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Gib es zu, manchmal sehnst Du Dich auch nach den guten alten Zeiten von Command & Conquer und StarCraft zurück? Crossfire: Legion könnte diese Sehnsucht befriedigen. Aber war früher alles besser? Wir haben unsere Truppen gesammelt und uns den Early Access angeschaut.

Crossfire: Legion geht auf den Ego-Shooter Crossfire X, die modernisierte Adaption von Crossfire aus dem Jahr 2007 zurück. In Deutschland kaum bekannt, ist Crossfire besonders in Asien unheimlich populär und ist mit seinen über 650 Millionen aktiven Accounts und täglich 6 Millionen Spieler*innen (Stand 2020) wohl eines der erfolgreichsten Onlinespiele der Welt. Zum Vergleich: das hierzulande deutlich bekanntere League of Legends oder World of Warcraft haben nicht mal zusammengenommen so viele aktive Accounts und tägliche Spieler*innen. Die Reihe ist nun den ungewöhnlichen Schritt zu einem Echtzeit-Strategiespiel gegangen, aber vielleicht ist dieser Schritt nur auf den ersten Blick ungewöhnlich.

Setting

Die Shooter spielten in einer alternativen Realität und Crossfire: Legion in einer nicht zu fernen Zukunft. Das öffentliche Leben wird, wie in vielen Cyberpunk-Geschichten, eher von Konzernen als staatlichen Institutionen oder der Zivilgesellschaft geprägt. Global Risk hat sich zu einem der führenden Sicherheits- und Militärkonzerne entwickelt und Staaten, die es sich leisten konnten, setzen inzwischen auf Truppen dieses Konzerns statt eigener Soldaten, um ihre Interessen durchzusetzen. Doch wie in jeder guten Dystopie gibt es immer einige Menschen, die sich nicht mit dieser Welt abfinden wollen und so entstand Black List, eine Gruppe radikaler Idealisten, die das Gute wollen, aber vor Krieg nicht zurückschrecken. Crossfire: Legion bereichert nun diese Welt um eine dritte Fraktion: New Horizon. Ein Syndikat aus Konzernen, die davon überzeugt sind, menschliche Grenzen durch Technik überwinden zu können.

Der Basenbau erinnert an Klassiker

Besonders spannend an diesem Setting ist, dass niemand hier wirklich in die Kategorie Gut und Böse einzuordnen ist. Aus ihrem Standpunkt heraus sind alle Fraktionen nachvollziehbar und passend dargestellt. Global Risk entspricht am ehesten einer Standardarmee mit modernen Systemen und erheblicher Feuerkraft, Black List setzt eher auf Geschwindigkeit und Improvisation, New Horizon auf komplexe, aber extrem schlagkräftige Hightech. Bei Global Risk finden sich ganz klassisch eine ausgewogene Mischung aus Panzer, Artillerie und zahlreicher Infanterie. Black List führt dagegen schnelle Buggies, improvisierte Lasertrucks oder getarnte Einheiten ins Feld. New Horizon versucht Kämpfe mit hochgerüsteten Mechas und Energiewaffen für sich zu entscheiden.

Black List setzt auf improvisierte, schnelle Einheiten

Im Early Access sind die ersten 5 Missionen der Solokampagne zu spielen, wo man als Black List-Einheit erste Gefechte bestreitet und in die Welt eingeführt wird. Dabei gilt es zum Beispiel eigene Einheiten zu retten, Zivilisten zu evakuieren und einen großen Angriff auf Global Risk vorzubereiten. Die wenigen Missionen sind abwechslungsreich und die Zwischensequenzen erzählen eine spannende Story über Freundschaft, Hoffnung und Verrat.

Features

Crossfire: Legion setzt auf ganz klassische Mechaniken aus Strategiespielen der 2000er. Dabei ist es ganz offenkundig von Command & Conquer: Generals und StarCraft inspiriert. Aufbau einer Basis mit überschaubarer Anzahl unterschiedlicher Gebäude, Sammeln lediglich zweier Ressourcentypen und möglichst rascher Aufbau erster Truppen und paralleler Weiterentwicklung der Technologie, um Zugriff auf Upgrades und neue Waffensysteme zu erhalten. Doch ergänzend dazu wartet das Spiel mit einer interessanten Deckbuilding-Mechanik auf. So kann man nicht nur für seine Gefechte Kommandant*innen auswählen, die gewisse Vor- und Nachteile mit sich bringen, sondern hat auch eine feste Anzahl verschiedener Einheiten, die im jeweiligen Gefecht überhaupt ins Feld geführt werden können. Sowohl Kommandant*innen als auch Einheiten können durch verschiedene Erfolge freigespielt werden. Für die Solokampagne ist das nachrangig, aber richtig spannend wird es für den Multiplayer, das eigentliche Herz des Spiels. In verschiedenen Spielmodi kann man gegeneinander oder kooperativ in Missionen gegen eine KI antreten. Hier kommt es dann nicht nur auf die Fraktion an, sondern besonders auf die Auswahl der Einheiten, die in den Kampf geführt werden. Je nach Auswahl der gegnerischen Partei (en) kann die Auswahl spielentscheidend sein. Das gibt im Gegensatz zu vergleichbaren Spielen eine weitere spannende taktische Komponente.

Zu Beginn ist nicht jede Einheit verfügbar.

Die Solokampagne indes ist solide geschrieben, soweit sie bisher spielbar ist und bietet interessante Charaktere und abwechslungsreiche Missionen mit vernünftig justierbarem Schwierigkeitsgrad, aber der Wiederspielwert dürfte sich in Grenzen halten.

Sowohl Kampagne als auch Multiplayer erinnern stark an bekannte Echtzeitstrategie-Titel der 2000er. Hohe Geschwindigkeit und das Überstehen des ersten Angriffs, sei es durch KI oder Menschen, ist entscheidend für den Sieg.

Technik und Umfang

Die Grafik erinnert stark an StarCraft wirkt aber nicht aus der Zeit gefallen, wobei (technisch) sicher mehr möglich gewesen wäre. Die Animationen sind schön und stimmig. Neue Gebäude erscheinen nicht einfach, sondern landen als eine Art „Selbstbausatz“, der sich entfaltet. Gerne schaut man sich die Details an, hat aber meist schlicht keine Zeit. Die Auswahl von Gebäuden ist überschaubar, die von Kommandanten und Einheiten aber recht vielfältig und für viele Spielstile passend. Musik und Einheitendialoge sind stimmig, aber zurzeit nicht so ikonisch wie von den gedanklichen Eltern dieses Spiels.

Im Early Access sind ausreichend Einheiten und Kommandant*innen und Multiplayer-Modi vorhanden, um das Spiel ordentlich auszutesten. Die Kampagne ist nur leider noch sehr kurz und auch die Multiplayer-Karten und Koop-Missionen sind sehr übersichtlich, für einen Early Access aber mehr als solide. Die Performance ist sehr gut und machte mit einem zeitgemäßen Rechner gar keine Probleme. Ein großer Pluspunkt: Das Spiel ist bereits in mehreren Sprachen lokalisiert und die deutsche Übersetzung absolut gelungen. Dennoch ist der Preis von 29,99 EUR grenzwertig, hier braucht es schnell mehr aktive Spieler*innen, mehr Karten und eine funktionierende Liga.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Blackbird Interactive
  • Publisher: Prime Matter/Koch Media
  • Plattform: PC
  • Sprache: Ton: Deutsch, Englisch, Französisch Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch
  • Mindestanforderungen: Windows 10 (64-bit), AMD FX-6300 / Intel Core i5-7400K oder AMD-Äquivalent, 4 GB RAM, NVIDIA GeForce GTX 960 oder vergleichbar, 10 GB verfügbarer Speicherplatz
  • Genre: Echtzeitstrategie
  • Releasedatum: 24.05.2022 Early Access
  • Spielstunden: 2+
  • Spieler*innen-Anzahl: 1-6
  • Altersfreigabe:
  • Preis: 29,99 EUR
  • Bezugsquelle: Steam

Fazit

Die bisherigen Kritiken haben ein weites Spektrum und viele Stimmen betonen, dass Crossfire: Legion ein Echtzeitstrategiespiel wie früher sei, aber eben auch nicht mehr. Solide, aber nicht innovativ. Doch diese, oft westlich geprägte Sicht, übersieht das offenkundige Ziel des Studios. Denn das im Vergleich oft, auch von uns, zitierte StarCraft ist mit seinem zweiten Teil noch heute das meistgespielte Online-RTS und das einzige, das eine Rolle im, immer noch massiv wachsenden, Markt des eSports spielt. Zugleich ist Crossfire im asiatischen Markt, auch heute noch einer der Platzhirsche und unfassbar populär. Die Kombination aus sehr gutem StarCraft oder Command & Conquer: Generals –Klon mit der Popularität der Marke auf dem wohl größten Spiele- und eSports-Markt der Welt könnte aus Crossfire: Legions die neue Referenz im Bereich Echtzeitstrategie im Online-Multiplayer machen. Liefert Blackbird Interactive nun beständig nach und stellt das Spiel fertig, stehen die Chancen dafür nicht schlecht. Einen Blick für Echtzeitstrategie-Fans und solche, die es werden wollen, ist es allemal wert.

  • Interessante Deckbuilding-Komponente
  • Bekanntes und funktionales Gameplay
  • Ordentliche Story
 

  • Zu wenig Inhalt für den Preis

Artikelbilder: © Blackbird Interactive
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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