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Chris Fano ist vielen noch bekannt durch NSC-Darstellungen im LARP. 2017 hat sie den selbstproduzierten Kurzfilm „Run“ veröffentlicht, der in einem an Shadowrun angelehnten Setting spielt. Henning hat sich in Teil 1 des Interviews mit Chris über den Film und seine Hintergründe unterhalten.

Der Name Chris Fano ist einigen Lesern wahrscheinlich ein Begriff. Sie hat zahlreiche NSC‑Festrollen auf LARP-Events bekleidet, von denen die bekannteste wohl Aniescha Fey aus der Mythodea-Reihe sein dürfte. Abseits des LARPs ist sie auch begeisterte Pen & Paper-Spielerin, und Shadowrun ist schon lange eines ihrer Lieblingssysteme. Aus dieser Liebe zu Shadowrun wurde jetzt ein Fanfilm, bei dem sie verantwortlich zeichnet als Produzentin, Regisseurin, Drehbuchschreiberin und Hauptdarstellerin.

Hinweis: Teil 1 dieses Interviews widmet sich der Entstehung und dem Inhalt des Filmes, Teil 2 widmet sich der Umsetzung und den technischen Details.

Dieses Interview enthält Spoiler zum Film. Wer ihn vorher noch schnell ohne Vorwissen anschauen möchte, findet den Link am Ende des Artikels.

Teilzeithelden: Wie ist es zu dem Filmprojekt gekommen?

Chris: Das Filmprojekt verfolge ich schon seit ca. 2006. Ich habe damals viel in Projekten von Nicolas Mendrek mitgespielt. Das war genial, das hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Nicolas hat alles selbst gemacht: Kamera, Regie, Drehbuch.

Die Kern-Crew bestand aus vier Leuten, Chris Fano im Mittelpunkt.

Wenn man an so einem Projekt teilnimmt, denkt man sich an der einen oder anderen Stelle natürlich auch mal „Hmm, das hätte ich jetzt vielleicht anders gemacht“. Aber da kann man ja viel sagen, wenn man es nicht selbst mal ausprobiert hat. Und so ist in mir der Wunsch nach einem eigenen Filmprojekt gewachsen.

Teilzeithelden: Woher kam die Inspiration für den Film?

Chris: Die Idee für das Setting habe ich mit meinem besten Freund zusammen entwickelt, mit dem ich schon immer mal einen Film machen wollte. Wir haben uns dann recht schnell auf Cyberpunk/Shadowrun geeinigt, weil das unser Lieblings-Setting war.

Teilzeithelden: Gibt es einen konkreten Hintergrund, also setzt Ihr auf eine Weltbeschreibung auf, oder habt Ihr euch da selbst etwas ausgedacht?

Chris: Ich bin grundsätzlich großer Fan des Pen & Paper-Rollenspiels Shadowrun, deshalb wollten wir auch unbedingt etwas in diese Richtung machen. Allerdings war einer unserer wichtigsten Vorsätze, dass wir nur zeigen, was wir auch darstellen können.

Hätten wir allerdings „richtiges“ Shadowrun umgesetzt, hätten wir beispielsweise Metamenschen gebraucht, also Elfen, Zwerge und Trolle. Wir kennen zwar viele tolle Leute, gerade durch die LARP-Szene, aber wir haben es uns maskenbildnerisch nicht getraut, Metamenschen umzusetzen.

Special-Effects wurden sparsam, dafür wirksam eingesetzt.

Mit dem Ankleben von Latexohren ist es für Filmaufnahmen ja nicht getan. Wir hatten Angst, dass der Film dadurch zu trashig werden würde. Aus dem gleichen Grund haben wir uns auch mit Magie eher zurückgehalten.

Teilzeithelden: Worauf habt Ihr bei Kostümen und Ausstattung besonderen Wert gelegt?

Chris: Zunächst einmal die Umsetzbarkeit, auch vom Arbeitsaufwand her. Wir haben ja die meisten Sachen selbst gebaut.

Das ganze Projekt wurde im Kern von vier Leuten gestemmt, wobei mein bester Freund und ich die meisten Kostüme, Settings etc. hergestellt haben. Wir haben sehr viel Zeit und Muße investiert, viele Sachen von eBay zweckentfremdet, und lange gebaut, bis wir zufrieden waren. Wir wollten auf keinen Fall etwas halbherzig machen. Es hat aber auch viel Spaß gemacht, weil wir uns sowieso abends oft getroffen haben – dann haben wir halt mal nicht nur irgendeine Serie geguckt, sondern nebenbei auch Sachen gebastelt. Larper kennen sicher den Reiz gemeinsamer Bastelabende. Oft haben auch weitere Freunde mitgebastelt.

Teilzeithelden: Habt Ihr von vornherein alles einem übergeordneten Design untergeordnet, oder habt Ihr geguckt, was Ihr günstig bekommt, um es zu verbasteln?

Das durchgängige Design wird durch selbst entworfene Labels oder Symbole erhalten.

Chris: Wir haben versucht, ein durchgängiges Design zu erhalten. Dadurch, dass wir die Sachen quasi aus einer Hand hergestellt haben, konnten wir darauf achten, dass sich ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Alle Details sind von uns, wir haben viele Labels oder Symbole selbst entworfen und angebracht.

Teilzeithelden: Wo habt Ihr den Film gedreht?

Chris: Wir hatten uns entschieden, nur einen Haupt-Drehort zu wählen. Es ist einfach wahnsinnig schwierig, ständig den Drehort zu wechseln. Dieser war eine große Berufsschule, die einiges zu bieten hatte, inklusive unterirdischer Gänge und Technik-Räumen.

Einmal wurden wir auch von der Polizei gestürmt.

Teilzeithelden: Aha? Erzähl!

Chris: Wir hatten natürlich jeden einzelnen Dreh bei der örtlichen Polizei angemeldet. Sie hatten unsere Drehpläne und wussten auch genau, wer wann kam und ging. Und wir haben natürlich auch jeden Abend dort angerufen und Bescheid gesagt, wann wir gekommen oder gegangen sind. Dadurch waren wir eigentlich recht gut abgesichert.

An einem Abend war gerade Drehpause, während das neue Set aufgebaut und eingeleuchtet wurde. Auf einmal wurde es im Flur sehr laut. Wir dachten, wir hätten vergessen, die Vordertür abzuschließen, und jetzt wären vielleicht Betrunkene ins Gebäude gekommen.

Diese Szene aus dem Film wurde an einem Abend so ähnlich Realität für das Filmteam.

Ich bin natürlich sofort nachsehen gegangen, und als ich um die Ecke gekommen bin, standen da voll aufgerödelte Polizisten mit drei Hunden. Die Hunde waren aggressiv und wurden von den Polizisten noch zurückgehalten, während andere Polizisten brüllten „An die Wand! Hände hoch!“. Einige unserer Leute standen schon mit den Händen an der Wand. Ich habe erst mal gar nicht begriffen, was los ist.

Ich habe dann nach einer Schrecksekunde die Hände hochgenommen und gesagt „Das ist alles genehmigt. Wir haben eine Genehmigung. Alles ist gut.“, und mich an die Wand gestellt. Die Polizisten haben zurückgebrüllt „Sind hier noch mehr Leute“, worauf ich ihnen geantwortet habe „Ja, die sind hinten im Hof, aber bitte erschrecken sie die nicht zu Tode!“. Davon haben sie sich aber nicht beeindrucken lassen, weiter ihre Nummer durchgezogen und uns mit den Hunden an der Wand in Schach gehalten.

Als wir irgendwann endlich reden durften, waren meine ersten Worte „Ich zahle den Einsatz hier nicht.“ Dann hat sich herausgestellt, dass irgendjemand bei der überregionalen Leitstelle angerufen hat, weil sich wohl irgendetwas Komisches in dem Schulgebäude tut. Und derart große Dinge werden wohl direkt an die Bereitschaftspolizei weitergegeben, ohne mit der lokalen Leitstelle Rücksprache zu halten. Und die sind dann mit drei oder mehr Einsatzwagen angerückt.

Und ausgerechnet einer der Schülerpraktikanten, die ihr Praktikum bei uns am Set gemacht haben, wurde von den Polizisten als erster angetroffen und ohne viel rufen direkt mit dem Gesicht an die Wand gedrückt. Das wird wahrscheinlich der spannendste und krasseste Praktikumsbericht aller Zeiten.

Teilzeithelden: Ich hätte denen ja gesagt „Hey, wenn ihr schon mal da seid, dann könntet ihr eigentlich direkt nochmal reinstürmen, aber wir stellen euch dann die richtigen Leute und ein paar Kameras da hin!“

Chris: Ja, die Polizisten wollten dann auch noch Fotos, und meinten dann auch noch, wir würden schon so ein wenig aussehen wie Einbrecher. „Naja, wir drehen hier einen Einbrecher-Film, sie wissen schon …“

Aber dann hat sich auch alles aufgelöst und es war eigentlich ganz lustig.

Einziges Problem war, dass einer aus unserem Team den ganzen nächsten Tag als Pressesprecher fungieren musste. Anscheinend hören Radiostationen den Polizeifunk ab und dadurch haben die spitzgekriegt, dass die Polizei ein Filmteam gestürmt hat.

Und jetzt wollten natürlich alle wissen, was da gedreht wird. Wir mussten darstellen, dass das kein Fehler von uns oder unserer lokalen Polizei war, sondern schlichtweg ein Kommunikationsfehler.

Aufwändig gebaute Requisiten setzen optische Highlights.

Teilzeithelden: Eine der interessantesten Klammern des Filmes ist meiner Meinung nach, dass die Eröffnungsszene erst in der allerletzten Szene erklärt wird.

Chris: Genau. Es wird viel hin- und hergeschnitten und passiert auf verschiedenen Zeitebenen. Der Film beginnt eigentlich mit dem Ende. Man muss ihn wahrscheinlich mehrmals schauen, bis man alles versteht. Man kann den Film aber auch einfach nur anschauen und genießen.

Teilzeithelden: Ich finde es schön, dass ihr erst kurz vorm Ausschalten der Plasmawaffen zeigt, wie ihr das Problem im Vorfeld gelöst habt.

Chris: Genau … das zieht sich durch den Film. Der Nerd fragt nach dem Geld, eben weil er das Teil gekauft hat, und die Teamleiterin tut das einfach nur ab und hakt es auf ihrer inneren Checkliste ab, und wir erklären erst später, was das ist und wofür sie es brauchen.

Eine andere Szene, die etwas untergeht, aber die ich sehr lustig finde, ist die, in der der Typ dutzende von Waffen umlädt, nachdem ihm gesagt wurde, dass das Team subtil vorgehen soll. Kurz darauf wird erst klar, dass er das getan hat, um die Chipkarten zu bekommen.

Die dichte Atmosphäre wird unterstützt durch die durchdachte Lichtchoreografie.

Teilzeithelden: Der Film ist keine leichte Kost, man muss schon aufpassen, um mitzukommen, was da eigentlich gerade passiert – und wann. War das Absicht?

Chris: Uns war schon in der Planung klar, dass ihn wahrscheinlich nicht jeder versteht. Er ist kompliziert geschnitten, und der Bezug der Szenen wird nicht immer sofort klar.

Teilweise haben wir auch mit den Normen gebrochen. Beispielsweise haben unsere Charaktere keine Namen. Wir haben auch keine Establisher. Rafael hatte beispielsweise darauf bestanden, dass wir den Van, in dem die Charaktere sitzen, von außen zeigen müssen, damit die Zuschauer wissen, wo sie sitzen. Wir haben es aber trotzdem nicht gemacht, weil es für die Szene egal ist, wo sie sitzen.

Immer wieder kommt es zu sehr schönen Bildkompositionen.

Ich habe bewusst gesagt, dass wir mit dem Film wahrscheinlich nicht den Geschmack von jedem treffen. Das wollte ich aber auch gar nicht. Ich finde den Film toll so, wie er ist. Er hat viel Humor, aber man muss ihn zwei, dreimal ansehen, um einige Sachen zu verstehen oder die versteckten Dinge zu finden.

Teilzeithelden: Also habt Ihr quasi einen Kunstfilm gedreht?

Chris: Ja … nur … ich finde, Kunstfilme … naja … manchmal so … Arte … es rennt halt keiner nackt durchs Bild.

Teilzeithelden: Naja, fast …

Chris: <lacht>. Aber ich würde ihn nicht als Kunstfilm bezeichnen, es steckt mehr dahinter, als man auf den ersten Blick sieht. Ich wollte den Film genau so haben. Der Film ist mein Baby. Der bedeutet mir wahnsinnig viel.

Der zweite Teil dieses Interviews, der sich um die Realisierung des Projektes dreht, erscheint am 8. August.

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Artikelbilder:  © Chris Fano, Screenshots: „Run“ Kurzfilm

 

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