Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Weißer Sand von Brandon Sanderson entführt euch auf die zweigeteilte Welt Taladin. Auf der Sonnenseite macht sich eine mysteriöse Herzogin der Dunkelseite auf die Suche nach den mächtigen Sandmagier*innen, die ihr in einem Konflikt beistehen sollen. Noch kann sie nicht wissen, dass auch ihre Hoffnungsträger*innen einer großen Bedrohung ausgesetzt sind.

Dass Brandon Sanderson zu den einflussreichsten Phantastik-Autor*innen unserer Zeit gehört, dürfte spätestens seit dem 40-Millionen-Dollar-Erfolg seines Kickstarters niemand mehr bezweifeln. Der US-Amerikaner ist neben seinen eigenen Werken, wie beispielsweise der Nebelgeboren-Reihe oder den Sturmlicht-Chroniken, besonders für die Arbeit an Das Rad der Zeit Nach dem Tod von dessen Schöpfer Robert Jordan vollendete Sanderson die epische Romanreihe, was seiner Popularität innerhalb der Industrie einen deutlichen Schub verpasste.

Eines seiner Markenzeichen sind originelle Magie-Systeme, welche den Welten eine spezielle Faszination verleihen. Die Popularität seiner Schöpfungen sorgte bereits für Adaptionen abseits von Romanen, beispielsweise in Form von Brettspielen. Mit Weißer Sand hat eine bisher unveröffentlichte Geschichte des Autors ihren Weg als Graphic Novel gefunden.

Die Erzählung wurde im englischsprachigen Markt bis 2019 in drei Bänden veröffentlicht. Deutschsprachige Lesende können sich nach langem Warten nun endlich über die Veröffentlichung des ersten Teils freuen. Wir überprüfen, ob sich die Geduld ausgezahlt hat.

Handlung & Charaktere

Die Welt von Taladin ist bestimmt von der strikten Trennung in eine Tag- und Nachtseite. Die Entwicklung auf diesen ist vollkommen unterschiedlich verlaufen, sei es in kultureller oder wissenschaftlicher Hinsicht. Die Nachtseite ist technologisch fortgeschritten, befindet sich jedoch zum Großteil unter der tyrannischen Herrschaft der sogenannten Dynastie. Auf der Tagseite nimmt eine lebensfeindliche Wüste einen Großteil des Gebietes ein. Die harsche Umgebung gestaltet den Alltag der Bewohner*innen maßgeblich, doch bietet sie auch ungeahntes Potenzial. Sie liefert eine schier unbegrenzte Menge an Sand, welchen die sogenannten Sandmeister*innen mit ihren arkanen Kräften manipulieren können. Ob es zusätzlich zu diesen beiden Aspekten noch eine Zwielicht-Zone gibt, ist im Laufe der Lektüre nicht ersichtlich geworden.

© Panini
© Panini

Der junge Kenton ist eine dieser Personen, welche den Sand steuern können. Leider hält sich sein Talent in Grenzen, sodass er stets nur ein sogenanntes Sandband gleichzeitig zu kontrollieren vermag. Mächtigere Magier*innen, wie beispielsweise auch Kentons Vater, können problemlos mehrere Bänder steuern. Da Kentons Vater zugleich auch der Anführer der magisch Begabten ist, wirken die Limitationen seines Sohnes noch beschämender. Doch der junge Sandmagier gibt nicht auf in seinem Bestreben, eines Tages ein wahrer Sandmeister zu werden.

Unglücklicherweise hat das Schicksal andere Pläne. Durch eine Tragödie ist Kenton gezwungen, eine komplett unerwartete Richtung in seinem Leben einzuschlagen. Dabei macht er die Begegnung mit einer mysteriösen Herzogin von der Nachtseite, die ebenfalls in dringender Angelegenheit unterwegs ist. Werden die beiden in der Lage sein, sich gegenseitig in ihren Zielen zu unterstützen?

Weißer Sand weist viele Elemente auf, welche typisch für Brandon Sandersons Werke sind. Die Sandmagie ist ein spannendes Konzept, welches gleichzeitig klaren Regeln und Limitationen folgt. Sandmagier*innen sind mächtig, doch bei weitem nicht unbesiegbar. Diese Herausforderungen, gemeinsam mit Kentons eigenen Problemen bei der Beherrschung der Magie, belassen Spannung in der Erzählung.

© Panini
© Panini

Gleichzeitig wird innerhalb kürzester Zeit klar, wie detailliert die Ausarbeitung der Welt von Taladin ist. Innerhalb dieses ersten Bandes erfährt man von einer Vielzahl von Kulturen, Organisationen, Wesen und geschichtlicher Entwicklungen. Jedoch ist dieser Detailgrad ebenso ein zweischneidiges Schwert. Stellenweise fühlt man sich aufgrund der Fülle an Informationen erschlagen. Wenig förderlich ist zudem, dass die Handlung mit einer rapiden Geschwindigkeit voranschreitet. Da sich das Format Graphic Novel durch die visuelle Erzählweise nicht für die Vermittlung vieler Informationen innerhalb kürzester Zeit eignet, bedient sich das künstlerische Team anderer Mittel.

Neben dem visuell Gezeigten finden sich im Band mehrere Seiten, die Hintergrundinformationen in Form von Bucheinträgen vermitteln. So erfährt man beispielsweise auf einer Seite mehr Hintergründe über die Zünfte der Tagseite, kurz bevor diese eine größere Rolle im folgenden Kapitel spielen. Allerdings hinterlässt es einen Beigeschmack, dass zum vollständigen Verständnis der Welt extra Hintergrundwissen in reiner Textform gelesen werden muss. In einer Graphic Novel sollten die Bild-Text-Kombinationen für sich selbst sprechen.

Hinsichtlich der Charaktere nimmt sich das Autorenteam Zeit, diese über mehrere Seiten und Kapitel zu etablieren. Der größte Fokus liegt auf Kenton und der Herzogin Khrissalla, welche die Handlung sichtlich vorantreiben. Einige Nebenfiguren, wie der Leibwächter der Herzogin, erhalten ebenso Aufmerksamkeit, bleiben jedoch eindimensional. Bedauerlicherweise wirken die Gegenspieler*innen zum Abschluss dieses ersten Bandes ebenso stark stereotypisch.

Zeichenstil

Die visuelle Gestaltung der Graphic Novel ist durchgehend auf einem hohen Niveau. Nachdem die Handlung ausschließlich auf der Tagseite des Planeten spielt, kommt eine helle und warme Farbpalette zum Einsatz. Die heiße Atmosphäre der Wüste und deren Umgebung kommt entsprechend zur Geltung. Ebenso ist das Design der Fauna, welche von trockenem Wüstengestein inspiriert ist, originell und interessant zu betrachten.

Neben der ansprechenden Mimik und Gestik der Charaktere sticht besonders die Darstellung der Sandmagie positiv hervor. Wenn die goldenen Bänder um die Wirkenden schwirren, bekommt man ein gutes Gefühl für die Bedeutung dieser Kraft. Besonders in Erinnerung geblieben ist eine Passage, in der Kenton eine schwierige Herausforderung annimmt, um seinen Wert innerhalb der Gemeinschaft zu beweisen.

Darüber hinaus gibt es Kampfszenen, in denen eine Vielzahl von Beteiligten gegeneinander antreten. Die Bewegungen der Kämpfenden wirken stellenweise leider nicht dynamisch genug, um die Hitze eines Gefechts unmittelbar darzustellen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini
  • Autor*innen: Brandon Sanderson, Rik Hoskin
  • Zeichner*in: Julius Gopez
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 196
  • Preis: 24,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Weißer Sand hat all die Grundlagen, welche bei Brandon Sandersons Werken für Interesse sorgen. Die Aufteilung des Planeten in komplett unterschiedliche Tag- und Nachtseiten sorgt für eine spannende Prämisse hinsichtlich der Welt und ihrer Kulturen. Ebenso ist die Sandmagie interessant gestaltet und die Rolle ihrer Wirkenden und deren Einfluss auf die Handlung ein bedeutender Faktor über die gesamte Lektüre hinweg. Ergänzt wird dieser Weltenbau durch eine stimmige Fauna und vielfältige Fraktionen und Interessensgruppen. Gepaart mit der hochwertigen Visualisierung, welche besonders die Wüste und Sandmagie gekonnt inszeniert, sollte es Weißer Sand zu einem klaren Anwärter für die Bestnote machen.

Leider stellt dieser Detailreichtum gleichzeitig die größte Problematik der Graphic Novel dar. Zu viele Hintergründe und Informationen werden über zusätzliche Textpassagen in Form von Bucheinträgen erzählt. Brandon Sandersons Welten wirken schlicht und ergreifend zu detailliert gestaltet, um all die wichtigen Informationen in einer Graphic Novel zu vermitteln. Als Ergebnis wirkt die Handlung stellenweise überhastet, unvollständig erzählt und ihre Charaktere oberflächlich.

Weißer Sand ist eine packende Geschichte. Die berechtigte Frage lautet allerdings, ob das Medium Graphic Novel die richtige Form der Präsentation ist.

 

  • Bewährte Stärken von Brandon Sandersons Romanen, z. B. durch interessante Magie
  • Liebevoll ausgearbeitete Welt mit verschiedenen Kulturen und Fraktionen
  • Visuell gelungen inszeniert
 

  • Detailreichtum der Welt kann nur begrenzt als Graphic Novel dargestellt werden
  • Zum Großteil oberflächliche Charaktere

 

Artikelbilder: © Panini
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Alexa Kasparek
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein