Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Eine von langer Hand geplante Spielsitzung ist für die meisten Rollenspielgruppen Routine. Falls das gemeinsame Spiel aber ganz unerwartet stattfindet, müssen einige Besonderheiten beachtet werden, damit der Spaß nicht auf der Strecke bleibt. Wir untersuchen, was spontane Spielrunden ausmacht und wie sie zum gelungenen Erlebnis werden.

Viele Rollenspielgruppen kennen die Situation, denn sie tritt leider viel zu oft ein: Man hat endlich einen Termin für ein gemeinsames Abenteuer mit der alteingesessenen Gruppe gefunden, alles ist vorbereitet, die Kampagne kann weitergehen. Dann sagt jemand kurzfristig ab und es kann nur mit voller Besetzung sinnvoll weitergespielt werden. Was tun?

Andere Szene: Der Abend sollte eigentlich für Brettspiele oder einen Film genutzt werden, aber irgendwie haben doch alle Beteiligten Lust auf Tischrollenspiel. Es besteht für diese Personenkonstellation aber keine laufende Kampagne mit fertigen Charakteren. Was tun?

In beiden Fällen lautet die Antwort: Spontane Spielrunde! Es werden neue Charaktere erschaffen, ein kurzes Abenteuer gespielt und am Ende des Tages zufrieden die Würfel eingepackt. Ganz einfach. Oder etwa nicht?

Völlig spontane Spielrunden können ohne Frage Spaß für alle Beteiligten bringen, falls man es richtig angeht. Das Ergebnis der Spielrunde kann aber auch ernüchternd ausfallen, falls bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt werden. Im Folgenden haben wir einige Faktoren untersucht, die beachtet werden sollten, um eine spontane Runde Tischrollenspiel erfolgreich verlaufen zu lassen.

Das A und O der spontanen Spielrunde

In vielerlei Hinsicht ist die spontane Spielrunde ein One Shot. Die Gruppe erschafft Charaktere, um  mit diesen ein abgeschlossenes, einzelnes Abenteuer ohne nachfolgende Kampagne zu spielen. Oft werden in diesem Fall aber die Charaktere im Vorfeld erschaffen, vielleicht sogar von der Spielleitung vorgegeben, um perfekt ins Abenteuer zu passen.

Denn das Abenteuer ist im Vorfeld ebenfalls geplant und ausgearbeitet worden, um ein Maximum an Stimmung und Spannung zu erzeugen. Der One Shot ist damit auf einen oder mehrere Abende konzentrierte Vorbereitung. Bei einer komplett spontanen Spielrunde muss diese Vorbereitung erzwungenermaßen wegfallen.

Das bedeutet aber nicht automatisch, dass eine solche Spielrunde zum Scheitern verurteilt ist. Spontanes Spiel birgt, richtig umgesetzt, ebenso seinen eigenen Reiz. Mit einigen simplen Tricks kann man dafür sorgen, dass alle Personen am Spieltisch Spaß haben.

Der entscheidende Faktor für diesen Spaß ist häufig Zeit. Die spontane Spielrunde ist auf einen Termin beschränkt, an dem alles passieren muss. Die zur Verfügung stehende Zeit sollte also nicht verschwendet werden.

Die Wahl des richtigen Regelsystems

Beyond the Wall ist ein leichtes und kooperatives System, das ganz ohne lästige Vorbereitung die Werkzeuge bereitstellt, um spontane Abenteuer zu erleben.

Alles beginnt, wie so oft, mit der Wahl des passenden Rollenspiels. Einerseits lässt sich nicht jedes Regelsystem gut spontan verwenden. Manche Spiele sind wiederum dafür gemacht, ohne Vorbereitung gespielt zu werden.

Ein geeignetes Regelsystem sollte sich immer dadurch auszeichnen, nicht zu komplex auszufallen. Wenn die spontane Spielrunde zu großen Teilen aus dem Nachschlagen von Regeln besteht, kann der Spaß schnell auf der Strecke bleiben. Insbesondere falls Personen am Tisch sitzen, die das System noch nicht kennen, müssen die Regeln schnell zu erlernen sein.

PbtA-Spiele stellen die Geschichte in den Fokus und bieten Regeln an, die deren genretypischen Eigenheiten unterstützen.

Die Charaktererschaffung sollte ebenfalls schnell von der Hand gehen. Idealerweise bietet das Regelsystem feste Archetypen, die von den Spielern individualisiert werden können. Eine freie Charaktererschaffung mit Generierungspunkten oder vergleichbaren Ressourcen frisst zu viel Zeit für spontanes Spiel. Idealerweise bietet die Charaktererschaffung direkt einen Mechanismus, um die Charaktere miteinander in Beziehung zu setzen. Dann entfällt die obligatorische Kennenlernszene und es wird Zeit gespart.

Das Grundsystem basiert auf W20 plus Attributsmodifikator plus weiteren Modifikatoren gegen Zielzahl.

Viele Systeme, die das Label Powered by the Apocalypse tragen, erfüllen alle Kriterien für eine komplett spontane Spielrunde. Wer mit dem sehr narrativen Ansatz dieser Art von Rollenspielen nicht glücklich wird, kann mit Beyond the Wall zu einem klassischen d20-System greifen, das speziell auf spontane Spielrunden abgestimmt ist. Wer es etwas härter mag, greift zu Shadow of the Demon Lord und lässt eine Gruppe von Charakteren der Stufe 0 leiden.

Die Bedeutung abgeschlossener Abenteuer

An einem normalen Spielabend sucht man, wenn die Zeit gekommen ist, einen schönen Endpunkt im Abenteuer und vertagt das weitere Spiel. Selbst bei einem One Shot kann die Handlung meist problemlos auf mehrere Sitzungen ausgedehnt werden. Bei der spontanen Spielrunde ist dies etwas schwieriger.

Normalerweise findet eine solche Spielrunde als Ersatz einer etablierten Runde statt, oder als Alternativprogramm mit einer Besetzung, die nicht als reguläre Spielrunde existiert. Ob ein angefangenes Abenteuer, das im Rahmen einer Spontanrunde nicht beendet wurde, jemals weitergespielt wird, ist also fraglich. Wie sorgt man aber dafür, dass das Abenteuer auf jeden Fall abgeschlossen wird?

Zunächst liegt die Verantwortung hier bei der Spielleitung, indem ein Abenteuer ausgesucht oder improvisiert wird, das kurz und simpel genug für eine Sitzung ist. Verworrene Plots, tiefschürfende Ermittlungen und lange Reisen sind fehl am Platz, wenn vor Ende des Abends das Ende der Geschichte in Sicht sein soll.

Die oben genannten Systeme bieten sehr funktionelle Abenteuer, die sich angenehm innerhalb einer Sitzung spielen lassen, ohne dabei langweilig zu sein. Im Falle von Beyond the Wall enthält das Regelwerk sogar eine Mechanik, um solche Abenteuer mit Hilfe von Zufallstabellen zu generieren. Man kann selbstverständlich ein eigenes kleines Szenario vorbereiten, indem man einige Eckpunkte festlegt und dann improvisiert.

Neben der Spielleitung sind aber auch die Spieler in der Verantwortung, das Abenteuer an einem Abend abzuschließen. Wer sonst gerne mal mit jedem NSC plaudert oder die Interaktion zwischen den Spielercharakteren bis ins Detail ausspielt, sollte in einem spontanen Abenteuer ein wenig Abstand von dieser Art des Spiels nehmen und stattdessen den Plot im Auge behalten und vorantreiben. Falls dann Gelegenheiten zum Charakterspiel liegen bleiben, kommt immerhin die Geschichte zu einem Ende und die ganze Angelegenheit fühlt sich runder an.

Wenn so alle Beteiligten an einem Strang ziehen, steht dem Abschluss der Geschichte in einer Sitzung nicht mehr viel im Weg. Zudem wird für alle Beteiligten am Ende ein besseres Gefühl bleiben, als wenn das Abenteuer mittendrin abgebrochen und womöglich niemals beendet wird.

Die Notwendigkeit der angepassten Ansprüche

Nachdem ein passendes Regelsystem und ein kurzes Abenteuer ausgesucht worden sind, kann eigentlich losgespielt werden. Aber es fehlt noch eine wichtige Zutat für den gelungenen Spontanabend. Und die können und sollten alle Personen mitbringen, die sich an den Spieltisch setzen.

Beim Thema der abgeschlossenen Abenteuer ist es schon angeklungen, hier soll es noch einmal deutlich gesagt werden: Eine spontane Spielrunde lebt davon, dass alle Beteiligten sich auf die spezielle Situation einlassen. Wer nicht mit der richtigen Geisteshaltung an die Sache herangeht, wird unter Garantie frustriert sein und sollte vielleicht lieber zum gemeinsamen Brettspiel oder einem Film greifen.

Diese Geisteshaltung besteht vor allem in angepassten Ansprüchen. Es ist großartig, wenn im Normalfall Spieler wie Spielleitung die Messlatte hochlegen, um das bestmögliche Spielerlebnis zu kreieren. Ausgefeilte Plots, realistische Charaktere mit Tiefgang und einzigartige Hintergrundwelten mit erinnerungswürdigen Nichtspielercharakteren sind eine wundervolle Sache. Aber in einer spontanen Spielrunde sind sie selten zu finden.

Wer von einer solchen Runde makellosen Höchststandard erwartet, muss damit rechnen, desillusioniert zu werden. Die Umstände erlauben nur recht einfache Szenarien, deren Hauptcharaktere sehr kurzfristig entstanden sind und deshalb eher schablonenartig funktionieren. Die gespielten Geschichten orientieren sich vermutlich an den klassischen Formeln und werden das Rad der Narrative nicht neu erfinden.

Damit soll nicht gesagt sein, dass im spontanen Spiel keine besonderen Erlebnisse möglich sind. Man sollte nur nicht mit zu hohen Erwartung ins Spiel einsteigen und sich im Falle des Falles einfach positiv überraschen lassen. Spaß machen kann solch ein Abenteuer in jedem Fall. Und mehr als das sollte gar nicht Ziel des Abends sein.

Fazit

Egal, aus welchem Grund spontan gespielt wird, alle Beteiligten erwartet eine Spielrunde, die sich von der routinierten Kampagnensitzung deutlich unterscheidet. Die Tatsache, dass es an jedweder Gelegenheit zur Vorbereitung mangelt, verlangt von allen teilnehmenden Personen eine gewisse Dämpfung der Erwartungen an die Runde. Etwas Unmögliches zu erwarten, führt immer zwangsläufig zur Enttäuschung.

Damit trotzdem Spaß aufkommen kann, sollte ein leichtgängiges Regelwerk ausgewählt werden, das entweder allgemein bekannt oder schnell vermittelt werden kann. Wenn dann noch eine fixe Charaktererschaffung möglich ist und Hilfestellungen zum Improvisieren kleiner Abenteuer geboten werden, ist das optimale Spiel für die spontane Runde gefunden. Regelschwergewichte oder unbekannte Systeme hingegen sind mit viel Vorsicht zu genießen.

Bei der Erstellung oder Auswahl des gespielten Abenteuers sollte darauf geachtet werden, nicht den Rahmen zu sprengen, damit die Gruppe eine Chance hat, innerhalb einer Sitzung die Geschichte abzuschließen. Die Spieler sind ebenfalls dazu angehalten, das Szenario lösungsorientiert anzugehen und sich auf etwas einfachere Plots einzulassen.

Wenn all diese Voraussetzungen erfüllt werden, kann auch eine spontane Rollenspielrunde Spaß für alle Beteiligten bieten. Und besser als gar nicht zu spielen ist es allemal, oder?

Artikelbilder: © blackregis2 | depositphotos.com, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

 

5 Kommentare

  1. Mhm, bei uns wird generell mit sehr wenig vorheriger Ausarbeitung und idealerweise ohne vorgegebenen „Plot“, stattdessen mit offenen Szenarien gespielt.
    Hält das Spiel überraschender, vermeidet Railroading und unnötige Vorbereitung wird minimiert.

    So spielen wir immer, und das jede Woche :D

  2. würde auch auf freie und leichtere systeme wie nipajin oder space pirate (lite regelwerk) verweisen, oder die kleine reihe von system matters um einen one-shot zu spielen
    lg m

  3. Haha! „Spontane Spielrunden“! Der Brüller!

    Der Text lautet doch zu 99,99% eher „Überraschung! Wir spielen heute NICHT!“
    Also wo bleiben die „Tipps für spontan freie Abende“?

    ;)

  4. Bei uns sind zur Zeit auch „Beyond the Wall“ und das PbtA-basierte „Der Sprawl“, letzteres vor allem wegen der Missionen auf einer Seite. Früher waren das eher Dungeonslayers‘ „Dungeons-to-Go“ und auch, wie oben genannt, Space Pirates.
    Wobei sich für mich als SL inzwischen herausgestellt hat, dass nicht das Regelwerk das Entscheidende ist. Die Vorbereitung des Abenteuers macht es aus. Hier kommt vor allem die Zeitersparnis her. Meine Runde kennt ihre Chars und das Setting, da fix etwas hineinbauen geht idR ganz gut.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein