Spielfigur befragt, allen Hinweisen gleichzeitig nachgegangen werden? Was ist, wenn die Tür zum Endgegner, die entscheidende Spur, schließlich von einigen Mitgliedern der Gruppe verpasst wird und die meisten Anwesenden am Spieltisch zum Zugucken verdammt sind?

Eine Aufteilung kann die Spannung heben.

Zuschauen ist hierbei ein gutes Stichwort. Gruppen aufzuteilen, ist ein gutes Mittel, um die Handlung eines Buches oder eines Films spannender zu gestalten. In einer Serie kann dies zum Beispiel dazu dienen, das bekannte Ensemble ein bisschen aufzubrechen und ungewohnte Paarungen ins Rampenlicht zu rücken. Auch die Dynamik einer Rollenspielrunde kann durch aufgeteilte Spielgruppen neue Impulse gewinnen und etwaige Schranken zwischen den Personen hinter den Spielfiguren einreißen. Die Waldläuferin und der Schurke haben sonst im Rollenspiel wenig miteinander zu tun? Wenn sie ihre Fähigkeiten zur Spurensuche vereinen, finden sie womöglich nicht nur einen Dieb, sondern auch näher zueinander. Aber was machen derweil die Anderen? Schließlich ist es der Wunsch nach Interaktion, der viele Menschen am Rollenspiel reizt.

Die Spielleitung sollte ihre Möglichkeiten, solche Entwicklungen zu steuern, nicht unterschätzen oder sich gar von der Gruppe oder einzelnen Mitgliedern treiben lassen. Wenn der Spielleitung bewusst wird, dass sich die Gruppe zu einem kritischen Moment trennt, dann kann sie diesem Umstand durchaus entgegensteuern. Dazu genügt manchmal die einfache Nachfrage: „Warum wollt ihr euch trennen?“, oder besser: „Warum wollt ihr das nicht gemeinsam angehen?“ Damit dies jedoch nicht völlig erzwungen wirkt, sind Gedanken zu solchen Situationen im Vorfeld nicht verkehrt.

„Wow! Das war krass. Schade, dass eure Charaktere nicht mit dabei waren.“ – Was kann ich steuern?

Wird es überhaupt die Gelegenheit geben, bei der sich die Gruppe trennt? Klassische Situationen für aufgeteilte Spielgruppen wurden eingangs bereits genannt. Wenn zum Beispiel ein Kriminalfall verschiedene Ansätze für Ermittlungen bietet und die Gruppe sich aufteilen möchte, um allen Spuren gleichzeitig nachzugehen, sollte keine davon bereits ein interessantes Event auslösen, an dem möglichst alle beteiligt sein sollten. Während die eine Hälfte einen gelangweilten Barkeeper befragt, setzt die andere den gesuchten Mörder fest? Das kann Frust bei denen auslösen, die nicht mit dabei sind.

Die Teilung elegant zu vollführen, bedarf einiger Vorgedanken.

Alternativ zu einem ominösen „Ihr solltet da vielleicht besser alle hingehen“, gibt es auch elegantere Lösungen für dieses Problem. Dies kann ein Nichtspielercharakter sein, der anbietet, einer der Spuren nachzugehen. Ist es die irrelevante, erleben die SpielerInnen wie gedacht das Finale, ist es die relevante Spur, muss er aus einer Klemme befreit werden. Auch wenn die Gruppe sich doch aufteilt, kann die Spielleitung sie noch rechtzeitig zusammenführen, indem sie die Reisegeschwindigkeiten anpasst, die in den seltensten Fällen vordefiniert sind.

Kommt es schließlich doch zu einer unvermeidlichen Trennung, dann kann man die Anwesenden am Spieltisch, auch wenn ihre Figuren gerade abwesend sind, unter Umständen in eine Szene miteinbeziehen. Kommt es zum Beispiel zu einem Kampf, könnte die Spielleitung die Steuerung der Gegner den Abwesenden übertragen oder sie bestimmte Zufallseffekte würfeln lassen. Für einfache Kämpfe ist dies eine interessante Notlösung. Bei Rätseln bietet es sich zum Beispiel an, alle Anwesenden mitraten zu lassen, auch wenn ihre Spielfiguren vielleicht erst währenddessen in der Szene auftauchen.

„Was finde ich derweil heraus?“ – „Leider nichts. Zurück zu den anderen.“ – Wie verteilt sich die Spielzeit?

Teilt sich eine Gruppe entsprechend ihrer Fähigkeiten auf, kann dies ebenfalls zu einem Ungleichgewicht der Spielzeit führen. Wer gerne die Fäuste sprechen lässt, um an Informationen zu gelangen, bekommt in den meisten Rollenspielsystemen allein aufgrund der ausgefeilten Kampfregeln mehr Spielzeit, als jemand, der in Archiven recherchiert und meistens mit einem einzigen Wurf die Ergebnisse für mehrere Stunden entscheidet. Wenn der verkopfte Magier nach langer Recherche auf die abgekämpfte Kriegerin trifft und „War was?“ fragt, kann das im Film für Erheiterung sorgen, am Spieltisch aber Frust aufkommen lassen, wenn die Spielerin des Magiers nur wenige Minuten eigene Spielzeit hatte. Gleiches gilt für sozial begabte Charaktere, bei deren Handlungen lange Dialoge erwartet werden, obwohl es immer Möglichkeiten gibt, diese Situationen kurz und regelkonform zu klären.

Wichtig ist es in diesem Punkt, die Spielzeit auch für aufgeteilte Spielgruppen gleichwertig zu verteilen. Generell sollte das Ziel sein, die getrennte Zeit möglichst gering zu halten und effizient zu nutzen. Die gemeinsame Zeit, in der alle Anwesenden die Möglichkeit zum Handeln haben, sollte in einer Spielsitzung immer überwiegen. Dementsprechend sollten eher die großen Spielzeitanteile reduziert werden, anstatt die kleinen auszudehnen. Einer langen Schlägerei, um bei dem oben eingeführten Beispiel zu bleiben, eine ebenso lange Szene in einem Archiv gegenüberzustellen, nur um für Gleichberechtigung zu sorgen, dehnt die getrennte Zeit zu sehr aus. Ganz im Gegensatz sollten besser alle Szenen, in denen die Gruppe voneinander getrennt ist, reduziert werden. Außer natürlich, es ist gewollt, die Gruppe aufzuteilen. Darauf, wie dies entsprechend vorbereitet werden kann, soll im Folgenden eingegangen werden.

„Wir werden uns wiedersehen!“ – Trennung aus dramaturgischen Gründen.

Vielleicht will die Spielleitung aus den bereits erwähnten dramaturgischen Gründen die Gruppe für einige Zeit aufteilen. Mit der entsprechenden Vorbereitung kann dies positive Effekte auf die Handlung und auch das Miteinander haben. Wenn die Gruppe getrennt wird und ein Teil den anderen aus einer Gefahr retten muss, kann dies für Spannung sorgen. Ebenso kann ein Wiedersehen nach einer längeren Trennung für Erleichterung und Freude sorgen. Doch wie geht man mit solchen Situationen um, ohne die Spieler und Spielerinnen, deren Figuren gerade abwesend sind, auszugrenzen?

Sicherlich kommt es dabei auch auf das soziale Gefüge am Spieltisch an. Manche SpielerInnen haben wahrscheinlich gar kein Problem damit, einfach nur Zuschauer zu sein. Andere hingegen kann es schon frustrieren, wenn ihre Figuren gerade irgendwo im Kerker schmoren, während der Rest der Gruppe Abenteuer erlebt. Ist es für die Spielleitung absehbar, dass eine längere Trennung bevorsteht, eben weil dies in der Handlung eingeplant ist, müssen nicht alle SpielerInnen am Spieltisch anwesend sein. Es muss nicht einmal ein kompletter Spielabend sein, der anders gestaltet wird. Die betroffenen SpielerInnen könnten zum Beispiel eine halbe Stunde später kommen, wenn abzusehen ist, dass die Trennung nicht länger dauert.

„Sag mir einfach, wie es ausgegangen ist.“ – Helfen eigenständig lösbare Aufgaben?

Was aber tun, wenn sich die Trennung mitten im Spielabend ergibt? Die Spielleitung könnte zum Beispiel Aufgaben vorbereiten, welche die betroffenen SpielerInnen eigenständig lösen können. Zwei Spielfiguren sind in Gefangenschaft geraten? Ein Rätsel oder Puzzle, welches auch ohne Beisein der Spielleitung gelöst werden kann, kann einen Ausbruch symbolisieren oder eben die entscheidenden Schritte hin zum Rest der Gruppe. Gleiches bietet sich auch bei den oben erwähnten Recherchen an.

Mit Sinnbildern arbeiten: Vom Abstrakten hin zum echten Doing.

Dies kann natürlich viel Vorarbeit bedeuten, aber auch neue Dynamiken entstehen lassen. Ein kleines Solo-Abenteuer mit wenigen Stationen, aber verschiedenen Enden, kann Impulse für die Handlung geben. Ist der Gefangene entkommen? Hat er dabei einen Leidensgenossen befreit? Ist er auf die versteckten Relikte gestoßen? Dies muss nicht große Relevanz für den gesamten Plot haben, ist aber eine unterhaltsame Alternative zum Warten, bis die anderen die Zellentür aufbrechen.

Wer etwas weniger Vorbereitung stemmen möchte, kann zum Beispiel auch einen alten GameBoy mit einem Jump’n Run an das getrennte Gruppenmitglied geben, bei der Wiedervereinigung der Gruppe den Spielfortschritt abfragen und das entsprechende Ergebnis mitteilen. Die gemeinsam zu bewältigenden Aufgaben können Suchbilder oder andere Rätsel sein, wie sie in den aktuell beliebten Escape-Room-Spielen zahlreich zu finden sind. Solche Aufgaben können nicht nur in Gefängnis-Situationen verteilt werden, sondern, wie schon erwähnt, auch symbolisch für andere Aufgaben stehen, die einzelne Gruppenmitglieder übernehmen. Die Auswahl an Solo-Spielen, die für solche Gelegenheiten zur Verfügung stehen, ist inzwischen zum Glück sehr groß.

Auch ein Einkauf kann in Form selbstgestalteter Angebotslisten gleichzeitig an alle Interessierten verteilt werden. Dadurch entfällt die Möglichkeit, die jeweiligen Händler spielerisch darzustellen, aber wenn die SpielerInnen damit einverstanden sind, kann dies die getrennte Zeit reduzieren. Letztlich muss die Spielleitung ohnehin den SpielerInnen vertrauen, dass diese sich den richtigen Betrag auf dem Charakterbogen abstreichen. Warum also dieses Vertrauen nicht auf den gesamten Einkauf ausdehnen? Anhand der oben genannten Liste oder einer Tabelle, können die SpielerInnen selbst ihren Einkauf nachhalten und auch die Ergebnisse gelungener Feilschen-Proben nachschauen. Die Spielleitung kann sich in der Zwischenzeit jenen Figuren widmen, die nicht am Einkauf teilnehmen oder plotrelevante Transaktionen tätigen. Damit keine Unruhe am Spieltisch entsteht, könnten die betroffenen SpielerInnen an einem Beistelltisch, auf dem Sofa oder im Nebenzimmer ihren Aktivitäten nachgehen.

Dies mag anfangs befremdlich sein, aber es ist nie verkehrt, alle SpielerInnen beschäftigt zu halten. Wie jedoch weiter oben erwähnt, kann es sogar gewünscht sein, der Darstellung von Nichtspielercharakteren beizuwohnen, ohne mit der eigenen Spielfigur anwesend zu sein. Dazu gibt es aber sicherlich bessere Gelegenheiten als die Darstellung einfacher Marketender. Wer das Gefühl hat, etwas zu verpassen, kann natürlich trotzdem allem lauschen. Die Gemeinschaft am Spieltisch wird schließlich nicht komplett aufgelöst.

„Ich habe da was für dich vorbereitet.“ – Alle am Spieltisch beschäftigen, getrennte Spielszenen vermeiden.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Trennung einer Gruppe wohlüberlegt und am besten in den Plot eingebunden sein sollte. Lange Trennungen bei eigentlich banalen Gelegenheiten wie einer Einkaufstour, Holzsammeln in der Wildnis und Recherchen im Archiv sollten vermieden oder alternative Beschäftigungen für die nicht eingebundenen Spielfiguren überlegt werden. Rätsel oder Aufgaben, die symbolisch für die gerade gespielten Situationen stehen, können einen Teil der Gruppe beschäftigen, während sich die Spielleitung gerade dem anderen Teil widmet. Dass nur ein Teil der Gruppe entscheidenden Momenten des Plots beiwohnt, sollte jedoch in jedem Fall vermieden werden.

Aufgeteilte Spielgruppen können ganz neue Impulse ins Spiel bringen, wenn man die entsprechenden Probleme berücksichtigt und sich vorab Lösungen überlegt oder diese Situationen generell in die Planung einer Spielsitzung aufnimmt. Kommt es ungeplant zu einer Aufteilung, ist es für die Spielleitung nie verkehrt, eine spontane Lösung parat zu haben. Schließlich gibt es auch Rollenspielrunden und -systeme, die von zufälligen Entwicklungen leben. Systeme wie Dungeon World ziehen einen Großteil ihres Reizes daraus, dass auch die Spielleitung von der Handlung überrascht werden kann. Wenn die Spielleitung auf solche Situationen vorbereitet ist, sie in die laufenden Entwicklungen einbaut und dadurch allen Personen ein gleichzeitiges Spielangebot macht, kann dies ein großer Gewinn für Handlung und Atmosphäre sein.

Artikelbild:© everett225 | depositphotos

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