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Nahezu unbemerkt von der Rollenspielallgemeinheit hat der Humakt e.V. das erzählorientierte HeroQuest-Rollenspiel von Chaosium Inc. ins Deutsche übersetzt und sogar schon einen Erweiterungsband herausgebracht. Wir haben mit dem Vorsitzenden Robin Mitra gesprochen, um mehr über dieses versteckte kleine System zu erfahren.

Es passiert ja nicht mehr oft, dass ein Rollenspiel ohne Werbeoffensive, Kickstarterkampagne, Vorbestelleraktion oder sonstiger Öffentlichkeitsarbeit übersetzt und verlegt wird. Bei HeroQuest, einem 2003 bei Chaosium veröffentlichten Rollenspiel von Robin Laws, hat man es aber tatsächlich mit einer solchen Rarität zu tun. Weder Crowdfunding noch sonstige Fanfinanzierung machte das Projekt möglich, sondern rein die Zeit, das Geld und das Engagement des Vereins und seiner freiwilligen Helfer. Grund genug für uns, mit dem Vorsitzenden Robin Mitra mal ein Gespräch zu führen.

Robin Mitra ist Mitbegründer und Vorsitzender von Humakt e.V. Der kleine Verein dient u.a. als Verlag für deutschsprachige Rollenspielbücher. Das erste Buch HeroQuest: Das Regelbuch hat Robin aus dem englischen Original von Chaosium Inc. übersetzt, beim HeroQuest: Abenteuerbuch ist er der Herausgeber. Als gelernter Politikwissenschaftler interessieren ihn persönlich in Abenteuern vor allem die gesellschaftlichen Strukturen, die Verbindung der Charaktere untereinander und die ständige Versuchung der „dunklen Seite der Macht“.

Erste Erfahrungen und Idee

Robin Mitra (c) 2014 Heinrich Helms
Robin Mitra (c) 2014 Heinrich Helms

Teilzeithelden: Hallo Robin. Vielen Dank, dass Du dir Zeit für dieses Interview nimmst. Magst du unseren Lesern vielleicht kurz sagen, was genau HeroQuest eigentlich ist und womit es eben nichts zu tun hat?

Robin: Hallo Marcus, vielen Dank für die Einladung und für die Gelegenheit etwas über uns zu erzählen. HeroQuest ist ein erzählerisches Rollenspiel von Robin D. Laws, das im Original von Chaosium Inc. herausgegeben wird. Dort liegen auch seit vielen Jahren die Namensrechte. Ich habe das Buch ins Deutsche übersetzt und mit Humakt e.V. veröffentlicht. Tatsächlich hat es rein gar nichts mit dem gleichnamigen Brettspiel zu tun, das früher von MB vertrieben wurde.

Teilzeithelden: Wann hattest du das erste Mal Kontakt mit dem Rollenspiel HeroQuest?

Robin: Ich habe es vor ein paar Jahren mit Freunden aus den USA gespielt als es dort herauskam. Es hat mir sofort riesigen Spaß gemacht und ich wusste, dass ich es mit einem besonderen System zu tun hatte. Ich fand es nur schade, dass es HeroQuest noch nicht auf Deutsch gab.

Teilzeithelden: Was hat dich an dem Spiel so fasziniert, dass du es unbedingt ins Deutsche übersetzen wolltest?

Robin: Ich habe beim Spielen sofort gemerkt, dass HeroQuest im Grunde genau das Rollenspiel ist, auf das ich schon so lange gewartet hatte. Egal welches System ich früher gespielt habe, ich persönlich hatte immer das Gefühl, dass es zu kompliziert war und mich beim Spielen eingeschränkt hat. Wie oft hat es Situationen gegeben, bei denen in den Regeln nachgeschaut werden musste, ob eine Handlung, die jemand durchführen wollte, zulässig war oder nicht? Solche Überlegungen oder gar Diskussionen darüber fallen in HeroQuest komplett weg. Wenn eine Aktion in der Spielewelt in der Situation plausibel ist, kann man sie auch durchführen. Auch für die Auswirkungen schaut man nicht in irgendeiner Tabelle nach, sondern es geschieht das, was in der Welt sinnvoll und vor allem unterhaltsam ist.

Auch gefällt mir besonders, dass man mit dem Spielen sofort loslegen kann, denn als SpielerIn braucht man sich das Regelbuch nicht durchlesen. Man braucht noch nicht mal eine einzige Regel kennen. Es reicht, wenn klar ist, in welcher Welt und welchem Rahmen gespielt wird.

Dann kann man loslegen, mit Stift und Zettel seinen Charakter zu beschreiben oder auch nur auf einem Bierdeckel.

Zielgruppe und Thematik

Teilzeithelden: Für welchen Typ Spieler wäre HeroQuest das passende System?

Robin: HeroQuest gefällt vor allem SpielerInnen, die ein Regelsystem nur als Unterstützung sehen, die aber ansonsten mehr Wert auf Unterhaltung und Dramatik legen. HeroQuest unterstützt SpielerInnen und ErzählerInnen darin kreativ zu werden, eigene Ideen zu entwickeln und diese spannend umzusetzen, so wie es am besten zur Welt und zur Szene passt. HeroQuest fragt dabei nicht: „Was ist möglichst realistisch?“ sondern „Wie würde diese Szene in Deinem Lieblingsfilm oder Deinem Lieblingsbuch aussehen?“. SpielerInnen, die eine solche erzählerische Herangehensweise mögen, wird HeroQuest gefallen.

SpielerInnen, die es „crunchy“ mögen, die gerne viel Würfeln und ein festes System lieben, dass ihnen sagt, was geht und was nicht geht, werden mit HeroQuest eher weniger anfangen können. SpielerInnen, die lange Zeit mit solchen Systemen gespielt haben, fehlt erstmal der feste Rahmen, der ihnen Sicherheit gegeben hat. Sobald sie sich aber mutig auf das Neue einlassen, stellen sie oft fest, dass die freie und kreative Erzählweise von HeroQuest ihnen ein ganz neues Rollenspiel-Erlebnis bietet.

Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass Rollenspiel-Neulinge, die vorher noch nie ein Rollenspiel gespielt haben, mit HeroQuest einen sehr leichten und schnellen Zugang finden. Selbst das Spielleiten ist mit HeroQuest für Einsteiger sofort und ohne viel Vorwissen möglich.

HeroQuest Abenteuerbuch -_Frontcover © 2017 Humakt eV
HeroQuest Abenteuerbuch -_Frontcover © 2017 Humakt eV

Teilzeithelden: HeroQuest gehört ja zu den Universal-Rollenspielen, aber in welchem Genre siehst du HeroQuest am besten funktionieren?

Robin: Grundsätzlich funktioniert HeroQuest mit jedem Genre. Dies gilt nicht etwa weil HeroQuest passende Regeln für jedes Genre und jede Welt zu bieten hätte. Ein solches Regelbuch wäre wohl schwerer als man tragen könnte. HeroQuest erreicht die Universalität dadurch, dass es immer wieder fragt, wie ein Schriftsteller oder Drehbuchautor diese Szene lösen würde. Dabei können die Antworten sehr unterschiedlich ausfallen. Eine Kampfszene, die vom Film Der Soldat James Ryan inspiriert wurde, sieht sicherlich völlig anders aus und erlaubt andere Handlungen, mit anderen Auswirkungen als eine Szene, bei der Tiger & Dragon als Inspiration diente, ganz zu schweigen von Hau-aus-den-Sandalen-Szenen wie bei Asterix.

Das HeroQuest: Abenteuerbuch ist ein Beispiel dafür wie vielseitig das System genutzt werden kann. Es enthält auch Abenteuer bei denen SpielerInnen und ErzählerInnen am Anfang entscheiden können, in welchem Genre sie das Abenteuer spielen. So kann dasselbe Abenteuer mal als realistisch-düsterer Action und mal als comichafter Slapstick gespielt werden.

Ich selbst spiele am liebsten in der Welt Glorantha von Greg Stafford. Diese Fantasy-Welt ist reich an eigener Mythologie und Philosophie, es gibt unzählige Kulturen und Religionen und dennoch ist es für Anfänger leicht, einen Einstieg zu finden oder noch „unbekannte“ Gegenden zu entdecken und selbst zu gestalten. Man kann dort genauso gut Liebesdramen spielen, wie epische Schlachten oder eiskalten Horror. Ich spiele aber auch gerne in Genres wie Science-Fiction, Cthulhu, Vampire und auf der historischen Erde – und für jede Welt benutze ich das HeroQuest-System.

Umsetzung des Projekts

Teilzeithelden: Die bisher erschienenen Bücher sind unter der Flagge des Humakt e.V. erschienen. Magst du uns kurz erläutern, was genau der Verein macht und welche Rolle du dort einnimmst?

Robin: Humakt e.V. ist ein kleiner Verein von RollenspielerInnen und Fantasy-LiebhaberInnen. Wir sind kein kommerzieller Verlag, sondern sehen uns als Fan-Projekt. Bisher haben wir zwei Bücher veröffentlicht, zum einen HeroQuest: Das Regelbuch in Übersetzung und Lizenz von Chaosium Inc. und zum anderen das HeroQuest: Abenteuerbuch mit 18 selbst geschriebenen, sehr unterschiedlichen Abenteuern aus verschiedenen Genres und Welten. Ich selbst bin erster Vorsitzender und für den kreativen Teil zuständig, wie Texte, Bilder, Layout etc. Hannah Koppetz ist zweite Vorsitzende und für den technischen Teil zuständig, wie Bestellungen, Organisation, Finanzen und derzeit auch die Neugestaltung unserer Website. Darüber hinaus gibt es glücklicherweise noch einige Freiwillige, die uns unterstützen. Sie haben Abenteuer, Bilder und Fotos beigesteuert, haben Korrektur gelesen und uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Ohne sie wären die Projekte nicht möglich gewesen.

Teilzeithelden: Wie einfach oder schwierig war es – als vergleichsweise unbekannter deutscher Verein – die Lizenz zur Übersetzung von Chaosium zu bekommen?

Robin: Der Weg war umgekehrt. Ich kenne die Macher von Chaosium schon seit 20 Jahren persönlich. Das sind super Leute, die nicht nur fantastische Rollenspiele herausbringen, sondern mit denen man auch gut spielen und Spaß haben kann. Sowohl HeroQuest als auch Glorantha sind im englischsprachigen Teil der Welt schon deutlich bekannter als hierzulande. Als ich denen erzählt habe, dass ich gerne HeroQuest auf Deutsch übersetzen möchte, waren sie gleich begeistert. Den Verein haben wir erst danach gegründet, um dem Ganzen einen rechtlichen Rahmen zu geben, in dem wir agieren können.

Teilzeithelden: Steht ihr weiterhin mit Chaosium in Kontakt für dieses oder eventuelle andere Projekte?

Robin: Ja, wir haben regelmäßig Kontakt mit Chaosium. Derzeit ist ein weiteres Lizenz-Projekt geplant und ein weiteres eigenes Projekt ist angedacht. Es ist aber bei beiden zum aktuellen Zeitpunkt noch zu früh, um über Details zu sprechen.

Die aktuelle Lage und der Blick in die Zukunft

Teilzeithelden: Wie zufrieden seid ihr bis jetzt mit der Entwicklung der Reihe?

Robin: Ich muss sagen, dass es deutlich schwieriger ist ein Rollenspielbuch zu veröffentlichen, als ich mir anfangs vorgestellt habe. Im Laufe des Projekts wird man als doch eher unerfahrener Verleger mit Herausforderungen und Problemen konfrontiert, über die man sich vorher noch nicht einmal Gedanken machte. Ich bin froh, dass dennoch alles so gut geklappt hat. Vieles davon haben wir Freunden und zahlreichen Unterstützern zu verdanken, die an beiden Büchern mitgeholfen haben. Jetzt wünschen wir uns nur noch, dass möglichst viele Menschen die Bücher kaufen, lesen und spielen, damit wir auch in Zukunft mit dem Verein weitermachen und die Reihe fortsetzen können.

Teilzeithelden: Zurzeit kann man die Bücher nur bei euch auf der Webseite erstehen, was einen Zufallsfund eher unwahrscheinlich macht. Gibt es Pläne in Zukunft weitere Vertriebskanäle zu bedienen?

Robin: Das ist in der Tat für so einen kleinen Verein wie uns ein großes Hindernis. Wir arbeiten bisher mit keinem Vertrieb zusammen, der unsere Bücher einem breiteren Publikum vorstellen würde. Egal wie gut unsere Bücher sind und wie vielen Menschen sie vielleicht gefallen könnten, wenn sie nicht bekannt sind, werden sie auch nicht gekauft. Von daher freuen wir uns sehr von Teilzeithelden zu diesem Interview eingeladen worden zu sein. Es ist richtig, dass man die Bücher derzeit sowohl als Hardcover als auch als PDF ausschließlich auf Humakt.com kaufen kann. Demnächst wird die PDF aber auch bei Chaosium erhältlich sein. Darüber hinaus prüfen wir gerade Ebay und DriveThruRPG. Dabei sind aber eine Reihe rechtlicher und logistischer Aspekte zu prüfen, weswegen die Umsetzung noch ein wenig dauern wird. Wir wollen aber nicht nur online vertreten sein, sondern freuen uns auch über jedes Spielegeschäft oder jede Buchhandlung, die unsere Bücher ins Sortiment aufnehmen möchte. Und schließlich hoffen wir auf aktive Mund-zu-Mund-Propaganda, und darauf, dass jeder, dem die Bücher gefallen, es mindestens einer anderen Person weitererzählt.

Teilzeithelden: Zu guter Letzt interessiert uns natürlich auch die Zukunft des Spiels: Wie soll es mit dem deutschen HeroQuest weitergehen? Wie sind eure Pläne für die Zukunft?

Robin: Wir planen für die Zukunft zwei Dinge. Erstens wollen wir unsere beiden bisherigen Bücher bekannter machen. Dazu arbeiten wir an neuen Verkaufswegen, erstellen gerade eine neue Website und präsentieren die Bücher auf Spiele-Conventions. In diesem Zusammenhang freuen wir uns auch über jede Einladung HeroQuest vorzustellen oder Spieletest-Runden anzubieten. Zweitens wollen wir mittelfristig auch weitere Publikationen herausbringen, damit SpielerInnen und ErzählerInnen auch weiterhin mit neuem deutschsprachigem HeroQuest-Material versorgt sind.

Wir sind sehr dankbar für die Hilfe der zahlreichen Unterstützer und hoffen mit deren Hilfe und dem Zuspruch der SpielerInnen in der Zukunft weitere Projekte verwirklichen zu können.

Teilzeithelden: Vielen Dank für deine Zeit und weiterhin viel Erfolg.

 

Beitragsbilder: ©HeroQuest | ©Heinrich Helms, Bearbeitet von Verena Bach

 

5 Kommentare

  1. Hallo Teilzeithelden
    Hallo Robin

    Ich finde das ja sehr spannend und könnte mir gut vorstellen, das HQ tatsächlich auch für die erweiterte Museums oder historisch inspirierte Erlebnispädagogik interessant wäre.
    Zb als Angebot für einen Abenteuererlebnistag mit einer Jugendgruppe in historischer Umgebung.
    (gerade wenn der Einstieg auch für unerfahrene Spieler leicht ist und der Verlauf „kreativ anpassbar“)

    Könntet ihr euch so was vorstellen und wenn ja, könnten wir da Kontakt aufnehmen bzw könnte ich das „System“ mit einem eurer „Erfahrenen“ mal Probespielen?

    • Hallo Tanja,
      ja, ich denke das könnte sehr gut passen. Ein paar unserer eigenen Abenteuer sind tatsächlich durch Museumsbesuche inspiriert worden. Kannst Du uns bitte eine Email schreiben an info@humakt.com. Wir können dann die Details besprechen. Ich freue mich darauf.
      Viele Grüße
      Robin

  2. … hmmm. Ein Punkt hätte mich brennend interessiert:

    Gibt es Kontakte zur RuneQuest Gesellschaft e.V. ? Wenn ja welcher Art …
    Irgendwie finde ich es schon seltsam, dass sich zwei Vereine um Rollenspielkram von Chaosium kümmern, die aber – nach außen – nicht zusammenarbeiten. Wie kommts?

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