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Spätestens seit den weltweiten „Fridays for Future“-Demonstrationen von Schülern ist das Thema Erneuerbare Energien so aktuell wie nie. Während die Entwicklungen in der Realität gefühlt nur sehr langsam voranschreiten, versorgen wir in diesem schlanken Kartenspiel für zwei Personen unsere Städte ganz schnell mit sauberer Energie.

Erneuerbare Energien wurden in Brett- und Kartenspielen bisher noch nicht häufig thematisiert. Hatsuden von Itten Games lässt zwei Spieler in die Rolle von konkurrierenden Konzernen schlüpfen, die nicht nur den Energiebedarf ihrer eigenen Städte decken müssen, sondern auch die Oberhand in insgesamt fünf verschiedenen Typen von Energieerzeugung behalten wollen. Um zu gewinnen, muss man beides im Auge behalten, und eine gehörige Portion Kartenglück kann auch nicht schaden. Daraus ergibt sich ein schnelles Duell mit brandaktuellem, ökologischem Thema und Gameplay-Elementen, die beinahe an Klassiker wie Blackjack erinnern.

Spielablauf

Der namensgebende Begriff „Hatsuden“ ist japanisch und bedeutet übersetzt so viel wie „Erzeugung von elektrischer Energie“. Und der Name ist Programm: Die Spieler schlüpfen in die Rollen von zwei Ingenieuren und haben die Aufgabe, ihre zwei Städte mit Energie zu versorgen. Dies geschieht nicht mit irgendeiner Energieform, sondern mit sauberer Energie aus erneuerbaren Quellen. Von jenen gibt es im Spiel insgesamt fünf verschiedene Arten: Sonnenenergie, Geothermie, Wind, Wasser und Biomasse – und daraus setzt sich auch schon der ganze Spielaufbau zusammen. Die fünf farbigen Energieformkarten bilden die Mitte des Spielbereichs und werden nebeneinander gelegt. Direkt daneben platziert man einen Stapel mit insgesamt vier verschiedenen Spezialkarten und den Nachziehstapel, der vor Spielbeginn gut durchgemischt wird. Unter die Spezialkarten legt jeder Spieler seine beiden Stadtkarten, deren Energiebedarf es zu decken gilt. Die sich daraus ergebende Struktur bildet das Grundraster für zehn zu befüllende Kartenplätze. Ausgelegt werden fortan Kraftwerkskarten, die den fünf verschiedenen erneuerbaren Energieformen zugeordnet sind und die jeweils Zahlenwerte von 1 bis 4 haben. Das Auslegen der Karten ist jedoch nicht ganz unknifflig, da gleich zwei Faktoren im Auge behalten werden müssen, denn es wird sowohl horizontal (für die Energieversorgung der Stadt) als auch vertikal (für die Energieformen) gewertet. Nur eine Stadt mit 10 Energiepunkten gilt als optimal versorgt und gibt in der Wertung Punkte.

© Itten Games
© Itten Games

Die Spieler starten mit fünf Handkarten und sind abwechselnd am Zug. Sie dürfen erst eine von vier Aktionen durchführen und dann eine Karte vom Nachziehstapel nehmen.

Die vier Aktionen sind die folgenden:

  1. Kraftwerk bauen:
    Ein leerer Platz wird mit einer Kraftwerkskarte von 1 bis 4 belegt. Das Energieformsymbol auf dieser Karte muss mit dem der betroffenen Spalte identisch sein.
  1. Kraftwerk aufwerten:
    Eine höherwertige Kraftwerkskarte derselben Energieform darf auf ein bereits vorhandenes Kraftwerk ausgespielt werden.
  1. Strommast bauen:
    Jede Rückseite einer Kraftwerkskarte enthält die Abbildung eines Strommasts. Dies dient nicht nur der Dekoration, denn die Karte kann auf ein beliebiges freies Feld gespielt werden. Strommasten erhöhen keinen Energiewert und können nicht aufgewertet werden; man kann sie jedoch einsetzen, um seine freien Kartenplätze zu füllen. Einmal ausgelegt bleiben sie für den Rest des Spiels an ihrer Position.
  1. Bauvorhaben neu bewerten:
    Damit ist nichts anderes gemeint, als eine Karte abzuwerfen. Eine Besonderheit hierbei: Der Ablagestapel ist offen, und der Gegner hat am Ende seines Zuges die Möglichkeit, von diesem Stapel zu ziehen statt vom verdeckten Nachziehstapel.

Darüber hinaus darf jeder Spieler, der eine Kraftwerkskarte mit Wert 4 (dem höchsten Wert) ausspielt, eine der vier verschiedenen Spezialtechnologiekarten nehmen. Diese sollen frischen Wind in den Spielablauf bringen und geben beispielsweise die Möglichkeit, eine Kraftwerkskarte bis zum Spielende verdeckt zu halten oder den Wert einer Energieformkarte für die Wertung am Schluss zu verdoppeln.

© Itten Games
© Itten Games

Auf diese Art und Weise knobeln sich beide Spieler abwechselnd etwa 20 bis 30 Minuten lang durch ihre Spielbereiche. Der erste Spieler, der seinen Spielbereich komplett befüllt hat, triggert das Spielende, und es wird ausgewertet – horizontal und vertikal. Jede mit 10 Punkten optimal versorgte Stadt gibt einen Punkt, leicht unter- oder überversorgte Städte keinen und stark unterversorgte Städte sogar jeweils einen Minuspunkt. Stark überversorgen kann man eine Stadt im Übrigen nicht, da in dem Fall sofort eine Kraftwerkskarte auf einen Strommast umgedreht werden muss. Jede der fünf Energieformen, in der ein Spieler die Vormachtstellung erringen konnte, gibt einen Punkt. Wie immer gewinnt der Spieler mit den meisten Gesamtpunkten, ansonsten müssen sich beide Ingenieure den Sieg teilen.

Was vom Spielprinzip her recht simpel ist, kann in der Umsetzung die Akkumulatoren der grauen Zellen schon einmal zum Rauchen bringen. Da das Spiel als Duell angelegt ist, muss man nicht nur die eigenen Karten, sondern auch die des Gegners im Fokus behalten und beides in Einklang bringen. Strategisches Vorgehen ist gefragt, ebenso aber auch Flexibilität, denn als Ingenieur muss man unbedingt improvisieren können, wenn die Karten einmal nicht so fallen wollen wie im Masterplan vorgesehen. Der Glücksfaktor ist demnach recht hoch und bei der Wahl der Taktik nicht zu unterschätzen. Zu viel Zeit sollte man sich in Hatsuden nicht also lassen, da einem sonst der Mitspieler „davonzieht“: Die vom Hersteller angegebenen 30 Minuten pro Partie sind fast schon der Extremfall. Bis ein Spieler mit dem Befüllen seines letzten freien Platzes das Spiel beendet, ist mitunter nicht einmal die Hälfte dieser Spielzeit vergangen.

Die Beschränkung der Gesamtkartenwerte, die sich durch den Energiebedarf der beiden Städte eines Spielers ergibt, erinnert fast ein wenig an das Prinzip des „Überkaufens“ beim klassischen Blackjack. Jeder muss durchaus etwas riskieren, um gewinnen zu können, aber dennoch eine Gesamtstrategie verfolgen, ohne wahllos hohe Karten auszuspielen.

Ausstattung

Die quadratische Spielschachtel bietet ein kleines Inlay aus Plastik für den Kartenstapel und fasst Spielprinzip und Eckdaten auf der Packung in aller Kürze zusammen.

Das Kartenspiel umfasst neben den Spielanleitungen insgesamt 53 Karten, 40 Kraftwerkskarten, 5 Energieformkarten, 4 Stadtkarten und 4 Spezialtechnologiekarten. Die Haptik der Karten wirkt mit ihrem matten Finish und den abgerundeten Ecken recht hochwertig. Das gesamte Spieldesign von der Packung bis zu den Spielkarten hat einen modernen Look, die Abbildungen sind vorwiegend in Schwarz und Weiß und mit klaren Linien und Formen gehalten. Farben setzen lediglich Akzente, wie etwa bei den Energiequellen. Minimalistisch, aber dennoch nicht lieblos wirken die zarten Details, wie beispielsweise die winzige, gescheckte Kuh neben den Biomasse-Kraftwerken. Die Karten selbst sind, bis auf die Spezialtechnologiekarten, die jeweils einen englischen Begriff zusätzlich zur Abbildung enthalten, ohne Text gestaltet. Auf den Kraftwerkskarten findet man zusätzlich zur farbigen Energieform-Abbildung die Zahlen oben und (auf dem Kopf stehend) unten abgebildet, so dass man mit einem kurzen Blick erfassen kann, was man gerade gezogen hat.

Regeln liegen dem Spiel in drei verschiedenen Sprachen bei, und zwar auf Deutsch, Englisch und Französisch in jeweils einem kleinen Faltprospekt. Sie erläutern das Spielprinzip ausreichend und bieten sogar Platz für eine beispielhafte Abbildung des Spielaufbaus und eine illustrierte Beispielwertung.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Itten Games
  • Autor(en): Naotaka Shimamoto, Yoshiaki Tomioka
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch/Englisch/Französisch
  • Spieldauer: 20-30 Minuten
  • Spieleranzahl: 2
  • Alter: 10+
  • Preis: ca. 15-20 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Oft sticht bei Brettspielen ein Faktor ganz besonders heraus, wie beispielsweise schickes Design, ausgeklügelte Spielmechanik oder etwas ganz anderes. Auch schön ist es aber, wenn Spiele in sich stimmig sind und die einzelnen Komponenten zueinander passen. Hatsuden ist ein kleines, aber feines Spiel, bei dem eben alles zueinander passt: Das Thema passt zum Spielprinzip, und das wiederum passt zum Artwork. Die minimalistischen Grafiken unterstreichen das Thema und unterstützen das simple Spielprinzip. Dabei fügen sich auch Kleinigkeiten, wie zum Beispiel die Strommasten auf den Spielrückseiten, die auch eine spieltechnische Bedeutung haben, sehr gut ein.

© Itten Games
© Itten Games

Die kleine Packung und der geringe Platzbedarf des Spiels machen es zum idealen Begleiter für unterwegs, denn das Prinzip ist schnell erklärt und die Karten sind schnell ausgelegt, sodass es außerdem einsteigerfreundlich ist.

Für mehr als ein paar Partien eignet sich das Spiel allerdings nicht. Jede Partie verläuft durch den hohen Glücksfaktor zwar unvorhersehbar, das grundsätzliche Spielprinzip wird aber dennoch schnell langweilig. Ideen für Spielerinteraktion, wie etwa der offene Ablagestapel, wegen dem man sich beim Abwerfen von Karten auch noch überlegen muss, was dem Gegner gerade nutzen könnte, sind nett, können aber in der Praxis aufgrund des hohen Spieltempos nur selten genutzt werden. Heraus kommt trotz der Duellsituation ein oftmals eher interaktionsarmes Spiel, in dem jeder Ingenieur vor sich hin baut. Die vier Spezialtechnologiekarten können zwar für Twists im Spielverlauf sorgen, je nach Partie und Kartenglück machen sie aber leider manchmal überhaupt keinen Unterschied. Mit dem Spiel verhält es sich also ganz wie mit einem Windkraftwerk: Mal weht der Wind sehr kräftig, und manchmal herrscht eben Flaute.

Mit seinem geringen Wiederspielwert und der eher mauen Spielerinteraktion darf man sich also nicht mehr als ein nettes Spiel für zwischendurch erhoffen. Diesem Anspruch kommt das Spiel jedoch sehr gelungen nach. Der Bau von grünen Energiequellen überzeugt mit keinem Faktor ganz besonders, aber das Gesamtpaket ist stimmig. Der Preis ist, gemessen am Packungsinhalt, eher hoch, aber durch die Hochwertigkeit des Spielmaterials gerechtfertigt.

Mit seiner kurzen Spielzeit und seinem geringen Platzbedarf ist Hatsuden jedoch die richtige Beschäftigung im Lieblings-Café zwischen zwei Tassen Bio-Kakao.

Artikelbild: Itten Games, Fotografien: Thekla Barck, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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